Erscheint täglich.
Sonntags ausgenommen.
Preis
mit Familienblättern
monatlich 50 Pf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
Vierteljahr!. 1.25 Mk.
ausschließlich Zustellgebühr.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82.
JnsertionSgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat«
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82
Xr. 165.
Dinnerstag, den 18. Juli
ISO«.
Aus dem Briefe des Pekinger Professors
v. Broe«.
Wir haben aus dem vom 31. Mai datirten Briefe
des deutschen Professors v. Broen in Peking
gestern schon das Wesentlichste mitgetheilt. Heute wollen
wir einige Thcile aus seinem charakteristischen Bericht im
Wortlaut wiedergeben:
Meine Ihnen vor etwa zwei Monaten ausgesprochenen Be-
fürchtungen haben sich nur allzu schnell und in weitestgehender Weise
verwirklicht. Was ich Ihnen damals schrieb, war aber selbst
noch vor 3 Tagen den leitenden Kreisen nicht klar, noch
am Sonnabend (26. Mai) hatte man nur ein überlegenes
Lächeln für meine mündlichen Vorstellungen. Hiervon ein
anderes Mal, falls überhaupt noch möglich.
Am Samstag (26. Mai) erklärten mir meine Diener, daß
alle Europäer und Christen, welche innerhalb der nächsten zwei
Tage die Stadt nicht verlassen hätten, getödtet werden würden.
Am Haupteingangsthor Pekings (Ch'ien men) prangte ein rothes
Plakat, welches dieses allgemeine Blutbad bereits für die nächste
Nacht (Samstag—Sonntag, 26. bis 27. Mat) ankündigte. Mein
Reitknecht thetlte mir ferner mit, daß die Soldaten des in mei-
ner nächsten Nachbarschaft wohnenden Generals (Tung Fu-
Hsiang, berüchtigt wegen seines Fremdenhasses, den er vor zwei
Jahren durch Vertreibung der Eisenbahn-Ingenieure bei Pad-
ting-fu bethätigte; seitdem ist sein Einfluß bei der Kaiserin noch
mehr gestiegen), sowie die „Boxer", welche in dem direkt an das
Haus des Generals anstoßenden Tempel ihre Schandpläne
schmiedeten und mich schon seit längerer Zeit, ebenso wie die
Soldaten, durch ihre Drohungen belästigten, mich angreifen
würden, falls ich noch einmal bei ihnen vorbeireiten würde.
Noch einmal ritt ich an den wuthschnaubenden Boxern und
Soldaten langsam vorüber, packte dann die nothwendigsten
Sachen in drei Kisten und begab mich in das einzige hier be-
findliche, mitten zwischen den Gesandtschaften liegende Hotel eines
Franzosen, wo ich wenigstens sicher war, mit der Waffe in der
Hand sterben zu können, während ich in meiner völlig abgelege-
nen Wohnung bei Nacht wie ein Hund todtgeschlagen worden
wäre. Kaum im Hotel abgestiegen, tnformirte mich der Besitzer,
daß im Falle eines Angriffs der Chinesen die Eingänge so lange
vertheidigt werden sollten, bis sich die Damen und Kinder durch
eine in di- Mauer geschlagene Oeffnung in die anstoßende fran-
zösische Gesandtschaft gerettet hätten. Dort sollte speziell ein
Pavillon vertheidigt werden, — Frauen und Kinder drinnen,
Männer außerhalb.
Ich fragte bet der deutschen Gesandtschaft an, ob
dieser Plan bekannt und genehm sei. Man antwortete mir:
„Mir ist von einem solchen Plan nichts bekannt.
Ich persönlich glaube auch jetzt noch nicht an
irgend welche Gefahr."
Bis Montag, 28. Mai, außer beunruhigenden Gerüchten
nichts von besonderer Bedeutung. Man bereitete sich für alle
Fälle vor. schaffte Waffen und Munition herbei und wachte des
Nachts mit Ablösungen. Montag (28. Mai) Vormittags kam
die Nachricht, daß Eisenbahn, Telegraph und einige Gebäude bei
Luk'onchiao (30 Minuten per Bahn von Peking, Zweigstrecke
Pao-ting-fu, chinesische Bahn unter französischer Leitung) zerstört
worden und zwei Europäer verwundet seien. Mittags traf der
eine Verwundete, ein Herr Lafrance, Vetter des hiesigen franzö-
sischen Ministers, hier ein (am Hinterkopf stark blutend) und gab
an, daß er von „Boxern" überfallen worden sei. Gleichzeitig
kam ein anderer französischer Ingenieur hier an, der Peking am
Morgen verlassen hatte, um zu seiner in Chang hsin tten (dicht
bei Luk'on chiao) mit dem andern französischen Bahnbaupersonal
Zusammen wohnenden Frau zurückzufahren. Er hatte umkehcen
wüsten, weil er die Strecke unterbrochen fand.
Die Gesandten hatten am 28. Mai nochmals eine Konferenz,
in der sie sich endlich einstimmig für schleunige Berufung von
Detachements entschieden.
Heute Abend 8 Uhr trafen die französischen, amerikanischen,
italienischen und japanischen Detachements (zusammen etwa 800
Mann mit zwei Kanonen) hier ein. Die Engländer liegen noch
auf der Bahnstation Machia p'u.
