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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150-175 (02. Juli 1900 - 31. Juli 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37614#0072

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Zeit in der Chinesenstadt, die bereits in Brand gesteckt
und verwüstet war. Der grötzte Antheil an der
Eroberung fällt den Japanern zu. In der
letzten Zeit hat die immer zahlreicher werdende
chinesische Artillerie immer heftiger geschossen.
Selbst das verhältnißmäßig gut beschützte deutsche Konsulat,
die Bank und das Clubhaus, in dem sich unsere Ver-
wundeten befinden, wurde fast täglich getroffen. Dies
hinderte das notwendige Ausruhen von den großen
Marschstrapazen.
Der Erlaß des Kaisers betreffend die Belohnung für
die Befreiung der in Peking eingeschlossenen Fremden fand
bei allen Nationen dankbare Aufnahme. Der Erlaß ist
verbreitet worden. Der japanische Konsul in Tientsin hofft
Boten für Peking zu finden. Am 15. und 16. trafen
etwa 1000 Japaner ein, der erste Theil der in Aussicht
gestellten Division, am 16. Juli ein Dampfer mit indischen
Truppen.

Deutsches Reich
— Im Gewerkschaftshause zu Berlin tagt gegenwärtig
der vierte internationale Congreß, den die Or-
ganisation der Textilarbeiter veranstaltet. In Man-
chester wurde 1891 das internationale Sekretariat geschaffen,
Las zur Pflege der internationalen Solidarität unter den
Angehörigen der Branche, zum erleichterten Austausch von
Mittheilungen und Erhebungen dienen und so eine Ver-
einheitlichung der verschiedenen Lebensbedingungen in den
verschiedenen Textil-Ländern anbahnen sollte. Gleich im
nächsten Jahre wurde in Gent ein zweiter internationaler
Congreß abgehalten, der die Funktionen dieses Sekretariats
näher präcisirte. Der nächste Congreß, der 1897 in Rou-
baix stattfand, beschäftigte sich mit der Frage des Acht-
stundentags für das Textilgewerbe, wie es überhaupt die
wichtigste Aufgabe des internationalen Congresses wurde,
eine gegenseitige Verständigung in die Wege zu leiten be-
hufs Erlangung gesetzlicher Arbeitcrschutzbestimmungen. Auf
dem diesjährigen Congreß wurde zunächst über den Stand
des Gewerbes berichtet, der an vielen Orten ein ungünstiger
ist. Dann wurde über die Abschaffung der Accordarbeit
berathen. Die englischen Delegirten waren nicht recht
gegen die Accordarbeit in's Feuer zu bringen, ebenso die
belgischen. Bei der Abstimmung stimmten beide gegen die
betr. Resolution. Die Bewegung zum internationalen Zu-
sammenschluß ist, wie auf dem Kongreß geklagt wurde,
eine sehr langsame.
— Uebcr die Verproviantirung der für China
bestimmten Truppen mit Fleischkonserven be-
richtet der Hamb. Corresp., daß die Marineverwaltung
deutsche Fleischkonscrven nicht in der benöthigten Menge
Hobe erhalten können. Deshalb habe sie sich nach Ham-
burg gewendet und dort sofort die erforderliche Menge in
ausländischer Waare von tadelloser Güte und unter jeder
gewünschten Sicherheit gekauft. Das ausländische Büchsen-
fleisch, das nächstens gemäß dem neuen Fleischbeschaugesetz
nicht mehr nach Deutschland herein darf, muß demnach
nicht so grundschlecht sein, wie es neulich bei den Reichs-
lagsverhandlungen vielfach gemacht worden ist. Weiter
läßt sich nicht verkennen, daß in der Thatsache, daß in
einem wichtigen Augenblick die deutsche Fleischversorgung
noch nicht vollständig gerüstet ist, eine gewisse Gefahr liegt.
Im Reichstage wurde allerdings die Versicherung abgegeben,
daß die deutsche Fleischproduktion das zur Zeit noch Fehlende
alsbald nachzuholen in der Lage sein werde.
— Das Militär-Wochenblatt schätzt die chine-
sischen Truppen der Provinzen Tschili einschließlich
Peking und Schantung etwa 87000 Mann Feld-
truppen, davon 60 000 Mann unter dem Oberbefel des
Generals Aunglu.
