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frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
Vierteljahr!. 1.25 Mk.
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Petitzeilc oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
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der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Hetdelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82.
Xr. 299. Erke» Mt. Samstag, den 22. December
I9VV.
Prozeh Sternberg.
Berlin, 21. Dcc. Der durch seinen Verkehr mit
dem Angeklagten Sternberg so stark verdächtigte Polizei-
direktor v. Mcerscheidt-Hüllesem ist heute Mittag
g e st o r b e n.
Berlin, 21. Dcc. Sternberg wurde zu einer
Zuchthausstrafe von 2*/, Jahren sowie 5jähr. Ehrverlust
verurtheilt.
Wir haben die beiden Telegramme gestern hier durch
Aushang bekannt gemacht. Daß es endlich einmal ge-
lungen ist, den unsaubcrn Sternberg, der ein Wüstling
und ein finanzieller Gauner ist, dem Zuchthaus zu über-
liefern, wird allgemein mit der Genugthuung begrüßt
werden, die jedes gerechte Strafurlheil heroorruft. Bemerkt
sei hier, daß Sternberg seines Namens wegen vielfach für
einen Juden gehalten wird. Er ist jedoch kein Jude, auch
kein getaufter.
Ist nun das Bild, das der Wüstling Sternberg ge.
währt, auch ein abscheuliches, so kann man sich doch mit
dem Gedanken trösten, daß es sich um ein einzelnes
Individuum von perversen Neigungen handelt. Sehr
schlimm und bedenklich sind dagegen die Nebenerscheinungen
dieses Prozesses. Wer hätte geglaubt, daß die Millionen
eines Gauners in Deutschland eine solche Macht hätten!
Ein Polizeidirektor ist an diesem Sternberg gestorben, ein
Kommissär ist verhaftet, ebenso ein Subalternbeamter der
Staatsanwaltschaft. Einige Meineidsprozesse werden auf
den Sternbcrgprozeß folgen. Zwei bekannte Rechtsanwälte
haben, wie man in China sagen würde, ihr Gesicht ver-
loren und werden die Toga ausziehcn müssen. Welch' ein
betrübender Anblick!
Mit eisernen Besen muß gekehrt werden, um diesen
Schmutz zu beseitigen. Und das wird hoffentlich geschehen!
Der Krieg in Südafrika.
Nach Berichten aus London stellt sich dort eine gewisse
Beruhigung ein, obschon die Nachrichten aus Südafrika,
besonders über den BareneinbrUch, äußerst dürftig erschei-
nen. Die bessere Stimmung stützt sich hauptsächlich auf
die Thatsache, daß die verschiedenen von den Buren be-
drohten wichtigen Punkte nördlich vom Kapland von
Kerntruppen besetzt sind. Außerdem hat die englische
öffentliche Meinung zu 'Kitcheners Umsicht und Thatkraft
entschiedenes Vertrauen. Daily Mail befürwortet dringend
die Erfüllung von Kitcheners Verlangen nach starkem
Nachschub von frischen Truppen, der auch grund-
sätzlich im Schooße der Regierung bereits genehmigt sein
soll. Der der Regierung nahestehende Daily Telegraph
bemerkt dazu, obschon eine amtliche Bestätigung noch nicht
zu erlangen sei, so liege doch aller Grund zu der Annahme
vor, daß außer den bereits kommandirtcn Abtheilungcn
reitender Infanterie auch die aus drei Regimentern
bestehende Aldershotcr Kavallerie-Brigade dem-
nächst zur Ablösung nach Südafrika gehen werde.
Außerdem wird gemeldet, daß Australien noch eine
sechste Abtheilung Truppen nach Südafrika senden wird.
Soviel indessen ist aus allem diesem klar, daß England
neue Anstrengungen machen muß, während man vor
kurzer Zeit noch davon sprach, die meisten Truppen heim-
zusenden und die Sorge für die Ruhe von Südafrika
einer sogen. Polizeitruppe zu überlassen.
Vom Kriegsschauplatz liegen folgende Nachrichten vor:
Eine Kundgebung der Kapregierung vom Abend des 19. d.
besagt: Die Buren, welche über Renosterhoeck vor-
gedrungen sind, wurden aufgehalten, da Steynsburg stark
besetzt ist. Die Eindringlinge können sich nur mit größter
Schwierigkeit bewegen. Sie wurden zuletzt auf den Zour-
bergen zwischen Steynsburg und Ventersstad beobachtet.
Die B uren, welche Lan d sdr i st überschritten, zählten
etwa 2000 Mann und scheinen auf Colesberg Vordringen
zu wollen. Als ihnen aber eine Truppenabtheilung ent-
gegengesandt wurde, schwenkten sie in der Richtung auf
Philippstown ab und besetzten es am 19. Bisher kam
es nur zu Plänkeleien, da die Eindringlinge jedesmal vor
den feindlichen Truppen zurückgehen. In Ventersburg
nahmen sie die aus 20 Mann bestehende Garnison ge-
fangen. In Hamelfontein im Colesberg-Distrikt wurde
die Garnison zur Kapitulation aufgefordert; auf ihre Wei-
gerung fand ein mehrstündiger Kampf statt. Die An-
greifer wurden mit großen Verlusten zurückgetrieben. In
mehreren Distrikten würde das Standrecht ausgerufen.
