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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 176-202 (01. August 1900 - 31. August 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37614#0140

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wird von 6000 Mann Europäern bewacht. Die Ver-
bündeten verfügen auch über zahlreiche Geschütze.
Aehnlich berichtet die Londoner Daily Mail, wahr-
scheinlich aus derselben Quelle. Darnach begannen bei
Peitsang um 2 Uhr Morgens die Japaner das Feuer
gegen die am Rand der Stadt und auf beiden Ufern in
gut gewählten Stellungen stehenden chinesischen Truppen.
Die ausländische Artillerie fand bald die Entfernungen
und brachte dem Feinde beträchtliche Verluste bei, doch ge-
lang es erst gegen 10 Uhr, die Chinesen aus ihrer ersten
Stellung östlich des Flusses zu vertreiben.
Nach weiteren Berichten verloren dieVerbündeten
bei Peitsang zwischen 750 und 1000 Mann, darunter die
Engländer 64 Todte und Verwundtete. Es ist also dieser
Kampf bei Peitsang in Wirklichkeit eine Schlacht zu
nennen.
Wenn man früher geglaubt hat, eine westländische
Truppe von 10—15 000 Mann würde einen militärischen
Spaziergang nach Peking machen, ohne ernsten Widerstand
zu finden, so sieht man jetzt, daß man die Chinesen unter-
schätzt hat. Sie sind nicht mehr dieselben, die sie im
japanischen Krieg vor fünf Jahren waren. Dazu kommt,
daß die phlegmatische chinesische Volksseele augenscheinlich
erwacht ist, während sie zur Zeit des japanischen Krieges
ruhig weiterschlief. China ist zweifellos von einer heftigen
nationalen antieuropäischen Stimmung erfaßt worden.
Man hat es mit einem Ausbruch der Volksleidenschaft
zu thun.
Daily Mail erzählt, außer zwei Mitgliedern des
Tsung-li-Iamen seien noch fünf höhere Beamte in
Peking hin gerichtet worden, indem man sie nach einer
seit dem Jahre 1735 außer Uebung befindlichen Methode
an den Lenden in zwei Stücke gehauen habe. Nach
einem angeblichen Geheimerlaß wären auch die Vizc-
könige von Nanking und Hankau sowie Taotai und
Scheng zum Tode verurtheilt. Auch von anderer
Seite werden diese Angaben bestätigt und als Erklärung
angeführt, warum Li-Hung-Tschang und Scheng
neuerdings zusehends ängstlicher geworden sind.
Von Li-Hung-Tschang heißt es übrigens, er sehe den
Sieg der Fremden voraus; er erwarte die Niederlage der
chinesischen Truppen, die Flucht des Hofes aus der Haupt-
stadt und die ausländische Rache wegen der Vergewalti-
gung der Gesandten, und gedenke sich dann an die Spitze
der ihm ergebenen Chinesen zu stellen, um die Mandschu-
Eindringlinge zu vertreiben. Die südlichen Vizekönige,
deren Unterstützung besonders werthooll ist, da sie über die
Geldquellen des Reiches verfügen, seien einverstanden.
Ebenso die chinesischen Gesandten in Washington, London,
Berlin, Paris und Petersburg, weil keiner von ihnen
heimzukehren wage, falls die Mandschu-Dynastie am
Ruder bleibe.

Die Strafe des Mörders.