Peking, 1. Juni.
Hätte heute gern mehr geschrieben, doch schwirren derartige
beunruhigende Gerüchte, daß man immer auf Posten sein muß.
Außer Deutschen nnd Oesterreichern, deren Ankunft unbe-
stimmt, sind jetzt alle Detachements hier.
Bis auf weiteres leben Sie wohl!
H. von Broen.
Die Irre von Sankt Rochus.
Kriminalroman von Gustav Höcker.
4M (Fortsetzung,)
Schweigend machten sich beide auf den Weg. Der Müller
ffsß die Lampe brennen, damit man das gewohnte Licht in
'wnen Fenstern schimmern sehe.
Wortlos schritten sie dicht am Ufer des mächtig rauschenden
Stromes hin. Von Zeit zu Zeit blieb der Müller stehen und
wuschte und spähete in die tiefe Dunkelheit hinein, um sich
überzeugen, daß kein anderer Wanderer auf dem wenig be-
tretenen Wege war.
«. Nach zehn Minuten befanden sie sich in unmittebarer
A"he des Fährhauses. An der Außenseite desselben war
niffe Bank angebracht und auf dieser saßen zwei Gestalten.
Tante drückte krampfhaft den Arm ihres Neffen.
, »Er ist schon da," flüsterte sie. „Er ist uns zuvorge-
*°wmen."
»Wer weiß, „ob er's ist, cs kann auch jemand aus dem
AM sein, der sich zu Wippach auf die Bank gesetzt hat. Das
"re ein verdammt unwillkommener Gast!"
di «Nein, nein, es ist Allram, verlaß Dich darauf," zischelte
w Tante. Trotz der Dunkelheit unterschied sie den hell-
id^"kn Ueberzieher und den ebenso Hellen Hut, in welchem
A- Detektiv bei ihrem ersten Besuche so unerwartet aus
fl? seiner Wohnung enlgegengetreten war, und woran
Ws 'hu noch lange unterscheiden konnte, als sie ihm später im
"aßengewühle nochgeblickt hatte,
do Der Müller trat nahe an die Beiden heran und lüftete
e dem Herrn in der hellgrauen Kleidung dis Mütze.
«öre, Fred," wandte er sich mit lauter Stimme
ben Fährmann, „Du mußt uns und diesen Herrn
?ii
st .^ersetzen. Am Lindenhofgarten legst Du an, ver-
Die Vorgänge in China.
Wenn neuerdings von chinesischer Seite — dem Tele-
graphendirektor Sheng— berichtet worden ist, die Gesandten
in Peking seien am 9. (5.) d. noch am Leben gewesen, so
glaubt man in Europa, dies sei eine Lüge, um die Ver-
bündeten von der völligen Einnahme Tientsins abzuhalten.
An jene günstige Meldung wurde bekanntlich die Bitte ge-
knüpft, die Mächte möchten in Tientsin nicht weiter Vor-
gehen, weil das die Lage in Peking verschlimmern würde.
Sodann mag man durch die Lüge die Abreise von Li-
Hung-Tschang nach Peking habe erleichtern wollen.
Li-Hung-Tschang hatte vor seiner Abreise aus Kanton
eine Unterredung mit den dortigen Konsuln. Die Konsuln
suchten ihn auf, es gelang ihnen aber nicht, ihn von der
Reise nach Norden abzuhalten. Li-Hung-Tschang sicherte
den Konsuln Ruhe im Süden von China zu und
erklärte, er habe nach Peking mitgetheilt, daß England
und Frankreich die Häupter der chinesischen
Regierung für das Leben ihrer Gesandten und
Staatsangehörigen in Peking persönlich haftbar
machen. Er sei der Einzige gewesen, der es wagen
konnte, der Regierung von Peking seine Mißbilligung
über ihr Verhalten auszusprechen. Falls die Gesandt-
schaften gerettet würden, sei von England, Frankreich und
den Vereinigten Staaten weiteres Entgegenkommen zuge-
sichert worden.
Nach einem Bericht des Daily Telegraph, der wohl
aus dem englischen Konsulat stammt, erklärte Li-Hung-
Tschang, seine Reise habe doppelten Zweck, das Leben der
Pekinger Gesandten zu retten und bestmöglichen Frieden
mit den verbündeten Mächten zustande zu bringen. Der
amerikanische und der französische Konsul erinnerten ihn
an sein Gelöbniß, das Leben der Ausländer in seinen
Provinzen zu schützen und den Frieden in Mittel-und Süd-
china zu erhalten; da entgegnete Li-Hung-Tschang, ein
kaiserlicher Erlaß, dem er nicht Gehorsam versagen dürfe,
erheische seine Gegenwart in Peking. Er habe alle Vor-
kehrungen gegen eine Erhebung getroffen und den ihm
bestellten zeitweiligen Nachfolger als Gouverneur von
Kwangtung angewiesen, nach seiner Richtschnur zu handeln,
und ihn dafür persönlich verantwortlich gemacht. Auf
Anfrage des amerikanischen Konsuls nach genaueren
Nachrichten von Peking, erklärte Li, er habe seit
acht Tagen keine neueren Mittheilungen. Die früheren
Nachrichten hätten versichert, die Ausländer seien gerettet.