Zu Colesberg in der Kapkolonie sollten in den
Tagen bis Samstag schwere H o ch v e rr a th s fäll e ab-
geurteilt werden. Da inzwischen die Buren bis auf sieben
englische Meilen an das Gerichtsgebäude herangekommen
sind, muß das Gericht nach einem sichereren Orte verlegt
werden. Die Mitglieder des Gerichts sind in Kapstadt
angekommen.
Von De Wet wird gemeldet: Nachdem De Wet die
Linie Thabanchu-Ladybrand passirt hatte, marschirte er
nach Ficksburg. Sein Gesammtverlust während des
Vorstoßes gegen die Grenze der Kapkolonie beträgt nahezu
50 Todte und 100 Gefangene, außerdem 3 Kanonen
und viel Munition.
Die deutsche Bahn in Schantung.
In der am 18. December d. I. zu Berlin abgchal-
tenen Hauptversammlung der Schantung-Eisenbahn-
Gesellschaft wurde mitgetheili, daß trotz der chinesischen
Wirren sowohl mit den Bauarbeiten der Bahn wie auch
mit der Verschiffung des Bau- und Betricbsmaterials
nachdrücklich weiter vorgegangen worden ist. Als Ende
Juni die Arbeiten im Innern der Provinz Schantung
eingestellt werden mußten, erging sofort telegraphische
Weisung an die Betriebsleitung, das im Innern der
Provinz beschäftigungslos gewordene Personal zur Be-
schleunigung des Baues der im deutschen Machtbereich be-
findlichen Strecke zu verwenden. Eine Unterbrechung in
der Hmaussendung des Oberbau- und des Betriebsmate-
rials ist nicht eingetreten. Die Bauarbeiten sind soweit
gefördert, daß auf der Strecke Tsingtau-Kiautschou
bis Mitte Dezember 59 Kilometer Geleis gelegt sind
und die Montirung der eisernen Brücken-Ueberbauten ener-
gisch gefördert worden ist. Ebenso sind die Hochbauten,
mit Ausnahme des Stadtbahnhofs in Tsingtau, größten-
theils vollendet. An Betriebsmaterial sind 8 Tender-
lokomotiven und 228 Güterwagen verschifft, von denen bis !
jetzt 6 Lokomotiven und 170 Wagen angelangt und größten- !
«Heils montirt sind. Die erste deutsche, mit Hülfe chine-
sischer Arbeiter monrirte Lokomotive hat Ende Oktober in
den Dienst gestellt werden können. Hiernach ist mit
Sicherheit zu erwarten, daß, falls nicht unvorhergesehene
Ereignisse eintreten, die erste Strecke der Schantung-Eisen- !
bahnen, Tsingtau-Kiautschou, von 74 Kilometer Länge, !
Anfang April 1901 dem Betrieb übergeben werden wird. !
Nachdem inzwischen über Kiamschou hinaus und im Innern ^
von Schantung die Bauarbeiten wieder ausgenommen
worden sind, ist das Bauprogramm für 1901 dahin fest- ^
gestellt worden, daß der Unterbau der Strecke bis Weihsien ^
Ende 1901 zur Aufnahme des Geleises fertiggestellt und i
die Betriebseröffnung dieser weitern Strecke für Frühjahr
1902 erreicht werden soll.
Die amerikanische Konkurrenz auf dem
Weltmärkte«
Die Hafendirektion in Kalkutta (Britisch-Jndien) schrieb
kürzlich eine Lieferung von Lokomotiven aus. Das billigste
englische Angebot lautete auf neun Monate Lieferungsfrist
und den Preis von 30 880 Mark für die Lokomotive, das
billigste amerikanische dagegen auf sechs Monate und
25 000 Mark. Die amerikanische Firma erhielt darauf
den Zuschlag. Die Lieferung eines größeren Postens guß-
eiserner Röhren für die holländischen Kolonien wurde
unlängst einer amerikanischen Firma übertragen, welche das
deutsche Angebot um fast ein Viertel zu unterbieten ver-
mochte. Ferner sind in letzter Zeit größere Lieferungen
von Eisenbahnschienen von Holland nach den Vereinigten
Staaten gegeben worden. Selbst die englische Regierung
sieht sich genöthigt, amerikanische Lieferanten vor den
eigenen englischen Werken zu bevorzugen, weil die Ameri-
kaner billigere Preise stellen und kürzere Lieferungsfristen
anbieten. Besonders stark wird sich der amerikanische
Wettbewerb auf dem chinesischen Markt fühlbar machen,
wenn nach Beendigung der chinesischen Wirren der Handels-
wettkampf dort neu ausgenommen werden wird. Bereits
werden eine Reihe neue Dampfer gebaut, um in den
Verkehr von San Franzisko nach Japan und China ein-
gestellt zu werden. _
Deutsches Reich.
