» Erscheint täglich,
sonntags ausgenommen. 2
_ Preis
Ullt Familienblättern
. monatlich 50 Pf.
». frei in's Haus gebracht.
^Urch die Post bezogen
Vierteljahr!. 1.25 Mk.
'"sschließlich Zustellgebühr.
^ffprech-Auschlutz Nr. 82.
229.
Ditüstliz. dc« 2. Octiber
JnserttonSgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Grafts-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heit>elb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82
!SÜ«.
Bestellungen
"l die Heidelberger Zeitung für das IV. Vierteljahr
^frden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den Agenten,
den Trägern in der Stadt, sowie in der Expedition,
"Niere Neckarstr. 21, fortwährend angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Psg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vierteljährlich
^ Zustellgebühr Mk. 1.65.
Die Vorgänge in China.
Die Times veröffentlicht folgendes Telegramm aus
Der chinesische
iser einen Brief
^Nänghai vom 29. September:
r niser hatan den deutschen Ka
ölenden Inhalts gerichtet:
Der Kaiser von China entbietet dem deutschen Kaiser
ieine Grüße. Ein plötzlicher Aufstand in China hat die
Ermordung Ihres Gesandten zur Folge ge-
dabt. Meine Unterthanen haben schlecht gehandelt, und
leider sind alle freundschaftlichen Beziehungen zwischen
Uns abgebrochen worden, was ich tief bedaure; ich habe
deute Befehl ertheilt, daß der hohe Rath Kong an
der Leiche des getödteten Gesandten die
Trauerehren erweise und daß Li-Hung-Tschang
U»d Liukunyi aus allen Kräften die Ueberführung
des Sarges nach Deutschland erleichtern. Außerdem
dabe ich meinen Gesandten in Berlin angewiesen, eben-
falls der Leiche bei ihrer Ankunft die Trauerehren zu
Weisen. Ich drücke Ihnen über das Geschehene mein
Uefes Bedauern aus, umsomehr, als vorher unsere
"ander im besten Frieden mit einander lebten. Ich
?chte nunmehr an Sie die Bitte, in unserem gemein-
ten Interesse die Verhandlungen zu eröffnen,
Um den ewigen Frieden wieder herzustellen.
Kuangsü.
»Es ist auffallend, daß das Telegramm des chinesischen
llsrs an den deutschen in einem englischen Blatte
H.-asfentlicht wird. Das erweckt Verdacht gegen seine
s^^igkeit, allein das Telegramm findet in anderen Um-
h u°en seine Bestätigung. So wird aus Shanghai ge-
L.mt: In einem Kaiserlichen Dekret wird dem
Dauern über den Tod Kettelcr's Ausdruck gegeben und
^Aordriet, daß in Peking und in der chinesischen Ge-
g.Umschaft in Berlin eine Trauerfeier für den Ermordeten
^halten werde.
^ Inhalt des Dekrets und des Telegramms an den
wichen Kaiser decken sich, wie man sieht.
liksAuch jst gestern schon mitgetheilt morden, daß kaiser-
skk? Dekrete sich gegen die Boxer und den angeblich abge-
^len Prinzen Tuan gewandt haben, daß der Kaiser seine
^Uldlosigkeit an den Vorgängen versichert hat u. s. w.
hy? gewinnt man den Eindruck, als ob die chines. Macht-
i>>e m Zusehen und anerkennen, daß ein Widerstand gegen
^k,-Mächte ganz aussichtslos ist. Aber man vergesse nie,
die chinesischen Diplomaten und Politiker doppelzüngig
Unzuverlässig sind. Jede Stunde kann eine neue Wen-
öftn ^ Hofes nach der Seite der Fremdenhasser hin
i>, Hen, zumal wenn die Mächte sich uneinig zeigen oder
«Lev ^ Energie erlahmen. Die Beschießung und die Er-
ih tg von Peitsang, die militärischen Erkundungszüge
Umgebung von Peking, die Vorbereitung von Unter-
°l>n ugen nach Paotingfu und Schanhaikwan, dies hat
Zweifel dazu beigetragen, die chinesischen Machthaber
dix yEinlenken zu bewegen. Die Hauptsache ist nun, daß
dl^T^chte nicht Nachlassen, daß sie insbesondere die ge-
»h-j n militärischen Unternehmungen durchführen. Das
^^Macht auf die Chinesen Eindruck.
Deutscher Schiffbau.
