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Mittwoch, den 8.AuM
IW«.
Liebknecht
Berlin, 7. Aug. Der sozialdemokratische Reichstags-
Abgeordnete Liebknecht ist heute früh 4 Uhr infolge
Eines Schlaganfalls gestorben.
Wilhelm Liebknecht war am 29. März 1826 in Gießen
geboren, er studirte daselbst, in Berlin und Marburg
Philologie und Philosophie, betheiligte sich 1848 am
badischen Aufstand, saß vom September 1848 bis Mai
^49 in Haft, nahm an der neuen Erhebung für die
Reichsverfassung in Baden theil und flüchtete nach deren
Unterdrückung erst nach der Schweiz, dann nach England.
1862 kehrte er nach Deutschland zurück und war als
^vurnalist, zeitweilig auch an der Norddeutschen Allgemeinen
Heilung, lhätig, wurde aber 1865 wegen seines- agitatorischen
Verhallens in der Arbeiterfrage aus Preußen ausgewiesen
ging nach Leipzig, wo er seit 1. Januar 1868 das
Demokratische Wochenblatt, Organ der Volkspartei und des
Perbandes deutscher Arbeitervereine, redigirte. Das Blatt
b>Urde später in den Volksstaat umgewandelt. 1872 wurde
^ wegen Hochverrats mit Bebel zusammen zu zwei Jahren
Ostung verurtheilt, die er auf Hubertusburg abbüßte.
fahrend seiner Haft ward er 1874 im Königreich Sachsen
den deutschen Reichstag gewählt, welchem er seitdem
""gehörte. Mehrere Jahre redigirte er, nachdem der Volks-
üaat eingegangen war, den Vorwärts bis dessen Unter-
Zückung im Jahre 1878. Später lebte Liebknecht in
Achsen. Im Jahre 1890, nach Ablauf des Sozialisten-
gesetzes, siedelte er nach Berlin über und führte dort
we Redaktion des wieder dort erscheinenden Vorwärts.
. Liebknecht ist für die sozialdemokratische Partei sowohl
?! Vorwärts als auch in zahlreichen Broschüren, dann
bieder als Redner im Reichstag und in Volksversammlungen
gberrnüdlich lhätig gewesen. Er war einer der Theoretiker
er Partei und in seiner Art so doktrinär wie nur irgend
.W Mauchestermann. Mit Bebel zählte er zu den Alten
a der Partei, die zwar wegen ihrer langjährigen Thätig-
für dieselbe Anerkennung gefunden haben, die aber doch
?! einem gewissen Gegensatz zu den Jungen stehen, welche
'e Partei von heute repräscntiren. Für die Weiter-
Wwicklung der Partei in reformatorischem Geiste war der
"^e autokratisch veranlagte Liebknecht ein Hemmschuh.
Invalide«- und Altersrenten.
, Die schon seit einiger Zeit zu beobachten gewesene Er-
Aeinung, daß, während die Zahl der laufenden Alters-
,Euten abnimmt, die der Invalidenrenten sich
lagert, hält auch jetzt noch an. Während noch am
.'April l. I. die laufenden Altersrenten sich auf rund
fl 000 bezifferten, waren sie um die Mitte des Jahres
/s rund 192 000 gesunken. Die Invalidenrenten haben
r>, dem gleichen Zeitraum von rund 343 000 auf
. ko 365 000 gesteigert. Man kann annehmen, daß die
r> weflm Vcrhältniß zum Ausdruck kommende Entwicklung
einige Zeit anhalten wird. Bedeutend wird ja die
. eitere Abnahme der laufenden Altersrentenzahl nicht mehr
Ni-? läßt sich auch vermuthen, daß nach einer verhält-
kurzen Zeit bei ihr der Zeitpunkt erreicht sein wird,
j, dem die Abnahme infolge Todes oder Auswanderung durch
San ^?6e>ng ausgeglichen sein wird. Dagegen ist cs als
len? anzusehen, daß die Steigerung der Jnvalidcn-
Ng^"öohl sich in ähnlicher Weise, wie in der letzten Zeit,
vA eine ganz geraume Spanne fortsetzen wird. Die
der 's ^ welcher die Zahl der Invalidenrenten gegen die
I«i, Altersrenten im Hintergründe stand, ist noch gar nicht
o„^e vorbei, und jetzt kann man bereits mit Bestimmtheit
^E?en, daß zum 1. October d. I. die Zahl der laufen-
den Invalidenrenten diejenige der Altersrenten um das
Doppelte übertroffen haben wird. Die Bedeutung des Ge-
setzes für die Versicherung invalid werdender
Personen wird dadurch erst ganz klargestellt. Angesichts
dieses Zahlenverhältnisses werden sicherlich auch diejenigen
Kreise, welche mit der nur die Invalidenversicherung be-
tonenden Bezeichnung des neuen Gesetzes nicht zufrieden
waren, einsehen, daß mit der letzteren richtig vorgegangen
ist. Die Invalidenversicherung wird schließlich so über-
wiegen, daß die Altersversicherung als ein sicherlich sehr
schätzenswerthes, aber nebensächliches Moment angesehen
werden muß. _
Unsere Schiffe auf der Reise nach China.