— Nicht nur die meisten der deutschen Bund es fürsten
haben ihre Theilnayme an dem Marine-Unglück bei
Malaga kundgegeben, sondern auch viele auswärtige
Souveräne. So liefen neuerdings Telegramme ein von
der Königin von England, dem König von Rumänien, dem
König von Griechenland, außerdem noch von den Regie-
rungen von Belgien, Japan, der Niederlande, Portugal
und Uruguay, sowie dem Lordmajor von London und dem
Gouverneur von Malta.
Potsdam, 21. Dcc. Der Kaiser begab sich heute
Vormittag 9'/, Uhr zu Pferde nach dem Bornstädter Felde,
wo er das Lehr-Jnfanteriebataillon besichtigte. Nach der
Besichtigung fand Parade und Exerzieren im Feuer statt,
wozu das Gardejägerbataillon und die Unteroffizierschule
! herangezogen waren. Später beabsichtigte der Kaiser, an
^ dem Frühstück der Offiziere des Lehrinfanteriebataillons
l theilzunehmen.
Baden. Karlsruhe, 19. December. Der durch
i Ceutrumseinfluß gegründete bad. Eisenbahnerver-
band räumt in seinen Satzungen der Generaldireklion
^ einen gewissen Einfluß ein. Nunmehr hat er beschlossen,
einen mit Jahresgehalt von 2000 Mark besoldeten Sekre-
! tär anzustellen. Der von dem Verband vorgeschlagene
i Candidat hat jedoch die Genehmigung der Generaldirektion
nicht erhalten, weil er nicht mehr Eisenbahner sei und da-
her dem Verband satzungsgemäß sticht mehr angehören
könne. Deßwegen nennt der sozdem. Volksfreund die
„Macher des Verbandes" heute „blamirte Europäer", und
noch Mischer „Scharwenzler" und „Kriecher". Es ist,
wie der Schwäb. Merk, hervorhebt, recht belehrend, zu
sehen, in welchem Tone der Bolkssreund mit den Eisen-
bahnern umgeht, wenn sie etwas thun, was ihm nicht
gefällt.
— Für die bad. Parteiverhältnisse nicht unwichtig ist
eine in Offenburg geschehene „Enthüllung." Bei den
Wahlen zum dortigen Gemeinderath hat das Centrum der
Volkspartei die Wahl eines zweiten Volksparteilers ange-
bote», wenn dafür die Wiederwahl des soz.-dem. Gemeinde-
rathsmitgliedeS fallen gelassen würde. Die Volkspartei
aber hat den Antrag zurückgewiesen, da er der Forderung
der Gerechtigkeit nicht entspreche. Sie will auch die
gegnerischen Parteien im Gemeinderath vertreten wissen.
Daß dieser Vorfall heftigen Zorn im soz.-dem. Lager
gegen das Centrum erregt, braucht kaum gesagt zu werden.
* Von den nationalliberalen Vereinen, die sich
bis jetzt über die Wahlrechtssrage ausgesprochen haben,
hat nur Weinheim den Vorschlag des Engeren Aus-
schusses abgelehnt. Kehl, Bonndorf und Konstanz
hoben Nebenvorschläge gemacht, die nach unserer Meinung
keine solche prinzipielle Bedeutung besitzen, daß es unseren
* Das Romanfeuiüeton findet der Leser im heutigen
zweiten Blatt.
Kleine Zeitung.
— Glückliche Gewinner. Aus Mainz, 19. December, wird
berichtet: Bei der heute begonnenen. Ziehung der Hessischen
Landeslotterie fiel ein Gewinn von 200 000 ^ in eine hiesige
Kollekte. Die Glücksnummer ist in Zehntel getheilt und sind die
zehn Gewinner sammtlich ganz unbemittelte Leute, welchen der
reiche Gewinn ein willkommenes Weihnachtsgeschenk sein dürfte.
— München, 20. Dec. (Badischer H ilfs v er ein.) Die
beiden bisher hier bestehenden Vereine badischer Landsleute, der
Verein der Badener und der Badenser-Verein, haben
sich nach langer unverdrossener Bemühung des ersten Vorstandes
erstgenannter Vereinigung, des Herrn Dramaturgen Ludwig Stark,
zu einem einzigen Badischen Hilfsverein zusammenge-
schlossen, dessen vornehmste Aufgabe außer landsmannschaftlicher
Geselligkeit sein soll: hilfsbedürftige Landsleute zu unterstützen,
sowie allgemeine Btldungszwecke zu verfolgen. Die Vereinigung
fand am 18. December statt, dem Tage, an dem in dem großen
Jahre 1870 hauptsächlich badische Truppen bet Nuits unter
schweren Opfern Heldenmüthig die große Ueberzahl der Franzosen
in Schach hielten und den offenen Weg zum Rheine sperrten.
Auf die telegraphische Mitthetlung an den Großherzog
Friedrich von Baden antwortete dieser ebenfalls auf
telegraphischem Wege: „Ihre freundliche Mittheilung hat mich
sehr erfreut, und ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Vereinigung
als Badischer Hilfsverein zu Uuterstützungs- u. Bildungszwecken.
