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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 176-202 (01. August 1900 - 31. August 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37614#0111

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

der Inserate auf den Plakat«
tafeln der Hetdelb. Zeitung
und den Plakatsäulm.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82

«r. 178.

MiltWch, Leu I.Augiist

180V.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für die Monate August und
September Derben bei allen Postanstalten, den Briefträgern,
den Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für die Monate August
und September, wenn am Schalter abgeholt, 84 Pfg.,
mit Zustellgebühr Mk. 1-14.

Zur Bremerhavener Rede des Kaisers.
Der Rede des deutschen Kaisers widmet der Londoner
Daily Telegraph folgende beachtenswerthen Ausführungen:
„Die Ansprache des deutschen Kaisers wird wahr-
scheinlich einen heilsameren Einfluß auf die Chi-
nesen haben, als mildere Erklärungen von anderer Seite.
Baron von Ketteler ist ermordet worden, die Gesandt-
schaften aller Mächte sind angegriffen, die fremden Ge-
sandten belagert worden, und selbst ihre Reifling könnte.
Nur als merkwürdiger Anfall betrachtet werden, da eine
große Anzahl der europäischen Schutzmannschaften zum
Mindesten bei der Vertheidigung des Privilegiums des
diplomatischen Korps umgekommen sind. Diese Dinge be-
deuten schon an sich, wenn sonst nichts Schlimmeres ge-
schehen ist, die verrät hexischste, mörderischste
Verletzung des Völkerrechts in der Geschichte der
Welt. Wenn hierfür keine dem Gedächtniß Asiens sich
einprägende Strafe gefordert würde, so würden das
Leben und die Interessen der Europäer in China künftig
keinen Heller mehr werth sein. Wie die Vergeltung zu
geschehen, die Schuldigen ausznrotten und die Unschuldigen
Su schonen sind, ist eine andere Sache. Der Befehl des
Kaisers, keinen Pardon zu geben, ist in der Vergangen-
heit, so bei der Niedermetzelung der Turkomanen in Geok
Tepe, Rußlands Rezept gewesen. Es ist eine Formel,
vielleicht in solchen Sachen die einzige Formel, die
Asiaten verstehen. Wir wandten sie in der indischen
Meuterei an, und wenn es wahr ist, daß Männer, Frauen
Und Kinder in der chinesischen Hauptstadt ohne Bedenken
Niedergemetzelt worden sind, so könnte die Zivilisation ge-
zwungen sein, das Feld mit der Sichel des Grimmes zu
Weihen, die nichts stehen läßt. So lange jedoch der ge-
ringste Zweifel darüber, was sich tatsächlich ereignet hat,
bestehen bleibt, wird des Kaisers Schlagwort: „Kein
Pardon" von den übrigen Truppen der Verbündeten nicht
angenommen werden, obgleich sein Echo wahrscheinlich
wehr dazu thun wird, als alle die endlosen Warnungen
der Diplomatie, durch das fast undurchdringliche Gewebe
von Heuchelei und Sophisterei hindurch auf die Chinesen
Cindruck zu machen."
Auch die Nationalliberale Korrespondenz
spricht sich ähnlich wie das engliche Blatt aus. Sie sagt
U- A.: Die Worte des Kaisers sind ein Programm,
bas gleichzeitig den verbündeten Mächten empfohlen wird.
Avi Rahmen dieses Programms haben Verhandlungen, wie
sw Mac Kinley mit dem in Washington beglaubigten Ver-
treter Chinas fehlerhafter Weise versucht hat, keinen Platz.
3ndem der Kaiser dieses Programm verkündet, bestätigt er
b>e Haltung unseres Auswärtigen Amtes gegenüber der
chinesischen Gesandtschaft in Berlin. Hat dasselbe es ab-
8Kehnt, doppelzüngige Erklärungen, die dem Kaiser ver-
mittelt werden sollten, an ihre Adresse zu befördern, so
wissen jetzt die Gewalthaber in Peking und ihre Agenten,
baß der deutsche Kaiser selbst bis auf Weiteres für sie
Wcht zu erreichen sein will. Wenn den Agenten Chinas
Ibalsächlich noch die Möglichkeit geboten ist, mit Peking