Für die zahlreichen Verwandten und Freunde unserer
nach Ostasien geschickten Offiziere und Soldaten dürfte eine
von der Köln. Ztg. angefertigte Zusammenstellung darüber
von Interesse sein, wo sich augenblicklich unsere
Schiffe befinden und wie es ihnen bisher auf der
Reise ergangen ist. Dampfer Köln, der ein Ablösungs-
commando von 1500 Mann nach Kiautschou führte, das
sich noch an den Kämpfen in und bei Tientsin betheiligen
konnte, ist noch in den chinesischen Gewässern, wo er zu
verschiedenen Dienstleistungen gebraucht wird. Die Mehr-
zahl der Ablösungstruppen befinden sich in Kiautschou, einige
hundert in Tientsin. Dampfer Frankfurt und Witte-
kind haben nach einer wenn auch heißen so doch ziemlich
freundlichen Fahrt Singapore erreicht und sind jetzt auf
der Fahrt nach Hongkong. Bisher fuhren die Transpvrt-
dampfer ohne Deckung; mit dem Eintritt in das südchine-
sische Meer übernimmt der schnelle Kreuzercoloß Fürst
Bismarck den Schutz und die Ueberwachung, um einen
etwaigen, freilich kaum denkbaren Handstreich der chinesischen
Sikiang-Flotte gründlich zu vereiteln. Am nächsten Don-
nerstag gehen der Kreuzer und die Transportschiffe vor
Hongkong vor Anker. Dampfer Preußen, der das
Vorbereitungscommando trägt, das sich in Genua ein-
schiffte, blieb von Stürmen verschont und wird in diesen
Tagen in Colombo eintreffen. Dampfer Gera hat mit
drei Torpedobooten Gibraltar passirt und wird sich jetzt
auf der Höhe von Tunis befinden. Dem bösen Wetter im
Canal und der Viscaya ist er davongefahren. Die
Dampfer Halle und Dresden werden jetzt vor der Straße
von Gibraltar sein und können leicht noch von einem kleinen
„Schwänze" des Unwetters erwischt worden sein. Die
Dampfer Sardinia und Straßburg sind jetzt an der por-
tugiesischen Küste und werden wohl in den letzten Tagen
noch etwas von dem unfreundlichen Wetter abbekommen
haben. Die Dampfer Rhein und Adria sind so-
wohl im Canal als auch in der Biscaya tüchtig ge-
schüttelt worden. Sie waren gerade im Canal, als die
engl. Postschiffe wegen Sturmes nicht auslaufen konnten.
Auf diesen Boten dürfte reichlich, dem Seegott geopfert
worden sein. Die Dampfer H. H. Meier und Phönicia
bekamen gleich bei ihrer Ausfahrt einen gründlichen Vor-
geschmack von dem, was sich die Nordsee bisweilen leistet,
und passircn jetzt bei starkem Winde den Canal. Wenn
Straßburg, Sardinia, Rhein, Adria, H. H. Meier und
Phönicia gleich zu Anfang die Unbilden der Schifffahrt er-
fahren haben, so sollen ihre Insassen sich das nicht leid
sein lassen, denn sie werden nun hoffentlich gegen alles,
was noch folge» kann, so abgehärtet sein, daß ihnen die
nachfolgende Reise nur umsomehr Vergnügen machen wird.
Unsere Transporte bilden jetzt eine langgezogene Linie vom
Canal bis Ostasten, vor ihnen aber befindet sich eine ganze
Reihe von Kriegsschiffen. In Summa sind auf allen
diesen Schiffen über 15 000 Deutsche.
Außerdem befinden sich auf der Fahrt nach Taku von
den auswärtigen Stationen der Geier und die Schwalbe;
nur der Seeadler ankert noch vor Apia. Der in Colombo
weilende Kreuzer Schwalbe und das Kanonenboot Tiger
folgen dem Fürst Bismarck und den Secbataillon en. Viel-
leicht werden sie noch von der Linienschiffs-Division über-
holt, da der Kurfürst Friedrich Wilhelm, die Brandenburg,
die Hela nach beendeter Kohlenübernahme in Aden, die
Weißenburg und Wörth nach erfolgter Bunkerung bei der
Insel Perim jetzt den indischen Ocean durchqueren. Im
Hafen von Aden liegen noch das Kanonenboot Luchs und
der Kreuzer Bussard, welche am 9. August gemeinsam nach
Colombo dampfen. Im weiten Abstande folgt das erste
Transportschiff der großen ostastatischen Expedition, die
Batavia, das bereits die kleine Flottille des Hospitalschiffs
Gera und der Torpedoboote 8 vO, 8 91 und 8 92 über-
holt hat und jetzt das Mtttelmeer durchfurcht. In Singapore
trafen die Fürst Bismarck-Mannschaften und die Seesoldaten
mit den vom Kriegsschauplatz heimkehrenden Verwundeten
an Bord des Dampfers Stuttgart zusammen. Es ist
zweifellos eine ergreifende Begrüßung gewesen: hier die
ersten, die für das Vaterland auf chinesichen Boden ge-
blutet haben, dort die ersten, die auf des Kaisers Ruf hin-
ausziehen, um Sühne für das vergossene Blut zu fordern.
