^ Erscheint täglich,
sonntags ausgenommen.
. Prei«
mit Famillenblättern
, monatlich 50 Pf.
«.frei in's Hau? gebracht.
Vurch die Post bezogen
„ vierteljährl. 1.25 Mk.
Ausschließlich Zustellgebühr.
Ternsprech-Anschluß Nr. 82.
HMbeM ZeitiiM.
Jnsertionsgebühr:
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Herdelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82.
Sir. 271.
Dienstag, den 2V. Nooemder
ISO«.
Vom Reichstage.
Mit einiger Spannung hat man dem Beginn der
Hellen Session entgegsngesehen; zu der, wie zu erwarten
>"ht. sehr lebhaften Behandlung der China-Angelegenheit
sich in der letzten Zeit auch noch die Wödtke-Affaire
Mellt, brausendes Wasser auf die Mühle aller Reichs-
tltikcr. Die Vorlagen der Regierung haben im All
^Meinen ihre Erwähnung schon in der Thronrede ge-
funden. Es sind dies, um sie ins Gedächtniß zurück
Drusen, eine Seemannsordnung nebst einigen
Einschlägigen Nebengesetzen, der Entwurf eines Gesetzes über
privaten Versicherungs Unternehmungen,
^ Nachtrag für den Etat 1900 (Expedition nach
^hina). Dazu kommen einige verfassungsgemäße Vorlagen
/treffend die Kontrole des Etats durch die Oberrechnungs-
unirner, betreffend die Uebersicht der Reichsausgaben und
Annahmen, betreffend die Uebersicht der Ergebnisse des
^eres-Ergänzungsgeschäfles für das Jahr 1899 und eine
Denkschrift über die Ausführung der seit dem
^uhre 1875 erlassenen Anleihegesetze.
Dies für's erste nicht unerhebliche Arbeitspensum hat
xU» eine bedeutende Vergrößerung durch eine Reihe von
uträgen resp. Interpellationen seitens der Mit-
L'Edcr gefunden. Von einigen sogenannten „schleunigen
Uträgen* auf Einstellung des Strafverfahrens, das gegen
geschiedene Mitglieder schwebt, abgesehen, ist zunächst der
Utrag Münch-Ferber zu erwähnen, daß die Regierung
/ucht werden solle, auf die Errichtung von deutschen
Handelskammern im Auslande zu wirken. All-
Alliem bekannt dürfte schon der Antrag Bargmann und
^Nossen zur Aufhebung der Theatercensur sein.
^ ist eine Gruppe der freisinnigen Volkspartei, welche
g!E augenblickliche Stimmung für geeignet erachtet, den in
Deutzen wülhenden Rothstift abzuschaffen. Dieselbe Gruppe
M als Antrag Beckh (Coburg) und Genossen es unter-
^biuien, durch einen Gesetzentwurf betreffend Abänderung
8 7 der Reichsstrafprozeßordnung dem „fliegenden
^ ichts stand der Presse* ein Ende zu machen,
soll nach dem Entwurf künftig zur Aburtheilung einer
^afbaren Handlung, begangen durch den Inhalt einer im
^land erschienenen Druckschrift, nur noch dasjenige Gericht
/nändig sein, in dessen Bezirk die Druckschrift erschienen
ij' Mit der Annahme dieses Antrags wäre ein großes
/°el, das gelegentlich zum baaren Unsinn wurde, für die
Mse beseitigt. Ebenso wollen die Herrn um Richter der
pueril des § 360 des Strafgesetzbuches zu Leibe, indem
/st Neue Fassung lauten soll: „wer durch Erregung von
/rn, odxr ähnliche unmittelbar in die Sinne fallenden
Handlungen die öffentliche Ruhe ungebührlicherweise stört*.
soll also der Zusatz „oder wer groben Unfug verübt"
^ Egfallen. Bei der Dehnbarkeit dieses Begriffes wäre eine
Mchnendere Fassung durchaus am Platz.
Die freisinnige Vereinigung brachte unter der Firma
n^ert einen Antrag betreffend Abänderung des Wahl-
l.^tzes für den deutschen Reichstag ein, der in der Haupt-
He die Sicherheit des Wahlgeheimnisses vergrößern fall,
ß Die zwangsweise Errichtung von A rb eitZna ch weis-
und eines Reichsarbeitsamtes haben die
Möge Rösicke und Pochnike zum Ziele.
H Ein alter Ladenhüter wird von der Elsässischen
h "bpe eingebracht: Aufhebung des Diktatur-
H.Eagraphen; dazu kommt ein Gesetzentwurf wegen
tz.EMgulirung der Wahlen zum Landesausschuß von
d^ß-Lothringen nach Maßgabe des Reichstagswahl-
ks/ahrens. Beide Anträge werden auch von den Polen
^Erstützt. _
Die nationalliberale Partei verlangt eine
Regierungsvorlage für ein Gesetz wegen Sicherung
der Bauforderungen und ein solches, durch welches
besondere Gerichte für Rechtsstreitigkeiten
aus dem kaufmännischen Dien st vertrage ein-
geführt werden.