Nachdem bereits in den letzten Jahren der- deutsche Schiffbau
sich durch den Bau von Schnelldampfern allerersten Ranges aus-
gezeichnet hat, von denen „Kaiser Wilhelm der Große" und
„Deutschland" die schnellsten Schiffe der Gegenwart darstellen,
befinden sich, wie wir hören, gegenwärtig abermals für den
Nordd. Lloyd in Bremen beim Vulkan in Stettin zwei Schnell-
dampfer in Bau, „Kronprinz Wilhelm" und „Kaiser Wilhelm II.",
von denen insbesondere der Letztere dazu bestimmt ist, das
größte und schnellste Schiff der Gegenwart zu wer-
den. Nach Erbauung des „Kaiser Wilhelm der Große" hatte die
englische White Star-Linie ein Schiff in Fahrt gestellt, welches
nach Länge und Breite bis jetzt als größter Dampfer der Welt
anzusprechen war, nämlich den „Oceanic" mit 701 Fuß Länge,
68 Fuß Breite und einer Maschincnstärke von 28000 Pferde-
kräften. Der im Bau befindliche „Kaiser Wilhelm II." des Nord-
deutschen Lloyd mißt dagegen 707 Fuß Länge, 72 Fuß Breite
und erhält Maschinen von 38 000 Pferdekräften, welche dem
Schiff eine Geschwindigkeit von 21 Seemeilen in der Stunde
verleihen werden. Der „Kaiser Wilhelm II." tritt damit absolut
an die Spitze aller Schiffe der Welt.
Deutsches Reich.
— Eine Meldung der Köln. Volksztg. will wissen, der
Reichstag werde erst für Ende November einberufen
werden. Wenn auch ein Beschluß bezw. ein bestimmter
Vorschlag betreffend den Termin für die Eröffnung des
Parlaments noch nicht vorliegt, so kann die Naüonalliberale
Correspondenz doch auf Grund zuverlässiger Informationen
mittheilen, daß ein so später Zeitpunkt, wie ihn die
Köln.Volksztg. annimmt, von keiner Seite ins Auge
gefaßt ist. Sie möchte an dem 6. November als Er-
öffnungstermin festhalten.
— Nach dem Berliner Tageblatt fordern agrarische
Kreise einen Ge trei de zoll in doppelter Ausgestaltung,
nämlich einen Höchstzoll von 10 Mk. pro Doppelcentner
gegen solche Staaten, die keinen Vertrag mit Deutschland
eingehen, und einen Mindestzoll von 7*/, Mk. gegen
Vertragsstaaten. Die Verantwortung für die Richtigkeit
dieser Mittheilung bleibt dem genannten Berliner Blatt.
— Auf dem internationalen Kongreß kathol. Gelehrter
in München referirte Prof. Lossen-Königsberg (früher
Heidelberg) über den „Antheil der Katholiken am
akademischen Lehramte in Preußen nach sta-
tistischen Untersuchungen". Der Redner hat mit
Erlaubniß des Ministers die Akten des preußischen Kul 's-
ministeriums nach dieser Richtung durchforscht und es be-
anspruchen daher seine Ergebnisse erhöhtes Interesse und
Beachtung, da sie auf durchweg authentischem, amtlichem
Materiale fußen. Seine statistischen Untersuchungen er-
strecken sich zunächst auf sämmtliche 1856 Dozenten, welche
an allen preußischen Universitäten in den 25 Semestern
von 1881/85 bis 1896/1897 thätig waren. Die Zahl
der Theologen beider Konfessionen betrug 203. Die ein-
zelnen katholisch.theologischen Fakultäten zählten durchschnitt-
lich ebensoviel O rdi n arien als die evangelisch-theologischen.
Dagegen kommen auf 60 evangelische Privatdozen-
ten nur 9 katholische. Während Preußens Bevölkerung
34'/r Proz. Katholiken zählt, waren von allen 1653 Do-
zenten der drei weltlichen Fakultäten nur 11°/^ Proz. ka-
tholisch; von den Ordinarien 16^ Proz., von den Extra-
ordinarien 12'/, Proz., von den Privatdozenten 8'/^ Proz.
Das Verhältnitz war also für die Katholiken am
günstigsten in denjenigen Stellungen, welche
auf Vorschlag der Fakultäten von der.Regie-
rung besetzt werden, am ungünstigsten in den-
jenigen. welche Jedem, der seine Befähigung
zur Bekleidung derselben nachweist, zugäng-
lich sind.
Baden. Zur badischen Wahlrechtsfrage er-
greift auch die konservative Berliner Kreuzzeitung das
Wort. Sie schreibt:
Ein radikales Wahlrecht, wie es das Prinzip des „Li-
beralismus" erforderte, jetzt etnzuführen, würden wir für einen
Fehler halten. Verfassungsgemäß kann die Regierung nicht
gezwungen werden, ein solches zu acceptiren. Es ließe sich aber
wohl ein Ausweg finden, wenn man nämlich auf die Absicht
des Stifters der Verfassung zurückginge. Groß-
herzog Karl wollte eine „ständische Verfassung" geben.
Es wäre wohl das Richtige, diesen Grundgedanken in einer der
Entwickelung entsprechenden Form auszubauen. Dies wäre frei-
lich ein Schritt weiter auf der Bahn nach rechts;
allein Stillstehen wird nicht gut möglich sein, die Bahn nach
links zum radikalen Wahlrecht ist ungangbar, da wird wohl
nichts Anderes übrig bleiben, als sich zur Wendung nach rechts
zu bequemen.