Die Borgänge in China.
Im englischen Unterhause hat Unterstaatssekretär Brodrick
gestern folgendes vom 30. Juli datirtes Telegramm des
Tsungli-Aamen verlesen, das der chinesische Gesandte der
englischen Regierung übermittelte: „Die fremden Gesandten
befinden sich alle wohl. Wiederholt wurden ihnen Lebens-
mittel geliefert. Die fremden Gesandten und die chinesischen
Behörden stehen in sehr freundlichen, Beziehungen; eine er-
folgreiche Beendigung der Verhandlungen wegen Ueber-
führung der Gesandten unter Geleit nach Tientsin wird
erwartet; jedoch werden wegen der Wiederaufnahme der
Feindseligkeiten in Tientsin Gesuche um Uebermittelung von
Chiffretelegrammen an die Gesandten für nicht wünschens-
werth erachtet." — Man weiß indessen aus Erfahrung,
was von solchen Chinesennachrichten zu halten ist, und
Niemand wird der Behauptung Glauben schenken, daß zu
derselben Zeit, wo auf Befehl der Kaiserin verdienstvolle
chinesische Staatsmänner hingerichtet wurden, weil sie
fremdenfreundlicher Gesinnungen verdächtig waren, die Ge-
sandten mit den chinesischen Behörden „sehr freundliche
Beziehungen" unterhalten hätten.
Ferner theilte Brodrick ein Telegramm des britischen
Konsuls in Tientsin vom 4. August mit, demzufolge der
dortige japanische Konsul bis zum 1. August reichende
Nachrichten der japanischen Gesandtschaft habe. Sodann
meldet der Konsul, daß der Vormarsch der Ver-
bündeten am 4. August begonnen habe.
Ueber die Vorgänge in Tientsin um den 1. August
herum liegen offizielle Nachrichten nicht vor. Wenn die
Truppen der Mächte am 4. d. den Vormarsch auf Peking
begonnen haben, dann ist anzunehmen, daß Tientsin für
sicher gehalten wird. Ob der nicht amtlich gemeldete An-
griff der Chinesen nur wenig Bedeutung hatte, oder ob die
Chinesen so gründlich zurückgeschlagen wurden, daß keine
Gefahr für Tientsin mehr besteht, muß dahin gestellt
bleiben.
Nach dem Expreß hätte Li-Hung-Tschang den Konsuln
von Shanghai mitgetheilt, daß die Gesandten am Freitag
Peking verlassen hätten und auf dem Wege nach Tientsin
seien. Die Konsuln glauben indessen der Meldung nicht.
Das Bureau Dalziel meldet aus Shanghai von gestern,
Li-Hung-Tschang und Sheng befürchten, daß sie von den
Kalliope Mavros.
8>
Erzählung von Adolf Flachs.
(Fortsetzung.)
Kärnthner kam nun zum zweiten Male mit der
cf."b die Patientin Appetit habe.
Herr S weiß es nicht, Sie werden es ja bald erfahren,
Lidd -ewktor." antwortete etwas unwirsch Stanislaus; seine
dost wiA^ogen sich in Unmuth, daß der Arzt sich so leb-
Mehr ^ Kalliope beschäftigte- Nun beruhigte ihn auch nicht
Mid lei Gedanke, daß Kärnthner in Wien eine Braut habe,
Bes«!.," Unmuth wuchs allmählich zu einem feindseligen
den ex das dem Haß verwandt war. Dr. Kärnthner,
Aken '*"ber für einen hübschen Mann von einnehmenden
>>eiiie..""gesehen batte, erschien ihm jetzt widerwärtig.
Vit m,°eauen. runden gewölbten Augen hatten für ihn
Hl-onst-sipn ktiä frisst»
NUN
-rr tv-'j-r- eines beschränkten Menschen, das volle Haar und
Ullteln! L geschwungene Schnurrbart etwas thierisches, die
Ale Achße etwas breit ausgelaufene, ein wenig gekrümmte
Wrben" der goldenen Brille darüber und die hübschen
Aase? runden Gesicht erinnerten ihn an eine fratzenhafte
-de„ „je er im Schaufenster eines Kostüm-Ladens ge-
er niit Kärnthner's große, etwas derbe Gestalt glaubte
VMx .eines Hausknechts vergleichen zu dürfen. Fast
,hn schon daß xr selbst gerade Dr. Kärnthner
Alliö^' "kein er sagte sich auch gleich, daß man sür
*""ßte^ eben den anerkannt besten Arzt zu Rathe ziehen
Kärnthner hatte Mühe, den Ausdruck unangenehmer
Mrm fifbung zu unterdrücken, als er Kalliope's Zimmerchen
^e>n^" ihrer väterlichen Wohnung hatte sie ein geräumiges
-Üd U' b°S mit auserlesenem Geschmack eingerichtet war
Menge kleiner Ziergegenstände enthielt, für sich
besessen . . . hier war ihr eine schmale, enge Stube
angewiesen, in der sich an Möbeln, an einfachen, unsörmiaen
Möbeln nichts anders als daS unbedingt Nothwendige
befand. Kein Schmuck an der Wand, keine Nippes, nicht
einmal eine Uhr. Er trat rasch an's Bett. Kalliope sah ihn
mit matten, müden Augen an, nickte freundlich und schloß
wieder die Augen. Er fragte und fragte, untersuchte den
Pulsschlag, prüfte die Herzthätigkeit und sagte dann, ihre
schmale kleine Hand streichelnd:
„Machen Sie sich keine Sorgen, es ist nichts von Be-
deutung .... eine leichte Erkältung. Bleiben Sie im Bett.