Die Wahl des 18. December erscheint mir besonders erfreulich
zur Gründung eines solchen Vereins. Dieser Gedächtnißtag des
Kampfes um des Friedens willen deutet auf die Einigung, die
der 18. Januar 1871 uns brachte. Möge das Sie einigende
Band sich immer fester schließen zur gemeinsamen Anstrebung
des gestellten Zieles. Ich grüße von Herzen alle Vereins-
mitglieder. Friedrich Großherzog." — Angesichts der schönen
Bestrebungen des neuen großen Vereins wird wohl kein in
München lebender Badener, auch wenn er eine andere Heimath ,
gefunden hat, dem Badischen Hilfsverein ferne stehen wollen.
— München, 20. Dec. Der vor 3 Wochen vom Räuber Kne ißt
durch einen Schrotschuß in den Unterschenkel schwer verwundete
Gendarm Scheidler ist, nach der Abnahme seines Unter-
schenkels, dem Wundstarrkrampf erlegen. Er hinterläßt eine
Wittwe mit 7 Kindern, für welch letztere der Wittwe. außer ihrer
eigenen kleinen Pension, monatlich 84 Mk. gewährt werden. —
Aus Kneißl's Distrikt wird heute schon wieder ein neuer Raub-
mord bekannt. Bet Vicrktrchen, östlich von Dachau, wurde die
Leiche des Bauernsohnes Joseph Schwammer aufgefunden; der-
selbe war erdrosselt und beraubt worden, und wurde seit Sonntag
vermißt; erst am Dienstag wurde er todt aufgefunden; er soll
an 20 Mk. Baargeld bei sich gehabt haben. Es ist zwar mög-
lich, daß mit dieser Thal Kneißl (und seine Helfershelfer) nichts
zu thun hatte, aber die Volksstimme schreibt auch diesen Mord
dem Raubmörder Kneißl zu, der ganz Bayern in Athem halt.
— Berlin, 17. Dec. Zur Sozialdemokratie bekennen sich die
meisten Mitglieder eines kürzlich in Berlin gegründeten
Vereins abstinenter Arbeiter, die sich jedes Spirituo-
sengenusses enthalten. Da es dem Verein unter diesen Umständen
nicht möglich ist, in einem Wirthrhause ein Veretnsztmmer zu
erhalten, hat er die Verwaltung des sozialdemokratischen Gewerk-
schaftshauses um Ueberlassung eines Versammlungsraumes ersucht.
Dieses Gesuch ist abgeschlagen worden mit dem Bemerken, daß
dem Verein auch nicht das kleinste Zimmer überlassen werden
könne, da man auf den Oekonomen als Vertreter der Schultheiß-
brauerei Rücksicht nehmen müsse und die Gäste, die kein Bier
trinken, nicht gebrauchen könnte.
— Hauptmann. „Was thun Sie, wenn bei Nacht das Alarm-
zeichen ertönt?" — Rekrut: „Schlafen, Herr Hauptmann I"
— Modern. „Ich kann heute nicht radeln, weil ich noth-
wendig den Rock meines Mannes flicken muß!" — „Du Glück-
liche, das kannst Du? Ich kann nur 's Radel flicken I"
— AnSweg, Gast: „Da weiß ich wirklich nicht, was ich thun
soll! Nehm' ich eine ganze Portion — das ist zu viel, und au
einer Halden ist nichts d'ran!" — Kellner: „Nehmen Sie ruhig
eine ganze Portion; wir können sie ja etwas kleiner als gewöhn-
lich machen!"
— Ei« Schmeichler. „An Ihnen, Herr von Huber, ist alles
sympathisch — ich Hab' Sie zu gernl Ich glaub', ich wär' im
Stand, mit Ihnen eine Flasch Wein zu trinken — wenn Sie
eine spendiren würden!"
— Zartgefühl. Pantoffelheld: «... Ja, meine Gattin ver-
gißt sich niemals ganz; selbst in der höchsten Wuth wirft sie mir
nur meine Licblingsbücher an den Kopf!"
Literarisches.
—Z Pultkalender für 1901. (Verlagvon Moritz Schauen-
burg in Lahr. Dieser neue Jahrgang des bekannten außerordent-
lich zweckmäßig eingerichteten Termin- und Notizkalenders bietet
riehen dem Schreibkalendarium in schmal Folio noch einen An-
hang, der ans 116 Setten einen sicheren Führer auf dem Gebiete
des Handels und der Industrie, des Zoll- und Steuerwesens, der
Bevölkerungsstatistik, der Eisenbahnen, Posten und Telegraphen,
der Lanbarmee, wie der Marine, der sozialen Gesetzgebung rc.,
kurz für jeden Geschäftsmann Wissenswerthe in knapper und über-
sichtlicher Form bietet. Besonders dankenswerth sind die Ver-
zeichnisse sämmtlicher Reichsbankanstalten, der Rechlsanwättc im
Deutschen Reichender deutschen Konsulate und Reichspostanstalten.
