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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203-227 (01. September 1900 - 29. September 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37614#0229

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L. Erscheint täglich,
sonntags ausgenommen.

Preis
mit Familienblättern
, .monatlich 50 Pf.
HauS gebracht.
*>urch die Post bezogen
dierteljährl. 1.25 Mk.
" Zustellgebühr.

^nsprech-Anschluß Nr. 82.
Sir. 2Ü5.


JnsertionSgebühr
15 Pf. für die Ispalttge
Pctitzeile oder oeren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermätzigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Hlakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäule«.

Fernsprcch-Anschluß Nr. 82

ISO«.

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M die Heidelberger Zeitung für den Monat September
Türken bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den Agenten,
den Trägern in der Stadt, sowie in der Expedition,
Untere Neckarstr. 21, fortwährend angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
^bracht; durch die Post bezogen für den Monat September,
am Schalter abgeholt, 42 Pfg., skr Zustellgebühr
^ Pfg. mehr.

Cd,

Nationalliberale Jugendvereine.
Im Saale des Gasthauses „zum goldenen Schaf" in
. knkoben tagten am letzten Sonntag seit der 8. Morgen-
winde die nationalliberalen Jugendvereiue, deren
"iitiative (wie schon in unserm Festbericht mitgethcilt) die
Mße Parteifeicr in Edenkoben vorzugsweise auch entsprang.
Mwestnd waren Vertretungen der Jugendvereine von
l"Udwigshafen, Dürkheim, Zweibrücken, Kai«
I^slautern, Worms, Köln, Mannheim und
^igsburg, welche über 2000 Mitglieder umfassen. In
°'eser von Köln ausgehenden Zusammenfassung der national-
^sinnten Jugend unter ein begeisterungsvolles Banner zu
Mm, hochgesinnten Streben und rastloser Arbeit im
Lenste des Vaterlandes erkennt die Nationalliberale
Partej freudig und stolz einen Nachwuchs an jungen
giften, der den alten Idealen der Partei auch für die
Zukunft Bestand und reichen Erfolg verheißt. Die Ver-
mmmlung derselben beschäftigte sich, nach der Bad. Presse,
Mer Vorsitz von Rechtspraktikant Bau mann-Dürkheim
^ ihrem ersten Theile vorzugsweise mit der Organisa-
Mn der überall in der Gründung begriffenen oder in
Aussicht genommenen Jugendvereine, mir der Festsetzung
M Altersgrenze ihrer Mitglieder, der Agitation wie der
^ ihnen geübten Pflege der Geselligkeit und ihrer Stellung
^ den alten Vereinen. Dr. Fischer-Köln beantragte
alsdann im zweiten Theile der Tagung den Zusammen-
fluß aller Jugendvereine zu einem großen Ganzen und
^mit die Gründung eines Reichsverbandes der Ver-
M der nationalliberalen Jugend. Nach lebhafter Dis-
Msion, in welcher von allen Seiten her die freudige Zu-
kiuiinung zu diesem Antrag zum Ausdruck gelangte, wurde
M dahingehende Resolution unter Beifall an-
Genommen.
Zum Regierungsjubiläum des Sultans.
^ Sultan Abdul Hamid ist in das 25. Jahr seiner
Legierung eingelreten. Das hat Anlaß zu offiziellen
^fftlichkeiten in Konstantinopcl gegeben, bei denen fast alle
^ropgischen Staaten durch besondere Vertreter betheiligt
fd, aber auch zu Rückblicken auf das Ergebniß seiner
fgierung. Nicht ungünstig spricht sich in letzterer Hinsicht
Konstantinopeler Korrespondent des Berliner Tageblattes
uus. Er sagt u. A.:
. Man meint vielfach in Europa, die Türkei mache keine
Entschritte, sie stehe auf demselben Standpunkte wie vor
f Jahren. Man hat darin sehr Unrecht; wahr ist nur,
M es dort langsamer vorwärts geht als anderswo, wie
Ef Rückblick auf die letzten 25 Jahre lehrt. Daß man
Mte nicht noch weiter ist, daran ist ausschließlich jene
Mne Gruppe von Fanatikern schuld, von deren Be-
Mflussung nicht seiner Person, aber der Staatsgeschäfte
M Sultan sich nicht freimachen kann, will er nicht Gc-
Mr laufen, daß ihm die Unbeugsamkeit der Ge-
!^tze des Korans und ihrer Vollstrecker klargemacht

