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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 176-202 (01. August 1900 - 31. August 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37614#0139

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Fernsprech-Anschluß Nr. 83

Xr. 183.

Dimrsti-, den 9.A«M

rsov.

Generalfeldmarschall Graf Waldersee als
Oberkommandirender in China.
Wie man weiß, haben sich die Admirale vor Taku nicht
darüber einigen können, wer Oberkommandirender der Ver.
kündeten in China sein solle. Man vermuthet, daß dies
mit ein Grund für die Verzögerung des Vormarsches auf
Peking gewesen ist. Deutschland, das bisher nur mit einer
ganz geringen Streitmacht in China vertreten war, hat in
der Frage des Oberkommandirenden keine eigene Meinung
vertreten, sondern erklärt, es schließe sich jedem Vorschlag
an, der die Zustimmung der anderen Mächte finde. Trotz-
dem ist aber, wie gesagt, eine Einigung nicht erzielt worden.
Nun wird die Kommandeur-Frage auf einmal in sehr
überraschender Weise gelöst. Der Hann. Courier meldet
unterm 8. d.r
Der Kaiser fragte am Montag Abend beim Grafen
Waldersee telegraphisch an, ob er, um die weite-
ren Differenzen zwischen den Verbündeten in China
wegen des Oberbefehls zu beendigen, geneigt sei, nach
China zu gehen, um dort den Oberbefehl über
die Truppen allerMächte zu übernehmen
und ob der Kaiser ihn für diesen Posten bei den
Mächten in Vorschlag bringen könne. Graf Wal-
dersee stimmte zu. Er reiste heute Mittag nach
Wilhelmshöhe zur Meldung und Entgegennahme wei-
terer Instruktionen.
Die Köln. Ztg. faßt die Nachricht folgendermaßen:
Aus zuverlässiger Quelle verlautet, daß General-
Feldmarschall Graf v. Waldersee zum Ober-
befehlshaber der verbündeten Truppen in China
ernannt worden sei.
Man darf annehmen, daß die Mächte, da die Admirale
nicht einig werden konnten, sich an den deutschen Kaiser
um Bezeichnung des Oberkommandirenden wandten. Aus der
Form der Notiz des Hann. Kour. ist zu vermuthen, daß
der Kaiser um einen Vorschlag ersucht worden ist, dessen
Annahme im voraus zugesichert wurde. So würde sich
auch erklären, daß die Köln. Ztg. schon von der definitiven
Ernennung Waldersees spricht. Da der deutsche Gesandte
in Peking hingemordet worden ist, während die anderen
glücklicherweise — noch leben, so ist Deutschland unter
allen Mächten am stärksten von China verletzt und be-
leidigt worden, was ihm ein gewisses moralisches Anrecht
auf die Führung des Rachezuges gibt. Aber cs ist für
Deutschland doch eine große Ehre, den Feldherrn für den
chinesischen Krieg stellen zu dürfen.
Das- Eine allerdings geht aus der Ernennung Walder-
sees hervor: die chinesische Expedition wird viel mehr Zeit
in Anspruch nehmen, als man bis vor Kurzem vermuthete.
Zur Reise nach Tientsin braucht Waldersee ca. 6 Wochen.
Er würde also den Oberbefehl faktisch erst gegen Ende
September übernehmen können. Inzwischen würde er ver-
Ruthlich das Kommando einem der Offiziere, die in Öft-
esten find, als seinem Stellvertreter, übertragen, sodaß die
Führerfrage dort sogleich provisorisch gelöst wäre.
Generalfeldmarschall Graf Alfred v. Waldersee, der
Derzeitige Generalinspekteur der dritten Armeeinspektion, die
°as 7., 8., 11. und 18. Armeekorps umfaßt, hat am
April d. I. sein 68. Lebensjahr vollendet. Seit Jahren
war er für den Ernstfall als Oberbefehlshaber einer Armee
i« Aussicht genommen. Den deutsch-französischen Krieg
Mt er als Generalstabsoffizier mitgemacht und er gilt
lür einen der hervorragendsten Militärs der Gegenwart.
Nun bekommt er Gelegenheit zu zeigen, was er kann.
Wilhelmshöhe, 8. Aug. Graf Waldersee ist
deute Mittag mit Gemahlin bei dem Kaiserpaar ein-

10)

Kalliope Mavros.
Erzählung von Adolf Flachs.
(Fortsetzung.)