Eine werthvolle Beilage bildet die neue Eisenbahnkaite von
Deutschland mit einem Netz, nach welchem die Ortszeiten für
jeden Ort leicht zu berechnen find.
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Prozeh Sternberg.
Berlin, 21. Dcc. Der durch seinen Verkehr mit
dem Angeklagten Sternberg so stark verdächtigte Polizei-
direktor v. Mcerscheidt-Hüllesem ist heute Mittag
g e st o r b e n.
Berlin, 21. Dcc. Sternberg wurde zu einer
Zuchthausstrafe von 2*/, Jahren sowie 5jähr. Ehrverlust
verurtheilt.
Wir haben die beiden Telegramme gestern hier durch
Aushang bekannt gemacht. Daß es endlich einmal ge-
lungen ist, den unsaubcrn Sternberg, der ein Wüstling
und ein finanzieller Gauner ist, dem Zuchthaus zu über-
liefern, wird allgemein mit der Genugthuung begrüßt
werden, die jedes gerechte Strafurlheil heroorruft. Bemerkt
sei hier, daß Sternberg seines Namens wegen vielfach für
einen Juden gehalten wird. Er ist jedoch kein Jude, auch
kein getaufter.
Ist nun das Bild, das der Wüstling Sternberg ge.
währt, auch ein abscheuliches, so kann man sich doch mit
dem Gedanken trösten, daß es sich um ein einzelnes
Individuum von perversen Neigungen handelt. Sehr
schlimm und bedenklich sind dagegen die Nebenerscheinungen
dieses Prozesses. Wer hätte geglaubt, daß die Millionen
eines Gauners in Deutschland eine solche Macht hätten!
Ein Polizeidirektor ist an diesem Sternberg gestorben, ein
Kommissär ist verhaftet, ebenso ein Subalternbeamter der
Staatsanwaltschaft. Einige Meineidsprozesse werden auf
den Sternbcrgprozeß folgen. Zwei bekannte Rechtsanwälte
haben, wie man in China sagen würde, ihr Gesicht ver-
loren und werden die Toga ausziehcn müssen. Welch' ein
betrübender Anblick!
Mit eisernen Besen muß gekehrt werden, um diesen
Schmutz zu beseitigen. Und das wird hoffentlich geschehen!
Der Krieg in Südafrika.
Nach Berichten aus London stellt sich dort eine gewisse
Beruhigung ein, obschon die Nachrichten aus Südafrika,
besonders über den BareneinbrUch, äußerst dürftig erschei-
nen. Die bessere Stimmung stützt sich hauptsächlich auf
die Thatsache, daß die verschiedenen von den Buren be-
drohten wichtigen Punkte nördlich vom Kapland von
Kerntruppen besetzt sind. Außerdem hat die englische
öffentliche Meinung zu 'Kitcheners Umsicht und Thatkraft
entschiedenes Vertrauen. Daily Mail befürwortet dringend
die Erfüllung von Kitcheners Verlangen nach starkem
Nachschub von frischen Truppen, der auch grund-
sätzlich im Schooße der Regierung bereits genehmigt sein
soll. Der der Regierung nahestehende Daily Telegraph
bemerkt dazu, obschon eine amtliche Bestätigung noch nicht
zu erlangen sei, so liege doch aller Grund zu der Annahme
vor, daß außer den bereits kommandirtcn Abtheilungcn
reitender Infanterie auch die aus drei Regimentern
bestehende Aldershotcr Kavallerie-Brigade dem-
nächst zur Ablösung nach Südafrika gehen werde.
Außerdem wird gemeldet, daß Australien noch eine
sechste Abtheilung Truppen nach Südafrika senden wird.
Soviel indessen ist aus allem diesem klar, daß England
neue Anstrengungen machen muß, während man vor
kurzer Zeit noch davon sprach, die meisten Truppen heim-
zusenden und die Sorge für die Ruhe von Südafrika
einer sogen. Polizeitruppe zu überlassen.
Vom Kriegsschauplatz liegen folgende Nachrichten vor:
Eine Kundgebung der Kapregierung vom Abend des 19. d.
besagt: Die Buren, welche über Renosterhoeck vor-
gedrungen sind, wurden aufgehalten, da Steynsburg stark
besetzt ist. Die Eindringlinge können sich nur mit größter
Schwierigkeit bewegen. Sie wurden zuletzt auf den Zour-
bergen zwischen Steynsburg und Ventersstad beobachtet.
Die B uren, welche Lan d sdr i st überschritten, zählten
etwa 2000 Mann und scheinen auf Colesberg Vordringen
zu wollen. Als ihnen aber eine Truppenabtheilung ent-
gegengesandt wurde, schwenkten sie in der Richtung auf
Philippstown ab und besetzten es am 19. Bisher kam
es nur zu Plänkeleien, da die Eindringlinge jedesmal vor
den feindlichen Truppen zurückgehen. In Ventersburg
nahmen sie die aus 20 Mann bestehende Garnison ge-
fangen. In Hamelfontein im Colesberg-Distrikt wurde
die Garnison zur Kapitulation aufgefordert; auf ihre Wei-
gerung fand ein mehrstündiger Kampf statt. Die An-
greifer wurden mit großen Verlusten zurückgetrieben. In
mehreren Distrikten würde das Standrecht ausgerufen.
