Die Kunst der Moderne
dann in kurzen Einzeldarstellungen einzu-
gehen. In knappen, kennzeichnenden Strichen
weiß van den Wijngaert die Sonderart eines
jeden zu umreißen, wobei ein paar Lebens-
daten eingestreut und die hauptsächlichsten
Blätter erläutert werden. xVm Schlüsse des
Bandes findet man einen Oeuvrekatalog aller
behandelten Holzschneider.
Das großformatige Album ist mit Sorgfalt in
5oo Exemplaren gedruckt, und wird dadurch
besonders kostbar, daß ihm zahlreiche, vom
Stock gedruckte Abbildungen beigegeben sind.
Aus dem Vielen, was in Flugblättern und Bro-
schüren zerflattert und schon wieder unauf-
findbar geworden ist, hat der Herausgeber eine
Auswahl getroffen, die ebenso belehrend für
den Laien wie für die Forschung ist. Man be-
sitzt in diesem Album endlich jene Übersicht
über das, was in Flandern auf dem Gebiete
der Typographie vor sich geht, die einem bis-
her fehlte.
Der gleiche Sikkelverlag hat dann noch ein
Sonderalbum mit acht Holzschnitten Henri
van Stratens zum „Ulenspiegel“ herausgege-
ben, einen stattlichen, auf holländisches Büt-
ten hergestellten Band, dessen Illustrationen
die unbändige Fabellust van Stratens ebenso
wie sein außerordentliches technisches Können
schlagend vor Augen führen. Des weiteren il-
lustrierte van Straten eine, im gleichen Ver-
lage erschienene Übersetzung des alten russi-
schen Volksepos von den Kriegerscharen Igo-
rys; die Übersetzung und die erläuternden No-
ten stammen von M. Pols. Die kräftigen, volks-
tümlichen Holzschnitte wurden mit der Hand
koloriert.
Man sieht, daß man in Flandern der moder-
nen Kunst noch nicht, wie in gewissen ande-
ren Ländern, den Rücken gekehrt hat, was um
so erstaunlicher ist, als die Bevölkerung Flan-
derns nur viel geringere Mittel als etwa die
Bevölkerung Deutschlands besitzt, um sich
kostbare Kunst vermittelnde Bücher zu kau-
fen. F. M. Iluebner
G. GRAF: DER NEUE HOLZSCHNITT UND
DAS PROBLEM DER KÜNSTLERISCHEN
GESTALTUNG. Mit 88 Abbildungen nach
Originalholzschnitten. E. Salzer, Verlag.
Heilbronn 1927.
Bekenntnis eines Lehrers der jungen Genera-
tion, der an der Stuttgarter Akademie Graphik
lehrt. Die Wiedergaben stammen von ihm sel-
ber und seinem Schülerkreise. Sie sind beach-
tenswert. Der Holzschnitt hat hier durch grös-
seren Fakturreichtum und präzisere Durchge-
staltung eine Stufe erreicht, die über die
Brückeleute hinausgeht, ohne deren Wucht
fallen zu lassen. Mag Einfluß von Marc, Cam-
pendonc, Mareks bestehen und gelegentlich
mal alte Heimatkalenderkunst einfließen, so
wäre voreilig, von Eklektizismus zu sprechen.
Man hat das Gefühl, daß im Bereiche Grafs,
der guter, gründlicher Lehrer sein muß, in-
nere Zucht herrscht. Die Arbeiten W. Eglins
scheinen mir versprechender als die von Squa-
rise. Die von Graf selber sind nicht minder
gute Qualität. Auch wenn man den theoreti-
schen, ins Philosophische ausgreifenden Text
Grafs nicht immer völlig unterschreiben kann
(Fragen der Raummöglichkeiten, systematisch
dargestellt, sind leider viel komplizierter, vgl.
Carnap „Der Raum“ 1922, Kant-Studien, Er-
gänzungsheft 56), so spürt man doch ehrli-
chen Emst, wirkliche Verantwortung hinter
dieser Gemeinschaft und ihrem Führer.