Die Interpellation der Sozialdemokraten betreffend
die Maßregeln des Reichskanzlers gegen die in der 12 000
Mark-Geschichte verwickelten Beamten des Reichsamtes des
Innern ist hinter die Behandlung der China-Expedition
zurückgeschoben worden und wird am Donnerstag zur Be
sprechung kommen.
Deutsches Reich.
— Nach Meldung des Reichsanzeigers übersandte der
chinesische Gesandte in Berlin dem Auswärtigen
Amte ein telegraphisch übermitteltes, vom 14. November
datirtes Schreiben des Kaisers von China,
welches lautet: Der große Kaiser der Tatsingdynastie ent
bietet Ew. Majestät dem deutschen Kaiser Grüße. Ew.
Majestät Erwiderung auf unser Telegramm haben wir
erhalten. Mit Freude und Hochachtung ersahen wir
daraus, daß Ew. Majestät von freundschaftlichen Gefühlen
für uns beseelt ist und uns für die Vorkommnisse persön-
lich nicht verantwortlich machen will. Infolge der Miß-
griffe, die wir in der Wahl unserer Beamten gemacht
haben, ist Ew. Majestät Gesandter das Opfer der Wirren
geworden, was wir aufs tiefste bedauern. Es ist gerecht,
daß wir die schuldigen Würdenträger mit besonderer
Strenge entsprechend bestrafen, um den Gesetzen und
dem allgemeinen Rechisgefühl Genugthuung zu gewähren.
Soeben erhielten wir von dem Gesandten Lueheihuan ein
telegraphisches Memorial, daß Ew. Majestät bereits ge-
ruht haben, Instruktionen behufs Eröffnung der Verhand-
lungen mit unseren Bevollmächtigten an den Grafen
Waldcrsee und an den kaiserlichen Gesandten v. Mumm
zu erlassen. Es geziemt daher, daß wir unserseits Befehle
an alle unsere Bevollmächtigten ertheilen, damit die Ver-
handlungen, die den Bedürfnissen Rechnung tragen, zu
einem befriedigenden Ergebniß geführt und die freundschaft-
lichen Beziehungen baldigst wieder hergestellt werden. In
Ew. Majestät Erwiderung auf unsere frühere Telegramme
wird uns gerathen, nach Peking zurückzukehren, was wir
als Zeichen Ew. Majestät freundschaftlicher Gesinnung
auffassen. Sobald die Friedensverhandlungen die ge-
wünschten Ergebnisse gezeitigt haben, werden wir sofort
die Zeit unserer Rückkehr nach Peking bestimmen.
— Die Nordd. Allgem. Ztg. schreibt: Der Kaiser
genehmigte, daß der seiner Bestimmung unterliegende Fonds
des Hauptverbandes deutscher Flottenvereine
im Auslande nach Sicherung einer Reserve von 200 000
Mark zur Beschaffung von Flußkanonenbooten
dienen, von denen das zuerst fertig gestellte in den
chinesischen Gewässern verwendet werden soll. Die disponible
Summe reicht für die Beschaffung eines solchen noch nicht
aus, doch wird die nöthige Summe, wie man hofft, voll
aufgebracht werden. Die Bestellung des Kanonenbootes
und die Bewachung des Baues wird, nachdem der Reichs-
tag der Annahme der Schenkung zugestimmt, der Staats-
sekretär des Reichsmarineamts übernehmen.
— Die Weingesetznovelle, die dem Bundes-
rath zugegangen ist, schlägt folgende Abänderungen der
bestehenden Gesetze vor: Zu 8 1, der die Stoffe aufzählt,
welche dem Wein nicht zugesetzt werden dürfen, sollen
olgende Sätze angefügt werden: Der Bundesrath ist er-
mächtigt, noch andere Stoffe zu bezeichnen, auf die dieses
Verbot Anwendung zu finden hat. An Stelle des 8 4
des geltenden Gesetzes, der von den unter den Begriff
„Kunstwein" fallenden Getränken handelt, sollen neue
Bestimmungen treten. In der Novelle wird die Herstel-
lung und der Vertrieb von Kunst wein verboten.
In Z 6 wird das Verbot des Saccharins als überflüssig
aufgehoben, dagegen soll 8 6 Bestimmungen erhalten, die
erweiterte Controlbefugnisse gegenüber den Weinproducenten
und Weinhändlern gewähren. Das neue Gesetz soll am 1.
October 1901 in Kraft treten. »
Deutscher Reichstag. Berlin, 19. Nov. Das Haus
ist sehr gut besucht. Die Tribünen sind gefüllt, auch die
Hofloge ist besetzt.
Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzung um
2 Uhr 20 Minuten.
Zu der Interpellation Albrecht (Soz.) und Ge-
nossen betreffend die 12 000 Marksache erklärt der Reichskanzler
sich bereit, die Interpellation am Donnerstag zu beant-
worten.
