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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203-227 (01. September 1900 - 29. September 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37614#0277

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. 218.

Minks, -en 17. September

190«.

Die Kosten der deutschen China-Expedition.
Ueber die voraussichtlichen Kosten der ost-
asiatischen Expedition finden wir im Schwäbischen
Merkur eine Schätzung, die auf ihre Zuverlässigkeit schwer
Su prüfen ist, jedenfalls aber viele interessante Angaben
enthält. Da heißt es:
Die Beschaffung der Mannesrüstung wird wohl auf
annähernd 150 Mk. für den Mann zu berechnen sein oder
für die ganze Division auf 3 250000 Mk. Für Be.
fchaffung der Truppcnfahrzeuge und des Sanitätsmaierials
find mindestens 3—400 000 Mk. erforderlich und für
Beschaffung von etwa 4000 Pferden gegen 4 Millionen.
Die Franzosen erhalten den größeren Theil der Pferde
aus Australien, und zwar werden dieselben von einem
Unternehmer frei China zum Preise von 850 Fr. für das
Stück geliefert, sodaß man den Preis für unsere Pferde
'vohl auf 900—1000 Mk. für das Stück wird annehmeu
können. Auch für Beschaffung der Munition sind mehr
als 2 Millionen erforderlich, denn wenn man für jedes
Geschütz nur 300 Granaten, für jedes Gewehr nur 500
Patronen berechnet, so ergibt dies bei einem Preise von
b2 Mk. für die Feldgranate, 54 Mk. für die schwere
Granate und 13 Pfg. für die Infanterie-Patrone die
^urnme von 2050 000 Mk., die aber wohl auch wird er-
höht werden müssen. Man erhält somit für die erste Aus-
rüstung der Truppen einen Aufwand von mindestens 9'/,
vis io Mill. Mk., wozu noch das Handgeld der Truppen
bsit 50 Mk. für den Mann (in Frankreich 200 Fr.)
kämmt, welches wieder 1060 000 Mk. beträgt, und man
erhält somit mehr als 11 Millionen. Hierbei ist der Auf-
wand für Aufstellung von Baracken noch nicht gerechnet,
öle für den Winter erforderlich sind und in Deutschland
angefertigt werden. Da gegen 100 große Baracken er-
forderlich sein werden, von denen jede eine Compagnie
aufnehmen kann, so wird hierfür mindestens eine Million
Sn rechnen sein. Weiter gehören zu den Kosten der ersten
Ausstellung noch die Ausrüstungsgelder der Offiziere u. s. w.,
öle für den Leutnant 1000 Pik., für den Hanptmann
1200 Mk. und für die höheren Offiziere 1500 Mk. be-
sagen und ebenfalls wieder rund 1 Million erfordern
werden. In Frankreich sind die Ausrüstungsgelder wesent-
ks.ch geringer und betragen für den Leutnant nur 666 Fr.,
lür den Hauptmann 930 Fr. und für ine Stabsoffiziere
1330 Fr. Die gewaltigste Ausgabe aber wird durch die
Miethe der Transportschiffe verursacht, und man wird
Wohl nicht sehr fehlgreifen, wenn man die Miethe für
Wden der großen Dampfer auf 5u0000 Mk. veranschlagt,
öa die Franzosen für ihre weit kleineren Schiffe und für
we kürze Seereise je 450 000 Fr. bezahlen müssen. Man
hat nun bis jetzt zum Transport von Truppen und Kriegs-
üeräthe vom Bremer Lloyd und von der Hamburg-Amcri-
auischen Gesellschaft 26 Dampfer gemiethet, von denen 7
?af die ganze Dauer des Kriegszuges theils als Lazareth-
kwiffe, iheils zum Transport von Pferden, von Ver-
wundeten und Kranken verwandt werden. Diese 26 Dampfer
werden allein schon gegen 13 Millionen erfordern, und es
werden demnach die Truppen bis zur Landung in China
e>nen Aufwand von mindestens 25'/» Millionen erfordert
öaben, wobei die Waffen und Geschütze nicht gerechnet sind.
diesen einmaligen Ausgaben kommt alsdann noch der
fortlaufende Aufwand für den Sold der Truppen und für
w Mundverpflegung, und es dürfte in dieser Hinsicht
wenig bekannt sein, daß die Gehälter der Offiziere, Aerzte
-' i. w. sowie die Löhnung der Mannschaft im Kriege
lehr wesentlich höher sind als im Frieden. So beträgt

Das Corpus delicti.

i)

Novellette von Reinhold Ortmann
(Nachdruck verboten.)