^ Nachmittags kam wieder der Arzt. Er verließ das
^nkenzimmer mit einer tiefen Falte zwischen den Brauen,
««le hae starkes Fieber, es wird wohl eine Lungenentzündung
.Erden," theilte er Kochanowskis mit und schickte sich an fort-
üMehen.
r. »Sie kommen doch heute Abend noch einmal, Herr Doktor/
Aare" wi? stus einem Munde und fast mit denselben Worten

esse

er und Sohn. Und Frau Jadwiga fügte, um ihr Inter-
nst bezeugen, rasch hinzu:
A. »Selbstverständlich . . . nicht wahr, verehrter Herr Doktor,
'E th„n uns das zu Liebe?"
-- »Abends bin ich wieder hier . . . Kalliope zu Liebe,"
wwerte fast schroff Dr- Kärnthner und empfahl sich.
«»-Stanislaus hatte sich einen Stuhl zu Kalliopes Thür
kon«?ätt und saß da stundenlang auf Wache. Manchmal
schi«, -Ei das Weinen nicht bemeistern. In Gedanken be-
T«,. ".E er sich mit den abscheulichsten Worten, weil er ein
dj-Menlchls war. der sich in Spelunken herumtreibt, muß
"schuldige, süße Kalliope leiden, ach, am Ende gar zu
jjh "i'de gehen? Es erfaßte ihn ein Schauer und gleichzeitig
iichk-^ Ein Haß gegen sich selbst, wenn er diese Mög-
knUElt ln Betracht zog. Instinktiv zog er an seinen Haaren,
find " ttch ins Fleisch um sich selbst Schmerz zu bereiten.
er nahm sich vor, fest und unwiderruflich, wenn das
schj/Eckl'che geschehen sollte, sich an ihrer Bahre zu er-
fich? r>- Lange aber konnte er doch nicht an diese entsetz-
*eann>» denken, es widerstrebte ihm, sich Kalliope
Wan d starr, todt vorzustellen oder sich auszumalen, wie
n Sarg in die Erde senkte. Nein, nein, tausendmal
' Es kann nicht sein, daß ein solcher Engel in der

Hamburg, 8. August. Wie die Hamb. Börsenhalle
hört, hat der Kaiser von Rußland an Graf Walder-
see ein Telegramm gerichtet, in dem er ihm seine Freude
über Waldersees Ernennung zum Oberbefehlshaber aus-
spricht.
Wien, 8. Aug. Die Ernennung des Grafen Walder-
see wird hier allgemein freudig begrüßt. Betreffs
der Mittheilung, daß die Ernennung bereits vollzogen sei,
glaubt man hier, daß es sich vorläufig um einen Vorschlag
Deutschlands und Rußlands handle.