Bis jetzt ist eine ständische Verfassung in Baden noch
nicht erörtert worden, abgesehen von früheren prinzipiellen
Auseinandersetzungen in der Bad. Landpost. Wir glauben
auch nicht, daß der von der Kreuzzeitung ausgesprochene
Gedanke in Baden Anklang finden wird. Für die Zu-
sammensetzung der Ersten Kammer, die ja auch refor-
mirt werden soll, würde er vielleicht zu verwenden sein.
— Eine süddeutsche Stimme in der Berliner demo-
kratischen Volksztg. spricht sich in schärfster Weise gegen
das Centrum aus und fordert zu einem Kartell der
liberalen Parteien gegen den Ultramontantsmus
auf. Die demokratische Mannheimer Neue Bad. Ldsztg.
bemerkt dazu:
Uns scheint, als ob der Herr Verfasser — wohl ein Führer
der württembergischen Demokratie — etwas zu „schwarz" sieht!
So schlimm, wie er sie darstellt, ist die Sache denn doch noch
nicht! Sie kann allerdings noch schlimm werden, wenn Demo-
kratie und Nationalliberalismus fortfahren, sich so heftig zu be-
kämpfen, wie dies bisher leider der Fall war. Wir sind für
eine andere Taktik schon seit Jahren eingetreten; es
kann uns daher nur angenehm sein, wenn jetzt auch in einem
auswärtigen demokratischen Blatte eine freundlichere Hal-
tung gegenüber den Nationalliberalen so nachdrück-
lich empfohlen wird.
Es ist richtig, daß das demokratische Mannheimer
Blatt, wenn auch nicht schon seit Jahren, so doch in letz-
ter Zeit, sich öfters ganz nachbarlich freundlich über den
gemäßigten Liberalismus ausgesprochen hat. Von den
Führern der Demokraten und Deutschfreisinnigen in Baden
kann man das bisher leider nicht sagen. So lange aber
die Führer nicht wollen, werden die linksliberalen Parteien
in dieser Beziehung nichts machen können. Weshalb aber
die Führer nicht wollen, das ist leucht genug zu erkennen:
ihre Landtagsmandate haben die Linksliberalen von Cen-
trumsgnaden. Die Führer würden vermuthlich nur Hann
für die Kartell-Idee zu gewinnen sein, wenn der Linken
Mandate mit nationalliberaler Hilfe zugesichert würden.
Karlsruhe, 30. September. Die leitenden Per-
sönlichkeiten der B adis ch en Landpo st, des konservativen
Organs in Baden, haben nach dem Maunh. Anz. gestern
Nachmittag über das fernere Schicksal ihres Parteiblattes
entschieden. Es wurde beschlossen, die „Aktiendruckerei
Karlsruhe" wie bisher vorerst interimistisch weiter zu be-
treiben. Auf 1. April soll dann eine neue Aktiengesellschaft
gegründet werden durch Ausgabe von Aktien zu 200 Mk.
Das Geschäft soll nachdrücklich betrieben werden.
Preußen. Nach den neulichen Ministerbesuchen in
Posen zu schließen, scheint man in Berlin nunmehr fest
entschlossen, ein polnisches Prag in Posen, vier
Eisenbahnstunden von Berlin, nicht aufkommen
zu lassen, vielmehr die Stadt Posen zu einem deutschen
Mittelpunkt der Provinz Posen zu machen. Es ist
schade, daß man in Süd- und Westdeutschland so wenig
Interesse für den Kampf des Deutschthums mit dem
Polcnthum östlich der Elbe hat. Schon vor mehr als
tausend Jahren hat Karl der Große die Nothwendigkeit
1
v
b
/.
/-
Spätherbsttage.
Novelle von R. Busch.
2)
(Forschung.)
^sE"dlich. Fräulein Hilde, nun wollen mir aber ordentlich
vh,"wen lausen. Feines Wetter heute! Mutter, Du nimmst
tiin, " Mantel um, sonst trage ich ihn natürlich. Nein,
Hüde, ich werde es doch nicht zugeben, daß Sie das
"»siiMeppen — bewahre! Macht mir ja daspure Vergnügen,
^"nial machte die scharf klingende Stimme seiner
* all' den galanten Redensarten und Bemühungen des
^ ein Ende. „Hilde, bringen Sie mir sofort den
3ch werde ihn einfach zu Hause lassen, wenn sein
Tos ^ so viele Umstände macht!"