H, Ganz in träumerisches Nachdenken verloren, saß der
n,,/,erendar Walter Karstedt an einem schönen Freitaa Vor-
z^'lag an seinem Arbeitstische im Gebäude des Landgerichts
« ik-. Schwermüthig hatte er den hübschen,

. _ . . . dunkellockigen
N, 7° fn die linke Hand gestützt, während die rechte in allerlei
stak Ülben Verschlingungen immer die nämlichen zwei Buch-
aus ein Blatt weißen Kanzleipapiers zeichnete — die
H den Buchstaben „J.R." Plötzlich aber zogen sich die
Änu^" öes jungen Mannes unmuthig zusammen, sein
ex nahm den Ausdruck düsterer Entschlossenheit an, und
öen Bogen Kanzleipapier in Stücke. Mochte denn in
v»t , Namen alles zu Ende sein! So wie er dies Blatt
die m Namenszuge zerriß, so wollte er ein für alle Mal
sie » , öe zu ihr aus seinem Herzen reißen. Und er hatte
iv ^hU'chtig geliebt, die kleine blonde Ilse, das — ach! —
PZie istnde Töchterchen der verwittweten Stadiräthin Rogall.
kress/Nst Offenbarung war es bei ihrem ersten Zusammen-
Äin. über ihn gekommen: diese oder keine! Mit jeder
l>rgu>» die er in der Gesellschaft des holden Wesens zuge-
sichws' hatte stch diese Ueberzeugung in ihm gefestigt, und
ag- '"ch würde er ihr schon bei ihrer zweiten Begegnung
klä „ w Monats-Kränzchen der Kasino-Gesellschaft eine Er-
tzxhM gemacht haben, wenn nicht seine unglückliche
staud, wrnheit zwischen ihm und dem geliebten Wesen ae-
wiistin Hütte — diese Schüchternheit, die so wenig zu seinem
Schm,--" krischen Wesen wie zu den beiden gewaltigen
«r auf seiner linken Wange paßte, und gegen die
Züchte ^rgebens mit den tapfersten Vorsätzen anzukämpfen