Die neueren Nachrichten aus Peking.
Von Peking liegt heute eine Reihe von Meldungen
vor. Fast alle europäischen Regierungen, ebenso die japa-
nische und die amerikanische haben von ihren Vertretern
in Peking kurze Mittheilungen erhalten, die aus neuerer
Zeit datiren.
Berlin, 8. Aug. Vom ersten Legationssekretär der
deutschen Gesandtschaft in Peking, v. Be low, ist im
Auswärtigen Amt diese Nacht folgende Depesche einge-
troffen: Tsinan, 4. Aug. Seit dem 21. Juli ist unsere
Lage unverändert. Es hat weder ein Massenangriff
der Truppen auf uns, noch Granatfeuec stattgefunden.
Der Gesundheitszustand der Gesandtschastsmitglieder ist
verhältnißmäßig gut. Die Verwundeten sind auf dem Wege
der Besserung. Der zweite Dolmetscher Cordes ist
wieder hergestellt.
Rom, 8. Aug. Der Minister des Auswärtigen er-
hielt auf direktem Wege eine mit der Unterschrift des ita-
lienischen Gesandten in Peking, Salvagoraggü
versehene chiffrirte Depesche ohne Datum, die durch das
telegraphische Bureau des Tsing-Aamen übermittelt ist.
Salvagoraggi bestätigt darin die Ermordung des deutschen
Gesandten und berichtet, daß die belgische, österreichisch-
ungarische und italienische Gesandschaft geräumt seien.
Das Personal der Gesandschaften flüchtete mit den Mis-
sionaren und den sonstigen fremden Staatsangehörigen in
die britische Gesandtschaft, in welcher 700 Aus-
länder versammelt seien. Es scheine, als ob die kat hu-
sche Mission im Norden der Stadt noch vertheidigt
würde. Der Schutz derselben wird von 30 franzö-
sischen und 10 italienischen Marinesoldaten
ausgeübt. In der britischen Gesandtschaft seien noch für
zwei Wochen Nahrungsmittel.
Brüssel, 8. Aug. Der Minister des Auswärtigen
erhielt ein Telegramm aus Peking vom 2. August, unter-
zeichnet Joostcns, belgischer Gesandter. Dasselbe
lautet: Vom 4. Juni bis 16. Juni verteidigten wir mit
acht österreichischen Marinesoldaten unsere Gesandtschaft,
ohne sie retten zu können. Die österreichische, holländische
und italienische Gesandtschaft sind gleichfalls niedergebrannt,
die französische Gesandtschaft liegt in Trümmern. Alle
Fremden sind in der englischen Gesandtschaft versammelt,
wo sie von den chinesischen Truppen belagert werden.
Seit dem 20. Juni bis heute wurden von den Marine-
soldaten und Freiwilligen 58 getödtet und 70 ver-
wundet. Die Angriffe hörten seit dem 17. Juli auf.
Die Lebensmittel sind fast erschöpft. Wir hoffen in der
nächsten Woche befreit zu werden. Alle Belgier in Peking
sind wohlbehalten.
Haag, 8. Aug. Die niederländische Regierung erhielt
heute eine aus Peking „Tsnng-li-Iamen 8. Aug. 5""
datirte Depesche, welche für authentisch gehalten wird. Sie
besagt, daß die niederländische Gesandtschaft am 22/ Juni
niedergebrannt worden sei. Der niederländische Minister-
resident und die sämmtlichen Angehörigen der Gesandtschaft