Es folgt die erste Berathung des Entwurfs betreffend die
Festsetzung eines dritten Nachtragsctatsfür 1900. (China-
Vorlage)
Reichskanzler Graf v. Bülow: Er wolle hier nicht sagen»
was etwa die gemeinsamen Absichten der Mächte in China be-
einträchtigen könne, habe aber gleichwohl das Bedürfniß, mit
der Nation Fühlung zu nehmen. Redner bespricht die Vor-
geschichte der Wirren in China und weist die im Auslande ge-
machte Behauptung zurück, daß diese Wirren auf die Besetzung
von Kiautschou zurückzuführen seien. (Zuruf bei den Sozial-
demokraten: sehr richtig!) Reichskanzler fortfahrend: Er bedaure,
daß ein solches Wort in diesem Saale gerufen werde. Er beziehe
sich bezüglich der Vorgeschichte der chinesischen Wirren auf das
Rundschreiben an die verbündeten Regierungen. In der publi-
zistischen Diskussion des Inlandes und noch mehr in der des
Auslandes sei gesagt worden, daß wir die chinesische Krisis nicht
vorhergesehen hätten. Die meisten übrigen Nationen haben gleich
uns im vergangenen Frühjahr nicht gedacht, daß das ostasiatische
Gewitter so heftig und so rasch eintreten werde. Die vorher-
gehenden Anzeichen entgingen gerade uns nicht. Wir wiesen die
anderen Kabinette wiederholt auf diese Anzeichen hin und be-
willigten sofort alles, was unser Vertreter in China als noth»
wendig bezeichnte, trafen Schutzmaßnahmen, stellten Schutz-
detachements und boten sogar mehr als gefordert würde. Er
wolle gegen Niemand Vorwürfe erheben, am wenigsten gegen
Frhrn. v. Ketteler, der in treuester Pflichterfüllung bet dem
Versuche, die chinesische Centralgewalt zur Besinnung zu bringen,
unerschrocken in den Tod ging wie ein Offizier in der Front,
würdig des Landes, das er vertrat, und würdig des Namens,
den er trug. (Lauter, allgemeiner Beifall). Die europäischen
Regierungen täuschten sich fast alle in der Beurtheilung
der Tragweite der Bewegung. Wir werden demgemäß in
Zukunft für eine schnellere Nachrichtenübermittelung zu
sorgen haben. Deutschland hat weder in diplomatischer
noch in militärischer Beziehung etwas versäumt, was den
Ereignissen irgendwie eine andere Wendung hätte geben können.
Der Reichskanzler weist auf die einzelnen der Besetzung von
Kiautschou vorhergegangenen Erwerbungen anderer Mächte hin
und darauf, daß lange vor der Besetzung von Kiautschou Aus-
schreitungen gegen die Fremden in China vorgekommen seien.
Wir haben uns in sprüchwörtlicher Bescheidenheit (sehr richtig!
rechts) von allen Mächten am längsten zurückgehalten bis zur
Ermordung unserer Missionare in Schanlung. Wir sind erst
infolge des Zwanges der Ereignisse in China eingeschritten und
zwar in einer Weise, durch die der Friede weder direkt noch
indirekt gefährdet wurde. Wir sind in Kiautschou auf Grund
völkerrechtlicher Verträge mit China. Wir haben uns China
gegenüber immer freundlich und wohlwollend gezeigt. Wir be-
luden uns in dem Zustande legitimer Abwehr. Wir mußten
Rechte schützen und unsere Ehre wahren. Zu derselben Nothwehr
waren alle civilisirten Völker gezwungen. Was die Deutschen
wollen, ist kein politisches Abenteuer, sondern die Behauptung
unserer Rechte und unserer Interessen, wie ein großes Volk seine
Interessen, Rechte und Ehre behaupten soll. (Lebhafter Beifall.)
Wir führen dort keinen Eroberungskrieg; wir
wollen nur Sühne für die Unthaten und Sicher-
tellung geregelter Zustände. Wir haben kein Interesse
an einer Auftheilung China's; wir wünschen eine solche auch
nicht. China muß eine geordnete Verwaltung er-
halten, um zahlungsfähig zu bleiben, weiter gehen die
deutschen Ad fickten nicbt. Man solle nicht über den
Ein Opfer.
Roman von B. Saworra.
Autorisirte Bearbeitung nach dem Englischen.
(Fortsetzung.)
-Arischen mir und Mark?" fragte Georg erstaunt.
"Aeiß Mark von dem Besuch?"
"Rein."
hiy^lauben Sie, es würde ihm eine besondere Freude
davon zu hören? Mark wünscht natürlich, daß Sie
lieben — in platonischer Weile. — Aber daß
allein von Bedford Park nach Chelsea zu dieser
»I« Meit zu Ihnen kommt, Georg — das ist doch wohl mehr,
fl^ark wünschen würde."
konnte kaum eine ungeduldige Antwort unter-
sind Sie böse," sagte Nelly und legte schmeichelnd
stt kAud auf seinen Arm. „Ziehen Sie nicht Ihre Stirn
'"hl,-« En. Georg — das macht Sie häßlich. Ich möchte
-V einen guten Rath geben."
'And das wäre?"
"Lassen Sie Judith nicht mit Ihnen kokettsten!"
Rath ist überflüssig — Judith hat nicht die leiseste
. "Zt ez ^ ihun."
bitzsT/b denken die Männer immer — oder nein, nicht
,^t,b/ .Es giebt zwei Klassen von Männern; die einen
'Rkttj?' ledes Mädchen geht nur darauf aus, mit ihnen zu
/^at. ^ die anderen halten alle Frauen für Engel und
istsch,Emiren bei diesen himmlischen Wesen natürlich für aus-
lE?^En Sie mich zu der zweiten Klasse?"
