- «»scheint täglich,
sonntags ausgenommen.
Prei«
Uitt Familienblättern
. monatlich 50 Pf.
^mi in's HauS gebracht.
Vurch die Post bezogen
viertcljährl. 1.25 Mk.
^schließlich Zustellgebühr.
Ktrnsprech-Anschluß Nr. 82.
HÄckemr Mm.
277. Erstes Platt.Diknslllll, -k» 27. N«»tllll>tt
JnsertionSgebühr:
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
GratiS-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82.
1900.
Bestellungen
"uf die Heidelberger Zeitung für den Monat December
Werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Amten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Spedition, Untere Neckarstr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg^ frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für den Monat Decem-
kr, wenn am Schalter abgeholt, 42 Pfg., für Zustell'
E^ühr 15 Psg. weiter.
Die Vorgänge in China.
. „ Das diplomatische Korps in Peking hat am 24. d.
die Schlußsitzung abgehalten, in der die den Ab-
Muß des Friedensvertrags mit China einleitenden
st immun gen besprochen und endgiltig übereinstimmend
^gesetzt wurden. Nunmehr werden die Gesandten sich die
Zustimmung ihrer Regierungen sichern. Hierauf können
^ direkten Verhandlungen mit den chinesischen Bevoll-
mächtigten beginnen.
^ Nach einer Angabe soll der russische Gesandte in der
«Ntschädigungsfrage eine speziell von England und Deutsch-
Ustd abweichende Haltung einnehmen. Eine äußerliche
Uebereinstnnmuiig sei nur dadurch erzielt worden, daß man
Men Wortlaut des Beschlusses aufstellte, wodurch der
^ern der Steitfrage nicht berührt wird. Von Amerika
Urde in neuerer Zeit wiederum berichtet, daß die Re-
gelung die von den Gesandten geforderten Bestrafungen
hart finde. Der amerikanische Gesandte in Peking
^gegen billige sie. Es scheint, als ob der Gesandte mit
deiner Meinung schließlich doch durchdringen wird.
England leidet immer noch an Eifersucht und Miß-
^uuen gegen Rußland. In einem Telegramm der Times
?Us Shanghai vom 24. d. M. heißt es: Die kürzlich
u Umlauf gewesenen Meldungen, Rußland weigere
Uch jetzt, die chinesische Nordbahn wieder aus-
^Uliefern, findet Bestätigung. Jegliches Nachgeben
^Uglands in dieser Angelegenheit würde dem britischen
Prestige einen höchst verhängnißvollen Schlag versetzen.
In
^ einem Pekinger Telegramm desselben Blattes heißt es,
^ußland habe jetzt plötzlich seine Absicht bezüglich Aus-
Mndigunng der Bahn von Tientsin nach Shanghaikwan
Rändert. Die Russen sagen, daß sie gemäß dem Befehle
a»s Petersburg die Eisenbahn behalten sollen, bis alle
Jsisischen Truppen aus Pctschili zurückgezogen sind. Len
^hinesen setzte Rußland auseinander, daß es die Bahn im
^üteresse Chinas behalte. Die Mornmg Post schreibt, das
russische Vorgehen in der Eisenbahnfrage sei eine
^enso schlagende Verletzung des Völkerrechts als
'e von China begangenen. Im Falle offener gewaltsamer
Wegnahme des Eigenlhums einer anderen Macht falle die
^rantwortlichkeit nicht auf die Macht, deren Eigenthum
^Nommen würde. Dieser obliegt die höhere Verpflichtung,
'« jeden Preis ihre Rechte im Interesse ihrer Ehre auf-
^cht zu erhalten.
Die Chinesen, denen diese Differenzen zwischen den
7-sächlen nicht verborgen bleiben, werden sich natürlich be-
ruhen, sie auezunutzen.
In militärischer Beziehung ist aus der neueren Zeit
viel zu berichten. Das Oberkommando meldet aus
Peking vom 24.: Das Detachement Mühlenfels hat am
bei besonders schwierigen Gebirgswegen die große
blauer erreicht und dort die deutsche Flagge
^ißt. Die Franzosen haben 30 Kilometer südlich
Paotingfu scheinbar ein größeres Gefecht mit
^°kern gehabt.
^ Auffallend und sehr betrübend ist die Hobe Kranken-
* Das Romanfeuilleton findet der Leser im heutigen
'^iten Blatt.
III. Concert des Bachvereins.
L*L Heidelberg, 27. November.
.Ob sich Prof. Wolfrum mit dem gestrigen Programm
Ablaß für die Zukunft verschaffen wollte? Elastisch,
JMstch bis auf's Mark; Schönheit und nur Schönheit. Und
»> ,war der Fehler dieses sonst so freudig begrüßten Programms.
^ "»Hovens Zweite mit dem herrlichen Larghetto ist noch eine
I, zarten Mozart-Blonden unter den IX Schwestern, darauf
Lichtester Haydn, dann lieblicher Mozart, Weiler ein weicher Satz
chumann und zuletzt das denkbar Zart-Verklärteste, was Wagner
schrieben hat, das war zuviel Sonne auf einmal. Das soll
Beanstandung gewohnheitsmäßiger Nörgelei sein, nur ein
^^dauern, daß man des Schönen nicht durch kräftigen Gegensatz
Och froher werden konnte.
ii .Unser Orchester hatte einen ganz besonders guten Abend —
"^üanz „aus eigener Kraft".
v. In die Symphonie hatte es sich liebevoll und unter seines
"ers feinsinniger Führung rein etngelebl. Am besten gefielen
° Ecksätze.