etwa 240 Mk., für den Oberleutnant 400 Mk., Haupt-
mann 600, Major 900, Oberst 1200 und für den Bri-
gadegeneral 1400 Mk., während der Dioisionsgeneral
monatlich 2400 Mk. erhält. So wird der monatliche
Gehalt für alle Offiziere und Beamte annähernd
450 000 Mark betragen. Die Mannschaften erhalten bei
uns einen täglichen Sold von 35 Pf. gegen 22 Pf. im
Frieden, während die Unteroffiziere Zulagen von 40 bis
50 Pf. erhalten.
Somit wird für die deutsche Division an Löhnung ein
monatlicher Betrag von etwa 285 000 Mk. erforderlich
sein, oder für Offiziere und Mannschaften zusammen etwa
735 000 Mk. Bedeutend aber werden die Kosten für die
Mundverpflegung sein, denn man wird wohl den größten
Theil der Lebensmittel für Mann und Pferd nicht im
Lande beschaffen können, sondern aus Deutschland, aus
Amerika und andern Ländern herbeiführen müssen, was die
einfachsten Lebensmittel ungemein vertheucrn wird. Wenn
man bedenkt, daß während des deutsch-französischen Krieges
die Portion für den Mann im Durchschnitt auf 4—5 Fr.
und für das Pferd auf 3—4 Fr. zu stehen kam, so wird
man für China auf mindestens 5 Mk. für den Mann und
3 Mk. für das Pferd rechnen müssen. Da nun die Offiziere
doppelte, die Stabsoffiziere dreifache Portionen beziehen,
so hat man etwa 23800 Portionen und 4000 Rationen
täglich zu beschaffen, wofür etwa 3,8 Millionen monatlich
erforderlich sein werden. Somit kommt die Geld- und
Mundverpflegung auf etwa 4,54 Millionen im Monat zu
stehen. Nimmt man an. daß die ganze Division auch nur
sechs Monate lang in China stehen bleibt, so ergibt sich
hierfür ein Aufwand von 27,24 Millionen oder bei einem
Aufenthalt von einem Jahr die Summe von 54'/, Mill.
Hierzu werden noch sehr beträchtliche, aber auch nicht an-
nähernd zu schätzende Kosten kommen für Beifuhr von Holz
und Kohlen für die Truppen, da beides im Lande nicht
zu beschaffen ist und über See herangeführt werden muß.
Es kann also der gesummte Aufwand allein nur für die
Landtruppen und auf ein Jahr auf mindestens 80 Mill.
veranschlagt werden. Hierzu kommt alsdann noch der
Aufwand für die Kriegsflotte, die in den chinesischen Ge-
wässern mit 27 Schiffen und mehr als 7000 Mann ver-
treten ist. Dieser Aufwand, bei welchem die Beschaffung
der Lebensmittel und der Kohlen den Schwerpunkt bilden
werden, ist ohne genaues Material nicht zu berechnen,
allein es ist mit Sicherheit anzunchmen, daß die Gesammt-
kosten für die Flotte sich auf mindestens 20 Millionen be-
laufen werden, und man kommt alsdann auf einen Ge-
sammtbetrag von 100 Millionen. Diese Kosten, sowie den
Ersatz für zerstörtes Privateigenthum der in China leben-
den Deutschen nebst den Entschädigungen für die Er-
mordung von Deutschen und für unsere invalid gewordenen
Soldaten wird China ersetzen müssen, und schon aus die-
sem Grund wird der Aufenthalt unserer Truppen von
ziemlich langer Dauer sein, da man Wohl nicht daran
denken wird, die Truppen zurückzuziehen, bis ein großer
Theil der Entschädigung bezahlt und für den Rest un-
bedingte Sicherheit gegeben ist.

Deutsches Reich.
— Die nächstjährigen Kaisermanöver sollen,
einer Meldung der Kön. Hart. Ztg. zufolge, zwischen dem
I. und XVII. Armcecorps bei Königsberg abgehalten
werden. Die Wahl der Corps ist mit Rücksicht auf das
200jährige Jubiläum der preußischen Monarchie erfolgt.
— Die Begebung von achtzig Million e-n Mark
Reichsscha tzanweisungen in den Vereinigten Staa-