Falls sie lebte», sei eine befriedigende Verständigung mit
den Mächten sicher, falls sie todt seien, fügte er mit
einem Achselzucken und gedämpfter Stimme hinzu, sei es
schwer zu sagen, was geschehen werde. Er selbst gehe nach
Peking, nur von 200 Mann Leibwache begleitet, sozusagen
waffenlos, woraus die Welt seine friedlichen Absichten erkennen
könne. Schließlich fragte der Vicekönig, ob die Konsuln
glaubten, daß die Mächte im Falle des Todes der Ge-
sandten ihm auf der Reise das Leben nehmen
würden, was allgemein verneint wurde. Dann ersuchte
er die Konsuln, an die Admiräle um freies Geleit für
seine Flagge zu telegraphiren. Li kam nochmals auf die
Gesandten zurück und erklärte, das Herz sei ihm schwer
um sie, weil er mit allen bekannt und befreundet gewesen
sei. Dann erbat er die Mitwirkung der Mächte bei seiner
Sendung und erklärte, von ihrer Unterstützung werde die
Möglichkeit des Erfolgs abhängen.
Weiter erklärte Li noch: Die Gouverneue von 11
Provinzen hätten dem Damen eine gemeinsame Denkschrift
überreicht, in der die Berücksichtigung folgender 5 Punkte
empfohlen wird: 1) Schutz der fremden Kaufleute und
Missionare im ganzen Reich. 2) Rettung der noch über-
lebenden Gesandten, da dann noch Verhandlungen möglich
seien. 3) Ein Entschuldigungsschreiben der Regierung an
den deutschen Kaiser wegen Ermordung des Gesandten
von Ketteler, sowie Zusicherungen für die öffentliche Ord-
nung. 4) Vollen Schadenersatz für alle Verluste an frem-
dem Leben und Eigenthum. 5) Anweisungen an die Mi-
litärbehörden und Civilbeamten in der Provinz Tschili, die
Räuber und Marodeure zu bestrafen.
Das klingt Alles sehr schön und gut, aber es fragt
sich, wie weit man dem berühmten Li-Hung-Tschang
trauen darf.
Die letzte direkte Nachricht aus Peking ist vom
29. Juni. Der japanische Gesandte dortselbst schrieb unter
diesem Datum, daß chinesische Soldaten die Gesandt-
schaften Tag und Nacht b o mb ard irten, daß bei den
Belagerten Mangel an Munition eintrat und daß ihr
Untergang bevorstehe, wenn die stündlich erwarteten Ent-
satztruppen ausbliebcn. Der Bote erzählte, zu Vieser Zeit
seien in der englischen Gesandtschaft 4 Tobte und 13 Ver«
wundete gewesen. Die Schutzwachen hätten 16 Tobte und
17 Verwundete gehabt. — Es ist anzunehmen, daß die Ein-
geschlossenen auch später versucht haben werden, Boten zu
gewinnen, die Nachrichten an die Küste brächten. Deshalb
ist es möglich, daß man doch noch kurze Mittheilungen
aus der Zeit nach dem 29. Juni erhält.
Bedenklich ist, daß die gegen die Fremden gerichtete
Bewegungstch nun auch immi ttle ren und im südlichen
Theile Chinas bemerklich zu machen beginnt. Daily Mail
meldet aus Shanghai vom 17. ds.: Es gelangten Nach-
richten hierher, daß am 9. in Tayuan, der Hauptstadt der
Schamis, 40 Ausländer und 100 christliche Chinesen
niedergemacht wurden. Die fremdenfeindliche Bewegung
verbreitet sich schnell in Mittel- und Südchina. — Eine
andere Meldung aus Shanhai lautet: Die chinesische
Flotte ist im Chinesischen Meer konzentrirt, wo Feind-
seligkeiten erwartet werden. Eine Nachricht aus Nanking
besagt, infolge der Befehle des Prinzen Tuan herrscht
große militärische Bewegung wegen des Erscheinens der
Japaner auf chinesischem Boden. Der Vizekönig von
Nanking wies die fremden Konsuln an, daß er für die
Ereignisse in Ningpo und Tschutschan die Verantwortung
nicht übernehmen könne. Die Ausländer eilten nach Shang-
hai, wo wenig Truppen seien. Die Lage sei beunruhigend.
Aus Ningpo, wo die Häuser der Ausländer in Brand ge-
steckt und die Missionare mißhandelt wurden, seien viele
Ausländer angekommen. Die aufständische Bewegung be-
mächtige sich Südchinas. Die Fremden in Tschuanschu
wurden angegriffen; es herrsche große Panik.