Roh
RUSSISCHE FILMKUNST. Vorwort von Al-
fred Kerr. Mit it\k Tafeln. Ernst Pollak
Verlag. Berlin-Charlottenburg 4-
Über dem Eifer, mit dem die Propaganda-
zwecke der Russenfilme bekämpft wurden, hat
man meist ganz vergessen, die außerordent-
liche Kunst zu würdigen, die in ihnen ,sich of-
fenbarte. Eine Kunst, die zum Teil auf dem
Gebiete einer erstaunlichen Regie lag, zum
Teil auf einem hochentwickelten schauspiele-
rischen Vermögen und einer Disziplin der
Massen beruhte, wie sie im Film bisher noch
nie gesehen wurde. Diese russischen Schau-
spieler verrieten in nichts die Absicht, persön-
lich beachtet zu werden oder persönliche Er-
folge zu ernten, sondern suchten das Leben
wiederzugeben, wie es ist, darzustellen, was
die Situation forderte. Sie waren der Wirk-
lichkeit so nahe, wie es überhaupt denkbar und
möglich ist. Daß dabei manches unterlief, was
dem westeuropäischen Geschmack unerträg-
lich dünkte, ist eine Angelegenheit, die die
russische Empfindungsweise zu verantworten
hat, aber nicht hindern darf, die Genialität
der russischen Darsteller aufs höchste zu be-
wundern. Leider haben Filme, auch die be-
sten, nur eine kurze Lebensdauer. Daher war
es ein guter Einfall, die großartigen Leistun-
gen der Russen unter Ausschaltung jeder Ten-
denz in einer Form festzuhalten, die ihre
künstlerische Tat als solche festlegt und zum
Ausdruck bringt. Das geschieht nun in diesem
Buche, das aus 29 Russenfilmen in vorzüg-
lichen Drucken Einzelszenen wiedergibt. Teils
handelt es sich dabei um die Leistungen oder
das Mienenspiel bedeutender Schauspieler oder
4, Der Cicerone, Sonderheft »Kunstliteratur«. Dezember 1928
49
dann in kurzen Einzeldarstellungen einzu-
gehen. In knappen, kennzeichnenden Strichen
weiß van den Wijngaert die Sonderart eines
jeden zu umreißen, wobei ein paar Lebens-
daten eingestreut und die hauptsächlichsten
Blätter erläutert werden. xVm Schlüsse des
Bandes findet man einen Oeuvrekatalog aller
behandelten Holzschneider.
Das großformatige Album ist mit Sorgfalt in
5oo Exemplaren gedruckt, und wird dadurch
besonders kostbar, daß ihm zahlreiche, vom
Stock gedruckte Abbildungen beigegeben sind.
Aus dem Vielen, was in Flugblättern und Bro-
schüren zerflattert und schon wieder unauf-
findbar geworden ist, hat der Herausgeber eine
Auswahl getroffen, die ebenso belehrend für
den Laien wie für die Forschung ist. Man be-
sitzt in diesem Album endlich jene Übersicht
über das, was in Flandern auf dem Gebiete
der Typographie vor sich geht, die einem bis-
her fehlte.
Der gleiche Sikkelverlag hat dann noch ein
Sonderalbum mit acht Holzschnitten Henri
van Stratens zum „Ulenspiegel“ herausgege-
ben, einen stattlichen, auf holländisches Büt-
ten hergestellten Band, dessen Illustrationen
die unbändige Fabellust van Stratens ebenso
wie sein außerordentliches technisches Können
schlagend vor Augen führen. Des weiteren il-
lustrierte van Straten eine, im gleichen Ver-
lage erschienene Übersetzung des alten russi-
schen Volksepos von den Kriegerscharen Igo-
rys; die Übersetzung und die erläuternden No-
ten stammen von M. Pols. Die kräftigen, volks-
tümlichen Holzschnitte wurden mit der Hand
koloriert.
