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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 228-254 (01. Oktober 1900 - 31. Oktober 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37614#0347

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^rnsprech-!

Anschluß Nr. 82.

HeiilklbMl ZeitN».

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Ar. 232.

Freitag, dt» 5. Oltadrr

!8V0.

Zur chinesischen Angelegenheit.
Wolffs Telegraphen-Bureau meldet: der Kaiser von
^hina den Mächten ein vom 25. September datirtes
°dict unterbreiten, in dem die Bestrafung einer
Anzahl namentlich aufgeführter Prinzen und
^roßwürdenträger wegen Begünstigung der
A°ker angeordnet wird. In Voraussetzung der
Echtheit dieses Edictcs hat die deutsche Regierung
önr Durchführung des in ihrer Rundnote vom 17. Sept.
.^'geregten Verfahrens den Mächten weiter vorgcschlagen,
nch nunmehr dahin zu einigen, die diplomatischen
Vertreter in China zur Prüfung und Begut-
achtung folgender dreiPunkte anzuweisen: 1. Ob
°'e in dem Edicte enthaltene Liste der strafbaren Personen
^nügt und richtig ist; 2. ob die in Aussicht gestellten
Strafen angemessen sind; 3. in welcher Weise die Aus-
Ehrung der Bestrafung von den Mächten zu controliren
'st. Die bisher vorliegenden Meldungen über die Auf-
nahme dieses Vorschlages durch die Mächte berechtigen zu
°er Annahme, daß sich ein allseitiges Verständniß
darüber ergeben wird.
Ucber die Art der Strafen, die den Prinzen und
^cohwürdenträgern zugedacht ist, erfährt man aus der
obigen Kundgebung nichts, man kann also auch keine Ver-
suchung darüber anstellen, ob die Gesandten sie für aus-
reichend erklären werden. Kürzlich hieß es einmal, dem
Prinzen Tuan sei die offizielle Dienerschaft entzogen
worden. Wenn das die ganze Strafe ist, dann muß man
W der That sagen, sie ist sehr wenig empfindlich. Eigent-
lich gehörte es sich, daß einer ganzen Anzahl von Man-
darinen, namentlich den Herren Yunglu und Tungfuhsian,
der Kopf vor die Füße gelegt würde. Aber das scheint
chinesischerseits nicht in Aussicht genommen zu sein,
wenigstens hieß es dieser Tage in einer Berliner Ver-
lautbarung, die sich wohl auf Kenntniß des amtlichen
Materials stützt, in Bezug auf die Hinrichtung der Haupt-
schuldigen gebe man sich keiner falschen Erwartung hin.
Und was speziell Yunglu anbetrifft, der sich beim Angriff
auf die Gesandtschaften hervorthat, so ist derselbe bekannt-
lich als Friedensunterhändler bezeichnet worden; fürwahr ein
de» sich die Mächte nicht gefallen lassen können.
Die Times macht darauf aufmerksam, daß auch Li-
Hung-Tschang nicht gut Unterhändler sein könne, seit er
Wieder zum Vicekönig von Tschili ernannt sei und seine
"ältliche Residenz in Tientsin habe. Wenn unter solchen
Umständen die Verhandlungen in Tientsin stattfänden, so
Würde ganz China glauben, daß die Gesandten als um
Frieden Bittende, und nicht als den Frieden Diktirende
kämen.
Nach einer Washingtoner Laffan-Meldung hat am
b. ds. der deutsche Geschäftsträger dem amerikanischen
Staatssekretär angezeigt, daß Deutschlands Stellung die
lei, daß es vollkommen zufrieden sei, falls China freiwillig
die acht Schuldigen bestrafe. Er habe ferner mit-
Setheilt, und eine gleiche Mittheilung sei den übrigen
Mächten zugegangen, Deutschland werde niemals der
Eröffnung der Friedensverhaudlungeu im Wege stehen.
Die Zahl acht wird in dieser Washington-Meldung zum
ersten Mal genannt; früher einmal wurde die Zahl
künf angegeben. In Bezug auf die Friedensverhand-
l.Ungen hatte Deutschland früher den Standpunkt: erst Be-
strafung der Schuldigen, dann Verhandlungen. Wenn die
Washingtoner Meldung richtig ist, hätte Deutschland in
diesem Punkte insoweit nachgegeben, als es dem Beginn
der Verhandlungen zustimmt, obgleich noch nicht feststeht,
daß der Umfang und die Art der vom Kaiser von China
Erhängten oder beabsichtigten Strafen genügend sind.