Eine reizende Kleinigkeit für Orchester wurde mit der
d"-.?ooata notturna" aus Mozarts unerschöpflichen Schätzen
^chvrgkholt. Ein heiterer Marsch etwa im Figaro-Marschstyl
m >wle herzig ist die rhythmisch eigensinnige Stelle vor dem
sch,flchrenpizzicato!) — dann so ein recht sonniges Menuett und
^""ßlich ein etwas schwächeres sich zu oft wiederholendes Rondo,
^sch^diese Nummer wurde außerordentlich fein und discret
N.Der unvergleichliche, überirdische Zauber, der über das
ß..A"grin-Vorspiel gebreitet ist, hat uns unzählige Male be-
Man war daher versucht, zu fragen, warum Professor
leo^ZOw das Bedürfniß empfand, ihn unter der grellen Be-
Ni.Aung des Concertsaales wirken zu lassen. Die Ausführung
stkn. Antwort geben. Was sich das Orchester mit ihr aus-
War in der That ein Vollreisezeugniß. Einen so einheit-
ziffer bei den deutschen Truppen in China.
Nach der am 24. d. Mts. veröffentlichten Sanitäts-
Statistik ist die Verpflegung der deutschen Truppen
die beste. Das Trinken von ungekochtem Wasser ist ihnen
verboten und doch haben sie die meisten Erkrankungen
zu verzeichnen. Im Spital von Tientsin liegen 332
deutsche Kranke. Davon sind 20 an Ruhr und 31
an Typhus erkrankt. Die Franzosen, die ungekochtes
Wasser trinken, haben 38 Ruhrkranke und 32 Typhus-
kranke, 40 leiden an Durchfall. Die Japaner, die keinerlei
Vorsichtsmaßregeln gebrauchen und alles Mögliche trinken,
haben im Ganzen 36 Kranke, aber keinen Fall von Typhus
oder Ruhr.
Ein geheimes Edict aus Sing ans» an die Vice-
könige und Gouverneure befiehlt ihnen, die Fabrikation
moderner Gewehre und anderer Waffen einzustellen und zu
den alten Waffenmodellen zurückzukehrcn, da die modernen
Waffen sich in den Kämpfen mit den Verbündeten als
gänzlich unnütz (!) erwiesen hätten.
Deutsches Reich.
— Der Kaiser hat dem Reichstag wieder eine
ganze Reihe von eigenhändig gezeichneten Flottentafeln
übersandt, die auf Staffeleien im Präsidialzimmer aufge-
stellt sind, dessen Wände bereits von den früher vom Kaiser
gesandten Tafeln bedeckt werden. Mit den jetzt gekommenen
sieben großen Bildern sind es zusammen 16 Stück — eine
zusammenfassende schematische und vergleichende Darstellung
der Seestreitkräfte der verschiedenen Mächte mit Er-
gänzungsblättern unter Zugrundelegung der neueren Schiffs-
bauten. Drei der neuen Tafeln veranschaulichen mit Skizzen
jedes einzelnen Schiffes die Flotte in den oft asiatischen
Gewässern, und zwar Deutschlands, Englands, Frank-
reichs, Rußlands, Japans und der Vereinigten Staaten
von Amerika. Eine Tafel stellt die russische Ostseeflottc
dar, auf zwei Tafeln finden sich die Skizzen der fran-
zösischen Panzerdeckkreuzer 1. bis 3. Classe, sowie der
französischen Schlachtschiffe. Eine Nachtragstafel für Eng-
land zeigt die Schlachtschiffe und Kreuzer 1. Classe und
die Panzerdeckkreuzer. Die sämmtlichen neuen Tafeln sind
mit dem Datum September 1900 bezeichnet.
— Bemerkenswerth ist es, daß, als der Reichstag
die 12 000 Mark-Debatte begann, das Haus sehr leer
war. Später war etwa ein Drittel der Abgeordneten an-
wesend. Die Sozialdemokraten sind über den Ausgang
der Debatte wenig erfreut. Und Graf Posadowsky? So
lautet die ingrimmige Ueberschrift über der fast drei Druck
spalten füllenden Enttäuschung in ihrem Centralorgan darob,
daß eine geschickte Hand mit sicherem Griff den Panama-
schreiern die schon für sicher gehaltene Beute entrissen hat
und daß der große Aufmarsch schließlich verlaufen ist. wie
das Hornberger Schießen. Als Quintessenz des Tages
bleibt, daß die Reichsregierung und die bürgerlichen Par-
teien selbst hinreichend im Stande sind, Mißstände zu be-
seitigen, die Wiederkehr von Mißgriffen zu verhüten, und
den Trennungsstrich zwischen Gut und Böse zu ziehen, wo
er hingehört, nicht aber mit dem Lineal der sich monatlich
mausernden Umsturzleute.