- ja."
^Oerst?? erlaube ich mir zu widersprechen- Ich bin weit
^ - don, alle Frauen für Engel zu halten."
""ttgu 'reut mich. Und doch ist es ein vcrhängnißvoller
"w, zu glauben, Judith könnte nicht mit Ihnen koket-
tiren wollen. Sagte ich Ihnen, was RodneyS mir erzählt
haben?"
„Nein."
„Sie müssen aber nicht darüber sprechen, Georg — es
mag wahr sein oder nicht. Vor drei oder vier Jahren war
Judith für einige Wochen hier bei Mortlocks, und Rodneys
sagen, es wurde damals viel über sie gesprochen. Erinnern
Sie sich, daß ich Ihnen einmal etwas von einem Hauptmann
Pomerry erzählte — einem entfernten Vetter von Rodneys I
Er wurde bei einem Eisenbahnunfall gelödtet; Sie waren in
demselben Zuge; erinnern Sie sich, Georg."
„Sehr wohl."
„Er stand in keinem guten Ruf; viele zogen sich von ihm
zurück, sogar Rodneys — die dock, wie Sie wissen, nicht zu
zartfühlend sind — hörten auf, ihn einzuladen. Robert
Mortlock hielt aber die freundschaftlichen Beziehungen zu ihm
aufrecht, er war dort täglicher Gast im Hause. Rodneys
haben ihn da oft getroffen. Sie sagen, er hätte in auffallen-
der Weise mit Judith koketiirt.
Grävener schwieg; grimmig blickte er nach de» Gas-
flammen, die einen Hellen Schein auf das Pflaster warfen.
„Sie sagen, Judith legte es darauf an, ihn zu fesseln.
„Wer sagt das?" fragte Georg kühl.
„Die kleine Frau Rodney." ^
„Ist die Aussage der kleinen Frau Rodney zuverlässig.
Georg konnte nicht umhin, das Mädchen, dem er miß-
traute, gegen eine Frau zu vertheidigen, deren spitze Zunge
und leichtfertige Denkungsart bekannt war. „Ich würde mich
doch für zu gut halten, Frau Rodneys Bemerkungen zu
Wiederholen, Nelly!" ^ ...,
„O, ick weiß, daß sie mit der nöthigen Vorsicht zu ge-
nießen sind!" erwiderte Frau von Rost, nicht ohne Verlegen-
heit- „Aber ich habe auch noch von andrer Seite Fräulein
Verrels Namen in Verbindung mit dem Hauptmann
Pomerrys gekört. Und Sie wissen. Georg — oder Sie wissen
es vielleicht auch nicht, daß es für ein junges Mädchen un-
heilvoll sein könnte, wenn das der Fall war. An dem Tag
nach meinem Balle sprach ich mit Bella Standish. und ne
sagte, sie hätte sich über Marks Verlobung nicht gefreut.
„Warum?" fragte ich. „Fräulein Verrell ist für Herrn
Fcankland nicht gut genug!" sagte Bella. Ick that, als ob
ich das sehr wunderbar fände. „Ich kenne ja Fräulein
Verrell nicht," bekannte Bella, „ich habe gehört, sie loll ein-
mal eine Liebelei mit Hauvtmann Pomerry gehabt haben.
Es wurde damals viel darüber gesprochen. Und — danach
zu urtheilen — kann sie nicht gut sein." Bella ist die Liebens-
würdigkeit selbst — das können Sie nicht bestreiten. Ich
redete darüber hinweg; aber es ließ mir keine Ruhe. Ich
habe viel darüber nachgedacht. Judith ist sehr hübsch; aber
Mark verdient mehr als eine nur hübsche Frau-"
„Er verdient vor allem eine gute Frau," sagte Georg mit
einem Seufzer. ^
»Ist Judith das?" fragte Nelly eifrig. „Ist sie es?
„Das weiß ich nicht," war die ernste, ruhige Antwort.
„Georg, ich glaube, wir sind im Grunde einer Meinung.
Sie trauen ihr nicht bedingungslos."
„Wenn ich es —" ^
„O, seien Sie nicht so vorsichtig. Wenn Sie nnt Ihren
schrecklichen „Wenn's" anfangen, hört jede Unterhaltung auf.
Sie halten Judith für etwas leicht?" ^
„Nein — die Bezeichnung ist nicht passend. Dafür Halle
ich sie durchaus nicht —"
„O, da sind wir — zu Hausei" rief Nelly. als der Wagen
hielt „Georg, legen Sie diese furchtbar nachdenkliche Miene
ab. Was hatten Sie von ihr? Sagen Sie es mir offen
und klar!" ^ ^ ^
Grävener stand aus der Straße; er hielt Nelly seine Hand
hin, um ihr herauszuhelfen. , ,
„Ich will es Ihnen offen und klar sagen —, wenn ich
selbst mir darüber klar bin," antwortete er.
„Wann werden Sie denn endgiltig Ihr Urtheil darüber
petutdet haben?" fragte Nelly lachend und schritt ihm voran
durch die freundliche, hell erleuchte Vorhalle.