Wenn Sie Durst haben, trinken Sie warme Limonade. Sie
bedürfen vor allem der Ruhe. Auf Wiedersehn ... ich
komme Nachmittags Nachsehen, wie es Ihnen geht." Er
drückte ihr warm die Hand, sie erwiderte in gleicher Weise,
ohne die Augen wieder zu öffnen, es schien ihr, als wären
die Lider zu schwach.
Als er auf den Korridor herauskam, stieß er auf Stanis-
laus, dem die Aufregung die Röthe ins Gesicht getrieben
hatte. Seine Stimme zitterte, als er Dr. Kärnthner fragte,
wie es mit Kalliope stehe.
Der Arzt sah ihm forschend ins Gesicht, Stanislaus wurde
jetzt purpurroth und rief ungeduldig:
„Nun, Herr Doktor . . . bitte . . ."
„Jetzt läßt sich noch gar nichts sagen," war die Antwort,
„ich möchte mit Herrn von Kochanowski sprechen. Ist er
hier zu Hause?"
„Ja . . . bitte, folgen Sie mir!"
Im Wohnzimmer trafen sie Herrn und Frau von
Kochanowski. Dr. Kärnthner meinte, es ließe sich vorläufig
noch keine Diagnose stellen, es scheine eine heftige Influenza
werden zu wollen. Frau Jadwiga konnte auS Angst vor
einer Ansteckung nicht aussprechen, was sie sagen wollte —
sie hatte die Absicht, darauf zu bestehen, daß man die Kranke
ins Spital bringe. Der Arzt wies nun darauf hin, daß man
Fräulein Kalliope unbedingt ein luftigeres, großes Zimmer
zur Verfügung stellen müsse.
„Sehr gern," beeilte sich jetzt Frau Jadwiga auszurufen,
„das große Zimmer mit der Veranda. Da ist sie ganz un-
gestört." Sie batte nicht mehr den Muth, ihren Vorschlag
zu machen, als sie sah, mit welcher betrübten Theilnahme ihr
Gatte, sowie Stanislaus den Worten des Arztes zuhörten.
Und dann, das Veranda-Zimmer lag soweit von den anderen
Wohnräumen.
Eine beklemmende Düsterkeit erfüllte das KochanowSki'sche
Haus. Frau Jadwiga erwog noch immer zitternd die Mög-
lichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung. Den Haus-
herrn erbarmte das arme Mädchen, das auch ihre Mutter
so früh verloren hatte, und nun auf dem Krankenbette der
liebevollen Pflege einer ihr wohlgesinnten Frau enbehren
mußte; und ab und zu tauchte in ihm etwas wie Haß gegen
Jadwiga auf; draußen trieb der Wind sein Spiel mit dem
Regen und jagte ihn an die Fensterscheiben und das erinnerte
Herrn von Kochanowski immer wieder an die Gefahr, der
seine Erdbauten ausgesetzt waren. Stanislaus bol einen de-
dauernswerthen Anblick: alle Farbe war aus seinem Gesicht
gewichen, den rehbraunen Augen verliehen die blauen Ringe
darunter einen unheimlichen Ausdruck, das kastanienbraune,
sonst so gepflegte Haar hing ihm wirr ins Gesicht, das
Verzweiflung und Pein verrieth. Er hatte Filzschuhe an-
gelegt und wanderte vor dem Verandazimmer, wohin der
Vater und Dr. Kärnthner Kalliope getragen hatten, hin und
her, um alle zwei, drei Minuten vor der Thür stehen zu
bleiben und zu horchen ob sich drinnen etwas regte. Vernahm
er ein Geräusch, dann stürmte er hinunter in die im Souterrain
befindliche Küche und holte eines der Dienstmädchen,
das Nachsehen mußte, was Kalliope that und ob sie etwas
wünschte. Auch die beiden Dienstmädchen ließen traurig
die Köpfe hängen, daß das liebe Fräulein, die immer
jo freundlich und gut und sanft war, nun krank dar-
nieder laz-I
(Fortsetzung folgt.)