Noch überraschender als die Ausbreitung der fremden-
feindlichen Bewegung nach Süden ist die Thatsache, daß
sie sich an der sibirischen Grenze für die Russen unangenehm
bemerkbar macht, haben doch chinesische Truppen die
russische Stadt Blagoweschtschensk am Amur, das Militär-
centrum des Amurgebiets, beschossen. In London kann
man eine gewisse Schadenfreude über diese Thatsache nicht
verhehlen. Plan erinnert dort spöttisch daran, daß Ruß-
land so lange die Auffassung verfochten habe, andere
Mächte seien für den chinesischen Fremdenhaß verantwortlich,
Rußland allein werde in China freundlich angesehen. Jetzt
sehe man die Freundlichkeit der Chinesen gegenüber den
Russen I
Eine Meldung aus Tschifu erzählt: Prinz Tuan
mobilisirte bis jetzt 950000 (?) Mann, welche in
mehrere Korps getheilt sind. Das nördliche Korps hat
Befehl erhalten, die Fremden vom Amur zu vertreiben;
Der Angeredete erhob sich von der Bank.
Aber was war dos? Er erfaßte seinen Nachbar am
Arme, zog ihn unsanft empor, und an seiner Seite schwankte
der Detektiv wie ein dünnes Rohr im Winde. Er hatte
offenbar keine Gewalt über seine Glieder, bald schoß er
vorwärts, den Oberkörper vorgebcugt, mit der Hand fast den
Boden berührend; bald bog er sich nach hinten und taumelte
rückwärts, während der Kopf mit dem Hellen, tief in der
Stirn sitzenden Hute sich willenlos hin- und herbewegte.
Wenn der Fährmann, der ihn führte, ihn nicht kräftig am
Arm gehalten hätte, wäre er auf dem kurzen Wege zum
Fährboote ein halbes Dutzend mal zu Boden gefallen.
„Was ist mit diesem Herrn?" flüsterte der Sägemüller
dem Fäbrmanne zu.
„Ooääamul besoffen ist er," kicherte dieser.
„Bst!" gebot die Tante und zupfte den Fährmann warnend
an der Jacke. Dann wandte sie sich an ihren Neffen mit
den leisen Worten: „Ich traue ihm nicht. Heinrich. Es ist
zu auffallend bei diesem Manne. Ich fürchte, er verstellt
sich aus irgend einem Grunde-
Nun der Detektiv hier war, wo sie ihn haben wollte,
fürchtete sie sich plötzlich vor ihm.
„Das ist keine Verstellung," flüsterte Heinrich. »Er bat
Rum getrunken. Ich rieche es bis hierher. Desto besser,
dann wird es leichtere Arbeit geben."
Mehr getragen als geführt, wurde der schwer Betrunkene
vom Fährmann in das Boot gebracht und dort auf die an
der Seite hinlaufende Bank gedrückt, wo er, ohne sich zu
regen, wie ein Holzklotz sitzen blieb, den Kopf haltlos hinten-
über nach der Wasserfläche herabhängen lassend.
„Nur rasch vorwärts!" gebot der Müller, nachdem er
mit seiner Begleiterin ebenfalls ins Boot gestiegen war.
„Donnerwetter, Fred! Du scheinst selbst zu tief ins Glas
geguckt zu haben."
Der Ausruf galt dem Ungeschick, mit welchem Fred das
Segel aufzog und dann auch noch unrichtig stellte, sodaß das
Boot dicht am Lande binglitt. >
Der Müller stellte daS Segel selbst und gab ihm die
Richtung nach dem jenseitigen Ufer, worauf er dem Detektiv
gegenüber aus der anderen Seitenbank sich niederließ.
Unter dem sanften Drucke des Nachtwindes bewegte sich
das Boot langsam vorwärts. Als es ungefähr die Mitte des
Stromes erreicht hatte, sprang der Müller Plötzlich auf, faßte
den Detektiv bei den Füßen und stürzte ihn über den Rand
des niederen Fahrzeugs, welches sich stark auf die Seite
neigte, in den Strom. Hoch spritzten die Wasser empor; auf
ihren mächtig schaukelnden Wellen tauchte der dunkle Körper
noch ein paarmal empor» — dann war nichts mehr zu sehen.
Erst nach mehreren Tagen wurde weit von hier der Leich-
nam des Ertrunkenen aus dem Flusse gezogen.
(Fortsetzung folgt.)
Kleine Zeitung.
— Hochschulnachrichteu. Stuttgart, 18. Juli. Staats-
rath Dr. Mandry, Professor an der Universität Tübingen,
wurde auf sein Ansuchen in den Rupestand Versetzt.
— Gutenbergausstellung in Mainz. Die Gutenbergaus-
stellung im kurfürstlichen Schlosse in Mainz ist jetzt bereits
über drei Wochen geöffnet und hat an Anziehung durchaus
noch nicht verloren. Der außerordentliche Zuspruch aus
allen Kreisen und aus weiter Ferne ist durch das in der
Ausstellung Gebotene erklärlich. Die einzig in ihrer Art da-
stehende Ausstellung wird nur noch bis nächsten Sonntag,
den 22. Juli einschließlich dauern. Sie ist täglich von 10
bis 6 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet.
— Berlin, 18. Juli. Die Tägliche Rundschau gtng,
wie die Nordd. Allg. Ztg. hört, für 800 000 Mk. in den
Besitz desBibliographischenJnstitutsinLeiPzig
über-
— llesteraes (Schweden), 18. Juli. Der zum Lode ver-
urtheilte Massenmörder Nordlund verwundete
heute früh zwei Wärter durch Hiebe mit einem Haken auf
die Köpfe. Ein dritter Wärter feuerte drei Revolverschüsse
Sonntags ausgenommen.