wirdl Jener Gruppe haben alle Reformen, alle Fort-
schritte förmlich abgerungen werden müssen, und der Sultan
hat aller seiner diplomatischen Gewandtheit bedurft, seine
Projekte durchzusetzen.
Wie feindlich hat diese Gruppe zum Beispiel nicht der
Reorganisation oder sagen wir ruhig der Organisation des
öffentlichen Unterrichtswesens gegenüber gestanden! Vor
25 Jahren existirten im ganzen Reiche ca. 3000 sogenannte
Koranschulcn, in denen die Gebete und nothdürftig Lesen und
Schreiben gelehrt wurden, einige wenige dienten zur Vor-
bereitung für die höhere Staatskarriere; heute gibt es über
22 000 Schulen, welche zerfallen in Volksschulen (Kursus
vier Jahre), höhere Schulen (Lyceen mit achtjährigem
Kursus), Industrieschulen (Fortbildungsschulen), Handels-
schulen (Kursus fünf Jahre) und Militärschulen, außerdem
eine Universität mit einer Fakultät für Rechts- und
Staatswissenschaft und einer für Medizin. Wie haben sich
jene Fanatiker der Heranziehung von europäischen Beamten
und Offizieren zur Reorganisicung der verschiedenen Vcr-
waltungszweige und der bewaffneten Macht widersetzt, wie
sich gesträubt gegen die Entsendung junger Türken zur
Ausbildung in Europa! Fast in jedem Falle mußte der
Sultan diese „Versündigungen" durch eine sühnende
„gute That" büßen, wie Dotirung einer Moschee, Errich-
tung eines Minarets, eines öffentlichen Brunnens u. s. w.
Wie haben sie gezetert gegen die Zulassung von europäischen
Lehrerinnen in die Harems und die dadurch immer mehr
hervortretende Neigung der türkischen Frauen, wenigstens
einige der sie einengenden Fesseln zu sprengen! Es war
vor 25 Jahren undenkbar, daß sich eine Türkin unver-
schleiert oder unbegleitet auf der Straße zeigte, daß sie sich
europäisch kleidete, daß sie französisch oder Musik trieb.
Heute ist das nichts Ungewöhnliches; in diesem Falle hat
Sultan Abdul-Hamid nur eine Unterlassungssünde be-
gangen, indem er nicht verbot, — und was nicht verboten,
ist bekanntlich erlaubt. Und wie hat jene Klique gegen die
verschiedenen Konzessionen zur Verbesserung der Verbindun-
gen mit Westeuropa und im Reiche selbst gearbeitet:
Eisenbahnen und Telegraphen sind ja Werke des Teufels!
Den heißesten Widerstand aber setzten sie der Errichtung
der Gerichtshöfe und der Gerichtsprozedur nach europäischem
Muster entgegen; damit entfiel ja der geistlichen Kaste
eines ihrer vornehmsten und gewichtigsten Beeinflussungs-
mittel der Bevölkerung, und wenn auch die Mollahs Vor-
sitzende der geistlichen Gerichte blieben, so war ihr Wirkungs-
kreis doch erheblich eingeschränkt.
Aber auch über die Schattenseite der Regierung Abdul
Hamids verbreitet sich der obige Korrespondent. Er hebt
das. weitgehende Mißtrauen des Sultans hervor, das zu
einer Kaltstellung der Minister und zu einer Kliquenherr-
schaft geführt hat. Das, was der Sultan bezweckte, näm-
lich selbst zn regieren und sich auf Niemanden zu verlassen,
vereitelte er selber, indem Leute, die er sich als untergeord-
nete Werkzeuge seines Willens gedacht, und deren Verläß.
lichkeit er durch Güte und Geschenke sich zu sichern gehofft,
sich allmählig zu kriechenden Rathgebern, zu intriguirenden
Günstlingen, zu patronisirenden Schranzen auswuchsen, die
seine Befehle nach Gutdünken ausführten oder nicht aus-
führten und ihn nebenbei mit einem Gewebe von Lügen-
bcrichten umgaben. Kam einmal durch einen Zufall die
Wahrheit zu seinen Ohren, so schlug wohl manchmal ein
zerschmetternder Blitz in die Gesellschaft, die sich dann mit
der solchen Elementen eigenen Gewandtheit von innen
heraus neu organisirte. Die Hauptfolgc aber war, daß
der Sultan nur noch mißtrauischer wurde und nun durch
erhöhte Gnadenbeweise, kostbare Geschenke, Gehaltserhöhungen
u. s. w. die Loyalität seiner Vertrauten zu gewinnen