Blüthe seiner Jugend sterbe. Nein, sie wird und muß
wieder gesunden, sie wird sich nur noch schöner und lieb-
licher vom Krankenlager erbeben ... zu langem, glücklichem
Leben. Und dann will er aber auch anders werden. Nie
wieder soll sein Fuß die Bahn des Lasters oder doch des
Leichtsinns betreten — das schwört er sich zu. Und er wird
an die technische Hochschule gehen nach Paris! Nein, das
wäre zu weit — nach Wien! . . . Auch nicht! Nach
Bukarest! Denn wie sollte er es denn aushalten, Kalliope
Monate lang nicht zu sehen, an ihrem freundlichen, aus der
Tiefe ihrer schönen Seele kommenden Blick, an ihrer klang-
vollen Stimme sich zu laben? Er will mit Feuereifer
studiren, er fühlt es in sich, er wird es weit bringen, und
dann, an Ehren reich und im Besitze einer glänzenden
Stellung, dann will er an die göttliche Kalliope eine Frage
richten . . .
V.
Dr. Kärnthner sah täglich drei-, manchmal auch viermal
nach der Kranken, deren Zustand sich immer mehr verschlimmerte.
Wenn das Fieber besonders heftig über sie kam, rief sie,
ohne sich dessen bewußt zu sein, oft: „Komm doch, Papa . . .
komm bald zu Deiner Kalliope, bring meinen Zappa aus Kon-
stantinopel mit, den liebe ich aus ganzer Seele . . . ganz so
wie Dich." Das wurde Frau Jagwiga erzählt, die sich das
merken wollte ... für alle Fälle. Im Fieber plaudert so
mancher seine Geheimnisse aus oder hin und wieder ein
Wort, das später einmal zu einem wichtigen Anhaltspunkt
werden kann. Geheimnisse wissen, ist immer gut, das bildet
manchmal eine gute Angriffs- oder Vertheidigungswaffe,
dachte sie.
Dr. Kärnthner war nun auch so trostlos wie Stanislaus,
was der aufmerksam beobachtenden Frau des Hauses nicht
entging. Der Arzt mochte den jungen Mann jetzt weniger
leiden als früher, weil dessen leicht zu erkennende Liebe für
Kalliope ihm als eine Anmaßung erschien. „Ein so lieder-
licher, jeden Ernstes barer Jüngling wagt es anders als mit

seien wohlbehalten. Sie hofften in 14 Tagen befreit
zu werden.
Washington, 8. Aug. Das Staatsdepartement
empfing dem Bureau Reuter zufolge gestern Abend eine
Depesche des amerikanischen Gesandten in Peking, welche
besagt: Wir werden noch immer belagert; unsere
Lage ist bedenklich. Die chinesische Regierung besteht
darauf, daß wir Peking verlassen, doch würde dies
unter sicherer Hut sein. Die kaiserlichen Truppen richten
täglich ihr Gewehrfeuer auf uns. Es fehlt uns nicht an
Math, aber an Munition und Mundvorrath. Zwei fort-
schrittlich gesinnte Mitglieder des Tsung-li-Aamen wuroen
hingerichtet. Die Angehörigen der amerikanischen Gesandt-
schaft sind wohl. Diese Depesche des amerikanischen Ge-
sandten ist ohne Datum, jedoch wurde sie wahrscheinlich
nicht vor dem 30. Juli und nicht nach dem 2. August
abgesandt.
London, 8. Aug. Im Unterhause theilte B ro d ri ck
mit: Wir haben soeben zwei Telegramme von Mac-
donald erhalten, ein chiffrirtes, datirt vom 3. August.
Es lautet: „Ich habe heute vier durch den chinesischen
Gesandten beförderte chiffrirte Telegramme erhalten. Das
Geschützfeuer hat seit dem 16. Juli aufgehört, aber das
Gewehrfeuer wird von der in der Chinesenstadt durch
Regierungstruppen und Boxer gehaltenen Stellung aus in
Zwischenräumen fortgesetzt. Wir erlitten seitdem geringe
Verluste. Folgende Engländer wurden g-rödtet: Warren,
Davitt, Oliphant und Capitän Strouts; verwundet
wurden 26 Engländer, darunter die Capitäne Holliday
und Wray, sowie der Times-Correspondcnt Morisson.
Alle Verwundeten mit einer Ausnahme sind wohlauf.
Die übrigen Engländer in der Gesandtschaft befinden sich
wohl, ebenso die ganze Besatzung. Der Gesammtverlust
beläuft sich vorläufig auf 60 Todte und 110 Verwundete.
Wir haben unsere Befestigungen verstärkt. Wir
haben in der Gesandtschaft über zweihundert Frauen
und Kinder. Die chinesische Regierung verweigerte uns
bisher die Erlaubniß, chiffrirt zu telegraphiren."