— Nachdem man im Reichstage vier Tage lang da-
rüber geklagt hatte, daß die Regierung für China Mil-
lionen und Abermillionen ausgegeben habe, ohne den
Reichstag zusammenzuberufen, zeigt die Budgelkommission
sich durchaus nicht eilig. In der ersten Sitzung erschienen
von acht Centrumsmitgliedern nur zwei; auch von den
Konservativen fehlten viele, so daß Lieber beantragte, die
Kommission möge ihre Arbeiten erst am 4. Dezember auf-
nehmen. Der Antrag wurde angenommen.
tichen Strich bei den Geigern hat man wohl noch selten hier
wahrgenommen, auch fleckenlos rein und klar entwickelten sich die
wunderbaren Harmonien, — etwas weniger Schärfe würde noch
bemerkbar werden, wenn mehr gute Instrumente in Thätigkeit
wären —, die Bläser thaten sich gleichermaßen durch ihren dis-
creten, weichen Klang hervor. Man war wirklich gefesselt und
gehoben und hat es herzlich bedauert, daß im allerletzten Moment
durch einen angestückten Ansatz und eine kleine Trübung das
freudige Genießen an der sinnigen Wiedergabe gestört werden
mußte.
Popper, ein Name, der mit dem Cello unzertrennlich ver-
wachsen ist, stand auf dem Zettel und halt- ein ganz ungewöhn-
lich zahlreiches Publikum angelockk. Der altbekannte Virtuose, der
nicht nur ein erster Meister auf seinem Instrument ist, sondern
dessen recht dürftige Literatur mit zahlreichen, ungewöhnlich
lange concert- und lebensfähigen Kompositionen beschenkt hat,
sieht heute mit seinen wie gepuderten weißen Haaren aus wie
ein französischer Marquis der guten alten Zeit und Aristokratie,
der im Schein des Kaminseuers mit Meisterschaft seine roman-
tischen Herzensgeschichten zu erzählen, geistreich zu plaudern weiß,
galant und nonchalant. So ein geistreicher Causeur, so die ge-
borene Eleganz und Galanterie ist Popper. Bei seiner fabel-
haften Technik - übrigens liefen gestern sogar diesem Großen
kleine Unreinheiten mit unter — ist es. als ob sein Bogen die
Saiten kaum berühren, nur über sie hinhuschen und ihnen den
Schaum des Tones abstreifen wolle. Wenn er lyrisch singt, wie
bei Schumann und in der eigenen Berceuse, so schenkt er einen
unendlich süßen Gesang, mehr eines helleren Altes, als den eines
männlichen Cello-Barylons.
Mit Orchesterbegleilung spielte er ein Concert von Haydn,
ausgearbeitet von Popper. Die Themata sind unverkennbar
Haydn, die Ausführung ist unverkennbar modern Popper.
Den Gipfel der Virtuosität erklomm er in seinem spanischen
Tanz. Da zaubert er mit Klangwirkungen, streichelt, wenn ich
so fagen darf, mit gelassener Grazie Hexereien aus den Saiten,
die unbegreiflich erscheinen.
Vortrefflich unterstützte ihn Herr Seelig am Flügel.
Es gibt viele Cellisten, die einen weit tieferen Eindruck hinter-
— Zwei Setzer der sozialdemokratische« Leipz. Volks-
zeitung erklären, sie feien entlafsen worden mit der
Begründung, gegen ihre technische Tüchtigkeit sei nichts
einzuwenden, aber sie arbeiteten nicht genügend
für die Partei. Zukunftsstaat!
Deutscher Reichstag. Berlin, 26. Nov. Aus der
Tagesordnung steht die Interpellation des Abgeord-
neten Grafen Oriola (nat.-lib.), den Reichskanzler zu
ersuchen, er möge Auskunft geben, ob die Vorarbeiten für
die vom Kricgsminister in Aussicht gestellte Vorlage be-
treffend die Militärpensionen ganz beendet sind und
ob anzunehmen ist, daß die Vorlage im Laufe der Session
an den Reichstag gelange.
Staatssekretär Dr. Frhr. v. Thielmann erklärt sich bereit,
die Interpellation sofort zu beantworten.
Abg. Graf Oriola (nat.-lib.) begründet diese Interpellation,
indem er auf die wiederholt im Reichstag ausgesprochenen
Wünsche nach einer 'neuen Vorlage und auf die Zusage des
Kriegsministers hinweist. Da die Thronrede eine solche Vorlage
nicht ankünde, so soll die Interpellation Klarheit verschaffen. Es
handle sich doch hier um eine Ehrenschuld gegenüber den alten
Soldaten. (Beifall.)
Staatssekretär Dr. Frbr. v. Thielmann erklärt, die
Vorarbeiten für die neue Vorlage seien beendet. Die
Berechtigung des Strebens der Invaliden nach Besserung ihrer
Lebenslage sei zuzugeben Durch die Reform werde aber auch die
Frage der Civilpensionen angeschnitten. Beides aber
greife zu weit, als daß sich die Vorlage so schnell fertig stellen
läßt. Außerdem sei der Reichsinvalidenfond banke-
rott. Ich wollte, sagte der Staatssekretär, das eigentlich beim
Etat schon sagen. Vor drei Jahren war noch ein Effektiobestand
von 69 Millionen Mark vorhanden, jetzt ist ein Fehlbetrag von
17 Millionen da. Da die Erwägungen noch nicht abgeschlossen
sind, kann ich nicht zusagen, ob die vom Kriegsminister aus-
gearbeitete Vorlage dem Hause noch im Laufe der Session zu-
geht. (Hört, hört I>
Auf Antrag des Abg. Dr. Sattler (nat.-lib.) findet eine
Besprechung der Interpellation statt.