^ lunge Mädchen gehorchte sofort,
alte Dame sah schweigend hinaus auf die See, aber
Kftxf""den. hübschen, ringgeschmückten Finger zupften und
v,,i^"geduldig an den Fallen des Mantels, den sie vor
0, Hei« Tisch gelegt hatte.
h'?: der Junge sollte sich nicht damit schleppen, aber es
^ unerhört, daß das Gescllschaftsfräulein nun n icht
'»ch Twedr einen Mantel tragen durfte! Wohin sollte daS
! —
k^utnant merkte nichts von ihrer Verstimmung. Er redete
j ,^MügtesZeug und betrachtete seine schweigsame Mama
'i "Pt gar nicht. Aber aus dem anderen jungen Gesichte
grobe, blaue Augen scheu und stolz zugleich
hE»n paor
Dame hinüber, und ein kleiner Mädchenkopf
kFütv ""willig zurückgeworfen, und eine weiche Stimme
h/°libpwit einem Auflage von Trotz: „Wenn Sie mir nickt
//.wollen, den Mantel zu tragen, Frau Kommerzienrath,
"sieg "Ate ich wohl bitten, heute zu Hause bleiben zu
' Vielleicht ist es Ihnen auch angenehmer, wenn ich
,> nicht mitgehe — ich möchte auf meinem Zimmer Briefe
schreiben."
„Ach was," rief der Leutnant eifrig, „Briefe können Sie
heule Abend schreiben, wenn doch in der Dusterniß nichts
Vernünftiges anzuiangen ist. Wäre ja sündhaft jetzt, bei dem
himmlischen Wetter! Sie sollten sich lieber mal draußen
ordentlich rothe Backen holen, so blaß sind Sie wieder, trotz
aller Seeluft!" Seine Stimme klang ganz warm und be-
sorgt. Hilde antwortete nicht, sie zuckte ungevuldig die
Achseln. Heiß und roth stieg ihr das junge Blut in das
weiße Gesicht. Sie sah wieder bittend und fragend nach der
alten Dame hinüber, die aber blickte immer noch stumm und
still hinaus aus die See.
Sogar der Leutnant merkte jetzt, daß nicht alles in
Ordnung war. Hilde hielt noch an sich, aber es war ihr
bitter und empört ums Herz geworden, und sie wollte heftige
Worte sprechen, da legte sich eine Hand auf ihre Schulter,
eine gute alte Männerhand- Der alte Professor, der schon
eine Weile an der offenen Thür des Speisesaales gestanden
halte, war zu ihr getreten und sagte nun so recht freundlich
und herzlich:
„Nein, Kindchen, heute dürfen Sie nicht zu Hause
bleiben. Laufen Sie nur tüchtig spazieren. — ist Ihnen
viel besser wie all das Briesschreiben, das Ihnen nur Heim-
weh macht!"
„Ganz meine Ansicht, Herr Professor!" rief der Leutnant
sichtlich erfreut und erleichtert auf. „Sie wollen doch auch
mit, nicht wahr? Weißt Du, Mutti, Ihr geht doch
lieber den Waldweg, dann lause ich mit Fräulein Hilda am
Strande vorbei, und wir treffen uns oben auf dem „Kie-
„Kommen Sie. Frau Anna." sagte der Professor. „Wir
Alten wandern mit einander und „lassen die Jungen lausen",
wie es schon im Kinderliebe heißt. Und den warmen Mantel
nehmen wir natürlich mit und behalten ihn hübsch bei uns,
sonst ist er im richtigen Augenblicke doch nicht von der
leichtsinnigen Jugend zu haben." Er hing den Mantel vor-
sichtig über seine Schulter und bot der alten Dame dan"
seinen Arm an.
Sie stand auf, cs war, als hätte sein Kommen ihr gut
gethan und ihr zurechtgeholfen.
Sie ging zu dem jungen Mädchen hinüber und sagte mit
dem natürlichen, herzlichen Ton ihrer Stimme:
„Ja, Hilde, cs ist Ihnen besser, wenn Sie mit uns gehen,
bitte! Laufen Sie nur mit Oskar am Strande vorbei, ich
gehe mit dem Professor lieber den oberen Waldwea. Und
nun wird's Zeit — wir müssen ausbrechen, Kinder. Also auf
Wiedersehen oben auf dem „Kieköwer".
Sie gingen alle zusammen noch eine kleine Strecke auf
dem festen Strandwege fort bis dahin, wo er sich im Sande
verlor. Dann wanderten die beiden jungen Leute links
zum Wasser hinunter, die alten stiegen rechts bergan auf
schmalem Wege dem Walde zu-
Nach der See fielen die Dünen hier schroff und sandig
ab, nur wenige junge Buchen hatten es fertig gebracht,
kühn am Abhänge Wurzel zu fassen und zu gedeihen. Aber
oben auf der Höhe wuchs köstlicher alter Buchenwald, der
sich, sanft abfallend, weit landeinwärts ausdehnte, bis zu
den Wiesen und Feldern des Jnsellandes.
(Fortsetzung folgt.)
Stadt-Theater.
O Heidelberg, 2. October.
Sappho. Trauerspiel in 5 Akten von Franz-Grillparzer.
Und ewig ist die arme Kunst gezwungen,
Zn betteln von des Lebens Uebcrflnß!