Zu Colesberg in der Kapkolonie sollten in den
Tagen bis Samstag schwere H o ch v e rr a th s fäll e ab-
geurteilt werden. Da inzwischen die Buren bis auf sieben
englische Meilen an das Gerichtsgebäude herangekommen
sind, muß das Gericht nach einem sichereren Orte verlegt
werden. Die Mitglieder des Gerichts sind in Kapstadt
angekommen.
Von De Wet wird gemeldet: Nachdem De Wet die
Linie Thabanchu-Ladybrand passirt hatte, marschirte er
nach Ficksburg. Sein Gesammtverlust während des
Vorstoßes gegen die Grenze der Kapkolonie beträgt nahezu
50 Todte und 100 Gefangene, außerdem 3 Kanonen
und viel Munition.
Die deutsche Bahn in Schantung.
In der am 18. December d. I. zu Berlin abgchal-
tenen Hauptversammlung der Schantung-Eisenbahn-
Gesellschaft wurde mitgetheili, daß trotz der chinesischen
Wirren sowohl mit den Bauarbeiten der Bahn wie auch
mit der Verschiffung des Bau- und Betricbsmaterials
nachdrücklich weiter vorgegangen worden ist. Als Ende
Juni die Arbeiten im Innern der Provinz Schantung
eingestellt werden mußten, erging sofort telegraphische
Weisung an die Betriebsleitung, das im Innern der
Provinz beschäftigungslos gewordene Personal zur Be-
schleunigung des Baues der im deutschen Machtbereich be-
findlichen Strecke zu verwenden. Eine Unterbrechung in
der Hmaussendung des Oberbau- und des Betriebsmate-
rials ist nicht eingetreten. Die Bauarbeiten sind soweit
gefördert, daß auf der Strecke Tsingtau-Kiautschou
bis Mitte Dezember 59 Kilometer Geleis gelegt sind
und die Montirung der eisernen Brücken-Ueberbauten ener-
gisch gefördert worden ist. Ebenso sind die Hochbauten,
mit Ausnahme des Stadtbahnhofs in Tsingtau, größten-
theils vollendet. An Betriebsmaterial sind 8 Tender-
lokomotiven und 228 Güterwagen verschifft, von denen bis !
jetzt 6 Lokomotiven und 170 Wagen angelangt und größten- !
«Heils montirt sind. Die erste deutsche, mit Hülfe chine-
sischer Arbeiter monrirte Lokomotive hat Ende Oktober in
den Dienst gestellt werden können. Hiernach ist mit
Sicherheit zu erwarten, daß, falls nicht unvorhergesehene
Ereignisse eintreten, die erste Strecke der Schantung-Eisen- !
bahnen, Tsingtau-Kiautschou, von 74 Kilometer Länge, !
Anfang April 1901 dem Betrieb übergeben werden wird. !
Nachdem inzwischen über Kiamschou hinaus und im Innern ^
von Schantung die Bauarbeiten wieder ausgenommen
worden sind, ist das Bauprogramm für 1901 dahin fest- ^
gestellt worden, daß der Unterbau der Strecke bis Weihsien ^
Ende 1901 zur Aufnahme des Geleises fertiggestellt und i
die Betriebseröffnung dieser weitern Strecke für Frühjahr
1902 erreicht werden soll.
Die amerikanische Konkurrenz auf dem
Weltmärkte«
Die Hafendirektion in Kalkutta (Britisch-Jndien) schrieb
kürzlich eine Lieferung von Lokomotiven aus. Das billigste
englische Angebot lautete auf neun Monate Lieferungsfrist
und den Preis von 30 880 Mark für die Lokomotive, das
billigste amerikanische dagegen auf sechs Monate und
25 000 Mark. Die amerikanische Firma erhielt darauf
den Zuschlag. Die Lieferung eines größeren Postens guß-
eiserner Röhren für die holländischen Kolonien wurde
unlängst einer amerikanischen Firma übertragen, welche das
deutsche Angebot um fast ein Viertel zu unterbieten ver-
mochte. Ferner sind in letzter Zeit größere Lieferungen
von Eisenbahnschienen von Holland nach den Vereinigten
Staaten gegeben worden. Selbst die englische Regierung
sieht sich genöthigt, amerikanische Lieferanten vor den
eigenen englischen Werken zu bevorzugen, weil die Ameri-
kaner billigere Preise stellen und kürzere Lieferungsfristen
anbieten. Besonders stark wird sich der amerikanische
Wettbewerb auf dem chinesischen Markt fühlbar machen,
wenn nach Beendigung der chinesischen Wirren der Handels-
wettkampf dort neu ausgenommen werden wird. Bereits
werden eine Reihe neue Dampfer gebaut, um in den
Verkehr von San Franzisko nach Japan und China ein-
gestellt zu werden. _
Deutsches Reich.