Preis
mit Familienblättern
monatlich 50 Pf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
Vierteljahr!. 1.25 Mk.
ausschließlich Zustellgebühr.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82.
JnsertionSgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat«
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82
Xr. 165.
Dinnerstag, den 18. Juli
ISO«.
Aus dem Briefe des Pekinger Professors
v. Broe«.
Wir haben aus dem vom 31. Mai datirten Briefe
des deutschen Professors v. Broen in Peking
gestern schon das Wesentlichste mitgetheilt. Heute wollen
wir einige Thcile aus seinem charakteristischen Bericht im
Wortlaut wiedergeben:
Meine Ihnen vor etwa zwei Monaten ausgesprochenen Be-
fürchtungen haben sich nur allzu schnell und in weitestgehender Weise
verwirklicht. Was ich Ihnen damals schrieb, war aber selbst
noch vor 3 Tagen den leitenden Kreisen nicht klar, noch
am Sonnabend (26. Mai) hatte man nur ein überlegenes
Lächeln für meine mündlichen Vorstellungen. Hiervon ein
anderes Mal, falls überhaupt noch möglich.
Am Samstag (26. Mai) erklärten mir meine Diener, daß
alle Europäer und Christen, welche innerhalb der nächsten zwei
Tage die Stadt nicht verlassen hätten, getödtet werden würden.
Am Haupteingangsthor Pekings (Ch'ien men) prangte ein rothes
Plakat, welches dieses allgemeine Blutbad bereits für die nächste
Nacht (Samstag—Sonntag, 26. bis 27. Mat) ankündigte. Mein
Reitknecht thetlte mir ferner mit, daß die Soldaten des in mei-
ner nächsten Nachbarschaft wohnenden Generals (Tung Fu-
Hsiang, berüchtigt wegen seines Fremdenhasses, den er vor zwei
Jahren durch Vertreibung der Eisenbahn-Ingenieure bei Pad-
ting-fu bethätigte; seitdem ist sein Einfluß bei der Kaiserin noch
mehr gestiegen), sowie die „Boxer", welche in dem direkt an das
Haus des Generals anstoßenden Tempel ihre Schandpläne
schmiedeten und mich schon seit längerer Zeit, ebenso wie die
Soldaten, durch ihre Drohungen belästigten, mich angreifen
würden, falls ich noch einmal bei ihnen vorbeireiten würde.
Noch einmal ritt ich an den wuthschnaubenden Boxern und
Soldaten langsam vorüber, packte dann die nothwendigsten
Sachen in drei Kisten und begab mich in das einzige hier be-
findliche, mitten zwischen den Gesandtschaften liegende Hotel eines
Franzosen, wo ich wenigstens sicher war, mit der Waffe in der
Hand sterben zu können, während ich in meiner völlig abgelege-
nen Wohnung bei Nacht wie ein Hund todtgeschlagen worden
wäre. Kaum im Hotel abgestiegen, tnformirte mich der Besitzer,
daß im Falle eines Angriffs der Chinesen die Eingänge so lange
vertheidigt werden sollten, bis sich die Damen und Kinder durch
eine in di- Mauer geschlagene Oeffnung in die anstoßende fran-
zösische Gesandtschaft gerettet hätten. Dort sollte speziell ein
Pavillon vertheidigt werden, — Frauen und Kinder drinnen,
Männer außerhalb.
Ich fragte bet der deutschen Gesandtschaft an, ob
dieser Plan bekannt und genehm sei. Man antwortete mir:
„Mir ist von einem solchen Plan nichts bekannt.
Ich persönlich glaube auch jetzt noch nicht an
irgend welche Gefahr."
Bis Montag, 28. Mai, außer beunruhigenden Gerüchten
nichts von besonderer Bedeutung. Man bereitete sich für alle
Fälle vor. schaffte Waffen und Munition herbei und wachte des
Nachts mit Ablösungen. Montag (28. Mai) Vormittags kam
die Nachricht, daß Eisenbahn, Telegraph und einige Gebäude bei
Luk'onchiao (30 Minuten per Bahn von Peking, Zweigstrecke
Pao-ting-fu, chinesische Bahn unter französischer Leitung) zerstört
worden und zwei Europäer verwundet seien. Mittags traf der
eine Verwundete, ein Herr Lafrance, Vetter des hiesigen franzö-
sischen Ministers, hier ein (am Hinterkopf stark blutend) und gab
an, daß er von „Boxern" überfallen worden sei. Gleichzeitig
kam ein anderer französischer Ingenieur hier an, der Peking am
Morgen verlassen hatte, um zu seiner in Chang hsin tten (dicht
bei Luk'on chiao) mit dem andern französischen Bahnbaupersonal
Zusammen wohnenden Frau zurückzufahren. Er hatte umkehcen
wüsten, weil er die Strecke unterbrochen fand.
Die Gesandten hatten am 28. Mai nochmals eine Konferenz,
in der sie sich endlich einstimmig für schleunige Berufung von
Detachements entschieden.
Heute Abend 8 Uhr trafen die französischen, amerikanischen,
italienischen und japanischen Detachements (zusammen etwa 800
Mann mit zwei Kanonen) hier ein. Die Engländer liegen noch
auf der Bahnstation Machia p'u.