— Einen ganz besonders feierlichen und erhebenden
Abschied haben die aus Homburg v. d. H. zu der
Chinesenkompagnie ausrückenden Freiwilligen der 80cr er-
lebt. Unsere Kaiserin, deren Herzensgüte Jedermann
kennt, ließ es sich nicht nehmen, den Soldaten persönlich
Lebewohl' zu sagen. Sie befahl die Freiwilligen, elf an
der Zahl, nach dem Kaiserlichen Schloß und hielt thränen-
den Auges eine tief ergreifende Ansprache. Sie bedauerte
das Unglück dieses leider unvermeidlichen Kampfes und
erbat den Segen Gottes für das Beginnen der braven
Kinder des Vaterlandes. Alsdann überreichte sie jedem
Soldaten und Chargirten ein Bild des Kaisers. Auf der
Rückseite eines jeden Bildes hatte die hohe Frau eigen-
händig eine Widmung ausgeschrieben, welche lautet: „Den
wackeren Kämpfern für deutsche Ehre, zur Erinnerung ge-
widmet von ihrer Kaiserin Auguste Victoria."
Baden. Karlsruhe, 19. Juli. Die Landpost
schreibt: Unser Parteivorsitzender, Herr Landgerichtsrath
Frhr. E.v. Stockhorner, ist zwar von seiner Krankheit
soweit wieder hergestellt, daß er gestern wieder hierher
zurückkehren konnte; er muß aber demnächst auf längere
Zeit im Gebirge Erholungsaufenthalt nehmen und hat die
Stelle als Vorsitzender des Landesausschusses
niedergelegt. (Hoffentlich wird sein Nachfolger die
Politik der Selbsterniedrigung vor dem Centrum nicht fort-
setzen. Red.)
— Die Badische Korrespondenz bemerkt zum Rücktritt
v. Stockhorners: Selbstverständlich hat der Wunsch nach
Erholung nicht allein in Frhrn. v. Stockhorner den Ge-
danken an einen Rücktritt gezeitigt. Wir sind auch nicht
geneigt, den wiederholt aufgetauchten Gerüchten, wonach
die Landpost demnächst ihr Erscheinen einstellen und damit
die conseroative Partei als solche formell zu existiren auf-
hören würde, Glauben zu schenken; wir haben vielmehr
Grund zu der Annahme, daß neuerdings in der conserv.
Partei die Bauernbündler die Oberhand gewonnen
haben, die nicht länger einseitig dem von Frhrn. v. Stock-
Horner vertretenen kirchlichen Conservatismus, richtiger der
Orthodoxie huldigen, sondern eine frische, fröhliche Bündler-
politik, unter der Aegide des Rcichstagsabgeordn. Lucke,

des Gräfl. Douglas'schen Domänendirektors Hofmann
uud des Frhrn. v. Göler treiben wollen. Schon bei den
letzten Landtagswahlen ist der Bund der Landwirthe mit
Erfolg in die Agitation eingetreten; er wird zweifellos bei
den nächsten Wahlen seine Energie verdoppeln. Die hef-
tigen Angriffe der Bad. Landpost auf den natl. Reichs-
tagsabg. Beck, weil er angeblich für die Einfuhr von
amerikanischem Pöckelfleisch gestimmt und dadurch die In-
teressen der Landwirlhschaft geschädigt habe, gehen vom
Bund der Landwirthe aus und sind ein deutlicher Finger-
zeig. daß die natl. Partei mit der neuen Richtung im
conservativen Lager zu rechnen hat.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Zweite juristische Staatsprüfung. Auf
Grund der in den Monaten Mai bis Juli d. I. abgehaltenen
zweiten juristischen Staatsprüfung wurden folgende Rechts-
praltikanten zu Referendaren ernannt: Dr. Jakob Bär aus
Bruchsal, Karl Bastian aus Haltingen, Emil Baur aus Karls-
ruhe, Bruno Bittter aus Konstanz, Dr. Hermann Blümel aus
Offenburg, Johannes Bohl aus Steißlingen, Johann Bullinger
aus Würmersheim, Dr. Karl Cadenbach aus Burtscheid, Ernst
Deimling aus Karlsruhe, Heinrich Doll aus Mösbach. August
Eppelsheimer aus Bingen, Dr. Anton Erdel aus Wiesenthal,
Ludwig Ertel aus Rastatt, Karl Falk aus Heidersbach, Arnold
Faller aus Lenzkirch, Albert Finck aus Baden, Eduard Frank
aus Konstanz, Dr. Ludwig Frank aus Nonnenweier, Ludwig
Freund aus Mannheim, Dr. August Fritz aus Waldkirch, Dr.