Abg. Rickert (freist Ver.) führt aus, nöthige Ausgaben
müßten gemacht werden, so schlecht ständen die Finanzen nicht.
ES gäbe zudem Dinge, die sich für das Reich nicht schicken.
Abg. Fritzen (Centr) wünscht, es möge eine Vorlage noch
in dieser Session dem Hause zugehen.
Abg. Oeitel tkons.) kann die vom Staatssekretär ans-
geführten Gründe nicht stichhaltig finden. Die Regelung der
Civilpensionen eile nicht. Gegenüber dem Abg. Rickert bemerke
er, daß, so sparsam Finanzminister v. Miquel auch sei, er,
wenn man ihn ernstlich dränge, doch die Mittel bereit haben
werde.
Abg. v. Voll mar (Soc.) bemerkt, in dieser Frage solle es
keine Parteiunterschiede geben. Es handle sich hier um eine
Ehrenschuld. Gegenüber dem. was andere Nationen für ihre
Invaliden gethan hätten, müßte uns tiefe Beschämung ergreifen.
Die Socialdemokraten seien für alles zu haben, was geeignet sei.
das Loos der Kriegsinvaliden zu bessern.
Abg. Eickhoff (freist Volksp.) fchließt sich den Vor-
rednern an.
Abg. Prinz ». Schönaich-Carolath (natl.) führt aus:
Der ganze Reichstag sei für eine Remedur. Der Staatssekretär
sehe den Wald vor Bäumen nicht, wenn er die Regelung einer
so natürlichen Frage mit anderen verquicke. Bet einem so großen
Etat solle man Leute, die die Größe des Reiches geschaffen hätten,
nicht vertrösten. Das besiegte Frankreich behandle seine Veteranen
besser als wir, die Sieger.
Abg. Dr. Arendt (Reichsp.): Er hoffe auf baldige Be-
endigung der schwebenden Verhandlungen. Wenn der Reichs-
invalidenfonds erschöpft sei, so erfülle er damit seine Bestimmung,
denn er sei zur Verausgabung und nicht zur Veranlagung von
Geldern bestimmt.
Abg. Werner (Antis.) fragt, wie die Soldaten jetzt mit
Math und Vertrauen in den Krieg ziehen sollen, wenn sie sehen,
daß die Invaliden der früheren Jahre hungern und betteln
müssen.
Abg. Graf Oriola (natl.) bemerkt, der Staatssekretär
v. Thielmann habe den Passus seiner Rede, daß der Kriegs-
minister ein wärmeres Herz zu haben scheine als der Finanz-
minister, als eine Verdächtigung aufgefaßt. Redner müsse seiner-
seits die hierin liegenden Verdächtigungen zurückweiscn.
Der Präsident erklärt, er habe die Worte des Staats-
sekretärs Thielmann so verstanden, daß die Rede des Grafen
Oriola geeignet sei, außerhalb des Reichstages Verdächtigungen
lassen; Popper ist heute noch der eleganteste, vornehm zurück-
haltende Aristokrat der Cellos. Or. 8.
Kleine Zeitung.
— München, 24. Nov. Commercienrath Johann Sedlmayr,
Mitinhaber der Spatenbrauerei und ehemaliger Reichstagsabge-
ordneter für München, ist heute Nacht 1 Uhr gestorben.
— Dortmund, 26. Nov. Auf der Strecke Langendreer (Süd)-
Bochum (Süd) stießen am 24. ds. zwischen der Blockstation
Prinz von Preußen undAllenbochum die Güt er z ü g e Nr. 3327
und 9004 zusammen. Außer einem Lokomotivheizer, der leichte
Verletzungen erlitt, wurde Niemand verletzt. Der Unfall ist darauf
zurückzuführen, daß die Blockstation „Prinz von Preußen" den
Güterzug Nr. 3327 und den folgenden Güterzug 8994 passiren
ließ, bevor ersterer seitens der Blockstation Altenbochum zurückge-
meldet war.
— Halle, 26. Nov. Der bekannte protestantische Theologe
Professor Willibald Beyschlag ist gestern nach längerer Krank-
heit im Alter von 77 Jahren gestorben.
— Ein räthselhaftes Verbrechen ist in Essen vorgekommen.
Aus einem Cigarrenladen an der Kettwigerstraße drang Abends
nach 9 Uhr wüstes Geschrei. Polizeibeamte schlugen Scheiben
ein und drangen in den Laden ein. Am Boden lag schwer ver-
letzt der in dem Geschäfte thälige 19jährtge Ladengehilfe Müller;
er starb bald darauf. Neben Müller lag bewußtlos ein Mann,
der sich eine Pulsader ausgeschnitten hatte. Dieser wurde ins
Krankenhaus geschafft. Es liegt zweifellos ein Raubanfall vor.
Ueber die Person des Thäters ist noch nichts ermittelt.
Literarisches.