Ta in Italien auch für den Königsmord die Todes-
strafe abgeschafft ist, so erwartet den Königsmörder
Bresci als Sühne für sein Verbrechen lebensläng-
liches Zuchthaus. Man würde aber irren, wenn man
diese lebenslängliche Freiheitsstrafe für milder als die
Todesstrafe halten würde. Im Mailänder Secolo schildert
ein ehemaliger Gefängüißdirektor die Strafe, die Bresci
erwartet, folgendermaßen:
Von der lebenslänglichen Strafe mutz Bresci die ersten
zehn Jahre in Einzelhaft verbringen und darf während
dieser Zeit weder lesen noch schreiben noch rauchen noch
arbeiten. Bresci wird nach seiner Verurtheilung zunächst
in eine zwei Meter lange und einen Meter breite Zells
gebracht, deren Thür nie geöffnet wird, weil ihn die
Wächter durch das Guckloch beobachten. Die Nahrung
besteht während der ganzen zehn Jahre aus Brod und
Wasser. Hierin kann unter keinen Umständen eine
Aenderung eintreten. Bresci darf mit Niemand sprechen,
Niemand ihm antworten. Spricht der Sträfling nur ein
einziges Mal oder läßt er sich sonst etwas zu Schulden
kommen, so erhält er sofort die „os-mioia. äs, korss,", die
Zwangsjacke, und wird durch Eisen an's Bett geschnallt.
Behufs Verhinderung eines Selbstmordes ist die Jacke so
eingerichtet, daß er die Hände absolut nicht bewegen kann,
und Nachts erhält er einen Riemen um den Leib, welcher
es ihm unmöglich macht, sich auch nur von der einen Seite
auf die andere zu legen. Diese Vorschriften können aber
eventuell noch verschärft werden. Eine solche Verschärfung
tritt im Falle von Renitenz ein; dann wird die Zwangs-
jacke gegen eine andere vertauscht, deren Aermel geschlossen
sind, und mittelst zweier dicker Riemen werden die Hände
über der Brust gekreuzt und überdies mit starken Eisen
festgebunden. Von den Händen läuft ein Lederriemen zu
den Füßen hinab, der fest augezogen wird. Es ist dies
eine ähnliche Operation wie bet der Hinrichtung am
Galgen. Der Sträfling, dessen Gestalt durch den Riemen
völlig gekrümmt wird, muß von Morgen bis zum Abend
in dieser Stellung verbleiben; Nachts werden dann die
Füße durch zwei in einem Brette unterhalb des Fußendes
angebrachte Löcher gesteckt. So liegt der Sträfling voll-
ständig bewegungslos da. Eine Milderung der Strafe
kann nur bei tadelloser Aufführung nach einem Jahre ein-
treten; sie besteht darin, daß der Häftling in eine größere
Zelle gebracht wird und die Zellenthür zeitweise einige
Centimcter breit geöffnet wird. Der. Gefängnißdirektor
sagte am Schluß seiner Mittheilungen: „Nach meinen Er-
fahrungen kommt es höchst selten vor, daß ein Sträfling
solche zehn Jahre Einzelhaft überlebt. Die Meisten werden
nach einem Jahr verrückt oder sterben."

Deutsches Reich.
— Das Armeeverordnungsblatt veröffentlicht eine
Kabinetsordre betreffend die Versorgung der An-
gehörigen des ostasiatischen Expeditionskorps
und ihrer Hinterbliebenen. Darin wird angeordnet, daß

die Angehörigen des Expeditionscorps und der in Ostasten
stationirtsn Marine und ihre Hinterbliebenen die Ver-
sorgungsgebührnisse erhalten, die ihnen nach dem Reichs-
pensionsmilitärgesetz zustehen, dazu aber sollen den Mann-
schaften dann noch Zuschüsse aus dem Dispositions-
fonds gegeben werden, sodaß der Satz erreicht wird, der
für die Schutztruppen der ostafrikauischeu Schutzgebiete
festgesetzt ist, und die Hinterbliebenen noch weitere Zuschüsse
nach Bedarf erhalten.
Baden. Karlsruhe, 7. August. Wie der in Ett-
lingen erscheinende Badische Landsmann von zuverlässiger
Seite erfahren haben will, wird die Badische Landpost,
das konservative Parteiorgan Badens, in nächster Zeit ihr
Erscheinen ein stellen. Der namentlich von Stadt-
rath Schleebach vertretene Plan, das finanziell auf sehr
schwachen Füßen stehende Preßunternehmen bei hälftiger
Kapitaleinlage gemeinsam mit dem Bund der Landwirthe
zu unterhalten, sei gescheitert und damit vielleicht auch die
politische Fusion mit dem Bunde, wovon zuweilen auch
die Rede war. Daß mit dem Verlust ihres Parteiorgans
die konservative Partei an Einfluß und Bedeutung natür-
lich noch weiter zurückgeht, braucht wohl nicht besonders
versichert zu werden.