Leider stellt sich der Ueberfluß leichter und williger für
„Flottenmanöver" und dergleichen zur Verfügung als dann, wenn
es einmal gilt, ein anerkanntes Kunstwerk durch Aufmerksamkeit
zu unterstützen. Vor yalbbesetztem Hause spielte gestern Frl,
Herter unter lebhaftem Beifall Grillparzers Sappho.
WaS ist die Sappho?
sonntags ausgenommen. 2
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den Trägern in der Stadt, sowie in der Expedition,
"Niere Neckarstr. 21, fortwährend angenommen.
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gebracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vierteljährlich
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Die Vorgänge in China.
Die Times veröffentlicht folgendes Telegramm aus
Der chinesische
iser einen Brief
^Nänghai vom 29. September:
r niser hatan den deutschen Ka
ölenden Inhalts gerichtet:
Der Kaiser von China entbietet dem deutschen Kaiser
ieine Grüße. Ein plötzlicher Aufstand in China hat die
Ermordung Ihres Gesandten zur Folge ge-
dabt. Meine Unterthanen haben schlecht gehandelt, und
leider sind alle freundschaftlichen Beziehungen zwischen
Uns abgebrochen worden, was ich tief bedaure; ich habe
deute Befehl ertheilt, daß der hohe Rath Kong an
der Leiche des getödteten Gesandten die
Trauerehren erweise und daß Li-Hung-Tschang
U»d Liukunyi aus allen Kräften die Ueberführung
des Sarges nach Deutschland erleichtern. Außerdem
dabe ich meinen Gesandten in Berlin angewiesen, eben-
falls der Leiche bei ihrer Ankunft die Trauerehren zu
Weisen. Ich drücke Ihnen über das Geschehene mein
Uefes Bedauern aus, umsomehr, als vorher unsere
"ander im besten Frieden mit einander lebten. Ich
?chte nunmehr an Sie die Bitte, in unserem gemein-
ten Interesse die Verhandlungen zu eröffnen,
Um den ewigen Frieden wieder herzustellen.
Kuangsü.
»Es ist auffallend, daß das Telegramm des chinesischen
llsrs an den deutschen in einem englischen Blatte
H.-asfentlicht wird. Das erweckt Verdacht gegen seine
s^^igkeit, allein das Telegramm findet in anderen Um-
h u°en seine Bestätigung. So wird aus Shanghai ge-
L.mt: In einem Kaiserlichen Dekret wird dem
Dauern über den Tod Kettelcr's Ausdruck gegeben und
^Aordriet, daß in Peking und in der chinesischen Ge-
g.Umschaft in Berlin eine Trauerfeier für den Ermordeten
^halten werde.
^ Inhalt des Dekrets und des Telegramms an den
wichen Kaiser decken sich, wie man sieht.
liksAuch jst gestern schon mitgetheilt morden, daß kaiser-
skk? Dekrete sich gegen die Boxer und den angeblich abge-
^len Prinzen Tuan gewandt haben, daß der Kaiser seine
^Uldlosigkeit an den Vorgängen versichert hat u. s. w.
hy? gewinnt man den Eindruck, als ob die chines. Macht-
i>>e m Zusehen und anerkennen, daß ein Widerstand gegen
^k,-Mächte ganz aussichtslos ist. Aber man vergesse nie,
die chinesischen Diplomaten und Politiker doppelzüngig
Unzuverlässig sind. Jede Stunde kann eine neue Wen-
öftn ^ Hofes nach der Seite der Fremdenhasser hin
i>, Hen, zumal wenn die Mächte sich uneinig zeigen oder
«Lev ^ Energie erlahmen. Die Beschießung und die Er-
ih tg von Peitsang, die militärischen Erkundungszüge
Umgebung von Peking, die Vorbereitung von Unter-
°l>n ugen nach Paotingfu und Schanhaikwan, dies hat
Zweifel dazu beigetragen, die chinesischen Machthaber
dix yEinlenken zu bewegen. Die Hauptsache ist nun, daß
dl^T^chte nicht Nachlassen, daß sie insbesondere die ge-
»h-j n militärischen Unternehmungen durchführen. Das
^^Macht auf die Chinesen Eindruck.
Deutscher Schiffbau.
Nachdem bereits in den letzten Jahren der- deutsche Schiffbau
sich durch den Bau von Schnelldampfern allerersten Ranges aus-
gezeichnet hat, von denen „Kaiser Wilhelm der Große" und
„Deutschland" die schnellsten Schiffe der Gegenwart darstellen,
befinden sich, wie wir hören, gegenwärtig abermals für den
Nordd. Lloyd in Bremen beim Vulkan in Stettin zwei Schnell-
dampfer in Bau, „Kronprinz Wilhelm" und „Kaiser Wilhelm II.",
von denen insbesondere der Letztere dazu bestimmt ist, das
größte und schnellste Schiff der Gegenwart zu wer-
den. Nach Erbauung des „Kaiser Wilhelm der Große" hatte die
englische White Star-Linie ein Schiff in Fahrt gestellt, welches
nach Länge und Breite bis jetzt als größter Dampfer der Welt
anzusprechen war, nämlich den „Oceanic" mit 701 Fuß Länge,
68 Fuß Breite und einer Maschincnstärke von 28000 Pferde-
kräften. Der im Bau befindliche „Kaiser Wilhelm II." des Nord-
deutschen Lloyd mißt dagegen 707 Fuß Länge, 72 Fuß Breite
und erhält Maschinen von 38 000 Pferdekräften, welche dem
Schiff eine Geschwindigkeit von 21 Seemeilen in der Stunde
verleihen werden. Der „Kaiser Wilhelm II." tritt damit absolut
an die Spitze aller Schiffe der Welt.