telegraphisch zu verkehren, so kann es nur erwünscht sein,
daß dieser bestimmte Sinn der kaiserlichen Worte so bald
als möglich nach Peking bekannt gegeben wird. Jeden-
falls benimmt er den dortigen Gewalthabern jede Neigung,
es nochmals mit Verlogenheit und Verschlagenheit bei uns
zu versuchen. Hoffentlich beeinflußt er sie auch, nunmehr
die Vorbedingungen eines geordneten Verkehrs mit uns zu
erfüllen.
Dazu kann es nur förderlich sein, daß die Agenten
nach Peking weiterhin melden, was der Kaiser als oberster
Kriegsherr, als Soldat zu seinen Soldaten ge-
sprochen hat. Er hat den Feind, an den unsere braven
deutschen Truppen kommen werden, ebenso deutlich ge-
kennzeichnet, wie den Zweck der ganzen Expedition. Dieser
Feind ist gut bewaffnet, theilweise wohl auch gut geführt,
aber er hat nicht den mindesten Anspruch, als kriegführende
Macht im Sinne des Völkerrechts behandelt zu werden.
Stehen die Gewalthaber in Peking hinter ihm. um so
schlimmer für diese; dann haben sie eben den Schutz des
Völkerrechts gleichfalls verwirkt. Jedenfalls kann den
aufständischen Horden gegenüber nur gelten: Auge um Auge,
Zahn um Zahn. Sie dienen dem bestialischen Gedanken,
die „fremden Teufel in's Meer zu werfen". Da muß
ihnen mit demselben Maße gemessen werden, mit dem sie
selbst messen. Es bedarf keines Wortes darüber, daß ein
deutscher Soldat nie unmenschlich verfahren wird. Aber
einem solchen Feind gegenüber den deutschen Soldaten nur
an die Gebote der Menschlichkeit ermahnen, wäre nichts
weiter als schlecht angebrachte Sentimentalität. Daß unser
Kaiser einer so schwächlichen Anwandlung nicht fähig ist,
verräth jedes seiner in Bremerhaven gesprochenen Worte.
Er prägt seinen Soldaten berechtigtermaßen nur ein, daß
sie einen Feind finden werden, der nicht Pardon gibt und
Gefangene macht, sondern die „fremden Teufel" nicder-
mctzelt, und daß dieser Feind kein anderes Schicksal werth
ist, als er selbst es den europäischen Truppen bereitet.
Dabei will es uns außerordentlich gleichgiltig erscheinen,
wie die Worte des Kaisers im Einzelnen lauteten. Der
Sinn ist nicht zu verkennen, und hoffentlich haben ihn be-
sonders auch diejenigen genau verstanden, die noch in der
Lage sind, den Gewalthabern in Peking telegraphische
Meldungen zu machen.

Zur Ermordung des Königs von Italien.
Die Frage, ob der Attentäter Bresci allein und aus
eigenem Antrieb seine schurkische Mordthat begangen oder
ob ein Komplott mehrerer Personen bestanden hat, wird
begreiflicher Weise eifrig erörtert. Vieles spricht für ein
Komplott. Der römischen Tribuna zufolge glaubt man
an das Vorhandensein einer Verschwörung. Anarchisten
hätten erklärt, es habe vor einiger Zeit eine anarchistische
Versammlung in Paris stattgefunden, in der ausgeloost
wurde, wer den König Humbert ermorden solle. Auch
die Mailänder Polizei glaubt, König Humbert sei, trotz
der Ableugnung des Mörders, einer Verschwörung zum
Opfer gefallen.
Aus einer Unterredung von Journalisten mit Bresci
wird Folgendes mitgetheilt: „Seit wann habt Ihr nichts
gegessen?" „Seit gestern Abend sechs Uhr." „Wo habt
Ihr gegessen?" „In einem Wirthshause, ich weiß nicht
wo." „Seit wieviel Tagen seid Ihr in Monza?" „Seit
zwei Tagen." „Woher kamt Ihr." „Aus Amerika." „Seid
Ihr Euch Eurer Schreckenstat bewußt?" Verächtliches
Achselzucken. „Ihr habt den König schwer verwundet."
„Nein, nein, ich habe ihn getödtet, ich habe gut gezielt
und bin meiner Sache sicher." Bei seiner Gefangennahme