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IW«.
Liebknecht
Berlin, 7. Aug. Der sozialdemokratische Reichstags-
Abgeordnete Liebknecht ist heute früh 4 Uhr infolge
Eines Schlaganfalls gestorben.
Wilhelm Liebknecht war am 29. März 1826 in Gießen
geboren, er studirte daselbst, in Berlin und Marburg
Philologie und Philosophie, betheiligte sich 1848 am
badischen Aufstand, saß vom September 1848 bis Mai
^49 in Haft, nahm an der neuen Erhebung für die
Reichsverfassung in Baden theil und flüchtete nach deren
Unterdrückung erst nach der Schweiz, dann nach England.
1862 kehrte er nach Deutschland zurück und war als
^vurnalist, zeitweilig auch an der Norddeutschen Allgemeinen
Heilung, lhätig, wurde aber 1865 wegen seines- agitatorischen
Verhallens in der Arbeiterfrage aus Preußen ausgewiesen
ging nach Leipzig, wo er seit 1. Januar 1868 das
Demokratische Wochenblatt, Organ der Volkspartei und des
Perbandes deutscher Arbeitervereine, redigirte. Das Blatt
b>Urde später in den Volksstaat umgewandelt. 1872 wurde
^ wegen Hochverrats mit Bebel zusammen zu zwei Jahren
Ostung verurtheilt, die er auf Hubertusburg abbüßte.
fahrend seiner Haft ward er 1874 im Königreich Sachsen
den deutschen Reichstag gewählt, welchem er seitdem
""gehörte. Mehrere Jahre redigirte er, nachdem der Volks-
üaat eingegangen war, den Vorwärts bis dessen Unter-
Zückung im Jahre 1878. Später lebte Liebknecht in
Achsen. Im Jahre 1890, nach Ablauf des Sozialisten-
gesetzes, siedelte er nach Berlin über und führte dort
we Redaktion des wieder dort erscheinenden Vorwärts.
. Liebknecht ist für die sozialdemokratische Partei sowohl
?! Vorwärts als auch in zahlreichen Broschüren, dann
bieder als Redner im Reichstag und in Volksversammlungen
gberrnüdlich lhätig gewesen. Er war einer der Theoretiker
er Partei und in seiner Art so doktrinär wie nur irgend
.W Mauchestermann. Mit Bebel zählte er zu den Alten
a der Partei, die zwar wegen ihrer langjährigen Thätig-
für dieselbe Anerkennung gefunden haben, die aber doch
?! einem gewissen Gegensatz zu den Jungen stehen, welche
'e Partei von heute repräscntiren. Für die Weiter-
Wwicklung der Partei in reformatorischem Geiste war der
"^e autokratisch veranlagte Liebknecht ein Hemmschuh.
Invalide«- und Altersrenten.
, Die schon seit einiger Zeit zu beobachten gewesene Er-
Aeinung, daß, während die Zahl der laufenden Alters-
,Euten abnimmt, die der Invalidenrenten sich
lagert, hält auch jetzt noch an. Während noch am
.'April l. I. die laufenden Altersrenten sich auf rund
fl 000 bezifferten, waren sie um die Mitte des Jahres
/s rund 192 000 gesunken. Die Invalidenrenten haben
r>, dem gleichen Zeitraum von rund 343 000 auf
. ko 365 000 gesteigert. Man kann annehmen, daß die
r> weflm Vcrhältniß zum Ausdruck kommende Entwicklung
einige Zeit anhalten wird. Bedeutend wird ja die
. eitere Abnahme der laufenden Altersrentenzahl nicht mehr
Ni-? läßt sich auch vermuthen, daß nach einer verhält-
kurzen Zeit bei ihr der Zeitpunkt erreicht sein wird,
j, dem die Abnahme infolge Todes oder Auswanderung durch
San ^?6e>ng ausgeglichen sein wird. Dagegen ist cs als
len? anzusehen, daß die Steigerung der Jnvalidcn-
Ng^"öohl sich in ähnlicher Weise, wie in der letzten Zeit,
vA eine ganz geraume Spanne fortsetzen wird. Die
der 's ^ welcher die Zahl der Invalidenrenten gegen die
I«i, Altersrenten im Hintergründe stand, ist noch gar nicht
o„^e vorbei, und jetzt kann man bereits mit Bestimmtheit
^E?en, daß zum 1. October d. I. die Zahl der laufen-
den Invalidenrenten diejenige der Altersrenten um das
Doppelte übertroffen haben wird. Die Bedeutung des Ge-
setzes für die Versicherung invalid werdender
Personen wird dadurch erst ganz klargestellt. Angesichts
dieses Zahlenverhältnisses werden sicherlich auch diejenigen
Kreise, welche mit der nur die Invalidenversicherung be-
tonenden Bezeichnung des neuen Gesetzes nicht zufrieden
waren, einsehen, daß mit der letzteren richtig vorgegangen
ist. Die Invalidenversicherung wird schließlich so über-
wiegen, daß die Altersversicherung als ein sicherlich sehr
schätzenswerthes, aber nebensächliches Moment angesehen
werden muß. _
Unsere Schiffe auf der Reise nach China.