Vom Vormarsch der Verbündeten ans Peking.
Ein Telegramm des englischen Kontreadmirals in China
aus Tschifu vom 6. ds. Mts. meldet: Die Verbündeten,
etwa 12 000 Mann, griffen heute früh energisch die
chinesische Stellung bei Hstku, etwa 2 Meilen von Tientsin,
an. Die Chinesen wurden vertrieben und zogen sich nord-
wärts zurück, verfolgt von den Verbündeten, die darauf
Peitsang besetzten. Transporte folgten den Truppen zu
Wasser und zu Lande. Der Vormarsch auf Peking hat
begonnen.
Die Datirung dieses Gefechts von Montag stimmt nicht
zu den Privatberichten, die den Angriff auf Sonntag ver-
legen. So wird dem Newyork Herald aus Tschifu vom
6. August gemeldet: Die verbündeten Truppen griffen am
Sonntag Morgen bei Peil sang die verschanzten
chinesischen Truppen auf beiden Ufern des Peiho an und
vertrieben sie aus ihren Stellungen. Die
Chinesen flüchteten und sprengten die Brücke
in die Luft. Die Japaner nahmen die Verfolgung
auf und durchschritten trotz des mörderischen Feuers, das
ihnen große Verluste brachte, den Fluß. Das Gefecht
dauerte von Morgens 3 Uhr bis 11 Uhr. Die Verluste
sind auf beiden Seiten bedeutend. Die Chinesen flüchten
auf beiden Seiten des Flusses, von den Verbündeten ver-
folgt. Die Verfolgung war sehr schwierig, da der Damm
durchbrochen ist und die ganzeGegend unterWasser
steht. Eine chinesische Armee von 15 000 Mann steht zwei
Tagemärsche südlich von Tientsin. Die Stadt selbst

den Gefühlen der größten igochachtung zu dem edlen
Mädchen empor zu sehen!" sagte er zu sich. Indessen, das
Bedürfniß. über Kallioppe zu sprechen, und dies mit jemand,
der ihr so sehr ergeben war, besiegte den Widerwillen gegen
Stanislaus. Aehnlich dachte dieser und so kam es, daß beide,
selbst bei sehr schlechtem Wetter, manchmal eine halbe
Stunde vor dem Hause auf und ab gingen und von dem
Zustand der Patientin sprachen, was gewöhnlich zu einem
anderen Thema führte ... zu der seelischen und körperlichen
Schönheit Kalliopes- Dr. Kärnthner schämte sich jedesmal
vor sich selber, als er dann fortfuhr, daß er sich mit dem um
10 Jahre jüngeren Menschen so weit eingelassen, über so
intime Angelegenheiten mit ihm gesprochen habe, und gab
sich dabei stets die Versicherung, daß es nicht wieder Vor-
kommen solle. Aber was fruchteten diese Entschlüsse! Er
beachtete sie bei dem nächsten Besuche dennoch nicht, so sehr
drängte es ihn jeden Augenblick, sich über sie laut einem
menschlichen Wesen gegenüber zu äußern, und da er nähere
Freunde in Braila.nicht besaß, so mußte er Stanislaus gleich-
sam zu seinem Vertrauten machen. Kaum war der Wagen
mit Dr. Kärnthner fort, als Stanislaus stets wieder seinen
Wachtposten vor Kalliopes Thür bezog, denn er nur verließ,
wenn es unbedingt nothwendig war. Nachts schliefen die
Dienstmädchen abwechselnd bei Kalliope.
Eines Tages kam Dr. Kärnthner aus dem Kranken-
zimmer mit einem hell leuchtenden Gesicht heraus. Er
sprach kein Wort, konnte seine Bewegung nicht verbergen.
Stanislaus brauchte ihn nur anzusehen und wußte auch
schon, die Krisis, der Höhepunkt der Krankheit, war
vorbei. Thränen rannen chm über die Wangen, er kniete
nieder und neigte wie im Gebet den Kopf. Dann sprang
er auf, erfaßte Kärnthners Hand, drückte sie innig und
schluchzte:
„Ich danke Ihnen . . . ewig dankbar . . ."
(Fortsetzung folgt.)
 
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