—A Lieder zur häuslichen Weihnachts- und Syl-
vesterfeier, zusammengcstcllt von Lic. Wolf, Diakonus an
St. Matthäi, Leipzig. Verlag von E. Ungleich in Leipzig. Preis
20 Pfg. Die 10 Lieder sind von Mnstldireklor Vogel in an-
sprechender, leichter Form bearbeitet. Auch für einfachere Gesang-
vereine ist die Sammlung wohl geeignet.
sonntags ausgenommen.
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tafeln der Heidelb. Zeitung
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1900.
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"uf die Heidelberger Zeitung für den Monat December
Werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Amten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Spedition, Untere Neckarstr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg^ frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für den Monat Decem-
kr, wenn am Schalter abgeholt, 42 Pfg., für Zustell'
E^ühr 15 Psg. weiter.
Die Vorgänge in China.
. „ Das diplomatische Korps in Peking hat am 24. d.
die Schlußsitzung abgehalten, in der die den Ab-
Muß des Friedensvertrags mit China einleitenden
st immun gen besprochen und endgiltig übereinstimmend
^gesetzt wurden. Nunmehr werden die Gesandten sich die
Zustimmung ihrer Regierungen sichern. Hierauf können
^ direkten Verhandlungen mit den chinesischen Bevoll-
mächtigten beginnen.
^ Nach einer Angabe soll der russische Gesandte in der
«Ntschädigungsfrage eine speziell von England und Deutsch-
Ustd abweichende Haltung einnehmen. Eine äußerliche
Uebereinstnnmuiig sei nur dadurch erzielt worden, daß man
Men Wortlaut des Beschlusses aufstellte, wodurch der
^ern der Steitfrage nicht berührt wird. Von Amerika
Urde in neuerer Zeit wiederum berichtet, daß die Re-
gelung die von den Gesandten geforderten Bestrafungen
hart finde. Der amerikanische Gesandte in Peking
^gegen billige sie. Es scheint, als ob der Gesandte mit
deiner Meinung schließlich doch durchdringen wird.
England leidet immer noch an Eifersucht und Miß-
^uuen gegen Rußland. In einem Telegramm der Times
?Us Shanghai vom 24. d. M. heißt es: Die kürzlich
u Umlauf gewesenen Meldungen, Rußland weigere
Uch jetzt, die chinesische Nordbahn wieder aus-
^Uliefern, findet Bestätigung. Jegliches Nachgeben
^Uglands in dieser Angelegenheit würde dem britischen
Prestige einen höchst verhängnißvollen Schlag versetzen.
In
^ einem Pekinger Telegramm desselben Blattes heißt es,
^ußland habe jetzt plötzlich seine Absicht bezüglich Aus-
Mndigunng der Bahn von Tientsin nach Shanghaikwan
Rändert. Die Russen sagen, daß sie gemäß dem Befehle
a»s Petersburg die Eisenbahn behalten sollen, bis alle
Jsisischen Truppen aus Pctschili zurückgezogen sind. Len
^hinesen setzte Rußland auseinander, daß es die Bahn im
^üteresse Chinas behalte. Die Mornmg Post schreibt, das
russische Vorgehen in der Eisenbahnfrage sei eine
^enso schlagende Verletzung des Völkerrechts als
'e von China begangenen. Im Falle offener gewaltsamer
Wegnahme des Eigenlhums einer anderen Macht falle die
^rantwortlichkeit nicht auf die Macht, deren Eigenthum
^Nommen würde. Dieser obliegt die höhere Verpflichtung,
'« jeden Preis ihre Rechte im Interesse ihrer Ehre auf-
^cht zu erhalten.
Die Chinesen, denen diese Differenzen zwischen den
7-sächlen nicht verborgen bleiben, werden sich natürlich be-
ruhen, sie auezunutzen.
In militärischer Beziehung ist aus der neueren Zeit
viel zu berichten. Das Oberkommando meldet aus
Peking vom 24.: Das Detachement Mühlenfels hat am
bei besonders schwierigen Gebirgswegen die große
blauer erreicht und dort die deutsche Flagge
^ißt. Die Franzosen haben 30 Kilometer südlich
Paotingfu scheinbar ein größeres Gefecht mit
^°kern gehabt.
^ Auffallend und sehr betrübend ist die Hobe Kranken-
* Das Romanfeuilleton findet der Leser im heutigen
'^iten Blatt.
III. Concert des Bachvereins.
L*L Heidelberg, 27. November.
.Ob sich Prof. Wolfrum mit dem gestrigen Programm
Ablaß für die Zukunft verschaffen wollte? Elastisch,
JMstch bis auf's Mark; Schönheit und nur Schönheit. Und
»> ,war der Fehler dieses sonst so freudig begrüßten Programms.
^ "»Hovens Zweite mit dem herrlichen Larghetto ist noch eine
I, zarten Mozart-Blonden unter den IX Schwestern, darauf
Lichtester Haydn, dann lieblicher Mozart, Weiler ein weicher Satz
chumann und zuletzt das denkbar Zart-Verklärteste, was Wagner
schrieben hat, das war zuviel Sonne auf einmal. Das soll
Beanstandung gewohnheitsmäßiger Nörgelei sein, nur ein
^^dauern, daß man des Schönen nicht durch kräftigen Gegensatz
Och froher werden konnte.
ii .Unser Orchester hatte einen ganz besonders guten Abend —
"^üanz „aus eigener Kraft".
v. In die Symphonie hatte es sich liebevoll und unter seines
"ers feinsinniger Führung rein etngelebl. Am besten gefielen
° Ecksätze.