„Morgen." antwortete Grävener ruhig.
(Fortsetzung folgt.)
sonntags ausgenommen.
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Ternsprech-Anschluß Nr. 82.
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15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
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und den Plakatsäulen.
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Sir. 271.
Dienstag, den 2V. Nooemder
ISO«.
Vom Reichstage.
Mit einiger Spannung hat man dem Beginn der
Hellen Session entgegsngesehen; zu der, wie zu erwarten
>"ht. sehr lebhaften Behandlung der China-Angelegenheit
sich in der letzten Zeit auch noch die Wödtke-Affaire
Mellt, brausendes Wasser auf die Mühle aller Reichs-
tltikcr. Die Vorlagen der Regierung haben im All
^Meinen ihre Erwähnung schon in der Thronrede ge-
funden. Es sind dies, um sie ins Gedächtniß zurück
Drusen, eine Seemannsordnung nebst einigen
Einschlägigen Nebengesetzen, der Entwurf eines Gesetzes über
privaten Versicherungs Unternehmungen,
^ Nachtrag für den Etat 1900 (Expedition nach
^hina). Dazu kommen einige verfassungsgemäße Vorlagen
/treffend die Kontrole des Etats durch die Oberrechnungs-
unirner, betreffend die Uebersicht der Reichsausgaben und
Annahmen, betreffend die Uebersicht der Ergebnisse des
^eres-Ergänzungsgeschäfles für das Jahr 1899 und eine
Denkschrift über die Ausführung der seit dem
^uhre 1875 erlassenen Anleihegesetze.
Dies für's erste nicht unerhebliche Arbeitspensum hat
xU» eine bedeutende Vergrößerung durch eine Reihe von
uträgen resp. Interpellationen seitens der Mit-
L'Edcr gefunden. Von einigen sogenannten „schleunigen
Uträgen* auf Einstellung des Strafverfahrens, das gegen
geschiedene Mitglieder schwebt, abgesehen, ist zunächst der
Utrag Münch-Ferber zu erwähnen, daß die Regierung
/ucht werden solle, auf die Errichtung von deutschen
Handelskammern im Auslande zu wirken. All-
Alliem bekannt dürfte schon der Antrag Bargmann und
^Nossen zur Aufhebung der Theatercensur sein.
^ ist eine Gruppe der freisinnigen Volkspartei, welche
g!E augenblickliche Stimmung für geeignet erachtet, den in
Deutzen wülhenden Rothstift abzuschaffen. Dieselbe Gruppe
M als Antrag Beckh (Coburg) und Genossen es unter-
^biuien, durch einen Gesetzentwurf betreffend Abänderung
8 7 der Reichsstrafprozeßordnung dem „fliegenden
^ ichts stand der Presse* ein Ende zu machen,
soll nach dem Entwurf künftig zur Aburtheilung einer
^afbaren Handlung, begangen durch den Inhalt einer im
^land erschienenen Druckschrift, nur noch dasjenige Gericht
/nändig sein, in dessen Bezirk die Druckschrift erschienen
ij' Mit der Annahme dieses Antrags wäre ein großes
/°el, das gelegentlich zum baaren Unsinn wurde, für die
Mse beseitigt. Ebenso wollen die Herrn um Richter der
pueril des § 360 des Strafgesetzbuches zu Leibe, indem
/st Neue Fassung lauten soll: „wer durch Erregung von
/rn, odxr ähnliche unmittelbar in die Sinne fallenden
Handlungen die öffentliche Ruhe ungebührlicherweise stört*.
soll also der Zusatz „oder wer groben Unfug verübt"
^ Egfallen. Bei der Dehnbarkeit dieses Begriffes wäre eine
Mchnendere Fassung durchaus am Platz.
Die freisinnige Vereinigung brachte unter der Firma
n^ert einen Antrag betreffend Abänderung des Wahl-
l.^tzes für den deutschen Reichstag ein, der in der Haupt-
He die Sicherheit des Wahlgeheimnisses vergrößern fall,
ß Die zwangsweise Errichtung von A rb eitZna ch weis-
und eines Reichsarbeitsamtes haben die
Möge Rösicke und Pochnike zum Ziele.
H Ein alter Ladenhüter wird von der Elsässischen
h "bpe eingebracht: Aufhebung des Diktatur-
H.Eagraphen; dazu kommt ein Gesetzentwurf wegen
tz.EMgulirung der Wahlen zum Landesausschuß von
d^ß-Lothringen nach Maßgabe des Reichstagswahl-
ks/ahrens. Beide Anträge werden auch von den Polen
^Erstützt. _
Die nationalliberale Partei verlangt eine
Regierungsvorlage für ein Gesetz wegen Sicherung
der Bauforderungen und ein solches, durch welches
besondere Gerichte für Rechtsstreitigkeiten
aus dem kaufmännischen Dien st vertrage ein-
geführt werden.
Die Interpellation der Sozialdemokraten betreffend
die Maßregeln des Reichskanzlers gegen die in der 12 000
Mark-Geschichte verwickelten Beamten des Reichsamtes des
Innern ist hinter die Behandlung der China-Expedition
zurückgeschoben worden und wird am Donnerstag zur Be
sprechung kommen.