Peking, 1. Juni.
Hätte heute gern mehr geschrieben, doch schwirren derartige
beunruhigende Gerüchte, daß man immer auf Posten sein muß.
Außer Deutschen nnd Oesterreichern, deren Ankunft unbe-
stimmt, sind jetzt alle Detachements hier.
Bis auf weiteres leben Sie wohl!
H. von Broen.
Die Irre von Sankt Rochus.
Kriminalroman von Gustav Höcker.
4M (Fortsetzung,)
Schweigend machten sich beide auf den Weg. Der Müller
ffsß die Lampe brennen, damit man das gewohnte Licht in
'wnen Fenstern schimmern sehe.
Wortlos schritten sie dicht am Ufer des mächtig rauschenden
Stromes hin. Von Zeit zu Zeit blieb der Müller stehen und
wuschte und spähete in die tiefe Dunkelheit hinein, um sich
überzeugen, daß kein anderer Wanderer auf dem wenig be-
tretenen Wege war.
«. Nach zehn Minuten befanden sie sich in unmittebarer
A"he des Fährhauses. An der Außenseite desselben war
niffe Bank angebracht und auf dieser saßen zwei Gestalten.
Tante drückte krampfhaft den Arm ihres Neffen.
, »Er ist schon da," flüsterte sie. „Er ist uns zuvorge-
*°wmen."
»Wer weiß, „ob er's ist, cs kann auch jemand aus dem
AM sein, der sich zu Wippach auf die Bank gesetzt hat. Das
"re ein verdammt unwillkommener Gast!"
di «Nein, nein, es ist Allram, verlaß Dich darauf," zischelte
w Tante. Trotz der Dunkelheit unterschied sie den hell-
id^"kn Ueberzieher und den ebenso Hellen Hut, in welchem
A- Detektiv bei ihrem ersten Besuche so unerwartet aus
fl? seiner Wohnung enlgegengetreten war, und woran
Ws 'hu noch lange unterscheiden konnte, als sie ihm später im
"aßengewühle nochgeblickt hatte,
do Der Müller trat nahe an die Beiden heran und lüftete
e dem Herrn in der hellgrauen Kleidung dis Mütze.
«öre, Fred," wandte er sich mit lauter Stimme
ben Fährmann, „Du mußt uns und diesen Herrn
?ii
st .^ersetzen. Am Lindenhofgarten legst Du an, ver-
Die Vorgänge in China.
Wenn neuerdings von chinesischer Seite — dem Tele-
graphendirektor Sheng— berichtet worden ist, die Gesandten
in Peking seien am 9. (5.) d. noch am Leben gewesen, so
glaubt man in Europa, dies sei eine Lüge, um die Ver-
bündeten von der völligen Einnahme Tientsins abzuhalten.
An jene günstige Meldung wurde bekanntlich die Bitte ge-
knüpft, die Mächte möchten in Tientsin nicht weiter Vor-
gehen, weil das die Lage in Peking verschlimmern würde.
Sodann mag man durch die Lüge die Abreise von Li-
Hung-Tschang nach Peking habe erleichtern wollen.
Li-Hung-Tschang hatte vor seiner Abreise aus Kanton
eine Unterredung mit den dortigen Konsuln. Die Konsuln
suchten ihn auf, es gelang ihnen aber nicht, ihn von der
Reise nach Norden abzuhalten. Li-Hung-Tschang sicherte
den Konsuln Ruhe im Süden von China zu und
erklärte, er habe nach Peking mitgetheilt, daß England
und Frankreich die Häupter der chinesischen
Regierung für das Leben ihrer Gesandten und
Staatsangehörigen in Peking persönlich haftbar
machen. Er sei der Einzige gewesen, der es wagen
konnte, der Regierung von Peking seine Mißbilligung
über ihr Verhalten auszusprechen. Falls die Gesandt-
schaften gerettet würden, sei von England, Frankreich und
den Vereinigten Staaten weiteres Entgegenkommen zuge-
sichert worden.
Nach einem Bericht des Daily Telegraph, der wohl
aus dem englischen Konsulat stammt, erklärte Li-Hung-
Tschang, seine Reise habe doppelten Zweck, das Leben der
Pekinger Gesandten zu retten und bestmöglichen Frieden
mit den verbündeten Mächten zustande zu bringen. Der
amerikanische und der französische Konsul erinnerten ihn
an sein Gelöbniß, das Leben der Ausländer in seinen
Provinzen zu schützen und den Frieden in Mittel-und Süd-
china zu erhalten; da entgegnete Li-Hung-Tschang, ein
kaiserlicher Erlaß, dem er nicht Gehorsam versagen dürfe,
erheische seine Gegenwart in Peking. Er habe alle Vor-
kehrungen gegen eine Erhebung getroffen und den ihm
bestellten zeitweiligen Nachfolger als Gouverneur von
Kwangtung angewiesen, nach seiner Richtschnur zu handeln,
und ihn dafür persönlich verantwortlich gemacht. Auf
Anfrage des amerikanischen Konsuls nach genaueren
Nachrichten von Peking, erklärte Li, er habe seit
acht Tagen keine neueren Mittheilungen. Die früheren
Nachrichten hätten versichert, die Ausländer seien gerettet.