Hessen. Darmstadt, 8. August. Finanzminister
Küchler wurde mit Rücksicht auf seine geschwächte Ge-
sundheit in dankbarer Anerkennung seiner treuen und aus-
gezeichneten Dienste in den Ruhestand versetzt. Der bis-
herige Oberbürgermeister in Gießen, Theodor Gnauth,
wurde zum Präsidenten des Ministeriums der Finanzen
mit Wirkung vom 9. August ab ernannt.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Dem Zeichenlehrerkandtdaten Friedrich Buchberger an
der Präparandenschule in Gengenbach wurde die etatmäßige
Amtsstelle eines Zeichenlehrers an dieser Anstalt übertragen.
Karlsruhe, 8. August. An einer Anzahl Güter-
wagen der Großh. Badischen Staatsbahnen wird z. Zt.
ein Versuch vorgenommen, welcher bezweckt, die bisherige
sog. Wagenkupplung, d. h. jene Bestandtheile, welche die
Verbindung benachbarter Fahrzeuge bewirken, durch eine
Kupplung amerikanischer Bauart (die sog. Janney-
Knpplung) zu ersetzen. Die Anregung zu diesen Versuchen
ging vom Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen aus
und es betheiligten sich an denselben eine größere Anzahl
deutscher und österreichischer Eisenbahnen. Der Vorzug
der Janney-Kupplung besteht darin, daß dieselbe von der
Außenseite des Wagens her bedient werden kann, das
Treten zwischen die Puffer beim Kuppeln fällt somit weg,
sowie daß der Vorgang des Verbindens und Lösens der
Kupplung sich sehr rasch und zum Theil selbstthätig voll-
zieht; zudem ist die Janney-Kupplung wesentlich kräftiger
als die bisherige Einrichtung. Es ergibt sich daraus der
doppelte Vortheil besseren Schutzes der ln Betracht kommen-
den Bediensteten vor Unfällen, einer nicht unwesentlichen
Zeitersparniß beim Kuppeln und erhöhter Sicherheit gegen
Zugstrennungen; als nachtheilig ist das hohe Gewicht und
der entsprechende Preis der Kupplungen zu bezeichnen, außer-
dem ergibt die Anbringung der Kupplung eine Reihe tech-
nischer Schwierigkeiten, die deren allgemeine Einführung
am vorhandenen Material theilweise in Frage stellen.
Die Versuchswagen besitzen neben der neuen auch noch die-
jenigen Theile der bisherigen Kupplung, welche erforderlich
sind, um gegebenenfalls auch mit solchen Wagen die Ver-
bindung Herstellen zu können, welche nur die bisherigen
Einrichtungen besitzen. Die Schwierigkeiten, welche einer
allgemeinen Einführung der amerikanischen Kupplung im
ganzen Personen- und Gülerwagenpark gegenüberstehen,
sowohl in baulicher wie in finanzieller Hinsicht, sind nicht
gering anzuschlagen, eS ist jedoch zu hoffen, daß dieselben
sich nicht als unüberwindlich Herausstellen.

Ausland.
Oesterreich-Ungarn. Budapest, 8. Aug. Der frühere
ungarische Ministerpräsident und Präsident des Maguaten-
hauses, Kronhüter Josef Szlavy ist, 82 Jahre alt, ge-
storben.
Italien. Rom, 8. Aug. Prinz Heinrich von
Preußen ist heute Vormittag 11.20 Uhr hier einge-
troffen und am Bahnhof vom Minister des Auswärtigen,
dem deutschen Botschafter, den Mitgliedern der Bot-
schaft, sowie der deutschen Militärmission empfangen
worden.
Rom, 8. August. In der vergangenen Nacht und
heute wurden 52 Personen, die unter dem Verdachte stehen,
Anarchisten zu sein, verhaftet.