Deutsches Reich.
— Nach Meldung des Reichsanzeigers übersandte der
chinesische Gesandte in Berlin dem Auswärtigen
Amte ein telegraphisch übermitteltes, vom 14. November
datirtes Schreiben des Kaisers von China,
welches lautet: Der große Kaiser der Tatsingdynastie ent
bietet Ew. Majestät dem deutschen Kaiser Grüße. Ew.
Majestät Erwiderung auf unser Telegramm haben wir
erhalten. Mit Freude und Hochachtung ersahen wir
daraus, daß Ew. Majestät von freundschaftlichen Gefühlen
für uns beseelt ist und uns für die Vorkommnisse persön-
lich nicht verantwortlich machen will. Infolge der Miß-
griffe, die wir in der Wahl unserer Beamten gemacht
haben, ist Ew. Majestät Gesandter das Opfer der Wirren
geworden, was wir aufs tiefste bedauern. Es ist gerecht,
daß wir die schuldigen Würdenträger mit besonderer
Strenge entsprechend bestrafen, um den Gesetzen und
dem allgemeinen Rechisgefühl Genugthuung zu gewähren.
Soeben erhielten wir von dem Gesandten Lueheihuan ein
telegraphisches Memorial, daß Ew. Majestät bereits ge-
ruht haben, Instruktionen behufs Eröffnung der Verhand-
lungen mit unseren Bevollmächtigten an den Grafen
Waldcrsee und an den kaiserlichen Gesandten v. Mumm
zu erlassen. Es geziemt daher, daß wir unserseits Befehle
an alle unsere Bevollmächtigten ertheilen, damit die Ver-
handlungen, die den Bedürfnissen Rechnung tragen, zu
einem befriedigenden Ergebniß geführt und die freundschaft-
lichen Beziehungen baldigst wieder hergestellt werden. In
Ew. Majestät Erwiderung auf unsere frühere Telegramme
wird uns gerathen, nach Peking zurückzukehren, was wir
als Zeichen Ew. Majestät freundschaftlicher Gesinnung
auffassen. Sobald die Friedensverhandlungen die ge-
wünschten Ergebnisse gezeitigt haben, werden wir sofort
die Zeit unserer Rückkehr nach Peking bestimmen.
— Die Nordd. Allgem. Ztg. schreibt: Der Kaiser
genehmigte, daß der seiner Bestimmung unterliegende Fonds
des Hauptverbandes deutscher Flottenvereine
im Auslande nach Sicherung einer Reserve von 200 000
Mark zur Beschaffung von Flußkanonenbooten
dienen, von denen das zuerst fertig gestellte in den
chinesischen Gewässern verwendet werden soll. Die disponible
Summe reicht für die Beschaffung eines solchen noch nicht
aus, doch wird die nöthige Summe, wie man hofft, voll
aufgebracht werden. Die Bestellung des Kanonenbootes
und die Bewachung des Baues wird, nachdem der Reichs-
tag der Annahme der Schenkung zugestimmt, der Staats-
sekretär des Reichsmarineamts übernehmen.
— Die Weingesetznovelle, die dem Bundes-
rath zugegangen ist, schlägt folgende Abänderungen der
bestehenden Gesetze vor: Zu 8 1, der die Stoffe aufzählt,
welche dem Wein nicht zugesetzt werden dürfen, sollen
olgende Sätze angefügt werden: Der Bundesrath ist er-
mächtigt, noch andere Stoffe zu bezeichnen, auf die dieses
Verbot Anwendung zu finden hat. An Stelle des 8 4
des geltenden Gesetzes, der von den unter den Begriff
„Kunstwein" fallenden Getränken handelt, sollen neue
Bestimmungen treten. In der Novelle wird die Herstel-
lung und der Vertrieb von Kunst wein verboten.
In Z 6 wird das Verbot des Saccharins als überflüssig
aufgehoben, dagegen soll 8 6 Bestimmungen erhalten, die
erweiterte Controlbefugnisse gegenüber den Weinproducenten
und Weinhändlern gewähren. Das neue Gesetz soll am 1.
October 1901 in Kraft treten. »
Deutscher Reichstag. Berlin, 19. Nov. Das Haus
ist sehr gut besucht. Die Tribünen sind gefüllt, auch die
Hofloge ist besetzt.
Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzung um
2 Uhr 20 Minuten.
Zu der Interpellation Albrecht (Soz.) und Ge-
nossen betreffend die 12 000 Marksache erklärt der Reichskanzler
sich bereit, die Interpellation am Donnerstag zu beant-
worten.