— Nicht nur die meisten der deutschen Bund es fürsten
haben ihre Theilnayme an dem Marine-Unglück bei
Malaga kundgegeben, sondern auch viele auswärtige
Souveräne. So liefen neuerdings Telegramme ein von
der Königin von England, dem König von Rumänien, dem
König von Griechenland, außerdem noch von den Regie-
rungen von Belgien, Japan, der Niederlande, Portugal
und Uruguay, sowie dem Lordmajor von London und dem
Gouverneur von Malta.
Potsdam, 21. Dcc. Der Kaiser begab sich heute
Vormittag 9'/, Uhr zu Pferde nach dem Bornstädter Felde,
wo er das Lehr-Jnfanteriebataillon besichtigte. Nach der
Besichtigung fand Parade und Exerzieren im Feuer statt,
wozu das Gardejägerbataillon und die Unteroffizierschule
! herangezogen waren. Später beabsichtigte der Kaiser, an
^ dem Frühstück der Offiziere des Lehrinfanteriebataillons
l theilzunehmen.
Baden. Karlsruhe, 19. December. Der durch
i Ceutrumseinfluß gegründete bad. Eisenbahnerver-
band räumt in seinen Satzungen der Generaldireklion
^ einen gewissen Einfluß ein. Nunmehr hat er beschlossen,
einen mit Jahresgehalt von 2000 Mark besoldeten Sekre-
! tär anzustellen. Der von dem Verband vorgeschlagene
i Candidat hat jedoch die Genehmigung der Generaldirektion
nicht erhalten, weil er nicht mehr Eisenbahner sei und da-
her dem Verband satzungsgemäß sticht mehr angehören
könne. Deßwegen nennt der sozdem. Volksfreund die
„Macher des Verbandes" heute „blamirte Europäer", und
noch Mischer „Scharwenzler" und „Kriecher". Es ist,
wie der Schwäb. Merk, hervorhebt, recht belehrend, zu
sehen, in welchem Tone der Bolkssreund mit den Eisen-
bahnern umgeht, wenn sie etwas thun, was ihm nicht
gefällt.
— Für die bad. Parteiverhältnisse nicht unwichtig ist
eine in Offenburg geschehene „Enthüllung." Bei den
Wahlen zum dortigen Gemeinderath hat das Centrum der
Volkspartei die Wahl eines zweiten Volksparteilers ange-
bote», wenn dafür die Wiederwahl des soz.-dem. Gemeinde-
rathsmitgliedeS fallen gelassen würde. Die Volkspartei
aber hat den Antrag zurückgewiesen, da er der Forderung
der Gerechtigkeit nicht entspreche. Sie will auch die
gegnerischen Parteien im Gemeinderath vertreten wissen.
Daß dieser Vorfall heftigen Zorn im soz.-dem. Lager
gegen das Centrum erregt, braucht kaum gesagt zu werden.
* Von den nationalliberalen Vereinen, die sich
bis jetzt über die Wahlrechtssrage ausgesprochen haben,
hat nur Weinheim den Vorschlag des Engeren Aus-
schusses abgelehnt. Kehl, Bonndorf und Konstanz
hoben Nebenvorschläge gemacht, die nach unserer Meinung
keine solche prinzipielle Bedeutung besitzen, daß es unseren
* Das Romanfeuiüeton findet der Leser im heutigen
zweiten Blatt.
Kleine Zeitung.
— Glückliche Gewinner. Aus Mainz, 19. December, wird
berichtet: Bei der heute begonnenen. Ziehung der Hessischen
Landeslotterie fiel ein Gewinn von 200 000 ^ in eine hiesige
Kollekte. Die Glücksnummer ist in Zehntel getheilt und sind die
zehn Gewinner sammtlich ganz unbemittelte Leute, welchen der
reiche Gewinn ein willkommenes Weihnachtsgeschenk sein dürfte.
— München, 20. Dec. (Badischer H ilfs v er ein.) Die
beiden bisher hier bestehenden Vereine badischer Landsleute, der
Verein der Badener und der Badenser-Verein, haben
sich nach langer unverdrossener Bemühung des ersten Vorstandes
erstgenannter Vereinigung, des Herrn Dramaturgen Ludwig Stark,
zu einem einzigen Badischen Hilfsverein zusammenge-
schlossen, dessen vornehmste Aufgabe außer landsmannschaftlicher
Geselligkeit sein soll: hilfsbedürftige Landsleute zu unterstützen,
sowie allgemeine Btldungszwecke zu verfolgen. Die Vereinigung
fand am 18. December statt, dem Tage, an dem in dem großen
Jahre 1870 hauptsächlich badische Truppen bet Nuits unter
schweren Opfern Heldenmüthig die große Ueberzahl der Franzosen
in Schach hielten und den offenen Weg zum Rheine sperrten.
Auf die telegraphische Mitthetlung an den Großherzog
Friedrich von Baden antwortete dieser ebenfalls auf
telegraphischem Wege: „Ihre freundliche Mittheilung hat mich
sehr erfreut, und ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Vereinigung
als Badischer Hilfsverein zu Uuterstützungs- u. Bildungszwecken.