Mailand, 8. Aug. Zu der gestrigen A b r e i s e des
Königspaares nach Rom waren in Monza die um-
fassendsten Vorbereitungen getroffen worden. Sämmtliche
Straßenecken waren mit Cavallerieposten besetzt, ebenso
waren die zum Bahnhofe führende Straße und der Bahn-
hof streng abgesperrt. Kurz vor 8'/^ Uhr Abends, zur
festgesetzten Abfahrtszeit, erschienen in scharfem Trabe, von
voranreitender Cavallerie geleitet, vier geschlossene Hof-
wagen, deren zweitem der König und seine Ge-
mahlin entstiegen. Der König dankte noch besonders
den mit dem Sicherheitsdienst betrauten höheren Beamten,
jedem von ihnen die Hand reichend.

Versammlung der Internationalen astronomischen
Gesellschaft.
O, Heidelberg, 9. Aug. Die gestrige erste Sitzung der hier
tagenden internationalen astronomischen Gesell-
schaft wurde, wie schon erwähnt, bald nach 10 Uhr Vorm, von dem
Präsidenten Prof. Seeliger - München ohne weitere Förmlichkeit
eröffnet. Sitzungslokal ist die Aula der Universität. Zunächst er-
hielt der als Vertreter der badischen Regierung anwesende Geh.
Rath Arnsperger das Wort. Er begrüßte die Versammlung
im Aufträge des Staatsministers Rokk, der sehr bedauere,
nicht persönlich anwesend sein zu können, da er verreist sei, und dankte
für die Ehre, die die Gesellschaft dem badischen Lande dadurch
erweise, daß sie diesmal wieder in Heidelberg zusammentrete.
Die Regierung nehme den wärmsten Antheil an den Bestrebungen

und Verhandlungen der Gesellschaft; der Minister hätte seine hohe
Werthschätzung und sein warmes Interesse gerne durch persönliche
Anwesenheit in der Versammlung bezeugt. Nach einer langen
Reihe von Jahren, so fuhr Redner fort, sei die Versammlung
wieder nach Heidelberg zu ihrer Wiege zurückgekehrt.
Er verglich dann die Zeit von damals, d. i. vor 37 Jahren,
mit der heutigen in Bezug auf den Stand der astro-
nomischen Forschung und warf einen Blick auf die Leistungen,
auf das Erreichte und auf die Entwicklung der Verhältnisse.
Dabei erklärte er, daß die astronomische Gesellschaft stolz sein
dürfe, daß sie sich zu einer herrschenden ersten Stellung empor-
geschwnngen habe. Auch in Baden habe in dieser Zeit die Pflege
der astronomischen Wissenschaft Fortschritte gemacht, wie Redner
an der Geschichte der badischen Landessternwarte erläuterte,
die zur Zeit der Gründung der Gesellschaft in Mannheim nach
längerer Unterbrechung ihrer Thäligkeit eben reorganisirt wurde,
dann nach Karlsruhe kam und jetzt auf dem Königstuhl beiden
Zweigen der Astronomie, der messenden und der astrophysikali-
schen, eine wohleingerichtete Stätte bietet. Die Erfolge, die auf
derselben bis jetzt erreicht seien, lassen hoffen, daß zur Wahrheit
werden werde, was der Senat der Universität im Jahre 1893
zur Begründung der Verlegung der Sternwarte hierher dargelegt
habe. So werde man hoffen dürfen, daß auch Baden Aner-
kennung finden werde für das, was es zu Gunsten der astrono-
mischen Wissenschaft gethan habe. Redner schloß mit einem noch-
maligen herzlichen Willkommen, dem er die Aufforderung bei-
fügte, die Gäste möchten es sich auch in der schönen Natur des
Neckarthals wohl sein lassen.
Es schlossen sich hieran die Begrüßungen der Versammlung
durch den Prorektor der Universität, Geh. Bergrath Nosenbusch
und den Oberbürgermeister Dr. Wilckens.