Oskar Geiger aus Ueberlingen, Adolf Groß aus Rastatt, Karl
Haager aus Waldkirch, Fritz Hack aus Leimen. KarlHanser aus
Steinsfurth, Dr. Gustav Hecht aus Odenheim, Graf Bleickard
von Helmstatt aus Freiburg, Emil Holzenthaler aus Ober-
schopfheim, Dr. Max Horstmann aus Heidelberg, Adolf Hugel-
mann aus Oberschopfheim, Karl Hund aus Kappelrodeck, Erich
Jacob aus Dedelow, Ludwig Janzer aus Breiten, Eduard Jm-
hoff aus Görwihl, Fritz Jung aus Würzburg, Christian Kautz
aus Helmlingen, Gerhard Keller aus Hilsbach, Woldemar
Klinkoström aus St. Petersburg, Ernst Klotz aus Helmlingen,
Alois Klug aus Tauberbischofsheim, Hermann Knoth aus Eber-
bach, Adolf Kopp aus Forbach, Albert Kornmajcr aus Mingols-
heim, Richard Langer aus Mannheim, Anton Lindeck aus Mann-
heim, Theodor Löffel aus Kalmar, Adolf Meier aus Offenburg,
Edmund Mickel aus Epfenbach, Gustav Mohr aus Mannheim,
Karl Neuburger aus Handschuhsheim, Dr. Georg Pfreundschuh
aus Rastatt, Dr. Friedrich Quenzer aus Manchester, Dr. Oskar
Reiß aus Karlsruhe, August Renner aus Gam»hurst, Wernher
Freiherr von Rotberg aus Rastatt, Josef Roth aus Karlsruhe,
Adolf Rothmund aus Blumberg, Dr. Karl Schmidt aus
Heidelberg, Otto Heinrich Schmidt aus Heddesbeim, Dr. Hugo
Schräg aus Bruchsal. Paul Schwörer aus Kenzingen, Wilhelm
Siegrist aus Säckingcn, Wilhelm Silbereisen aus Mannheim,
Gustav Trunk aus Waldprechtsweier, Franz Udry aus Kenzingen,
Emil Weber aus Waldkirch, Dr. Theodor Weiß aus Schwetzingen,
Wilhelm Weißer aus Thannheim, Karl Wernigk aus Wollbach,
Alfred Widmer aus Karlsruhe, Eduard Zehr aus Wertheim.

Ausland.
Italien. Neapel, 19. Juli. König Humbert be-
sichtigte heute, überall jubelnd begrüßt, das Arsenal und
die Dampfer, welche die italienischen Truppen nach
China bringen. Nach der Besichtigung richtete der König
an die versammelten Mannschaften einen Tagesbefehl, in
welchem er dieselben ermahnte, mit den Truppen der
anderen Mächte gute Kameradschaft zu halten und sich za
bemühen, das hohe Prestige der italienischen Armee und
die hohe Ehre des Vaterlandes zu wahren.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 20. Juli.
Kohleneinkaufs-Genossenschaft. Gestern Abend fand im
Zwinger die konstttuirende Generalversammlung statt. Sie war
von etwa 400 Personen besucht. Herr Schriftführer Schäfer er-
klärte nach Eröffnung der Versammlung durch den provisorischen
Vorsitzenden Herrn Seufert die Statuten, die nochmals verlesen
wurden. Dann wurden die Unterschriften zur Genehmigung des
Statuts gesammelt. Hierauf wurde zur Wahl geschritten. Die-
selbe hatte folgendes Resultat. In den Vorstand wurden gewählt:
Zuschneider Ludwig Seufert als Vorsitzender, Versicherungs-
deamter Heinrich Schäfer als Schriftführer, Schreiner Georg
Schmidt als Kassier, Kassenbeamter Karl Jost als Beisitzer,
Schriftsetzer Christian Heckmann als Beisitzer und Schriftsetzer
Emil Jsenbiel als Beisitzer. In den Aufsichtsrath: Prof. Dr.
Deißmann, Prof. Grützmacher, Schreiner Christian Rohrer,
Schriftsetzer August Danner, Glasermeister Paul Effner, Fabrikant
Wilhelm Walb, Friseur Philipp Eisiuger. Hauptlehrer Hermann
Gorenflo und Kaufmann Ludwig Rettermann.
(-) Sons» »nä dis Lnuä. Das Konzert von Sousa in der
Schloßwirthschaft beginnt morgen (Samstag) Abend um 8 Uhr.