Eine reizende Kleinigkeit für Orchester wurde mit der
d"-.?ooata notturna" aus Mozarts unerschöpflichen Schätzen
^chvrgkholt. Ein heiterer Marsch etwa im Figaro-Marschstyl
m >wle herzig ist die rhythmisch eigensinnige Stelle vor dem
sch,flchrenpizzicato!) — dann so ein recht sonniges Menuett und
^""ßlich ein etwas schwächeres sich zu oft wiederholendes Rondo,
^sch^diese Nummer wurde außerordentlich fein und discret
N.Der unvergleichliche, überirdische Zauber, der über das
ß..A"grin-Vorspiel gebreitet ist, hat uns unzählige Male be-
Man war daher versucht, zu fragen, warum Professor
leo^ZOw das Bedürfniß empfand, ihn unter der grellen Be-
Ni.Aung des Concertsaales wirken zu lassen. Die Ausführung
stkn. Antwort geben. Was sich das Orchester mit ihr aus-
War in der That ein Vollreisezeugniß. Einen so einheit-
ziffer bei den deutschen Truppen in China.
Nach der am 24. d. Mts. veröffentlichten Sanitäts-
Statistik ist die Verpflegung der deutschen Truppen
die beste. Das Trinken von ungekochtem Wasser ist ihnen
verboten und doch haben sie die meisten Erkrankungen
zu verzeichnen. Im Spital von Tientsin liegen 332
deutsche Kranke. Davon sind 20 an Ruhr und 31
an Typhus erkrankt. Die Franzosen, die ungekochtes
Wasser trinken, haben 38 Ruhrkranke und 32 Typhus-
kranke, 40 leiden an Durchfall. Die Japaner, die keinerlei
Vorsichtsmaßregeln gebrauchen und alles Mögliche trinken,
haben im Ganzen 36 Kranke, aber keinen Fall von Typhus
oder Ruhr.
Ein geheimes Edict aus Sing ans» an die Vice-
könige und Gouverneure befiehlt ihnen, die Fabrikation
moderner Gewehre und anderer Waffen einzustellen und zu
den alten Waffenmodellen zurückzukehrcn, da die modernen
Waffen sich in den Kämpfen mit den Verbündeten als
gänzlich unnütz (!) erwiesen hätten.
Deutsches Reich.
— Der Kaiser hat dem Reichstag wieder eine
ganze Reihe von eigenhändig gezeichneten Flottentafeln
übersandt, die auf Staffeleien im Präsidialzimmer aufge-
stellt sind, dessen Wände bereits von den früher vom Kaiser
gesandten Tafeln bedeckt werden. Mit den jetzt gekommenen
sieben großen Bildern sind es zusammen 16 Stück — eine
zusammenfassende schematische und vergleichende Darstellung
der Seestreitkräfte der verschiedenen Mächte mit Er-
gänzungsblättern unter Zugrundelegung der neueren Schiffs-
bauten. Drei der neuen Tafeln veranschaulichen mit Skizzen
jedes einzelnen Schiffes die Flotte in den oft asiatischen
Gewässern, und zwar Deutschlands, Englands, Frank-
reichs, Rußlands, Japans und der Vereinigten Staaten
von Amerika. Eine Tafel stellt die russische Ostseeflottc
dar, auf zwei Tafeln finden sich die Skizzen der fran-
zösischen Panzerdeckkreuzer 1. bis 3. Classe, sowie der
französischen Schlachtschiffe. Eine Nachtragstafel für Eng-
land zeigt die Schlachtschiffe und Kreuzer 1. Classe und
die Panzerdeckkreuzer. Die sämmtlichen neuen Tafeln sind
mit dem Datum September 1900 bezeichnet.
— Bemerkenswerth ist es, daß, als der Reichstag
die 12 000 Mark-Debatte begann, das Haus sehr leer
war. Später war etwa ein Drittel der Abgeordneten an-
wesend. Die Sozialdemokraten sind über den Ausgang
der Debatte wenig erfreut. Und Graf Posadowsky? So
lautet die ingrimmige Ueberschrift über der fast drei Druck
spalten füllenden Enttäuschung in ihrem Centralorgan darob,
daß eine geschickte Hand mit sicherem Griff den Panama-
schreiern die schon für sicher gehaltene Beute entrissen hat
und daß der große Aufmarsch schließlich verlaufen ist. wie
das Hornberger Schießen. Als Quintessenz des Tages
bleibt, daß die Reichsregierung und die bürgerlichen Par-
teien selbst hinreichend im Stande sind, Mißstände zu be-
seitigen, die Wiederkehr von Mißgriffen zu verhüten, und
den Trennungsstrich zwischen Gut und Böse zu ziehen, wo
er hingehört, nicht aber mit dem Lineal der sich monatlich
mausernden Umsturzleute.