soll er ausgerufen haben: „Schlagt mich nur todt! Ich
habe ja nun meine Pflicht gethan."
Es verlautet, der Mörder habe am letzten Freitag
in Begleitung eines jungen Mannes bei einer Wittwe
Rosst vorgesprochen und Wohnung gesucht. Sein Be-
gleiter wird jetzt gesucht. Weiter heißt es, daß die Mai-
länder Polizei bei der Haussuchung im Hause eines ge-
wissen Ramella wichtige Schriftstücke an sich
genommen habe, aus denen hervorgehen soll, das Bresci
mit Kerlen in Amerika in Verbindung stand, und zwar
bezüglich des von ihm begangenen Verbrechens. Bei
Ramella wohnte Bresci mit einem Toscaner namens
Giltst! zusammen. Der Kellner des Wirthshauses, in
dem beide Genossen verkehrten, erklärte, daß sie sich von
einem großartigen Plane unterhalten hätten, der die Welt
in Staunen setzen sollte. Giusti ist verhaftet. Während
Bresci bei Ramella wohnte, gab er sich für einen
Franzosen aus und sprach immer französisch. Alles
deutet darauf hin, daß Bresci das Verbrechen lange vor-
bereitet hat.
Die Polizei in Genf forschte, als die Nachricht von
der Ermordung deS Königs Humbert bekannt
wurde, sofort nach, ob der Thäter nicht in Beziehung
stehe zu den Mördern Cacnots und der Kaiserin Elisabeth.
Dem Matin zufolge stellte sich heraus, daß Bresci vor
zwei Jahren in Genf gewohnt hat, wo er als Anarchist
scharf überwacht wurde. Als Luche ni, der Mörder der
Kaiserin Elisabeth, über Bresci befragt wurde, verweigerte
er die Antwort.
Spanischen Blättern zufolge besitzt die spanische
Polizei ein Bild des Attentäters, der sich neulich noch in
Barcelona Herumgetrieben haben soll. Dort sei auch
der Anschlag auf den König Humbert geplant worden.
Ungarische Blätter wollen wissen, daß der Mörder
des Königs Humbert 1896 in Pest gewesen sei und hier
im Verein mit Luccheni, dem späteren Mörder der Kaiserin
Elisabeth, für anarchistische Ideen Propaganda gemacht
habe. Die Polizei in Pest erklärt indessen, daß ihr hier-
über nichts bekannt sei.
Die Nachforschung nach etwaigen Mitverschworeneu
Bresci's wird begreiflicherweise eifrig betrieben und es
wird sich wohl alsbald Herausstellen, wie es um die ver-
meintliche Verschwörung steht.
Auf alle Fälle ist die Ermordung des Königs Hum-
berts ein gemeines Verbrechen und als solches zu beurtheilen.
Wenn ein Paar mordsüchtige Buben sich zusammenthuu
und einen Mitmenschen umbringen, so ist das kein poli-
tisches Verbrechen, auch wenn das Opfer ein König ist
und wenn von ihnen zur Beschönigung der Mordsucht
von Tyrannen und von der Pflicht, sie zu tödten, ge-
faselt wird.
In Italien trauert die ganze Bevölkerung. Ueberall
ruht die Arbeit; die Börsen und Theater find geschloffen.
Zahlreiche Kundgebungen für das Königshaus fanden statt.
Der Schmerz der Königin Margherite ist grenzenlos.
Die ganze Nacht auf Dienstag verbrachte sie mit dem
Erzpriester Tonza an der Leiche.
Der neue König, Victor Emanuel III., hatte
vor einigen Wochen eine Seereise mit seiner Frau unter-
nommen, die das Paar an die kleinasiatische Küste und
nach Konstanttnopel führte. In Konstantinopel hielt
eS sich vierzehn Tage auf unter dem Inkognito
eines Grafen und einer Gräfin Romeo. Die Be-
scheidenheit des Paares fiel allgemein auf und es
hinterließ dort den besten Eindruck. Wiederholt sah man
das Paar Arm in Arm stundenlang am herrlichen Bos-
porus-Quai von Therapia promeniren. Zu der Lieblings-