Nach der starken Hitze, die wir jetzt unter Tags haben, gewährt
der Aufenthalt Abends im Freien doppelten Genuß. Die be-
berühmte Kapelle unter Leitung des Herrn Sousa gibt hier nur
das eine Konzert; der Besuch desselben ist sehr zu empfehlen.
— Unglücksfälle. Der etwa 20jährige Maler- und Tüncher-
gehilfe Arthur Braunnagel aus Baden-Baden fuhr gestern
Abend um 6 Uhr mit einer Einspänner-Bierrolle von Neuenheim
aus über die alte Brücke. In der Nähe des Brückenthurms kam
das Fuhrwerk bei dem starken Gefälle des Weges ins Rollen,
da die Bremse versagte. Der Wagenlenker sprang vom Fuhr-
werk, blieb über am Waagscheit hängen, kam dann zu Fall und
das linke Vorder- und Hinterrad ging ihm über die Brust. Der
Verunglückte, welcher sich hier nur vorübergehend in einer Her-
berge aufhielt und das Fuhrgeschäft aushilfsweise besorgte, trug
so schwere Verletzungen davon, daß er, ins akademische Kranken-
haus verbracht, heute Nacht gestorben ist. — Ein zum Zwecke
der Erbauung eines Bierkellers für die Brauereigesellschaft Rapp
in der Nähe des Güterbahnhofs gegrabener Schacht stürzte ver-
gangene Nacht ein und riß einen oben stehenden Wagen mit in
die Tiefe. Da zur Zeit des Zusammensturzes nicht mehr in dem
Schacht gearbeitet wurde, find glücklicherweise keine Verluste an
Menschenleben zu beklagen.
ill Schöffengerichtsfitzung vom 19. Juli. 1) Karl Stein,
Steinbrecher, und Josef Wesch, Maurer, beide in Neckargemünd,
erhielten wegen Körperverletzung Stein 20 Geldstrafe, Wesch
10 Geldstrafe. 2) Die Verhandlung gegen Benjamin Meroth,
Taglöhner in Mannheim, wegen Betrugs wurde vertagt.
3) Georg Grün, Taglöhner in Rohrbach, erhielt wegen Körper-
verletzung 20 ^ Geldstrafe. 4) Wilhelm Müller, Gärtner in
Neckargemünd, wurde von der Anklage wegen Vergehens gegen
Z183 R.St.G.B. freigesprochen, desgl. 5) Christian Adam Henn,
Eisendreher in Kirchheim. von der Anklage wegen Körperverletzung.
6) Karl Friedrich Askani, Zimmermann in Handschuhsheim, er-
hielt wegen Bedrohung 14 Tage Gefängniß, 7) Martin Schöpf,
Taglöhner in Kirchheim, wegen Körperverletzung 20 Geld-
strafe, die Mitangeklagten Friedrich Maier, Taglöhner, und Adam
Oehl, Eisengießer daselbst, wurden sreigesprochen. 8) Karl
Brandel, Gärtner, und desfen Ehefrau Margaretha geb. Lorenz,
beide in Handschuhsheim, erhielten wegen Hausfriedensbruchs
je 5 Geldstrafe.
— Polizeibericht. Verhaftet wurden ein von auswärts wegen
Straferstehung verfolgter Taglöhner, ein Taglöhner wegen Land-

streicherei, ein Maler wegen Diebstahls und ein Bretzelträger
wegen Unterschlagung. Wegen Unfugs kamen drei Personen zur
Anzeige.
ä. Hirschhorn, 19. Juli. Ein furchtbarer Waldbrand,
der im Nu ganz unberechenbare Folgen hätte haben können, ent-
stand gestern in einem fiskalischen Befitzthum in der Gemarkung
Schönmattenwag. Man wollte in einem abgetriebenen
Rindenschlag nur einige Morgen durch das sogen. Abbrennen
zum Getreidebau vorbereiten, während der größte Theil nicht
gebrannt werden sollte. In Folge der großen Hitze und deS
ziemlich starken Luftzuges gerieth aber die ganze abgetriebene
Fläche in Brand. Das in großen Quantitäten beisammen sitzende,
noch nicht versteigerte Holz schickte thurmhohe Feuersäulen gen
Himmel, so daß die nur 6 Personen betragende Mannschaft des
furchtbaren Feuers unmöglich Herr werden konnte. Wäre nicht
alsbald aus den umliegenden Ortschaften die telegraphisch herbei-
gerufene Hilfe zur Stelle gewesen, so hätte es ohne allem Zweifel
einen Waldbrand gegeben, der stundenlange Strecke der schönsten
Hoch- und Niederwaldungen eingeäschert hätte.