Die Wahl des 18. December erscheint mir besonders erfreulich
zur Gründung eines solchen Vereins. Dieser Gedächtnißtag des
Kampfes um des Friedens willen deutet auf die Einigung, die
der 18. Januar 1871 uns brachte. Möge das Sie einigende
Band sich immer fester schließen zur gemeinsamen Anstrebung
des gestellten Zieles. Ich grüße von Herzen alle Vereins-
mitglieder. Friedrich Großherzog." — Angesichts der schönen
Bestrebungen des neuen großen Vereins wird wohl kein in
München lebender Badener, auch wenn er eine andere Heimath ,
gefunden hat, dem Badischen Hilfsverein ferne stehen wollen.
— München, 20. Dec. Der vor 3 Wochen vom Räuber Kne ißt
durch einen Schrotschuß in den Unterschenkel schwer verwundete
Gendarm Scheidler ist, nach der Abnahme seines Unter-
schenkels, dem Wundstarrkrampf erlegen. Er hinterläßt eine
Wittwe mit 7 Kindern, für welch letztere der Wittwe. außer ihrer
eigenen kleinen Pension, monatlich 84 Mk. gewährt werden. —
Aus Kneißl's Distrikt wird heute schon wieder ein neuer Raub-
mord bekannt. Bet Vicrktrchen, östlich von Dachau, wurde die
Leiche des Bauernsohnes Joseph Schwammer aufgefunden; der-
selbe war erdrosselt und beraubt worden, und wurde seit Sonntag
vermißt; erst am Dienstag wurde er todt aufgefunden; er soll
an 20 Mk. Baargeld bei sich gehabt haben. Es ist zwar mög-
lich, daß mit dieser Thal Kneißl (und seine Helfershelfer) nichts
zu thun hatte, aber die Volksstimme schreibt auch diesen Mord
dem Raubmörder Kneißl zu, der ganz Bayern in Athem halt.
— Berlin, 17. Dec. Zur Sozialdemokratie bekennen sich die
meisten Mitglieder eines kürzlich in Berlin gegründeten
Vereins abstinenter Arbeiter, die sich jedes Spirituo-
sengenusses enthalten. Da es dem Verein unter diesen Umständen
nicht möglich ist, in einem Wirthrhause ein Veretnsztmmer zu
erhalten, hat er die Verwaltung des sozialdemokratischen Gewerk-
schaftshauses um Ueberlassung eines Versammlungsraumes ersucht.
Dieses Gesuch ist abgeschlagen worden mit dem Bemerken, daß
dem Verein auch nicht das kleinste Zimmer überlassen werden
könne, da man auf den Oekonomen als Vertreter der Schultheiß-
brauerei Rücksicht nehmen müsse und die Gäste, die kein Bier
trinken, nicht gebrauchen könnte.
— Hauptmann. „Was thun Sie, wenn bei Nacht das Alarm-
zeichen ertönt?" — Rekrut: „Schlafen, Herr Hauptmann I"
— Modern. „Ich kann heute nicht radeln, weil ich noth-
wendig den Rock meines Mannes flicken muß!" — „Du Glück-
liche, das kannst Du? Ich kann nur 's Radel flicken I"
— AnSweg, Gast: „Da weiß ich wirklich nicht, was ich thun
soll! Nehm' ich eine ganze Portion — das ist zu viel, und au
einer Halden ist nichts d'ran!" — Kellner: „Nehmen Sie ruhig
eine ganze Portion; wir können sie ja etwas kleiner als gewöhn-
lich machen!"
— Ei« Schmeichler. „An Ihnen, Herr von Huber, ist alles
sympathisch — ich Hab' Sie zu gernl Ich glaub', ich wär' im
Stand, mit Ihnen eine Flasch Wein zu trinken — wenn Sie
eine spendiren würden!"
— Zartgefühl. Pantoffelheld: «... Ja, meine Gattin ver-
gißt sich niemals ganz; selbst in der höchsten Wuth wirft sie mir
nur meine Licblingsbücher an den Kopf!"
Literarisches.
—Z Pultkalender für 1901. (Verlagvon Moritz Schauen-
burg in Lahr. Dieser neue Jahrgang des bekannten außerordent-
lich zweckmäßig eingerichteten Termin- und Notizkalenders bietet
riehen dem Schreibkalendarium in schmal Folio noch einen An-
hang, der ans 116 Setten einen sicheren Führer auf dem Gebiete
des Handels und der Industrie, des Zoll- und Steuerwesens, der
Bevölkerungsstatistik, der Eisenbahnen, Posten und Telegraphen,
der Lanbarmee, wie der Marine, der sozialen Gesetzgebung rc.,
kurz für jeden Geschäftsmann Wissenswerthe in knapper und über-
sichtlicher Form bietet. Besonders dankenswerth sind die Ver-
zeichnisse sämmtlicher Reichsbankanstalten, der Rechlsanwättc im
Deutschen Reichender deutschen Konsulate und Reichspostanstalten.
Eine werthvolle Beilage bildet die neue Eisenbahnkaite von
Deutschland mit einem Netz, nach welchem die Ortszeiten für
jeden Ort leicht zu berechnen find.