3)

Kalliope Mavros.
Erzählung von Adolf Flachs.
(Fortsetzung.)

Dr. Kärnthner entsprach der Aufforderung und wußte
d"? nicht, was er sagen sollte. Er war überzeugt gewesen,
er das verwaiste Mädchen in Thränen aufgelöst, von
Knw Eiseltem Schmerz gefoltert vorfinden würde, und
A>> ve ist wohl ernster als gewöhnlich, ihre langgeschlitzten
si^sien blickten kummervoll, auf der weißen, schmalen Stirn
einige, vor Kurzem entstandene, zarte Faltenlinien zu
ff/"erken, aber ihr Gesichtsausdruck verräth sonst nicht, daß
Hj. einem so erschütternden Schicksalsschlag getroffen war.
z^j.sonnte sich diese Ruhe mit dem innigen Verhältniß, das
klon bi> Vater und Tochter bestanden hatte, nicht in Ein-
^^bringen. Sie bemerkte sein Erstaunen und errieth seine
'iin^ch spreche niemals gern von Dingen, die ich nicht
sg kann," begann sie, als sie sah, daß er keine Worte
Nie.,-Da Sie, Herr Doktor, von jeher für uns soviel Auf-
sich Vsinikeit gezeigt haben, darf ich auch annehmen, daß Sie
nwine Zukunft ein wenig interessiren."
dixk^' Kärnthner verbeugte sich höflich; er fühlte dabei, wie
ihch , herzlose Mädchen mit jedem ihrer nüchternen Worte
lchj>.,fiemder wurde, wie der Zauber ihrer Erscheinung seine
Mg zu versagen anfing.
danke, Herr Doktor... Da mein Vater nichts an
Noch „Mi, zurückgelassen hat, so sehe ich mich gezwungen
Ech^ner Stellung zu suchen. Die meisten Möbel und
Ai bjMungSgegcnstände werde ich verkaufen, einige wenige,
Äch "ch angenehme Erinnerungen knüpfen, behalte ich.
^hfälli chte Sie nun bitten, an mich zu denken, wenn Sie ,
erfahren sollten, daß man in irgend einer besseren >