Mannheim, 19. Juli. Die Reifeprüfung am hie-
sigen Gymnasium kam vergangenen Dienstag zum Ab-
schluß. Unter dem Vorsitz des Geh. Ratks Dr. Wendt
konnte diesmal sämmtlichen Abiturienten, 49 an der Zahl,
das Zeugniß der Reife durch einstimmigen Beschluß eriheilt
werden. Herr Geh. Rath Dr. Wendt äußerte sich in seiner
Ansprache an die Abiturienten sehr günstig über die von
denselben bewiesene Frische und Strebsamkeit.
Karlsruhe, 16. Juli. Eine große und feierliche Sitzung des
Naturwissenschaftlichen Vereins Karlsruhe fand
am 13. d. M. statt, zn der die Minister Dr. Eisenlohr und Dr-
Buchenberger, Ministerialdirektor Heil, Geh. Oberregierungsrath
Braun, sowie der Aerztliche Verein in oorxoro erschienen waren.
Es galt den Bericht des Freiburger Hygienikers, Professor Dr.
Schottelius, über seine Pestforschungen in Bombay ent-
gegenzunehmen. Der sehr anschaulich gehaltene Vortrag gab,
nach dem Schwäb. Merk., zuerst ein Bild der Riesenstadt Bom-
bay und der außerordentlichen Schwierigkeiten, die sich der Be-
kämpfung der Pest durch die örtlichen Verhältnisse, durch das
Kastenwesen und die religiösen Vorurthcile der Hindu entgegen-
stellen. Die schlechte Ernährung infolge der Hungersnoth be-
günstigt ebenfalls die Ausbreitung der Seuche; ergreifende Bilder,
wie die Leute vor Hunger dahinsterben und wie die Behörden
ohnmächtig sind, ausreichend zu helfen, wurden eingeflochten, auch
Photographien der zu Gerippen abgemagerten Erwachsenen und
Kinder vorgezeigt. Als bedeutsame Gesichtspunkte seien hervor-
gehoben, daß die Bakteriologie bei der Pest nicht wie bet der
Tuberkulose oder Cholera große Dienste durch rechtzeitige Er-
kennung der Krankheit leisten kann, denn das klinische Mittel:
Betasten der Drüsen, ergibt viel früher eine sichere Diagnose auf
Pest, als es dem Mikroskop möglich ist. Ferner betonte der
Redner, daß eine Ansteckung meist durch eine Verletzung der Haut
ihren Einzug in den Körper halte; solche primäre Ansteckungen,
die kleinen Geschwüren gleichen und wegen ihrer Unbedeutendheit
oft übersehen werden, hat der Vortragende besonders im Arthur-
Roadspital in Bombay mehrfach beobachtet. Wenn die Drüsen
im Stande sind, die eingedrungenen Pestbazillen zu überwältigen,
so tritt Genesung ein; im Anfchwellungsstadium findet man in
den Drüsen wenig lebenskräftige Bazillen, meist abgestorbene
oder sterdende. Sind aber die Drüsen zu schwach, oder dringen
weitere Bazillen von außen nach, so werden die unveränderten
Bazillen von dem Blutprom in den ganzen Körper weiter ge-
führt, und dann ist der Tod mit Gewißheit vorherzusehen. Mit
dem größten Nachdruck betonte der Redner, daß ihm ein Fall
von Ansteckung von Mensch zu Mensch nicht zu Gesicht gekommen
sei. Seit 4 Jahren werden täglich fast 400 Kranke in dem
Althur-Noadspital verpflegt, und nie ist ein Arzt, eine Pflegerin,
ein indischer Diener u. s. w. von der Pest angesteckt worden;
in den anderen Spitälern wurde dieselbe Beobachtung gemacht.
Der Redner vermuthet, daß irgend ein Faktor vorhanden sein
müsse, der an der Oertlichkeik haftet, so daß die Ansteckung von
dem Raum aus erfolgt, in dem man sich aufhält, und man also
mit Recht von Pesthäusern sprechen kann. Die weiße Rasse ist
vermöge ihrer Reinlichkeit gut geschützt gegen die Pest; selbst
wenn einzelne Fälle bei der sehr mangelhaften Quarantäne, wie
sie im Suezkanal ausgeübt wird, in Europa eingeschleppt werden
sollten, so sei an eine Ausbreitung gar nicht zu denken. Die
Unreinlichkeit und Unvorsichtigkeit der Hindu grenze ansUnglaub-
liche, und dicse Zustande verhindern in Indien die Ausrottung
der Krankheir, trotz der vorzüglichen Einrichtung der Spitäler.