Es folgt die erste Berathung des Entwurfs betreffend die
Festsetzung eines dritten Nachtragsctatsfür 1900. (China-
Vorlage)
Reichskanzler Graf v. Bülow: Er wolle hier nicht sagen»
was etwa die gemeinsamen Absichten der Mächte in China be-
einträchtigen könne, habe aber gleichwohl das Bedürfniß, mit
der Nation Fühlung zu nehmen. Redner bespricht die Vor-
geschichte der Wirren in China und weist die im Auslande ge-
machte Behauptung zurück, daß diese Wirren auf die Besetzung
von Kiautschou zurückzuführen seien. (Zuruf bei den Sozial-
demokraten: sehr richtig!) Reichskanzler fortfahrend: Er bedaure,
daß ein solches Wort in diesem Saale gerufen werde. Er beziehe
sich bezüglich der Vorgeschichte der chinesischen Wirren auf das
Rundschreiben an die verbündeten Regierungen. In der publi-
zistischen Diskussion des Inlandes und noch mehr in der des
Auslandes sei gesagt worden, daß wir die chinesische Krisis nicht
vorhergesehen hätten. Die meisten übrigen Nationen haben gleich
uns im vergangenen Frühjahr nicht gedacht, daß das ostasiatische
Gewitter so heftig und so rasch eintreten werde. Die vorher-
gehenden Anzeichen entgingen gerade uns nicht. Wir wiesen die
anderen Kabinette wiederholt auf diese Anzeichen hin und be-
willigten sofort alles, was unser Vertreter in China als noth»
wendig bezeichnte, trafen Schutzmaßnahmen, stellten Schutz-
detachements und boten sogar mehr als gefordert würde. Er
wolle gegen Niemand Vorwürfe erheben, am wenigsten gegen
Frhrn. v. Ketteler, der in treuester Pflichterfüllung bet dem
Versuche, die chinesische Centralgewalt zur Besinnung zu bringen,
unerschrocken in den Tod ging wie ein Offizier in der Front,
würdig des Landes, das er vertrat, und würdig des Namens,
den er trug. (Lauter, allgemeiner Beifall). Die europäischen
Regierungen täuschten sich fast alle in der Beurtheilung
der Tragweite der Bewegung. Wir werden demgemäß in
Zukunft für eine schnellere Nachrichtenübermittelung zu
sorgen haben. Deutschland hat weder in diplomatischer
noch in militärischer Beziehung etwas versäumt, was den
Ereignissen irgendwie eine andere Wendung hätte geben können.
Der Reichskanzler weist auf die einzelnen der Besetzung von
Kiautschou vorhergegangenen Erwerbungen anderer Mächte hin
und darauf, daß lange vor der Besetzung von Kiautschou Aus-
schreitungen gegen die Fremden in China vorgekommen seien.
Wir haben uns in sprüchwörtlicher Bescheidenheit (sehr richtig!
rechts) von allen Mächten am längsten zurückgehalten bis zur
Ermordung unserer Missionare in Schanlung. Wir sind erst
infolge des Zwanges der Ereignisse in China eingeschritten und
zwar in einer Weise, durch die der Friede weder direkt noch
indirekt gefährdet wurde. Wir sind in Kiautschou auf Grund
völkerrechtlicher Verträge mit China. Wir haben uns China
gegenüber immer freundlich und wohlwollend gezeigt. Wir be-
luden uns in dem Zustande legitimer Abwehr. Wir mußten
Rechte schützen und unsere Ehre wahren. Zu derselben Nothwehr
waren alle civilisirten Völker gezwungen. Was die Deutschen
wollen, ist kein politisches Abenteuer, sondern die Behauptung
unserer Rechte und unserer Interessen, wie ein großes Volk seine
Interessen, Rechte und Ehre behaupten soll. (Lebhafter Beifall.)
Wir führen dort keinen Eroberungskrieg; wir
wollen nur Sühne für die Unthaten und Sicher-
tellung geregelter Zustände. Wir haben kein Interesse
an einer Auftheilung China's; wir wünschen eine solche auch
nicht. China muß eine geordnete Verwaltung er-
halten, um zahlungsfähig zu bleiben, weiter gehen die
deutschen Ad fickten nicbt. Man solle nicht über den
Ein Opfer.
Roman von B. Saworra.
Autorisirte Bearbeitung nach dem Englischen.
(Fortsetzung.)
-Arischen mir und Mark?" fragte Georg erstaunt.
"Aeiß Mark von dem Besuch?"
"Rein."
hiy^lauben Sie, es würde ihm eine besondere Freude
davon zu hören? Mark wünscht natürlich, daß Sie
lieben — in platonischer Weile. — Aber daß
allein von Bedford Park nach Chelsea zu dieser
»I« Meit zu Ihnen kommt, Georg — das ist doch wohl mehr,
fl^ark wünschen würde."
konnte kaum eine ungeduldige Antwort unter-
sind Sie böse," sagte Nelly und legte schmeichelnd
stt kAud auf seinen Arm. „Ziehen Sie nicht Ihre Stirn
'"hl,-« En. Georg — das macht Sie häßlich. Ich möchte
-V einen guten Rath geben."
'And das wäre?"
"Lassen Sie Judith nicht mit Ihnen kokettsten!"
Rath ist überflüssig — Judith hat nicht die leiseste
. "Zt ez ^ ihun."
bitzsT/b denken die Männer immer — oder nein, nicht
,^t,b/ .Es giebt zwei Klassen von Männern; die einen
'Rkttj?' ledes Mädchen geht nur darauf aus, mit ihnen zu
/^at. ^ die anderen halten alle Frauen für Engel und
istsch,Emiren bei diesen himmlischen Wesen natürlich für aus-
lE?^En Sie mich zu der zweiten Klasse?"