Deutsches Reich.
— Eine Meldung der Köln. Volksztg. will wissen, der
Reichstag werde erst für Ende November einberufen
werden. Wenn auch ein Beschluß bezw. ein bestimmter
Vorschlag betreffend den Termin für die Eröffnung des
Parlaments noch nicht vorliegt, so kann die Naüonalliberale
Correspondenz doch auf Grund zuverlässiger Informationen
mittheilen, daß ein so später Zeitpunkt, wie ihn die
Köln.Volksztg. annimmt, von keiner Seite ins Auge
gefaßt ist. Sie möchte an dem 6. November als Er-
öffnungstermin festhalten.
— Nach dem Berliner Tageblatt fordern agrarische
Kreise einen Ge trei de zoll in doppelter Ausgestaltung,
nämlich einen Höchstzoll von 10 Mk. pro Doppelcentner
gegen solche Staaten, die keinen Vertrag mit Deutschland
eingehen, und einen Mindestzoll von 7*/, Mk. gegen
Vertragsstaaten. Die Verantwortung für die Richtigkeit
dieser Mittheilung bleibt dem genannten Berliner Blatt.
— Auf dem internationalen Kongreß kathol. Gelehrter
in München referirte Prof. Lossen-Königsberg (früher
Heidelberg) über den „Antheil der Katholiken am
akademischen Lehramte in Preußen nach sta-
tistischen Untersuchungen". Der Redner hat mit
Erlaubniß des Ministers die Akten des preußischen Kul 's-
ministeriums nach dieser Richtung durchforscht und es be-
anspruchen daher seine Ergebnisse erhöhtes Interesse und
Beachtung, da sie auf durchweg authentischem, amtlichem
Materiale fußen. Seine statistischen Untersuchungen er-
strecken sich zunächst auf sämmtliche 1856 Dozenten, welche
an allen preußischen Universitäten in den 25 Semestern
von 1881/85 bis 1896/1897 thätig waren. Die Zahl
der Theologen beider Konfessionen betrug 203. Die ein-
zelnen katholisch.theologischen Fakultäten zählten durchschnitt-
lich ebensoviel O rdi n arien als die evangelisch-theologischen.
Dagegen kommen auf 60 evangelische Privatdozen-
ten nur 9 katholische. Während Preußens Bevölkerung
34'/r Proz. Katholiken zählt, waren von allen 1653 Do-
zenten der drei weltlichen Fakultäten nur 11°/^ Proz. ka-
tholisch; von den Ordinarien 16^ Proz., von den Extra-
ordinarien 12'/, Proz., von den Privatdozenten 8'/^ Proz.
Das Verhältnitz war also für die Katholiken am
günstigsten in denjenigen Stellungen, welche
auf Vorschlag der Fakultäten von der.Regie-
rung besetzt werden, am ungünstigsten in den-
jenigen. welche Jedem, der seine Befähigung
zur Bekleidung derselben nachweist, zugäng-
lich sind.
Baden. Zur badischen Wahlrechtsfrage er-
greift auch die konservative Berliner Kreuzzeitung das
Wort. Sie schreibt:
Ein radikales Wahlrecht, wie es das Prinzip des „Li-
beralismus" erforderte, jetzt etnzuführen, würden wir für einen
Fehler halten. Verfassungsgemäß kann die Regierung nicht
gezwungen werden, ein solches zu acceptiren. Es ließe sich aber
wohl ein Ausweg finden, wenn man nämlich auf die Absicht
des Stifters der Verfassung zurückginge. Groß-
herzog Karl wollte eine „ständische Verfassung" geben.
Es wäre wohl das Richtige, diesen Grundgedanken in einer der
Entwickelung entsprechenden Form auszubauen. Dies wäre frei-
lich ein Schritt weiter auf der Bahn nach rechts;
allein Stillstehen wird nicht gut möglich sein, die Bahn nach
links zum radikalen Wahlrecht ist ungangbar, da wird wohl
nichts Anderes übrig bleiben, als sich zur Wendung nach rechts
zu bequemen.
Bis jetzt ist eine ständische Verfassung in Baden noch
nicht erörtert worden, abgesehen von früheren prinzipiellen
Auseinandersetzungen in der Bad. Landpost. Wir glauben
auch nicht, daß der von der Kreuzzeitung ausgesprochene
Gedanke in Baden Anklang finden wird. Für die Zu-
sammensetzung der Ersten Kammer, die ja auch refor-
mirt werden soll, würde er vielleicht zu verwenden sein.