Für die zahlreichen Verwandten und Freunde unserer
nach Ostasien geschickten Offiziere und Soldaten dürfte eine
von der Köln. Ztg. angefertigte Zusammenstellung darüber
von Interesse sein, wo sich augenblicklich unsere
Schiffe befinden und wie es ihnen bisher auf der
Reise ergangen ist. Dampfer Köln, der ein Ablösungs-
commando von 1500 Mann nach Kiautschou führte, das
sich noch an den Kämpfen in und bei Tientsin betheiligen
konnte, ist noch in den chinesischen Gewässern, wo er zu
verschiedenen Dienstleistungen gebraucht wird. Die Mehr-
zahl der Ablösungstruppen befinden sich in Kiautschou, einige
hundert in Tientsin. Dampfer Frankfurt und Witte-
kind haben nach einer wenn auch heißen so doch ziemlich
freundlichen Fahrt Singapore erreicht und sind jetzt auf
der Fahrt nach Hongkong. Bisher fuhren die Transpvrt-
dampfer ohne Deckung; mit dem Eintritt in das südchine-
sische Meer übernimmt der schnelle Kreuzercoloß Fürst
Bismarck den Schutz und die Ueberwachung, um einen
etwaigen, freilich kaum denkbaren Handstreich der chinesischen
Sikiang-Flotte gründlich zu vereiteln. Am nächsten Don-
nerstag gehen der Kreuzer und die Transportschiffe vor
Hongkong vor Anker. Dampfer Preußen, der das
Vorbereitungscommando trägt, das sich in Genua ein-
schiffte, blieb von Stürmen verschont und wird in diesen
Tagen in Colombo eintreffen. Dampfer Gera hat mit
drei Torpedobooten Gibraltar passirt und wird sich jetzt
auf der Höhe von Tunis befinden. Dem bösen Wetter im
Canal und der Viscaya ist er davongefahren. Die
Dampfer Halle und Dresden werden jetzt vor der Straße
von Gibraltar sein und können leicht noch von einem kleinen
„Schwänze" des Unwetters erwischt worden sein. Die
Dampfer Sardinia und Straßburg sind jetzt an der por-
tugiesischen Küste und werden wohl in den letzten Tagen
noch etwas von dem unfreundlichen Wetter abbekommen
haben. Die Dampfer Rhein und Adria sind so-
wohl im Canal als auch in der Biscaya tüchtig ge-
schüttelt worden. Sie waren gerade im Canal, als die
engl. Postschiffe wegen Sturmes nicht auslaufen konnten.
Auf diesen Boten dürfte reichlich, dem Seegott geopfert
worden sein. Die Dampfer H. H. Meier und Phönicia
bekamen gleich bei ihrer Ausfahrt einen gründlichen Vor-
geschmack von dem, was sich die Nordsee bisweilen leistet,
und passircn jetzt bei starkem Winde den Canal. Wenn
Straßburg, Sardinia, Rhein, Adria, H. H. Meier und
Phönicia gleich zu Anfang die Unbilden der Schifffahrt er-
fahren haben, so sollen ihre Insassen sich das nicht leid
sein lassen, denn sie werden nun hoffentlich gegen alles,
was noch folge» kann, so abgehärtet sein, daß ihnen die
nachfolgende Reise nur umsomehr Vergnügen machen wird.
Unsere Transporte bilden jetzt eine langgezogene Linie vom
Canal bis Ostasten, vor ihnen aber befindet sich eine ganze
Reihe von Kriegsschiffen. In Summa sind auf allen
diesen Schiffen über 15 000 Deutsche.
Außerdem befinden sich auf der Fahrt nach Taku von
den auswärtigen Stationen der Geier und die Schwalbe;
nur der Seeadler ankert noch vor Apia. Der in Colombo
weilende Kreuzer Schwalbe und das Kanonenboot Tiger
folgen dem Fürst Bismarck und den Secbataillon en. Viel-
leicht werden sie noch von der Linienschiffs-Division über-
holt, da der Kurfürst Friedrich Wilhelm, die Brandenburg,
die Hela nach beendeter Kohlenübernahme in Aden, die
Weißenburg und Wörth nach erfolgter Bunkerung bei der
Insel Perim jetzt den indischen Ocean durchqueren. Im
Hafen von Aden liegen noch das Kanonenboot Luchs und
der Kreuzer Bussard, welche am 9. August gemeinsam nach
Colombo dampfen. Im weiten Abstande folgt das erste
Transportschiff der großen ostastatischen Expedition, die
Batavia, das bereits die kleine Flottille des Hospitalschiffs
Gera und der Torpedoboote 8 vO, 8 91 und 8 92 über-
holt hat und jetzt das Mtttelmeer durchfurcht. In Singapore
trafen die Fürst Bismarck-Mannschaften und die Seesoldaten
mit den vom Kriegsschauplatz heimkehrenden Verwundeten
an Bord des Dampfers Stuttgart zusammen. Es ist
zweifellos eine ergreifende Begrüßung gewesen: hier die
ersten, die für das Vaterland auf chinesichen Boden ge-
blutet haben, dort die ersten, die auf des Kaisers Ruf hin-
ausziehen, um Sühne für das vergossene Blut zu fordern.