Der Wurzelgraber.
Eine Hochlandsgeschichte von Friedrich Dolch.
^ (Fortsetzung.)
- »Mußt ihm halt die Weg' a bist abpassen," fuhr der Alte
„einmal wird er Dir schon in die Händ' lausen beim
Aag oder bei der Nacht. Und — verstehst S — in dem Fall
wtzt schgn schau'n, daß ihm die Kugel gleich den Garaus
f"°cht. Auch wird's am sichersten sein, wenn er Dich gar net
A Gesicht kriegt. Kannst ja hinter die Felsen oder in die
Aschen (Gebüsch) versteckt aus ihn schießen —"
»v «Brr, das is aber a schieche (häßliche) Sach'," brummte
qMini, starr vor sich nieder auf den Boden blickend,
n^wnn gegen Mann, Leben gegen Leben — das laß' ich mir
mH. eingehen l Aber hinterrücks ein' niederz'schießen, das is
a-Mge Niederträchtigkeit, so was will ich net auf mein
Msen laden."
«.Der Alte ließ ein höhnisches Lachen hören. „G'wissen?"
»jMe ex verächtlich. „Hält' 's net 'glaubt, daß ich von Dir
solches Wort hören müßt'! Ja, ein Kerl, der zu nix
c>!?e Schneid hat, der red' sich auf sein G'wissen hinaus I
Mr ein' solchen Waschlappen hält' ich Dich wirklich net an-
°^waut. Aber von mir aus! Thu, was D' magst. Laß
""5 Dir sitzen wie a Lettfeigen (täppischer Mensch), laß
-fjM auslach'n von die Leut' und von meiner Tochter und
-6ager dazu." Er stand auf und griff nach seinem Korbe,
^oniini aber faßte ihn knirschend bei der Joppe und riß ihn
>eder auf seinen Sitz zurück.
.Und wenn ich gleich dafür braten müßt' in der tiefsten
^ottrief er mit fast erstickter Stimme, „ich bin dabei —
»ch n soll der Hund net über mich! Da hast meine Hand,
°-Ver. die Sach' is abgemacht!"
v "So is 's recht," nickte der Alte und schüttelte derb die
""gebotene Rechte. „Also gleich morg'n früh frisch an die I