— Eine süddeutsche Stimme in der Berliner demo-
kratischen Volksztg. spricht sich in schärfster Weise gegen
das Centrum aus und fordert zu einem Kartell der
liberalen Parteien gegen den Ultramontantsmus
auf. Die demokratische Mannheimer Neue Bad. Ldsztg.
bemerkt dazu:
Uns scheint, als ob der Herr Verfasser — wohl ein Führer
der württembergischen Demokratie — etwas zu „schwarz" sieht!
So schlimm, wie er sie darstellt, ist die Sache denn doch noch
nicht! Sie kann allerdings noch schlimm werden, wenn Demo-
kratie und Nationalliberalismus fortfahren, sich so heftig zu be-
kämpfen, wie dies bisher leider der Fall war. Wir sind für
eine andere Taktik schon seit Jahren eingetreten; es
kann uns daher nur angenehm sein, wenn jetzt auch in einem
auswärtigen demokratischen Blatte eine freundlichere Hal-
tung gegenüber den Nationalliberalen so nachdrück-
lich empfohlen wird.
Es ist richtig, daß das demokratische Mannheimer
Blatt, wenn auch nicht schon seit Jahren, so doch in letz-
ter Zeit, sich öfters ganz nachbarlich freundlich über den
gemäßigten Liberalismus ausgesprochen hat. Von den
Führern der Demokraten und Deutschfreisinnigen in Baden
kann man das bisher leider nicht sagen. So lange aber
die Führer nicht wollen, werden die linksliberalen Parteien
in dieser Beziehung nichts machen können. Weshalb aber
die Führer nicht wollen, das ist leucht genug zu erkennen:
ihre Landtagsmandate haben die Linksliberalen von Cen-
trumsgnaden. Die Führer würden vermuthlich nur Hann
für die Kartell-Idee zu gewinnen sein, wenn der Linken
Mandate mit nationalliberaler Hilfe zugesichert würden.
Karlsruhe, 30. September. Die leitenden Per-
sönlichkeiten der B adis ch en Landpo st, des konservativen
Organs in Baden, haben nach dem Maunh. Anz. gestern
Nachmittag über das fernere Schicksal ihres Parteiblattes
entschieden. Es wurde beschlossen, die „Aktiendruckerei
Karlsruhe" wie bisher vorerst interimistisch weiter zu be-
treiben. Auf 1. April soll dann eine neue Aktiengesellschaft
gegründet werden durch Ausgabe von Aktien zu 200 Mk.
Das Geschäft soll nachdrücklich betrieben werden.
Preußen. Nach den neulichen Ministerbesuchen in
Posen zu schließen, scheint man in Berlin nunmehr fest
entschlossen, ein polnisches Prag in Posen, vier
Eisenbahnstunden von Berlin, nicht aufkommen
zu lassen, vielmehr die Stadt Posen zu einem deutschen
Mittelpunkt der Provinz Posen zu machen. Es ist
schade, daß man in Süd- und Westdeutschland so wenig
Interesse für den Kampf des Deutschthums mit dem
Polcnthum östlich der Elbe hat. Schon vor mehr als
tausend Jahren hat Karl der Große die Nothwendigkeit
1
v
b
/.
/-
Spätherbsttage.
Novelle von R. Busch.
2)
(Forschung.)
^sE"dlich. Fräulein Hilde, nun wollen mir aber ordentlich
vh,"wen lausen. Feines Wetter heute! Mutter, Du nimmst
tiin, " Mantel um, sonst trage ich ihn natürlich. Nein,
Hüde, ich werde es doch nicht zugeben, daß Sie das
"»siiMeppen — bewahre! Macht mir ja daspure Vergnügen,
^"nial machte die scharf klingende Stimme seiner
* all' den galanten Redensarten und Bemühungen des
^ ein Ende. „Hilde, bringen Sie mir sofort den
3ch werde ihn einfach zu Hause lassen, wenn sein
Tos ^ so viele Umstände macht!"
^ lunge Mädchen gehorchte sofort,
alte Dame sah schweigend hinaus auf die See, aber
Kftxf""den. hübschen, ringgeschmückten Finger zupften und
v,,i^"geduldig an den Fallen des Mantels, den sie vor
0, Hei« Tisch gelegt hatte.
h'?: der Junge sollte sich nicht damit schleppen, aber es
^ unerhört, daß das Gescllschaftsfräulein nun n icht
'»ch Twedr einen Mantel tragen durfte! Wohin sollte daS
! —
k^utnant merkte nichts von ihrer Verstimmung. Er redete
j ,^MügtesZeug und betrachtete seine schweigsame Mama
'i "Pt gar nicht. Aber aus dem anderen jungen Gesichte
grobe, blaue Augen scheu und stolz zugleich
hE»n paor
Dame hinüber, und ein kleiner Mädchenkopf
kFütv ""willig zurückgeworfen, und eine weiche Stimme
h/°libpwit einem Auflage von Trotz: „Wenn Sie mir nickt
//.wollen, den Mantel zu tragen, Frau Kommerzienrath,
"sieg "Ate ich wohl bitten, heute zu Hause bleiben zu
' Vielleicht ist es Ihnen auch angenehmer, wenn ich
,> nicht mitgehe — ich möchte auf meinem Zimmer Briefe
schreiben."