Die Borgänge in China.
Im englischen Unterhause hat Unterstaatssekretär Brodrick
gestern folgendes vom 30. Juli datirtes Telegramm des
Tsungli-Aamen verlesen, das der chinesische Gesandte der
englischen Regierung übermittelte: „Die fremden Gesandten
befinden sich alle wohl. Wiederholt wurden ihnen Lebens-
mittel geliefert. Die fremden Gesandten und die chinesischen
Behörden stehen in sehr freundlichen, Beziehungen; eine er-
folgreiche Beendigung der Verhandlungen wegen Ueber-
führung der Gesandten unter Geleit nach Tientsin wird
erwartet; jedoch werden wegen der Wiederaufnahme der
Feindseligkeiten in Tientsin Gesuche um Uebermittelung von
Chiffretelegrammen an die Gesandten für nicht wünschens-
werth erachtet." — Man weiß indessen aus Erfahrung,
was von solchen Chinesennachrichten zu halten ist, und
Niemand wird der Behauptung Glauben schenken, daß zu
derselben Zeit, wo auf Befehl der Kaiserin verdienstvolle
chinesische Staatsmänner hingerichtet wurden, weil sie
fremdenfreundlicher Gesinnungen verdächtig waren, die Ge-
sandten mit den chinesischen Behörden „sehr freundliche
Beziehungen" unterhalten hätten.
Ferner theilte Brodrick ein Telegramm des britischen
Konsuls in Tientsin vom 4. August mit, demzufolge der
dortige japanische Konsul bis zum 1. August reichende
Nachrichten der japanischen Gesandtschaft habe. Sodann
meldet der Konsul, daß der Vormarsch der Ver-
bündeten am 4. August begonnen habe.
Ueber die Vorgänge in Tientsin um den 1. August
herum liegen offizielle Nachrichten nicht vor. Wenn die
Truppen der Mächte am 4. d. den Vormarsch auf Peking
begonnen haben, dann ist anzunehmen, daß Tientsin für
sicher gehalten wird. Ob der nicht amtlich gemeldete An-
griff der Chinesen nur wenig Bedeutung hatte, oder ob die
Chinesen so gründlich zurückgeschlagen wurden, daß keine
Gefahr für Tientsin mehr besteht, muß dahin gestellt
bleiben.
Nach dem Expreß hätte Li-Hung-Tschang den Konsuln
von Shanghai mitgetheilt, daß die Gesandten am Freitag
Peking verlassen hätten und auf dem Wege nach Tientsin
seien. Die Konsuln glauben indessen der Meldung nicht.
Das Bureau Dalziel meldet aus Shanghai von gestern,
Li-Hung-Tschang und Sheng befürchten, daß sie von den
Kalliope Mavros.
8>
Erzählung von Adolf Flachs.
(Fortsetzung.)
Kärnthner kam nun zum zweiten Male mit der
cf."b die Patientin Appetit habe.
Herr S weiß es nicht, Sie werden es ja bald erfahren,
Lidd -ewktor." antwortete etwas unwirsch Stanislaus; seine
dost wiA^ogen sich in Unmuth, daß der Arzt sich so leb-
Mehr ^ Kalliope beschäftigte- Nun beruhigte ihn auch nicht
Mid lei Gedanke, daß Kärnthner in Wien eine Braut habe,
Bes«!.," Unmuth wuchs allmählich zu einem feindseligen
den ex das dem Haß verwandt war. Dr. Kärnthner,
Aken '*"ber für einen hübschen Mann von einnehmenden
>>eiiie..""gesehen batte, erschien ihm jetzt widerwärtig.
Vit m,°eauen. runden gewölbten Augen hatten für ihn
Hl-onst-sipn ktiä frisst»
NUN
-rr tv-'j-r- eines beschränkten Menschen, das volle Haar und
Ullteln! L geschwungene Schnurrbart etwas thierisches, die
Ale Achße etwas breit ausgelaufene, ein wenig gekrümmte
Wrben" der goldenen Brille darüber und die hübschen
Aase? runden Gesicht erinnerten ihn an eine fratzenhafte
-de„ „je er im Schaufenster eines Kostüm-Ladens ge-
er niit Kärnthner's große, etwas derbe Gestalt glaubte
VMx .eines Hausknechts vergleichen zu dürfen. Fast
,hn schon daß xr selbst gerade Dr. Kärnthner
Alliö^' "kein er sagte sich auch gleich, daß man sür
*""ßte^ eben den anerkannt besten Arzt zu Rathe ziehen
Kärnthner hatte Mühe, den Ausdruck unangenehmer
Mrm fifbung zu unterdrücken, als er Kalliope's Zimmerchen
^e>n^" ihrer väterlichen Wohnung hatte sie ein geräumiges
-Üd U' b°S mit auserlesenem Geschmack eingerichtet war
Menge kleiner Ziergegenstände enthielt, für sich
besessen . . . hier war ihr eine schmale, enge Stube
angewiesen, in der sich an Möbeln, an einfachen, unsörmiaen
Möbeln nichts anders als daS unbedingt Nothwendige
befand. Kein Schmuck an der Wand, keine Nippes, nicht
einmal eine Uhr. Er trat rasch an's Bett. Kalliope sah ihn
mit matten, müden Augen an, nickte freundlich und schloß
wieder die Augen. Er fragte und fragte, untersuchte den
Pulsschlag, prüfte die Herzthätigkeit und sagte dann, ihre
schmale kleine Hand streichelnd:
„Machen Sie sich keine Sorgen, es ist nichts von Be-
deutung .... eine leichte Erkältung. Bleiben Sie im Bett.