Falls sie lebte», sei eine befriedigende Verständigung mit
den Mächten sicher, falls sie todt seien, fügte er mit
einem Achselzucken und gedämpfter Stimme hinzu, sei es
schwer zu sagen, was geschehen werde. Er selbst gehe nach
Peking, nur von 200 Mann Leibwache begleitet, sozusagen
waffenlos, woraus die Welt seine friedlichen Absichten erkennen
könne. Schließlich fragte der Vicekönig, ob die Konsuln
glaubten, daß die Mächte im Falle des Todes der Ge-
sandten ihm auf der Reise das Leben nehmen
würden, was allgemein verneint wurde. Dann ersuchte
er die Konsuln, an die Admiräle um freies Geleit für
seine Flagge zu telegraphiren. Li kam nochmals auf die
Gesandten zurück und erklärte, das Herz sei ihm schwer
um sie, weil er mit allen bekannt und befreundet gewesen
sei. Dann erbat er die Mitwirkung der Mächte bei seiner
Sendung und erklärte, von ihrer Unterstützung werde die
Möglichkeit des Erfolgs abhängen.
Weiter erklärte Li noch: Die Gouverneue von 11
Provinzen hätten dem Damen eine gemeinsame Denkschrift
überreicht, in der die Berücksichtigung folgender 5 Punkte
empfohlen wird: 1) Schutz der fremden Kaufleute und
Missionare im ganzen Reich. 2) Rettung der noch über-
lebenden Gesandten, da dann noch Verhandlungen möglich
seien. 3) Ein Entschuldigungsschreiben der Regierung an
den deutschen Kaiser wegen Ermordung des Gesandten
von Ketteler, sowie Zusicherungen für die öffentliche Ord-
nung. 4) Vollen Schadenersatz für alle Verluste an frem-
dem Leben und Eigenthum. 5) Anweisungen an die Mi-
litärbehörden und Civilbeamten in der Provinz Tschili, die
Räuber und Marodeure zu bestrafen.
Das klingt Alles sehr schön und gut, aber es fragt
sich, wie weit man dem berühmten Li-Hung-Tschang
trauen darf.
Die letzte direkte Nachricht aus Peking ist vom
29. Juni. Der japanische Gesandte dortselbst schrieb unter
diesem Datum, daß chinesische Soldaten die Gesandt-
schaften Tag und Nacht b o mb ard irten, daß bei den
Belagerten Mangel an Munition eintrat und daß ihr
Untergang bevorstehe, wenn die stündlich erwarteten Ent-
satztruppen ausbliebcn. Der Bote erzählte, zu Vieser Zeit
seien in der englischen Gesandtschaft 4 Tobte und 13 Ver«
wundete gewesen. Die Schutzwachen hätten 16 Tobte und
17 Verwundete gehabt. — Es ist anzunehmen, daß die Ein-
geschlossenen auch später versucht haben werden, Boten zu
gewinnen, die Nachrichten an die Küste brächten. Deshalb
ist es möglich, daß man doch noch kurze Mittheilungen
aus der Zeit nach dem 29. Juni erhält.
Bedenklich ist, daß die gegen die Fremden gerichtete
Bewegungstch nun auch immi ttle ren und im südlichen
Theile Chinas bemerklich zu machen beginnt. Daily Mail
meldet aus Shanghai vom 17. ds.: Es gelangten Nach-
richten hierher, daß am 9. in Tayuan, der Hauptstadt der
Schamis, 40 Ausländer und 100 christliche Chinesen
niedergemacht wurden. Die fremdenfeindliche Bewegung
verbreitet sich schnell in Mittel- und Südchina. — Eine
andere Meldung aus Shanhai lautet: Die chinesische
Flotte ist im Chinesischen Meer konzentrirt, wo Feind-
seligkeiten erwartet werden. Eine Nachricht aus Nanking
besagt, infolge der Befehle des Prinzen Tuan herrscht
große militärische Bewegung wegen des Erscheinens der
Japaner auf chinesischem Boden. Der Vizekönig von
Nanking wies die fremden Konsuln an, daß er für die
Ereignisse in Ningpo und Tschutschan die Verantwortung
nicht übernehmen könne. Die Ausländer eilten nach Shang-
hai, wo wenig Truppen seien. Die Lage sei beunruhigend.
Aus Ningpo, wo die Häuser der Ausländer in Brand ge-
steckt und die Missionare mißhandelt wurden, seien viele
Ausländer angekommen. Die aufständische Bewegung be-
mächtige sich Südchinas. Die Fremden in Tschuanschu
wurden angegriffen; es herrsche große Panik.