„Ach was," rief der Leutnant eifrig, „Briefe können Sie
heule Abend schreiben, wenn doch in der Dusterniß nichts
Vernünftiges anzuiangen ist. Wäre ja sündhaft jetzt, bei dem
himmlischen Wetter! Sie sollten sich lieber mal draußen
ordentlich rothe Backen holen, so blaß sind Sie wieder, trotz
aller Seeluft!" Seine Stimme klang ganz warm und be-
sorgt. Hilde antwortete nicht, sie zuckte ungevuldig die
Achseln. Heiß und roth stieg ihr das junge Blut in das
weiße Gesicht. Sie sah wieder bittend und fragend nach der
alten Dame hinüber, die aber blickte immer noch stumm und
still hinaus aus die See.
Sogar der Leutnant merkte jetzt, daß nicht alles in
Ordnung war. Hilde hielt noch an sich, aber es war ihr
bitter und empört ums Herz geworden, und sie wollte heftige
Worte sprechen, da legte sich eine Hand auf ihre Schulter,
eine gute alte Männerhand- Der alte Professor, der schon
eine Weile an der offenen Thür des Speisesaales gestanden
halte, war zu ihr getreten und sagte nun so recht freundlich
und herzlich:
„Nein, Kindchen, heute dürfen Sie nicht zu Hause
bleiben. Laufen Sie nur tüchtig spazieren. — ist Ihnen
viel besser wie all das Briesschreiben, das Ihnen nur Heim-
weh macht!"
„Ganz meine Ansicht, Herr Professor!" rief der Leutnant
sichtlich erfreut und erleichtert auf. „Sie wollen doch auch
mit, nicht wahr? Weißt Du, Mutti, Ihr geht doch
lieber den Waldweg, dann lause ich mit Fräulein Hilda am
Strande vorbei, und wir treffen uns oben auf dem „Kie-
„Kommen Sie. Frau Anna." sagte der Professor. „Wir
Alten wandern mit einander und „lassen die Jungen lausen",
wie es schon im Kinderliebe heißt. Und den warmen Mantel
nehmen wir natürlich mit und behalten ihn hübsch bei uns,
sonst ist er im richtigen Augenblicke doch nicht von der
leichtsinnigen Jugend zu haben." Er hing den Mantel vor-
sichtig über seine Schulter und bot der alten Dame dan"
seinen Arm an.
Sie stand auf, cs war, als hätte sein Kommen ihr gut
gethan und ihr zurechtgeholfen.
Sie ging zu dem jungen Mädchen hinüber und sagte mit
dem natürlichen, herzlichen Ton ihrer Stimme:
„Ja, Hilde, cs ist Ihnen besser, wenn Sie mit uns gehen,
bitte! Laufen Sie nur mit Oskar am Strande vorbei, ich
gehe mit dem Professor lieber den oberen Waldwea. Und
nun wird's Zeit — wir müssen ausbrechen, Kinder. Also auf
Wiedersehen oben auf dem „Kieköwer".
Sie gingen alle zusammen noch eine kleine Strecke auf
dem festen Strandwege fort bis dahin, wo er sich im Sande
verlor. Dann wanderten die beiden jungen Leute links
zum Wasser hinunter, die alten stiegen rechts bergan auf
schmalem Wege dem Walde zu-
Nach der See fielen die Dünen hier schroff und sandig
ab, nur wenige junge Buchen hatten es fertig gebracht,
kühn am Abhänge Wurzel zu fassen und zu gedeihen. Aber
oben auf der Höhe wuchs köstlicher alter Buchenwald, der
sich, sanft abfallend, weit landeinwärts ausdehnte, bis zu
den Wiesen und Feldern des Jnsellandes.
(Fortsetzung folgt.)
Stadt-Theater.
O Heidelberg, 2. October.
Sappho. Trauerspiel in 5 Akten von Franz-Grillparzer.
Und ewig ist die arme Kunst gezwungen,
Zn betteln von des Lebens Uebcrflnß!
Leider stellt sich der Ueberfluß leichter und williger für
„Flottenmanöver" und dergleichen zur Verfügung als dann, wenn
es einmal gilt, ein anerkanntes Kunstwerk durch Aufmerksamkeit
zu unterstützen. Vor yalbbesetztem Hause spielte gestern Frl,
Herter unter lebhaftem Beifall Grillparzers Sappho.
WaS ist die Sappho?