Arbeit, aber um alles in der Welt nur keine llebereilung.
Wir müssen sicher geh'n und Zeit hab'n wir ja genug. Du
mußt Dir die Sach' auch net so schwer vorstell'n, vielleicht
hast Du, weun's so sein will, gar nix z'schaffeu damit. Wenn
er mir ins Garn lauft, ich werd' allein fertig mit ihm —
brauch' Deine Mithel!' net. — So. ich mach mich jetzt heim,
— und was is 's mit Dir? Du hast noch weit hin-
auf zu Deiner Hütt'n, und Deine Füß' lassen aus, wie mir
scheint."
„Ich bleib' gleich da unter dem Baum liegen," erwiderte
Domini mürrisch. „In mein'm Kopf geht alles rundumundum
und die Flachsen (Sehnen) an die Füß' sind mir wie ab-
g'schnitten. Da schlas' ich gut bis morg'n, Hab oft schon eine
härtere Liegerstatt gehabt. Nur eins geht mir ab — noch
a tüchtiger Schlaftrunk, denn der Hals is mir wie aus-
trückert (ausgetrocknet) und ganz abscheulich lausig is 's mir
im Magen."
„Wenn'S weiter nix is, da kann ich helfen," lachte der
Wurzelgraber, seine noch halbvolle Schnap-flasche bervor-
ziehend und dem Burschen, der gierig darnach griff, hin-
reichend. „Das is a ausgezeichneter Einzian — wirst seh'n,
was Dir der für ein gut'n Magen macht. Die Flasch'n
kannst b'halten meinetweg'n» ich Hab' daheim noch mehr. So,
und jetzt b'hüt Dich Gott und schlaf recht gut! Wenn D'
morg'n in der Früh' aufwachst und die Flasch'n neben Dir
lieg'n siehst, nachher wird's Dir schon wieder einsaü'n. was
wir heut' Nacht ausg'macht hab'n mit einander-" Er klopfte
dem Burschen, der inzwischen der Flasche schon wacker zu-
gesprochen und sie jetzt neuerdings wieder an die Lippen
setzte, lachend auf die Schulter, schwang sich dann den Korb
aus den Rücken und verschwand gleich darauf hinter der
nächsten Felswand. —
An einem trüben und nebeligen Morgen — ungefähr acht
Tage später — saß der Jagdgehilfe Cyrillus Leitner auf der
Bank vor dem Häuschen des alten Wurzelgrabers und be-
trachtete sorgsam die Büchse, die er aus dem Schooße hielt und
nach allen Seiten drehte, wobei er seelenvergnügt ein Lied-

suchte. Dies war eine gefährliche Maßnahme, gefährlich
in sich, weil sie der weiteren Korruption Thür und Thor
öffnete, doppelt gefährlich, weil sie erhöhte Mittel, erhöhte
Anforderungen an den Staatssäckel bedingte, denn die er-
wähnten Gnadenbeweise schwollen nach und nach lawinen-
artig an, wie auch die von der orthodoxen Partei gefor-
derten, weiter oben crmäh.iten „Sühnegelder" mit jedem
Jahre Zunahmen. In dem an sich ja edlen Streben, sich
mit gewissenhaften Vollstreckern seines Willens zu umgeben,
machte Sultan Abdul Hamid nur den einen, aber großen
Fehler, daß er glaubte, diese Zuverlässigkeit erkaufen zu
können, aber darin hat ihn seine Menschenkenntniß im
Stich gelassen.
Sein immer wachsendes Mißtrauen kam seiner Um-
gebung nur allzu gelegen; es war für sie eine Quelle immer
neuer Gnadenbeweise, und es bildete sich allgemach ein r:-
gelrechts System heraus, diesem Mißtrauen in alles und
jedes neue Nahrung zu geben. In diesem infamen Vor-
gehen haben wir den Schlüssel zu suchen zu dem heutigen
Spitzelwesen, den Verhaftungen und Verbannungen, die von
Zeit zu Zeit vorgenommen werden, und schließlich auch zu
den immer wachsenden Anforderungen an die finanziellen
Kräfte des Landes und der Leere der öffentlichen Kassen.
Hätle Abdul-Hamid II. das Glück gehabt, bei seinem
Regierungsantritt einen Mann zu finden, der seines Ver-
trauens würdig gewesen wäre, oder das Geschick besessen,
solche Männer zu finden und zu halten, so wäre das ein
Segen für ihn und sein Land gewesen und hätte ihm
manche schwere Stunde, viele Sorgen und Widerwärtig-
keiten erspart, seinem Volke viele Thränen und viel Leid.
Und das ist die andere Seite des Bildes dieser abgelaufenen
Epoche: wie wir den großen kulturellen Fortschritten der
Türkei während der letzten 25 Jahre bewundernde An-
erkennung gezollt haben, so müssen nun einige Worte gesagt
werden über ein weniger erquickliches Thema. Es kann
nämlich leider nicht geleugnet werden, daß die Willkür-
herrschaft jener im Palais großgezogenen Günstlings-
kamarilla es verstanden hat, jene Unzufriedenheit im Volke
zu erwecken, welche der beste Nährboden für die jungtürki-
schen und sonstigen revolutionären Elemente ist, und daß
ohne sie der Armenierputsch einfach undenkbar gewesen
wäre.
Konstantinopel, 31. Aug. Sämmtliche fremden
Missionen nahmen heute am Selamlik Theil. Die
Auffahrt nach dem Palais gab ein prächtiges Schauspiel
durch den bunten Wechsel der Uniformen und der ver-
schiedensten Truppengattungen und Nationalitäten. Be-
sondere Aufmerksamkeit erregten die Deutschen, die sich
von allen anderen abheben, wozu wohl der Helm am
meisten beiträgt.
Konstantinopel, 2. Sept. Der gestern anläßlich
des Regierungsjubiläums des Sultans im Mdtzpaläste
abgehaltene Empfang der Botschafter, Gesandten, Geschäfts-
träger und Sondergesandtschaften ist glänzend verlaufen.
Der Sultan dankte jedem Botschafter und Sondergesandten
herzlich und gab seiner Freude über die Freundschafts-
beweise seitens der von ihnen vertretenen Souveräne und
Regierungen Ausdruck. Hierauf empfing der Sultan den
Delegirten des päpstlichen Stuhles, Bonetti, welcher die
Glückwünsche des Papstes überbrachte, und die Oberhäupter
sämmtlicher nicht muselmännischer Kirchengemcinden. Abends
war große Illumination. Aus Anlaß des Regierungs-
jubiläums des Sultans richtete der deutsche Kaiser
an denselben ein Telegramm, in welchem er seinen
Wünschen und denjenigen der Kaiserin für das Glück des
Sultans erneuten Ausdruck gibt. Kaiser Wilhelm, der eine
Fontaine in Stambul errichten läßt, sandte dem Sultan