ten wird, soweit sich übersehen läßt, von allen Parteien
gebilligt.
— Der sozialdemokratische Parteitag begann am letzten
Samstag in Mainz mit einem sozialdemokratischen
Frauenkongreß. Nach längerer Debatte wurde der
Antrag der Frau Zetkin, der in der Hauptsache für alle
großen Städte die Bestellung weiblicher Vertrauensleute,
deren Verbindung untereinander und die Gleichberechtigung
mit den männlichen Vertrauensleuten fordert, schließlich
angenommen; der Absatz, der die Gleichberechtigung
fordert, mit nur zehn gegen acht Stimmen.
— Der Staatsanzeiger veröffentlicht eine Verfügung
des Kriegsministeriums, besagend: Da die Beförderung
von Feld po st pack et en noch nicht angängig ist, beab-
sichtigt die Heeresverwaltung den Angehörigen von Mit-
gliedern des o sta si atisch e n Expediti o nsco rps
und den Armee-Obercommandos Gelegenheit zu geben, auf
einem Ende September von Hamburg abgehenden Material-
transportschiffe Pallete zu entsenden. Die Packete müssen
bis spätestens den 22. September seetüchtig verpackt und
bis Hamburg frankirt, bei der Bahnhofscommandantur ein-
getroffen sein. Auf den Adressen ist der Name, Dienst-
grad und Truppentheil des Empfängers genau zu bezeichnen.
Die Beförderung ab Hamburg erfolgt kostenlos. An Offi-
ziere dürfen Pallete im Gesammtgewicht von je bis 50
Ko., an Unteroffiz ere und Gemeine je bis 30 Ko. gesandt
werden. Dem Verderb ausgesetzte Gegenstände, wie Lebens-
mittel, werden nicht vefördert, sondern den Absendern zu-
rückgesandt.
— Nach Privatnachrichten aus Aden hat der Reichs-
postdampfcr „Sachsen", auf dem sich Graf Waldersee
befindet, im Rothen Meer unter einer ganz ungewöhn-
lichen Hitze zu leiden gehabt, die dadurch noch verschlim-
mert wurde, daß ein leichter, in der Richtung der Fahrt
wehender Wind den durch die eigene Geschwindigkeit des
Schiffes verursachten Luftzug völlig aufhob. Die Folge
davon waren eine ganze Reihe von Hitzschlägen, von denen
zwei tödtlich verlaufen sind. Die anderen Kranken, die
zum großen Theil dem Heizerpersonal angchören, befinden
sich auf dem Wege der Besserung. Graf Waldersee soll
die geradezu furchtbare Hitze mit Ausdauer und gutem
Humor ertragen haben.
— Wie aus Taku telegraphirt wird, steht der Typhus-
fall, dem der Hauptmann Frhr. v. Rheinbaben am
3. September erlag, völlig vereinzelt da. Der verstorbene
Offizier sei schon auf der Ausreise krank gewesen. Danach
sind also etwaige Besorgnisse bei den zahlreichen Angehöri-
gen unserer Truppen über den Ausbruch einer Typhus-
epidemie unbegründet.
— In der North China Daily News liegt die An-
gabe des Reitknechts des Herrn v. Kettelet üoer
den Verlauf der Dinge in Peking und die Ermordung des
deutschen Gesandten vor. Dieser Reitknecht hakte Peking
am 9. Juli verlassen und erzählt, Junglu sei anfangs
den Boxern entgegengetreten, am 23. Juni aber habe er
mit Tungfuhfiang gemeinsame Sache gemacht und sich an
dem Angriff auf die Gesandtschaften betheiligl, Tung habe
vom Tschienthore und Junglu vom Haitethore aus ange-
griffen. Der Reitknecht begleitete Herrn v. Ketteler und
Herrn Cordes am 20. Juni auf dem Wege zum Tsungli-
yamen. Der Gesandte habe eine Büchse in der Hand ge-
halten und sich in einer Sänfte tragen lassen. Als sie sich
dem Damen näherten, sahen sie chinesische Soldaten mit
Gewehren. Der Reitknecht, der vorausgeritten war, hörte
einen Schuß und als er sich umdrehte, sah er, wie der
Gesandte verwundet war, die Büchse aber noch in der Hand
hielt. Der Reitknecht galoppirte dann voraus zu dem