Spätherbsttage.
Novelle von R. Busch.

4) (Forsetzung.)

. .Wenn er mich nur nickt bald ganz vergißt über all der
fugend dort", begann der Professor wieder. .Männlein und
fNttulein, die alle so viel anziehender sind als so ein ver-
brauchtes, altes Menschenkind! Ich bin immer für ihn zu
baden, Frau Anna, schon weil es Ihr Junge ist. Und dann
bat er auch noch mehr von Ihnen adgekommen als Ihre
Anderen Kinder, nicht nur die Äugen, auch das andere, das
sonnige. Lebensfreudigel Er ist mir ans Herz gewachsen,
der Schlingell"

^ .Er ist mein Jüngstes und mein Verzug," sagte sie weich.
»Er war so klein bei meines Mannes Tode, so viel lünger
°ls die anderen Kinder. Da habe ick mich mit allen Herz-
lasern an dies Jüngste angehängt und kann nun nimmer los.
7" Ach, Professor, Sie können wohl ruhig sein und über mich
jachen. Sie brauchen sich um kein eigen Kind zu quälen, und
sogar das läßt euch Männer ja kühler und klarer als uns.
Aber wir Mütter, wir armen Mütter! Kaum sind wir
Pit Müh und Noth mit all dem Sehnen und Wünschen
'urs eigene Leben fertig geworden, so sängt alle Unruh'
üsieder von vorne an mit den Kindern und für die Kinder-!"

- Der alte Herr nickte. .Ja und für eure Kinder seid ihr
orauen dann noch viel begehrlicher und thörichter als früher
lür euch selbst und euer eigenes Dasein. Die Besten unter
juch find so — leider!" Er sah seine Gefährtin mit klugen
Augen an und schüttelte leise den Kops.

.Und merkwürdig, es ist dann, als hättet ihr umsonst
aelebt und nichts bei all dem eigenen Leiden gelernt! Sogar
alles, was ihr Ungerechtes von Euresgleichen erfahren habt,
'bas euch einmal so heiß gekränkt und empört hat, vergebt ihr

Das Concert der Mächte ist durch die Nachgiebigkeit
Deutschlands wieder hergestellt und heute schallt es aus
Washington, Paris und Berlin: einig, einig, einig!