Noch überraschender als die Ausbreitung der fremden-
feindlichen Bewegung nach Süden ist die Thatsache, daß
sie sich an der sibirischen Grenze für die Russen unangenehm
bemerkbar macht, haben doch chinesische Truppen die
russische Stadt Blagoweschtschensk am Amur, das Militär-
centrum des Amurgebiets, beschossen. In London kann
man eine gewisse Schadenfreude über diese Thatsache nicht
verhehlen. Plan erinnert dort spöttisch daran, daß Ruß-
land so lange die Auffassung verfochten habe, andere
Mächte seien für den chinesischen Fremdenhaß verantwortlich,
Rußland allein werde in China freundlich angesehen. Jetzt
sehe man die Freundlichkeit der Chinesen gegenüber den
Russen I
Eine Meldung aus Tschifu erzählt: Prinz Tuan
mobilisirte bis jetzt 950000 (?) Mann, welche in
mehrere Korps getheilt sind. Das nördliche Korps hat
Befehl erhalten, die Fremden vom Amur zu vertreiben;
Der Angeredete erhob sich von der Bank.
Aber was war dos? Er erfaßte seinen Nachbar am
Arme, zog ihn unsanft empor, und an seiner Seite schwankte
der Detektiv wie ein dünnes Rohr im Winde. Er hatte
offenbar keine Gewalt über seine Glieder, bald schoß er
vorwärts, den Oberkörper vorgebcugt, mit der Hand fast den
Boden berührend; bald bog er sich nach hinten und taumelte
rückwärts, während der Kopf mit dem Hellen, tief in der
Stirn sitzenden Hute sich willenlos hin- und herbewegte.
Wenn der Fährmann, der ihn führte, ihn nicht kräftig am
Arm gehalten hätte, wäre er auf dem kurzen Wege zum
Fährboote ein halbes Dutzend mal zu Boden gefallen.
„Was ist mit diesem Herrn?" flüsterte der Sägemüller
dem Fäbrmanne zu.
„Ooääamul besoffen ist er," kicherte dieser.
„Bst!" gebot die Tante und zupfte den Fährmann warnend
an der Jacke. Dann wandte sie sich an ihren Neffen mit
den leisen Worten: „Ich traue ihm nicht. Heinrich. Es ist
zu auffallend bei diesem Manne. Ich fürchte, er verstellt
sich aus irgend einem Grunde-
Nun der Detektiv hier war, wo sie ihn haben wollte,
fürchtete sie sich plötzlich vor ihm.
„Das ist keine Verstellung," flüsterte Heinrich. »Er bat
Rum getrunken. Ich rieche es bis hierher. Desto besser,
dann wird es leichtere Arbeit geben."
Mehr getragen als geführt, wurde der schwer Betrunkene
vom Fährmann in das Boot gebracht und dort auf die an
der Seite hinlaufende Bank gedrückt, wo er, ohne sich zu
regen, wie ein Holzklotz sitzen blieb, den Kopf haltlos hinten-
über nach der Wasserfläche herabhängen lassend.
„Nur rasch vorwärts!" gebot der Müller, nachdem er
mit seiner Begleiterin ebenfalls ins Boot gestiegen war.
„Donnerwetter, Fred! Du scheinst selbst zu tief ins Glas
geguckt zu haben."
Der Ausruf galt dem Ungeschick, mit welchem Fred das
Segel aufzog und dann auch noch unrichtig stellte, sodaß das
Boot dicht am Lande binglitt. >
Der Müller stellte daS Segel selbst und gab ihm die
Richtung nach dem jenseitigen Ufer, worauf er dem Detektiv
gegenüber aus der anderen Seitenbank sich niederließ.
Unter dem sanften Drucke des Nachtwindes bewegte sich
das Boot langsam vorwärts. Als es ungefähr die Mitte des
Stromes erreicht hatte, sprang der Müller Plötzlich auf, faßte
den Detektiv bei den Füßen und stürzte ihn über den Rand
des niederen Fahrzeugs, welches sich stark auf die Seite
neigte, in den Strom. Hoch spritzten die Wasser empor; auf
ihren mächtig schaukelnden Wellen tauchte der dunkle Körper
noch ein paarmal empor» — dann war nichts mehr zu sehen.
Erst nach mehreren Tagen wurde weit von hier der Leich-
nam des Ertrunkenen aus dem Flusse gezogen.
(Fortsetzung folgt.)
Kleine Zeitung.
— Hochschulnachrichteu. Stuttgart, 18. Juli. Staats-
rath Dr. Mandry, Professor an der Universität Tübingen,
wurde auf sein Ansuchen in den Rupestand Versetzt.
— Gutenbergausstellung in Mainz. Die Gutenbergaus-
stellung im kurfürstlichen Schlosse in Mainz ist jetzt bereits
über drei Wochen geöffnet und hat an Anziehung durchaus
noch nicht verloren. Der außerordentliche Zuspruch aus
allen Kreisen und aus weiter Ferne ist durch das in der
Ausstellung Gebotene erklärlich. Die einzig in ihrer Art da-
stehende Ausstellung wird nur noch bis nächsten Sonntag,
den 22. Juli einschließlich dauern. Sie ist täglich von 10
bis 6 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet.
— Berlin, 18. Juli. Die Tägliche Rundschau gtng,
wie die Nordd. Allg. Ztg. hört, für 800 000 Mk. in den
Besitz desBibliographischenJnstitutsinLeiPzig
über-
— llesteraes (Schweden), 18. Juli. Der zum Lode ver-
urtheilte Massenmörder Nordlund verwundete
heute früh zwei Wärter durch Hiebe mit einem Haken auf
die Köpfe. Ein dritter Wärter feuerte drei Revolverschüsse