Familie einer Gouvernante oder Gejellichallerin vevart-
Natürlich werde ich mich inzwischen auch selbst umiehen.
„Gern, mein Fräulein," erwiderte er, sich erhebend. „Sie
entschuldigen . . . meine Kranken warten, ich muß fort."
Kalliope begleitete ihn hinaus, bis zum Wagen. Seine
ungewohnte Zurückhaltung schien sie zu kränken. Sie sah
ihm mit seltsam warmem Blick in die blauen Augen, öffnete
den Mund, um zu sprechen, schwieg aber doch und seufzte bloß.
Dr- Kärnthner bemerkte das alles, allein er wollte es nicht
bemerken, er wollte nichts mehr mit diesem gefühllosen
Mädchen zu schaffen haben. Mit kurzem Gruß fuhr er fort.
Bald darauf wandte er sich fast unbewußt nach rückwärts.
Kalliope stand unbeweglich am Gartenzaun, ihm traurig nach-
sehend. „Komödiantin," murmelte er verächtlich. „Will
mich glauben machen, daß sie mir gut ist. Als ob ein
Mensch, der den schrecklichen Tod eines so zärtlichen
Vaters gleichmüthig hinnimmt, noch irgend Jemand täuschen
könnte!"
Am nächsten Tage besuchte Dr. Kärnthner das gefühllose
Mädchen um die gleiche Zeit. Es lieb ihm keine Ruhe, er
wollte ihre Seele ergründen; mit einem Widerwillen, den
er stets empfand, wenn er eine widerwärtige Krankheit be-
kämpfte. und mit demselben lebhaften, aber feindseligen
Interesse kam er wieder zu Kalliope. Und er verließ sie,
ohne um vieles klüger geworden zu sein; bloß das eine
glaubte er feststellen zu können, daß sie ihm thatsächlich
geneigt war. jedenfalls mehr, als zu Lebzeiten ihres Vaters.
Der „Fall Kalliope" reizte den jungen Arzt so sehr, daß er
sich nun täglich bei seiner „Patientin" einstcllte. Er fand
an ihr weder innerlich, noch äußerlich irgend welche bedeut-
same Veränderung — sie wich Gesprächen über das Bor-
gefallene aus. hatte für ihn stets denselben freund-
schaftlichen Blick, sprach ruhig und ernst, und auf ihrem
Gesicht zeigte sich keine ausfällige Miene, kein besonderer
Ausdruck.
Braila ist eine kleine Stadt; man wußte bald, daß der

junge Arzr Kalliope täglich besuchte, ohne daß sie krank war.
Nähere Bekannte begannen Dr. Kärnthner wegen seiner
offenkundigen Vorliebe für die „griechische Venus" zu necken.
Das wurde immer schärfer; man ließ schon das Wörtchen
„vor" weg und sprach von seiner „Liebe" zu der griechischen
Venus; dann fragte man ihn, ob er schon um ihre Hand
angchalten habe. Das wurde ihm schließlich zu bunt. Um
dem Gerede ein Ende zu machen und gleichzeitig um Kalliope
zu prüfen, steckte er sich einen Ring an und erzählte aller
Welt, er sei schon längst mit einem Fräulein in Wien ver-
lobt, allerdings noch nicht offiziell. Während er dies auch
Kalliope mittheilte, beobachtete er sie scharf; es schien ihm,
daß ihre Mundwinkel ein wenig zuckten, daß ihre
Stimme anfangs, als sie ihm Glück wünschte» ein wenig
zitterte, doch ehe er das so recht feststellen konnte, war alles
vorbei.
Kalliope hatte während der Zeit in verschiedenen Familien
Vorgesprächen, war aber überall sehr kühl empfangen worden.
Man konnte es ihr nicht verzeihen, daß sie den Tod ihres
Vaters mit stolzer Ruhe ertrug und daß sie so pietätlos
war, auch jetzt noch farbige Kleider zu tragen. Sie
ließ den Muth aber nicht sinken, sie erinnerte sich immer
wieder der mahnenden Worte ihres Vaters vor dem
Abschiede: „Schweigen, dulden und warten können, bringt
Erfolg."
Eines Tages erhielt sie die Aufforderung, bei Hencryk
von Kochanowski, einem Eisenbahnunternehmer, vorzu-
sprechen, der von einer längeren Reise heimgekebrt, für
seine kränkliche Frau eine Gesellschafterin suchte. Kalliope
wurde von Herrn Kochanowski überaus herzlich empfangen
und fand auch Gnade vor den kritischen Augen der Frau
Jadwiga, die früher einmal Gouvernante gewesen war und
jetzt die vornehme Dame spielte.
(Fortsetzung folgt.)
 
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