chen vor sich hinpfiff. Manchmat aber hielt er inne und
hob den Kopf, um einen Blick durchs Fenster in die Stube
zu werfen und leise an die Scheiben zu klopfen. Allein im
Hause regte sich nichts, und der Jäger wollte sich eben von
der Bank erheben, um nachzusehen, als ei n junges Mädchen
in der Hausthüre erschien.
„Aber, Regerl," sagte der Jäger, „wo steckst denn eigens
sich io lang? Ich klopf' schon eine geschlagene Viertelstund
am Fenster —"
„Der Vater hat mich so lang ausgehalten," sagte das
Mädchen, neben dem zur Seile Rückenden auf der Bank
Platz nehmend. „Er is ganz verwirrt in der letzten Zeit,
red't alleweil mik sich selber, unk diemal lacht er auf eine
Art, daß mir ganz angst und bang dabei wird. Aber
sonst is er gut und freundlich mit mir und auch Du,
glaub' ich, kannst Dich, was das anbelangt, net beklagen
über ihn."
„Das muß wahr sein," nickte eifrig der Jäger. „Wie
freundlich hat er mir die Hand entgegen gestreckt gestern und
wie lieb und gut hat er qeredt' mit mir- „Die Bedenkzeit
is um", hat er g'sagt, und ich Hab' mein' Entschluß g'saßt.
Du bist a braver Mensch, Cyrill, und kannst Weib und Kind
ernähren — Du sollst meine Tochter hab'n. Ich Hab' 's
freilich anders im Sinn g'habt mit ihr, aber sie will halt
amal kein' Anderen, und es is schon a alte Geschicht', daß
die Alten auf d' Letzt nachgeb'n und tanzen müssen, wie
die Jungen pfeifen. Kannst Dir denken, wie gern ich
eing'ichlagen Hab', und jetzt, Regerl, hat all' unsere Sorg' a
End' —"
„Ein End'?" sagte trübe das Mädchen. „Ich weiß net.
ich Hab' eine solche Bangigkeit in mir, daß ichs gar net be-
schreiben kann. Wir sind jetzt wohl am Ziel unserer Wünsch',
aber doch iS mir diemal g'rad' so, als ob uns a schrecklich's
Unglück treffen müßt' in der nächsten Zeit. In der ver-
gangenen Nacht Hab' ich noch dazu ein' recht schweren
Traum g'habt, un d wenn ich d'ran denk', lauft's mir jetzt noch
eiskalt über'n Buckel hinunter. Ich Hab' Dich g'sehen in
 
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