Man sieht, daß man in Flandern der moder-
nen Kunst noch nicht, wie in gewissen ande-
ren Ländern, den Rücken gekehrt hat, was um
so erstaunlicher ist, als die Bevölkerung Flan-
derns nur viel geringere Mittel als etwa die
Bevölkerung Deutschlands besitzt, um sich
kostbare Kunst vermittelnde Bücher zu kau-
fen. F. M. Iluebner
G. GRAF: DER NEUE HOLZSCHNITT UND
DAS PROBLEM DER KÜNSTLERISCHEN
GESTALTUNG. Mit 88 Abbildungen nach
Originalholzschnitten. E. Salzer, Verlag.
Heilbronn 1927.
Bekenntnis eines Lehrers der jungen Genera-
tion, der an der Stuttgarter Akademie Graphik
lehrt. Die Wiedergaben stammen von ihm sel-
ber und seinem Schülerkreise. Sie sind beach-
tenswert. Der Holzschnitt hat hier durch grös-
seren Fakturreichtum und präzisere Durchge-
staltung eine Stufe erreicht, die über die
Brückeleute hinausgeht, ohne deren Wucht
fallen zu lassen. Mag Einfluß von Marc, Cam-
pendonc, Mareks bestehen und gelegentlich
mal alte Heimatkalenderkunst einfließen, so
wäre voreilig, von Eklektizismus zu sprechen.
Man hat das Gefühl, daß im Bereiche Grafs,
der guter, gründlicher Lehrer sein muß, in-
nere Zucht herrscht. Die Arbeiten W. Eglins
scheinen mir versprechender als die von Squa-
rise. Die von Graf selber sind nicht minder
gute Qualität. Auch wenn man den theoreti-
schen, ins Philosophische ausgreifenden Text
Grafs nicht immer völlig unterschreiben kann
(Fragen der Raummöglichkeiten, systematisch
dargestellt, sind leider viel komplizierter, vgl.
Carnap „Der Raum“ 1922, Kant-Studien, Er-
gänzungsheft 56), so spürt man doch ehrli-
chen Emst, wirkliche Verantwortung hinter
dieser Gemeinschaft und ihrem Führer.
Roh
RUSSISCHE FILMKUNST. Vorwort von Al-
fred Kerr. Mit it\k Tafeln. Ernst Pollak
Verlag. Berlin-Charlottenburg 4-
Über dem Eifer, mit dem die Propaganda-
zwecke der Russenfilme bekämpft wurden, hat
man meist ganz vergessen, die außerordent-
liche Kunst zu würdigen, die in ihnen ,sich of-
fenbarte. Eine Kunst, die zum Teil auf dem
Gebiete einer erstaunlichen Regie lag, zum
Teil auf einem hochentwickelten schauspiele-
rischen Vermögen und einer Disziplin der
Massen beruhte, wie sie im Film bisher noch
nie gesehen wurde. Diese russischen Schau-
spieler verrieten in nichts die Absicht, persön-
lich beachtet zu werden oder persönliche Er-
folge zu ernten, sondern suchten das Leben
wiederzugeben, wie es ist, darzustellen, was
die Situation forderte. Sie waren der Wirk-
lichkeit so nahe, wie es überhaupt denkbar und
möglich ist. Daß dabei manches unterlief, was
dem westeuropäischen Geschmack unerträg-
lich dünkte, ist eine Angelegenheit, die die
russische Empfindungsweise zu verantworten
hat, aber nicht hindern darf, die Genialität
der russischen Darsteller aufs höchste zu be-
wundern. Leider haben Filme, auch die be-
sten, nur eine kurze Lebensdauer. Daher war
es ein guter Einfall, die großartigen Leistun-
gen der Russen unter Ausschaltung jeder Ten-
denz in einer Form festzuhalten, die ihre
künstlerische Tat als solche festlegt und zum
Ausdruck bringt. Das geschieht nun in diesem
Buche, das aus 29 Russenfilmen in vorzüg-
lichen Drucken Einzelszenen wiedergibt. Teils
handelt es sich dabei um die Leistungen oder
das Mienenspiel bedeutender Schauspieler oder
4, Der Cicerone, Sonderheft »Kunstliteratur«. Dezember 1928
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