- ja."
^Oerst?? erlaube ich mir zu widersprechen- Ich bin weit
^ - don, alle Frauen für Engel zu halten."
""ttgu 'reut mich. Und doch ist es ein vcrhängnißvoller
"w, zu glauben, Judith könnte nicht mit Ihnen koket-
tiren wollen. Sagte ich Ihnen, was RodneyS mir erzählt
haben?"
„Nein."
„Sie müssen aber nicht darüber sprechen, Georg — es
mag wahr sein oder nicht. Vor drei oder vier Jahren war
Judith für einige Wochen hier bei Mortlocks, und Rodneys
sagen, es wurde damals viel über sie gesprochen. Erinnern
Sie sich, daß ich Ihnen einmal etwas von einem Hauptmann
Pomerry erzählte — einem entfernten Vetter von Rodneys I
Er wurde bei einem Eisenbahnunfall gelödtet; Sie waren in
demselben Zuge; erinnern Sie sich, Georg."
„Sehr wohl."
„Er stand in keinem guten Ruf; viele zogen sich von ihm
zurück, sogar Rodneys — die dock, wie Sie wissen, nicht zu
zartfühlend sind — hörten auf, ihn einzuladen. Robert
Mortlock hielt aber die freundschaftlichen Beziehungen zu ihm
aufrecht, er war dort täglicher Gast im Hause. Rodneys
haben ihn da oft getroffen. Sie sagen, er hätte in auffallen-
der Weise mit Judith koketiirt.
Grävener schwieg; grimmig blickte er nach de» Gas-
flammen, die einen Hellen Schein auf das Pflaster warfen.
„Sie sagen, Judith legte es darauf an, ihn zu fesseln.
„Wer sagt das?" fragte Georg kühl.
„Die kleine Frau Rodney." ^
„Ist die Aussage der kleinen Frau Rodney zuverlässig.
Georg konnte nicht umhin, das Mädchen, dem er miß-
traute, gegen eine Frau zu vertheidigen, deren spitze Zunge
und leichtfertige Denkungsart bekannt war. „Ich würde mich
doch für zu gut halten, Frau Rodneys Bemerkungen zu
Wiederholen, Nelly!" ^ ...,
„O, ick weiß, daß sie mit der nöthigen Vorsicht zu ge-
nießen sind!" erwiderte Frau von Rost, nicht ohne Verlegen-
heit- „Aber ich habe auch noch von andrer Seite Fräulein
Verrels Namen in Verbindung mit dem Hauptmann
Pomerrys gekört. Und Sie wissen. Georg — oder Sie wissen
es vielleicht auch nicht, daß es für ein junges Mädchen un-
heilvoll sein könnte, wenn das der Fall war. An dem Tag
nach meinem Balle sprach ich mit Bella Standish. und ne
sagte, sie hätte sich über Marks Verlobung nicht gefreut.
„Warum?" fragte ich. „Fräulein Verrell ist für Herrn
Fcankland nicht gut genug!" sagte Bella. Ick that, als ob
ich das sehr wunderbar fände. „Ich kenne ja Fräulein
Verrell nicht," bekannte Bella, „ich habe gehört, sie loll ein-
mal eine Liebelei mit Hauvtmann Pomerry gehabt haben.
Es wurde damals viel darüber gesprochen. Und — danach
zu urtheilen — kann sie nicht gut sein." Bella ist die Liebens-
würdigkeit selbst — das können Sie nicht bestreiten. Ich
redete darüber hinweg; aber es ließ mir keine Ruhe. Ich
habe viel darüber nachgedacht. Judith ist sehr hübsch; aber
Mark verdient mehr als eine nur hübsche Frau-"
„Er verdient vor allem eine gute Frau," sagte Georg mit
einem Seufzer. ^
»Ist Judith das?" fragte Nelly eifrig. „Ist sie es?
„Das weiß ich nicht," war die ernste, ruhige Antwort.
„Georg, ich glaube, wir sind im Grunde einer Meinung.
Sie trauen ihr nicht bedingungslos."
„Wenn ich es —" ^
„O, seien Sie nicht so vorsichtig. Wenn Sie nnt Ihren
schrecklichen „Wenn's" anfangen, hört jede Unterhaltung auf.
Sie halten Judith für etwas leicht?" ^
„Nein — die Bezeichnung ist nicht passend. Dafür Halle
ich sie durchaus nicht —"
„O, da sind wir — zu Hausei" rief Nelly. als der Wagen
hielt „Georg, legen Sie diese furchtbar nachdenkliche Miene
ab. Was hatten Sie von ihr? Sagen Sie es mir offen
und klar!" ^ ^ ^
Grävener stand aus der Straße; er hielt Nelly seine Hand
hin, um ihr herauszuhelfen. , ,
„Ich will es Ihnen offen und klar sagen —, wenn ich
selbst mir darüber klar bin," antwortete er.
„Wann werden Sie denn endgiltig Ihr Urtheil darüber
petutdet haben?" fragte Nelly lachend und schritt ihm voran
durch die freundliche, hell erleuchte Vorhalle.
„Morgen." antwortete Grävener ruhig.
(Fortsetzung folgt.)