Deutsches Reich.
— Ueber den nunmehr im Reichsamt des Innern fertig-
gestellten Gesetzesentwurf, betr. die Besteuerung der Süß-
stoffe, verlautet, daß auf Saccharin eine Konsumsteuer
in der Höhe von 80 Mark für das KZ., das ist das 6-
bis 8fache des Engroshandelspreises der Waare, in Vor-
schlag gebracht wird. Ferner wird in dem Entwurf der
Vertrieb des Saccharins auf die Apotheken beschränkt.
— General-Feldmarschall Graf v. Blumenthal,
der schon seit vielen Monaten in Quellendorf bei Köthen
zur Erholung weilt, hat einen schweren Krankheitsanfall
erlitten, der zeitweise zu Besorgnissen Veranlassung gab.
Obgleich Graf Blumenthal im Hause seines Schwieger,
sohnes, des Generalleutnants v. Oettinger, die weitestgehende
und aufopferndste Pflege genießt, ist in seinem Befinden
doch eine erhebliche Verschlechterung eingetreten, wovon so-
gar dem Kaiser Mittheilung gemacht worden ist. — Nach
den neuesten Nachrichten hat sich das Befinden das Mar-
schalls gebessert.
— Zwei Fragen in Bezug auf den Neunuhr-
ladenschluß erledigen sich nach dem Konfektionär in der
Art, daß der Schluß nicht Geschäftsschluß überhaupt bedeuten
soll, sondern nur den Schluß des Verkehrs mit dem Publi-
kum. Ange stell le dürfen demnach auch nach 9 Uhr
innerhalb der sonst vom Gesetz gezogenen Grenzen beschäf-
tigt werden. Engrosgeschäfte fallen nach derselben
Quelle nicht unter das Gesetz, da nach der ganzen Fassung
des § 139 o der Novelle zur Gewerbeordnung nur Detail-
geschäfte getroffen werden sollen.
— Ueber die Ausreise der Truppen-Transport-
dumpfer nach China liegen folgende letzte Meldungen vor:
Dresden (N.D. Lloyd) 1. Oct. in Taku.
Gera (N.D. Lloyd) 1. Oct. in Amaya.
Andalusia (Hamb.A.L.) 2. Oct. in Singapore.
Arcadia (Hamb.A.L.) 2. Oct. in Colombo.
Crefeld (N.D. Lloyd) 2. Oct. in Colombo.
Roland (N.D. Lloyd) 2. Oct. in Colombo.
Valdivia (Hamb.A.L.) 3.Oct. Colombo vasstrt.
Baden. Karlsruhe, 4. Oct. Die Minister Dr.
Buchenberger und Dr. Schenkel reisen morgen nach
Paris, insbesondere zur Besichtigung der badischen Kunst-
gewerbe-Ausstellung. In ihrer Begleitung wird sich der
Kunstgewcrbeschuldirektor Götz befinden, der die Ausstellung
organistrt und sich die größten Verdienste um sie erworben
hat. Später folgt der Referent für Handel und Gewerbe,
Geh. Oberregierungsrath Braun, nach.
L.6. Karlsruhe, 3. October. Nach einer Statistik für
die badischen Mittelschulen studirten an Gymnasien
2222 Katholiken, 2052 Evangelische. 73 Altkatholiken und 307
Juden; an Realanstalten 3580 Katholiken, 4324 Evangelische,
80 Altkatholiken und 752 Juden. Es sind also die Katholiken
an Gymnasien mit 47,46 Proz., an Realanstalten mit 40,77 Proz.
betheiligt, die Evangelischen mit 43,83 bezw. 49,45 Proz., die
Juden mit 6,56 bezw. 8,57 Proz., während die Katholiken der
Bevölkerungszahl nach 60,75 Proz. haben müßten und auf die
Evangelischen nur 36,97 Proz, auf die Juden gar nur 1,50 Proz.
entfielen. Unter 485 Abiturienten der badischen Mittelschulen
befinden sich 232 Katholiken (nahezu 48 Proz.), 221 Evangelische
und 36 Juden. Zieht man die Theologen ab, so sind es
40,73 Proz. Katholiken, 51,7 Proz. Evangelische und 6,34 Proz.
Juden.
Baden-Baden, 3. Oct. Sonntag den 7. d. Mts.,
Vormittags 11 Uhr, findet, dem Bad. Tagebl. zufolge,
im Conversationshause hier eine Sitzung des engeren
Ausschusses der nat.-lib. Partei Badens statt,
an welcher auch die zur nat.-lib. Fraktion des Landtags
gehörenden Abgeordneten theilnehmen werden.

Elsaß-Lothringen. In Bezug auf den Ausfall der
Bezirkslagswahlen ist weiter zu melden, daß auch in Mül-
hausen der Kandidat der vereinigten Ordnungs-
parteien, Gutsbesitzer Rust, über den sozialdemokratischen
Gegner siegte. Das ist die zweite Niederlage der Sozial-
demokratie in dieser Stadt innerhalb kurzer Zeit. Bekannt-
lich ist auch der Reichstagssitz für den Kreis Mülhausen
in die Hände der Ordnungsparteien übergegangen.