Er hakte nicht den Math gehabt, ihr während des Tanzes
der in der Kaffeepause auch nur andeutungsweise von seiner
Liebe zu sprechen. Aber wenn sie nicht geradezu blind oder
ichtiges Gänschen war. hatte ihr der Zustand seines Herzens
och unmöglich verborgen bleiben können. Und er batte eine
jeitlang in der seligen Hoffnung geschwelgt, daß sie ihn
wirklich auch ohne Worte verstanden habe und daß sie ihm
nrklich nicht böse war um seiner vermessenen Absichten und
Vünsche willen. Er hatte einen Strahl von Zärtlichkeit in
hren schönen Augen zu sehen geglaubt und hatte den wieder-
olten leichten Druck ihrer Hand für eine süße Verheißung
enommen. Das schalkhafte Lächeln, mit dem sie auf seine
Sitte eingewilligt hatte, ein Vielliebchen mit ihm zu essen,
>ar ihm an jenem Abend säst wie ein beglückendes Jawort
rschienen, und mit bitterer Wehmuth gedachte er heute all
er wonnigen Bilder, die jede Erinnerung an dieses holde
lächeln Tage und Wochen lang in seiner Seele hervor-
ezaubert hatte. ^ . ..
Selten nur hatte er sie während dieser herrlichen Zeit
er Illusionen zu Gesicht bekommen, aber schon bei der ersten
Segegnung hatte sie das Vielliebchen verloren. Natürlich,
>ie hätte es auch anders sein können, da doch alle seine
iedanken sich einzig mit diesem Gegenstände beschäftigten,
sftt allerliebstem Erröthen hatte sie ihre Nothlage zuge-
anden, und da die Sitte erheischte, daß sie ihm irgend einen
einen Siegestribuk dardrachte. hatte er mit sehnsüchtiger
wannung des Augenblicks geharrt, wo sie sich dieser Ver-
flichtung entledigen würde. Denn dies war die rechte
Gelegenheit, ihm ein Zeichen zu geben, eine zarte Andeutung,
b er mit dem Bekennlmß seiner Liebe frei und offen her-
ortreten dürfe. Aber er hatte umsonst gewartet und seit
esiern wußte er. daß alle seine Hoffnungen eitel Thorbeit
ewesen und er das Opfer einer herzlosen Kokette geworden
>ar. Schon vor drei Tagen, wo er sie in einer Gesellschaft
ei dem Landgerichtsdirektor getroffen, war ihm eine seltsame
Veränderung in ihrem Benehmen ausgefallen, eine Zurück-

/ Haltung und Scheu, die er bis dahin niemals wahrgenommen.
Aber da er hin und wieder doch noch einen freundlichen Blick
ihrer schönen braunen Augen hatte erhaschen können, hatte
er sich nicht all zu sehr darüber beunruhigt. Der gestrige
Ball im Kasino erst — dieser Ball, auf den er sich seit
langem gefreut, — hatte ihn grausam aus allen seinen
Himmeln gestürzt-
Von Anfang an, war ihm Ilse geflissentlich ausgewichen,
und als er ihrer nach vielen vergeblichen Bemühungen end-
lich habhaft geworden war, um einen Walzer und womöglich
noch ein paar andere Tänze von ihr zu erbitten, batte sie
ihm mit einigen undeutlich gemurmelten Worten des Be-
dauerns ihre Tanzkarte gezeigt, auf der auch nicht ein einziges
Plätzchen mehr frei gewesen war- Er batte das sogleich als
eine grausame Beleidigung empfunden, aber wenn er auch
naiv genug gewesen wäre, an das bloße Walten eines tückischen
Zufalles zu glauben, hätte ihn doch Fräulein Ilses Verhalten
während des weiteren Verlaufs der Ballsestlichkeit darüber
belehren müssen, daß sie es recht eigentlich darauf abgesehen
Hatte, ihn zu kränken. Jedes Mol, wenn er in ihrer Nähe
erschien, suchte und fand sie sogleich einen Vorwand, sich
anders wohin zu begeben, und ihre Augen waren beständig
dahin gerichtet, wo sie sicher sein konnte, den semigen nicht
zu begegnen. Es war die bitter te Enttäuschung seines
Lebens gewesen, die er an diesem Abend harte durchkosten
müssen, und trotz des heiteren Sonnenscheins, der draußen
aus dem Platze vor dem Gerichtsgebäude lag, schien ihm die
aanze Welt heute so grau und düster, wie an einem nebeligen
Novsmberabend.
Noch hatte er sich nicht dazu aufraffen können, sein
eintöniges und ihm heute doppelt widerwärtiges Tagewerk
zu beginnen, als einer der unteren Beamten eintrat und ihn
ersuchte, sogleich zu dem Herrn Landgerichtsrath Eisenlohr
zu kommen.
(Fortsetzung folgt.)
 
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