— Nachdem man im Reichstage vier Tage lang da-
rüber geklagt hatte, daß die Regierung für China Mil-
lionen und Abermillionen ausgegeben habe, ohne den
Reichstag zusammenzuberufen, zeigt die Budgelkommission
sich durchaus nicht eilig. In der ersten Sitzung erschienen
von acht Centrumsmitgliedern nur zwei; auch von den
Konservativen fehlten viele, so daß Lieber beantragte, die
Kommission möge ihre Arbeiten erst am 4. Dezember auf-
nehmen. Der Antrag wurde angenommen.
tichen Strich bei den Geigern hat man wohl noch selten hier
wahrgenommen, auch fleckenlos rein und klar entwickelten sich die
wunderbaren Harmonien, — etwas weniger Schärfe würde noch
bemerkbar werden, wenn mehr gute Instrumente in Thätigkeit
wären —, die Bläser thaten sich gleichermaßen durch ihren dis-
creten, weichen Klang hervor. Man war wirklich gefesselt und
gehoben und hat es herzlich bedauert, daß im allerletzten Moment
durch einen angestückten Ansatz und eine kleine Trübung das
freudige Genießen an der sinnigen Wiedergabe gestört werden
mußte.
Popper, ein Name, der mit dem Cello unzertrennlich ver-
wachsen ist, stand auf dem Zettel und halt- ein ganz ungewöhn-
lich zahlreiches Publikum angelockk. Der altbekannte Virtuose, der
nicht nur ein erster Meister auf seinem Instrument ist, sondern
dessen recht dürftige Literatur mit zahlreichen, ungewöhnlich
lange concert- und lebensfähigen Kompositionen beschenkt hat,
sieht heute mit seinen wie gepuderten weißen Haaren aus wie
ein französischer Marquis der guten alten Zeit und Aristokratie,
der im Schein des Kaminseuers mit Meisterschaft seine roman-
tischen Herzensgeschichten zu erzählen, geistreich zu plaudern weiß,
galant und nonchalant. So ein geistreicher Causeur, so die ge-
borene Eleganz und Galanterie ist Popper. Bei seiner fabel-
haften Technik - übrigens liefen gestern sogar diesem Großen
kleine Unreinheiten mit unter — ist es. als ob sein Bogen die
Saiten kaum berühren, nur über sie hinhuschen und ihnen den
Schaum des Tones abstreifen wolle. Wenn er lyrisch singt, wie
bei Schumann und in der eigenen Berceuse, so schenkt er einen
unendlich süßen Gesang, mehr eines helleren Altes, als den eines
männlichen Cello-Barylons.
Mit Orchesterbegleilung spielte er ein Concert von Haydn,
ausgearbeitet von Popper. Die Themata sind unverkennbar
Haydn, die Ausführung ist unverkennbar modern Popper.
Den Gipfel der Virtuosität erklomm er in seinem spanischen
Tanz. Da zaubert er mit Klangwirkungen, streichelt, wenn ich
so fagen darf, mit gelassener Grazie Hexereien aus den Saiten,
die unbegreiflich erscheinen.
Vortrefflich unterstützte ihn Herr Seelig am Flügel.
Es gibt viele Cellisten, die einen weit tieferen Eindruck hinter-
— Zwei Setzer der sozialdemokratische« Leipz. Volks-
zeitung erklären, sie feien entlafsen worden mit der
Begründung, gegen ihre technische Tüchtigkeit sei nichts
einzuwenden, aber sie arbeiteten nicht genügend
für die Partei. Zukunftsstaat!
Deutscher Reichstag. Berlin, 26. Nov. Aus der
Tagesordnung steht die Interpellation des Abgeord-
neten Grafen Oriola (nat.-lib.), den Reichskanzler zu
ersuchen, er möge Auskunft geben, ob die Vorarbeiten für
die vom Kricgsminister in Aussicht gestellte Vorlage be-
treffend die Militärpensionen ganz beendet sind und
ob anzunehmen ist, daß die Vorlage im Laufe der Session
an den Reichstag gelange.
Staatssekretär Dr. Frhr. v. Thielmann erklärt sich bereit,
die Interpellation sofort zu beantworten.
Abg. Graf Oriola (nat.-lib.) begründet diese Interpellation,
indem er auf die wiederholt im Reichstag ausgesprochenen
Wünsche nach einer 'neuen Vorlage und auf die Zusage des
Kriegsministers hinweist. Da die Thronrede eine solche Vorlage
nicht ankünde, so soll die Interpellation Klarheit verschaffen. Es
handle sich doch hier um eine Ehrenschuld gegenüber den alten
Soldaten. (Beifall.)
Staatssekretär Dr. Frbr. v. Thielmann erklärt, die
Vorarbeiten für die neue Vorlage seien beendet. Die
Berechtigung des Strebens der Invaliden nach Besserung ihrer
Lebenslage sei zuzugeben Durch die Reform werde aber auch die
Frage der Civilpensionen angeschnitten. Beides aber
greife zu weit, als daß sich die Vorlage so schnell fertig stellen
läßt. Außerdem sei der Reichsinvalidenfond banke-
rott. Ich wollte, sagte der Staatssekretär, das eigentlich beim
Etat schon sagen. Vor drei Jahren war noch ein Effektiobestand
von 69 Millionen Mark vorhanden, jetzt ist ein Fehlbetrag von
17 Millionen da. Da die Erwägungen noch nicht abgeschlossen
sind, kann ich nicht zusagen, ob die vom Kriegsminister aus-
gearbeitete Vorlage dem Hause noch im Laufe der Session zu-
geht. (Hört, hört I>
Auf Antrag des Abg. Dr. Sattler (nat.-lib.) findet eine
Besprechung der Interpellation statt.