Aus der Karlsruher Zeitung.
-Hof-Ansage. Wegen Ablebens Seiner Hoheit des
Prinzen Bernhard Heinrich von Sachsen-Weimar-
Eisenach legt der Grobherzogliche Hof von heute an die
Trauer auf 8 Tage bis zum 11. October einschließlich nach der
4. Stufe der Trauerordnung an. Karlsruhe, den 4. Oct. 1900.
Großh. Oberstkammerherrn-Amt. Freiherr von Gemmingen.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Geheimen Registrator bei der Königlich Preußischen General-
Ordenskommission, Kanzlcirath Prell in Berlin, das Ritter-
kreuz zweiter Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
nachgenannten Offizieren und Beamten der Kaiserlichen Marine,
und zwar: den Oberleutnants zur See Berger und ».Rosen-
berg von der Ostseestation, dem Leutnant zur See v. Pales ke
von der Nordscestation, sowie dem Marinsingcnienr Tietge
und dem Marinezahlmeister Beilke von der Ostseestation das
Ritterkreuz zweiter Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen
verliehen, den Sekretär der Zolldirektion Johann Keller unter
Verleihung des Titels Finanzassessor zum zweiten Beamten der
Beztrksfinanzv erwaltung mit Hauptamtsverwaltersrang und den
Finanzpraktikanten Otto Zeno Schulz von Kippenheimweiler
unter Verleihung des Titels Finanzassessor zum zweiten Beamten
der Bezirksfinanzverwaltung mit Hauptamtskontroleursrang er-
nannt.
— Finanzassessor Johann Keller wurde dem Hauptsteuer-
amt Karlsruhe und Ftnanzassessor Zeno Sch ulz dem Haupt-
steueramt Konstanz zugetheilt; ferner wurden die Finanzassessoren
Franz Kremp beim Hauptsteueramt Singen zum Hauptsteuer-
amt Karlsruhe. Karl Dietrich beim Hauptsteueramt Konstanz
zum Hauptsteueramt Singen und Emil Ehrenmann beim
Hauptsteueramt Mannheim zum Sekretariat der Großh. Zoll-
direktion versetzt.
— Der frühere Expeditionsassistcnt Anton Eder wurde
wieder zum Expeditionsassistenten ernannt.
Karlsruhe, 4. Oct. Der Erb gro ß Herzog und
die Erbgroßherzogin sind gestern Abend von Schloß
Mainau nach Koblenz abgereist, von wo dieselben sich dann
zu dem am 6. d. M. in Kiel stattfindenden Slapellauf des
Kreuzers bei dem die Erbgroßherzogin infolge Ein-
ladung des Kaisers die Taufe vollziehen wird, begeben
werden. Die Erbgroßherzoglichen Herrschaften wohnen in
Kiel bei dem Prinzen Heinrich von Preußen. Der Kgl.
Italienische Botschafter Graf Lanza, welcher mit dem Bot-
schaflssccretär Orsini den gestrigen Tag auf Schloß Mainau
verweilte, reiste heute Vormittag 10 Uhr nach Friedrichs-
hafen und sollte dort heute Mittag von dem König voll
Württemberg empfangen werden. Hiernach gedenkt der
Botschafter sich nach Berlin zu begeben. Heute Abend trifft
Major von Schwerin zur Vortragserstattung in Schloß
Mainau ein.

Ausland.
Belgien. Brüssel, 3. Okt. Anläßlich des gestrigen
militärischen Zapfenstreiches zu Ehren der Vermählung des
Prinzen Albert mit der Prinzessin Elisabeth in Bayern kamen
gestern in Gent ernste Unruhen vor. Mehrere tausend
Sozialisten veranstalteten eine republikanische
Gegenkundgebung, sangen die Arbeiter-Marseillaise und
bewarfen die vorbeiziehenden Soldaten mit Steinen.
40 Unteroffiziere, welche den Zapfenstreich eskortirten, zo-
gen schließlich die Säbel und jagten die Ruhestörer aus-
einander. Der Vorfall erregt überall großes Aufsehen.
Asien. Die Times berichtet aus Peking vom 26.
September: Der russische Gesandte v. Giers hat seinen