Wenn Sie Durst haben, trinken Sie warme Limonade. Sie
bedürfen vor allem der Ruhe. Auf Wiedersehn ... ich
komme Nachmittags Nachsehen, wie es Ihnen geht." Er
drückte ihr warm die Hand, sie erwiderte in gleicher Weise,
ohne die Augen wieder zu öffnen, es schien ihr, als wären
die Lider zu schwach.
Als er auf den Korridor herauskam, stieß er auf Stanis-
laus, dem die Aufregung die Röthe ins Gesicht getrieben
hatte. Seine Stimme zitterte, als er Dr. Kärnthner fragte,
wie es mit Kalliope stehe.
Der Arzt sah ihm forschend ins Gesicht, Stanislaus wurde
jetzt purpurroth und rief ungeduldig:
„Nun, Herr Doktor . . . bitte . . ."
„Jetzt läßt sich noch gar nichts sagen," war die Antwort,
„ich möchte mit Herrn von Kochanowski sprechen. Ist er
hier zu Hause?"
„Ja . . . bitte, folgen Sie mir!"
Im Wohnzimmer trafen sie Herrn und Frau von
Kochanowski. Dr. Kärnthner meinte, es ließe sich vorläufig
noch keine Diagnose stellen, es scheine eine heftige Influenza
werden zu wollen. Frau Jadwiga konnte auS Angst vor
einer Ansteckung nicht aussprechen, was sie sagen wollte —
sie hatte die Absicht, darauf zu bestehen, daß man die Kranke
ins Spital bringe. Der Arzt wies nun darauf hin, daß man
Fräulein Kalliope unbedingt ein luftigeres, großes Zimmer
zur Verfügung stellen müsse.
„Sehr gern," beeilte sich jetzt Frau Jadwiga auszurufen,
„das große Zimmer mit der Veranda. Da ist sie ganz un-
gestört." Sie batte nicht mehr den Muth, ihren Vorschlag
zu machen, als sie sah, mit welcher betrübten Theilnahme ihr
Gatte, sowie Stanislaus den Worten des Arztes zuhörten.
Und dann, das Veranda-Zimmer lag soweit von den anderen
Wohnräumen.
Eine beklemmende Düsterkeit erfüllte das KochanowSki'sche
Haus. Frau Jadwiga erwog noch immer zitternd die Mög-
lichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung. Den Haus-
herrn erbarmte das arme Mädchen, das auch ihre Mutter
so früh verloren hatte, und nun auf dem Krankenbette der
liebevollen Pflege einer ihr wohlgesinnten Frau enbehren
mußte; und ab und zu tauchte in ihm etwas wie Haß gegen
Jadwiga auf; draußen trieb der Wind sein Spiel mit dem
Regen und jagte ihn an die Fensterscheiben und das erinnerte
Herrn von Kochanowski immer wieder an die Gefahr, der
seine Erdbauten ausgesetzt waren. Stanislaus bol einen de-
dauernswerthen Anblick: alle Farbe war aus seinem Gesicht
gewichen, den rehbraunen Augen verliehen die blauen Ringe
darunter einen unheimlichen Ausdruck, das kastanienbraune,
sonst so gepflegte Haar hing ihm wirr ins Gesicht, das
Verzweiflung und Pein verrieth. Er hatte Filzschuhe an-
gelegt und wanderte vor dem Verandazimmer, wohin der
Vater und Dr. Kärnthner Kalliope getragen hatten, hin und
her, um alle zwei, drei Minuten vor der Thür stehen zu
bleiben und zu horchen ob sich drinnen etwas regte. Vernahm
er ein Geräusch, dann stürmte er hinunter in die im Souterrain
befindliche Küche und holte eines der Dienstmädchen,
das Nachsehen mußte, was Kalliope that und ob sie etwas
wünschte. Auch die beiden Dienstmädchen ließen traurig
die Köpfe hängen, daß das liebe Fräulein, die immer
jo freundlich und gut und sanft war, nun krank dar-
nieder laz-I
(Fortsetzung folgt.)