Abg. Rickert (freist Ver.) führt aus, nöthige Ausgaben
müßten gemacht werden, so schlecht ständen die Finanzen nicht.
ES gäbe zudem Dinge, die sich für das Reich nicht schicken.
Abg. Fritzen (Centr) wünscht, es möge eine Vorlage noch
in dieser Session dem Hause zugehen.
Abg. Oeitel tkons.) kann die vom Staatssekretär ans-
geführten Gründe nicht stichhaltig finden. Die Regelung der
Civilpensionen eile nicht. Gegenüber dem Abg. Rickert bemerke
er, daß, so sparsam Finanzminister v. Miquel auch sei, er,
wenn man ihn ernstlich dränge, doch die Mittel bereit haben
werde.
Abg. v. Voll mar (Soc.) bemerkt, in dieser Frage solle es
keine Parteiunterschiede geben. Es handle sich hier um eine
Ehrenschuld. Gegenüber dem. was andere Nationen für ihre
Invaliden gethan hätten, müßte uns tiefe Beschämung ergreifen.
Die Socialdemokraten seien für alles zu haben, was geeignet sei.
das Loos der Kriegsinvaliden zu bessern.
Abg. Eickhoff (freist Volksp.) fchließt sich den Vor-
rednern an.
Abg. Prinz ». Schönaich-Carolath (natl.) führt aus:
Der ganze Reichstag sei für eine Remedur. Der Staatssekretär
sehe den Wald vor Bäumen nicht, wenn er die Regelung einer
so natürlichen Frage mit anderen verquicke. Bet einem so großen
Etat solle man Leute, die die Größe des Reiches geschaffen hätten,
nicht vertrösten. Das besiegte Frankreich behandle seine Veteranen
besser als wir, die Sieger.
Abg. Dr. Arendt (Reichsp.): Er hoffe auf baldige Be-
endigung der schwebenden Verhandlungen. Wenn der Reichs-
invalidenfonds erschöpft sei, so erfülle er damit seine Bestimmung,
denn er sei zur Verausgabung und nicht zur Veranlagung von
Geldern bestimmt.
Abg. Werner (Antis.) fragt, wie die Soldaten jetzt mit
Math und Vertrauen in den Krieg ziehen sollen, wenn sie sehen,
daß die Invaliden der früheren Jahre hungern und betteln
müssen.
Abg. Graf Oriola (natl.) bemerkt, der Staatssekretär
v. Thielmann habe den Passus seiner Rede, daß der Kriegs-
minister ein wärmeres Herz zu haben scheine als der Finanz-
minister, als eine Verdächtigung aufgefaßt. Redner müsse seiner-
seits die hierin liegenden Verdächtigungen zurückweiscn.
Der Präsident erklärt, er habe die Worte des Staats-
sekretärs Thielmann so verstanden, daß die Rede des Grafen
Oriola geeignet sei, außerhalb des Reichstages Verdächtigungen
lassen; Popper ist heute noch der eleganteste, vornehm zurück-
haltende Aristokrat der Cellos. Or. 8.
Kleine Zeitung.
— München, 24. Nov. Commercienrath Johann Sedlmayr,
Mitinhaber der Spatenbrauerei und ehemaliger Reichstagsabge-
ordneter für München, ist heute Nacht 1 Uhr gestorben.
— Dortmund, 26. Nov. Auf der Strecke Langendreer (Süd)-
Bochum (Süd) stießen am 24. ds. zwischen der Blockstation
Prinz von Preußen undAllenbochum die Güt er z ü g e Nr. 3327
und 9004 zusammen. Außer einem Lokomotivheizer, der leichte
Verletzungen erlitt, wurde Niemand verletzt. Der Unfall ist darauf
zurückzuführen, daß die Blockstation „Prinz von Preußen" den
Güterzug Nr. 3327 und den folgenden Güterzug 8994 passiren
ließ, bevor ersterer seitens der Blockstation Altenbochum zurückge-
meldet war.
— Halle, 26. Nov. Der bekannte protestantische Theologe
Professor Willibald Beyschlag ist gestern nach längerer Krank-
heit im Alter von 77 Jahren gestorben.
— Ein räthselhaftes Verbrechen ist in Essen vorgekommen.
Aus einem Cigarrenladen an der Kettwigerstraße drang Abends
nach 9 Uhr wüstes Geschrei. Polizeibeamte schlugen Scheiben
ein und drangen in den Laden ein. Am Boden lag schwer ver-
letzt der in dem Geschäfte thälige 19jährtge Ladengehilfe Müller;
er starb bald darauf. Neben Müller lag bewußtlos ein Mann,
der sich eine Pulsader ausgeschnitten hatte. Dieser wurde ins
Krankenhaus geschafft. Es liegt zweifellos ein Raubanfall vor.
Ueber die Person des Thäters ist noch nichts ermittelt.
Literarisches.
—A Lieder zur häuslichen Weihnachts- und Syl-
vesterfeier, zusammengcstcllt von Lic. Wolf, Diakonus an
St. Matthäi, Leipzig. Verlag von E. Ungleich in Leipzig. Preis
20 Pfg. Die 10 Lieder sind von Mnstldireklor Vogel in an-
sprechender, leichter Form bearbeitet. Auch für einfachere Gesang-
vereine ist die Sammlung wohl geeignet.