dann, ihr Mütter, — und thnt es andern ruhig an, wenn es
eucrn Jungen nützlich ist!"
Sie sah ihn von der Seite an. Wie ein rasches Ver-
stehen glilt es über ihr Gesicht, aber sie frug wieder: „Was
soll das, Professor?"
Er nickte ihr freundlich zu. „O, Sie wissen schon, was
ich meine, Frau Anna. Ich habe nur an meine Mutter
gedacht und an alles, was sie uns beiden angethan hat ,n
unseren jungen Jahren,-und daß Sie jetzt den beiden
dort unten am liebsten dasselbe anthun möchten!"
Er wies hinunter. Dort auf den großen Steinblöcken im
Wasser, die zum Schutze der Bucht als Wellenbrecher vor
das kleine Vorgebirge gelegt waren, standen die beiden jungen
Gestalten. Schlank und dunkel hoben sie sich von dem Hellen
Wasser ab. Hilde war am weitesten hinausgektetlert- Als
ob sie sich nach der Ferne da draußen sehne, stand sie auf
dem großen, grauen Felsblock. Sie hatte den Hut abge-
nommen und ließ sich den Seewind um Stirn und Haar
weben. Auch von hier oben sah man die Anmuth in Haltung
und Linien der jungen Gestalt und den Sonuenglanz auf all
dem wirren, krausen, bellen Haar.
Die Alten hatten schweigend eine Weile ihre Gedanken
weitergedacht. Dann sagte Frau Anna mit ihrem hübschen,
jungen Lachen: „Ja Professor, unsere Jugend! Schön war
es doch — warum ist denn nur alles so anders mit uns ge-
kommen ?"
„Meine Mutter hat's gewollt, die alte Geschichte." sagte
er leise. «Oder vielmehr sie hat's nicht gewollt, denn das,
was sie durchaus gewollt hat, habe ich denn doch zum Schluffe
nicht gethan. Meine Fügsamkeit war nur Passiver, nicht
aktiver Natur, und zu der großartig ausgedachten „guten
Partie" hat sie mich denn doch nicht bringen können und
hat es so recht thöricht gemacht mit mir in ihrer über-
großen Liebe!"
„Ja, sie hat's nicht gut mit uns gemeint," sagte Frau
Anna, „und nur, weil ich damals nichts war und nichts
hatte! Ich Hab' auch gemeint, das Herz müßte mir darüber

brechen. — Aber sie ist nun schon lange todt, und ich trage
ibr längst nichts mehr nach — Gott Hab' sie selig, Ihre
Mutter!-Es ist auch so viel Gras über die alten Ge-
schichtengewachsen. daß es ganz lustig ist, einmal mit einander
zu reden. Und wer weiß, ob es nicht doch so am besten für
uns beide gewesen ist!"
„Ja, Frau Anna, Sie haben gut reden, denn Sie sind
freilich auch so prächtig mit dem Leben fertig geworden. Sie
hatten damals kaum Zeit zum Unglücklichsein. — dann kam
Ihr Brautstand und Ihre glückliche Ehe und das reiche
Leben mit Ihren Kindern. Ihnen hat meine Mutter nicht
viel anhaben können, aber mir, dem sie es recht gut machen
wollte, hat sie doch viel verdorben am Leben."
„Ach, Professor, Sie haben's doch auch immer gut und
bequem gehabt und sind ganz was Großes und Berühmtes
geworden. Ich habe immer meine Helle Freude an Ihnen
— und daß wir uns nun so freundlich im Aller wieder be-
gegnet sind!"
„Nein, Frau Anna, etwas ganz Rechtes und Gesundes
wird aus keinem Menschen, der allein durch das Leben geht,
wie ich es gemußt habe.-7 Freilich, Sie haben auch
anderswo hineingepaßt, so ein gesundes Gewächs faßt
überall Wurzel und schlägt von neuem aus. Man nennt
das bei uns „Anpassungsvermögen". Ich habe leider nicht
viel davon gehabt und babe mich deshalb an nichts und
niemand mehr recht gewöhnen können."
„Schön gequält hätt' ich Sie, Professor. Mit meinem
Alten habe ich das auch so gemacht, aber der wußte sich
schon zu wehren!" ^
_ (Fortsetzung folgt.)
Kleine Zeitung.
— Heilbronn, 1. Oct. Der Direktor der Schleppschifffahrt
auf dem -Neckar, Max Harttung, ist, dem Schw. Merk, zufolge,
heute im Alter von 52 Jahren gestorben.
— Der Dürkheimer Wurstmarkt hat einen stattlichen Verlauf
 
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