Auch in Oporto seien die Zustände nicht einem weißen Volk ent-
sprechend. Bei dem Fall Müller in Wien hättten Ausnahme-
verhältnisse Vorgelegen, namentlich hätte die Reinlichkeit in den
Zimmern zu wünschen übrig gelassen. Der Redner ermuthigte
die Zuhörer, die Besorgniß vor der Pest fahren zu lassen und
der Gefahr, wenn sie näher kommen sollte, fest in's Auge zu
sehen. Reicher Beifall lohnte den fast ll/zstündigen, hochinter-
essanten Vortrag, worauf der Vorsitzende des Vereins, Geh.-Rath
Dr. En gier, diesen Dank in sehr herzliche und anerkennende
Worte lletdete.
8.6. Karlsruhe, 19. Juli. Ter Schah von Persien
wird gegen Ende dieses Monats in Baden-Baden Kur-
aufenthalt nehmen. — Die Exkaiserin Eugenie von
Frankreich trifft heute Abend, von Venedig kommend, auf Schloß
Arenenberg bet Ermatingen (Bodensee) ein und wird nach
Aägigem Aufenthalt über Basel nach Paris Weiterreisen.
8. 0. Karlsruhe, 19. Juli. Der Badische Fischerei-
verein gab auch im letzten Wirthschaftsjahr wieder angebrütcte
Bachforelleneier an badische Fischereibesitzer ab. Auf das Aus-
schreiben des Ministeriums des Innern kamen beim Vorstand
Bestellungen auf 894000 Stück ein, welche alle geliefert wurden.
Das Tausend Eier kostete für die Mitglieder 2 50 für
Nichtmttglieder 3 9100 Zuchtkrebsc wurden letztes Spütjahr
unentgeltlich an Ftschereiinteressenten abgegeben. In den letzten
3 Jahren gelangten tnsgesammt für 30 500 Krebse zur Ver-
theilung. In den Rhein bei Niederhausen wurden 300 3jährige
Karpfen, in den Neckar bei Heidelberg und in die Tauber bei
Tauberbischofsheim je 250 Stück Zander eingesetzt. Der Mit-
gliederbestand des Badischen Fischereivereins beläuft sich auf
17 Korporationen und 176 persönliche Mitglieder. Der Badische
Unterländer Fischerei-Verein zählt 12 korporative und 122 persön-
liche Mitglieder.
L.dl. Karlsruhe, 19. Juli. Der Zustand des Stadtpfarrers
Ha lbig hat sich derart verbessert, daß H. seit 14 Tagen die
Messe liest. Am Sonntag Nachmittag hat er in der Anstalt
Jllenau den Nachmittagsgottesvienst gehalten.
8.IH Kehl, 19. Juli. Viehhändler Friedrich aus Lahr wollte
sich heute Avend in der Nähe des Uebungsplatzes vom badischen
Pionirbataillou Nr. 14 erschießen. Die Waffe hatte er gegen
den Kopf gerichtet, der Schuß ging in's Gehirn; doch war er nicht
tödtlich. Schwerverletzt wurde Friedrich in das Spital nach
Stadt Kehl verbracht.
8. 0. Buchholz, 18. Juli. Heute Nacht schlug der Blitz in
die Baumwollspinnerei Hager uud v. Hofer. Das Haupt-
gebäude brannte total nieder. Die Fabrik ist gut versichert.
Etwa 80 Arbeiter sind durch den Brand beschäftigungslos ge-
worden.
Freiburg, 19. Juli. Eine große Anzahl von nichtinkor-
porirten Studenten der hiesigen Universität hatte sich, lt-
Breisg. Ztg., gestern Abend, einer Einladung Folge leistend, in
der Festhalte eingefunden, um den Vorschlägen einer Organisation
der freien Studentenschaft näher zu treten. Der Einberufer,
Herr Studiosus Richard Blochmann, begrüßte die Versammlung
und gab seinem Dank für das zahlreiche Erscheinen Ausdruck-
Nach Verlesung zweier Telegramme, welche an S- K. Hoh. den
Großherzog und an Herrn Staatsminister Dr. Nokk abgesandt
wurden, erstattete Herr Blochmann sein Referat. Aus der daraus
folgenden Diskussion, an welcher sich viele Herren, auch Her?
Prof. Dr. Steinmann, betheiligten ging als Ergebniß hervor»
 
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