Die Ansprache des Prorektors lautete: Meine hoch-
verehrten Herren von der Internationalen Astronomischen Gesell-
schaft! Im Namen unserer Universität heiße ich Sie herzlich
willkommen in diesem stimmungsvollen Festraume, von dessen
Emporen herab die Namen hochbedeutender Lehrer der knxsrto-
varola Sie begrüßen. Dankbares Gedenken bereitete diesen Namen
hier die Stätte, als wir das S. Jahrhundert unserer Hochschule
feiernd schlosse». Es gibt nicht viele Gebiete in dem weiten und
vielgegliederten Reiche menschlichen Wissens und Forschens, deren
Geschichte man schreiben könnte, ohne darin «eidelbergs und
seiner Lehrer an hervorragender Stelle gedenken zu müssen. Aber
bis vor wenigen Jahren fehlte der ältesten deutschen Universität
eine amtliche Vertretung der ältesten Wissenschaft, der Astronomie.
Ich glaube, eine glückliche Vorbedeutung für die gedeihliche Ent-
wicklung dieser Wissenschaft unter uns in dem Umstande sehen zu
sollen, daß Ihre Gesellschaft, die vor 37 Jahren hier gegründet
wurde, so bald nach der Errichtung unserer astronomischen Lehr-
stühle bei uns tagt. Man kann sagen, daß in dem Augenblicke,
wo der Mensch Mensch wurde, wo er begann, sich von dem Boden
aufrichtend das Haupt aufrecht zu tragen und das Auge, welches
bis dahin nur dem Aufsuchen der Speise ans der allnährenden
Mutter Erde gedient hatte, in die unendlichen Weiten des
Firmaments zu richten, auch die Himmelskunde geboren wurde.
Es liegt ein tiefer sinn darin, daß des Menschen allerhöchste
Kraft, wie Mephistopheles die Wissenschaft nennt, nicht von der
Erde stammt, sondern vom Himmel herabkam. Alles Feuer und
alles Licht, auch das heiligste und reinste, das Licht der Wissen-
schaft, holte den Menschen Prometheus vom Himmel herab. Und
wie die Astronomie gewissermaßen mit der Menschheit geboren
wurde, so ist fort und fort die Entwicklung der Astronomie auf
das innigste mit dem Leben der Menschheit verbunden geblieben.
Sie regelt des Menschen Dasein, sie gibt ihm das Maß für Zeit,
Raum und Masse, sie führt ihn sogar über die Wasserwüsten der
Ozeane zu neuen Eontinenten, sie schenkt ihm die höchsten Be-
griffe und Vorstellungen, zu denen sein Geist vorzudringen ver-
mag: Die Vorstellung von der Endlosigkeit von Zeit und Raum,
die Vorstellung des endlosen Werdens bei zeitlichem Sein, den
Begriff unwandelbarer strenger Ordnung in der steten Flucht
der Erscheinungen. Und was ich nicht minder hoch
anschlagen möchte, sie gibt ihm neben dem Bewußtsein
von der Bedeutungslosigkeit des menschlichen Einzelwesens zugleich
das stolze Vertrauen in die Zuverlässigkeit menschlichen Wissens
und Forschensourch die unfehlbahre Genauigkeit ihrer Berechnungen.
Wahrlich, es ist kein Wunder, daß durch lange Jahrhunderte
hin die Menschen glaubten ihre Geschicke unmittelbar von de«
gestirnten Himmel ablesen zu können. „Die Sterne lügen nicht",
läßt Schiller Wallenstein sagen, und wir sagen es noch heule,
aber in einem anderen und richtigeren Sinne. Wenn wir, die
gegenwärtigen Lehrer der kupsrto Oarols, uns in dieser Aula
versammeln, haben wir die Empfindung, auf geweihtem Raume
zu stehen, und wir fühlen uns gehoben durch die stolzen Erinner-
ungen, die er wach ruft. Möge die Atmosphäre dieses Raumes
auch Ihren Arbeiten sich förderlich erweisen und möge das An-
denken an die hier verbrachten Stunden bei Ihnen so lebendig
bleiben, wie es bet uns sein wird!
Die Ansprache des Oberbürgermeisters lautetet
Hochgeehrte Herren! Ich habe im Laufe der Jahre schon des
Oefteren die Ehre gehabt, wissenschaftliche Wanderversammlungen
Namens der Stadt Heidelberg zu begrüßen. Wir nehmen solche
Kongresse stets gerne bei uns aus und suchen jeweils ihren
Theilnehmern, soweit dies unsere bescheidenen Mittel erlauben,
den Aufenthalt im Neckarthal möglichst angenehm zu machen.
Ich kann Sie aber versichern, daß ich Ihrer Gesellschaft den
Willkomm der Stadt mit besonderer Freude entbiete. Ist uns
doch Ihre Vereinigung keineswegs fremd, ist sie doch vielmehr,
als sie diesmal ihre Schritte zu uns lenkte, nur dahin zurück-
gekehrt, von wo sie einst ausgegangen ist, indem ja in Heidel-
berg am 28, August 1863 ihre Gründung erfolgte. Während
damals hier die Constitnirung dieser für die Wissenschaft so be-
deutsamen Korporation von statten ging, war gleichzeitig in
Frankfurt a. M. der deutsche Fürstentag versammelt, um Be-
schlüsse über die künftige Constitution Deutschlands zu fassen-
Es war jenen Beschlüssen nicht beschicken, dauernde Bedeutung
zu erlangen und speziell die staatliche Wiedergeburt unseres
Vaterlandes herveizuführen, die nach des Schicksals Fügung aut
anderen Wegen und mit anderen Mitteln der Nation zu Theil
werden sollte. Aber die Verfassung, welche die astronomische
Gesellschaft sich in jenen Tagen gegeben, hat sich lebenskräftig
erwiesen und gute Früchte gezeitigt. In jugendlicher Frische
tritt die Gesellschaft heute wieder in der Stadt zusammen, in
welcher sie vor 37 Jahren ins Dasein gerufen worden ist. Daß
über dieser Stadt und über diesem Lande, dessen Geschicke scholl
zu Beginn der 60er Jahre einer der edelsten und hochsinnigstell
deutschen Fürsten, unser innig geliebter Großherzog Friedrich'
geleitet hat, inzwischen die Sonne des deutschen Reiches aufg^
gangen ist, erfüllt uns mit inniger Dankbarkeit und Freude-
Wtr sind aber auch darauf noch ganz besonders stolz, daß seither
an dem geistigen Himmel Heidelbergs in der Landessternwarff
ein neues Gestirn in die Erscheinung getreten ist, von dem
gewiß erwarten dürfen, daß es sich allezeit als eine glänzend^
Leuchte der Wissenschaft erweisen wird. Einigermaßen dazu bet^
getragen zu haben, daß die Bahn dieses Gestirns hierher gelenkt
und daß dasselbe auf den Höhen des Königstuhls fixirt worden
ist, gereicht der Stadt Heidelberg und ihrer Verwaltung zu allst
richtiger Genugthuung. und ich kann nur hoffen und wünsch^'
daß die neue Schöpfung, die übrigens in der Hauptsache her
Hochherzigen Initiative unseres Großherzogs und dem Verständnis
vollen Zusammenwirken der Gr. Regierung und der Landställ»-
auf kulturellem Gebiet zu verdanken ist, auch den Beifall der
auswärtigen Mitglieder Ihrer Gesellschaft finden möge. Seffll
Sie, hochgeehrte Herren, dessen versichert, daß Ihre wlssenschaC
lichen Bestrebungen hier lebhaften Widerhall finden werden, llll"
seien Sie uns herzlich willkommen in Alt-Heidelberg!
Der Vorsitzende, Prof. Seeliger, dankte in längerer RA'
Er führte dabei aus, daß vor 37 Jahren, am 26. August
26 Astronomen hier in Heidelberg zusammen traten, um B
Statuten der astronomischen Gesellschaft zu berathen. Es lag
 
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