^ Erscheint täglich,
sonntags ausgenommen.
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mit Familienblättern
. monatlich 50 Pf.
frei in's HauS gebracht.
Durch die Post bezogen
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Petitzeile oder deren Raums
Für hiesige Geschäfts- und
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der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulm.
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Xr. 182.
Monlliz, den 28. August
!90V
O
Die Einnahme Pekings.
^ Die Einnahme Pekings wird jetzt von verschiedenen
Seiten bestätigt. Die Nachrichten von Seiten der Ver-
bündeten sind fast alle auf die Japaner zurückzuführen.
Sie haben ihrem Admiral in Taku Nachricht gegeben
Das Telegramm des japanischen Generals Syamaguschi
'st datirt Peking, 15. August, früh und lautet: Am 14.
August griffen die Verbündeten Peking von der
Ostseite an, zuerst mit Artillerie. Die Wälle hielt der
Feind hartnäckig. Der Angriff erfolgte durch die Ja-
paner und Russen auf der Nordseite des Tongschow-Kanals,
durch die Engländer und Amerikaner auf der Südseite des
Kanals. Nachts sprengten die Japaner zwei
Thore auf der Ostseite der Tartarenstadt und drangen
ln dieselbe ein. Die Engländer und die Amerikaner drangen
durch das Tunpienthor in die Chinesenstadt. Sofort
lvurden die Detachements der beiden Truppenabtheilungen
^ach den Gesandtschaften dirigirt, wo sie zusammentrafen.
Der Verlust der Japaner beträgt über 100 Mann, da-
runter drei Offiziere; der chinesische Verlust beläuft sich
Uber 400 Tobte.
Die Verbündeten scheinen noch gerade zur rechten
äeit eingetroffcn zu sein, um von den in Peking
belagerten das Schlimmste abzuwenden, denn eine neuere,
uicht datirte Botschaft des amerikanischen Gesandten Conger,
d'e nach Ansicht seiner Regierung zwischen dem 5. und 11.
August aus Peking abgegangen ist, lautete: „Seit dem 23.
^uni vollständig belagert. Seit dem 17. Juli nur noch
Gewehrfeuer, aber täglich und häufig begleitet von
verzweifelten Angriffen. Einer noch in der letzten
^acht.« Das also war der „freundschaftliche Verkehr",
An die chinesische Regierung mit den Belagerten unterhal-
^u haben will!
. Die chinesische Diplomatie hatte noch bis zuletzt ver-
acht, durch Friedcnsanerbietungen den Marsch der Ver-
bündeten aufzuhalten, aber vergeblich. Ebenso vergeblich
Werden hoffentlich ihre Versuche sein, Uneinigkeit zwischen
An Mächten hervorzurufen, indem sie sich speziell bald an
eine, bald an die andere Macht wendet.
^ Nach einer Mittheilung der Times aus chinesischer
Quelle ist Li-Hung-Tschang von der kaiserlichen Regierung
fauftragt worden, durch den chinesischen Gesandten in
Aelerstmrg sich darüber zu unterrichten, ob Rußland
Ajuillt sei, China dabei behülflich zu sein, zu einer fried-
,Hen Regelung der Dinge zu gelangen, und ob Rußland
^A»er die Versicherung geben wolle, daß es nicht irgend
Theil der Mandschurei zu annektiren beabsichtige,
^.enn die Antwort günstig ausfalle, solle der Vicekönig
dw Unterhandlungen einleiten und gleichzeitig der
,/llitärgouverneur der Mandschurei angewiesen werden,
'E Feindseligkeiten einzustellen.
. Ferner wird der Times aus Shanghai vom 16. ds.
Meldet: Der chinesische Gesandte in Tokio telcgraphirte
h Li-Hung-Tschang, die japanische Regierung sei ge-
züt, sich fjjx die Kaiserin-Wittwe und den Kaiser zu ver-
sA'Aen; hoch sij sie entschlossen, die Flucht der vier be-
E^ders verantwortlichen Beamten Prinz Tuan, Kangyi,
Hutung und Tschaoschutschiao zu verhindern.
russische Consul in Shanghai stehe seit Kurzem mit
^'Hung-Tschang in lebhaftem Verkehr.
dfere Seebataillone ans dem Rothen Meere.
erste und das zweite deutsche Seebataillon haben
ihrer Chinafahrt im Rothen Meere unter großer Hitze
Uio eiden gehabt, Temperaturen von über 30 Gr. Reaumur
tzAen gang and gäbe. Einem Bericht von Bord des
^busvortdamvfers „Wittekind" entnehmen wir nach einem
Berliner Blatte Folgendes: Die Bäder und Douchen waren
den ganzen Tag über belagert, aber auch sie brachten nur
eine momentane und sehr geringe Erfrischung, denn das
Wasser hatte 22 Grad Wärme. Gegessen ward wenig,
desto mehr aber getrunken. An Eiswasser, Limonaden,
Kaffee, Thce und Bier wurden ganze Ströme verbraucht,
so allein an einem Tage 30 Füßchen leichtes Bier aus-
getrunken. Von irgend welcher Nachtruhe in den erhitzten,
schwülen Räumen unter Deck konnte überhaupt keine Rede
sein. Offiziere wie Mannschaften brachten die Nächte auf
Deck zu. Heiß, feuchtschwül, eng war es auch da, aber
immer noch viel besser als in den unter Deck gelegenen
Höllenkammern. Sehr unangenehm machte sich zu alledem
bei sämmtlichen Insassen das Auftreten eines stark jucken-
den Nesselausschlages bemerkbar, der den Namen „Rother
Bulldogg" erhielt. Auf der „Wittekind" kamen drei, auf
der „Frankfurt" zwei Hitzschläge vor, die fünf Mann er-
holten sich aber bald wieder... Im indischen Ocean
war es nicht besser. Unbarmherzig und viel stärker als
zu Anfang unserer Abreise schwang das Gespenst der See-
krankheit von Neuem seine widerliche Geißel. Aber der
Humor ist unseren braven Jungens noch keine Minute
ausgcgangen. Als jüngst die Hitze fürchterlich, in dem
Nerven und Magen erregenden Rollen des Schiffes eine
kleine Pause eingetreten war, kamen ein paar von der
Seekrankheit verschont gebliebene Leute auf den kuriosen
Einfall, „Der Plumpsack geht rum" zu spielen. Wenige
Minuten später war dies eigenthümliche „Abkühlungsspiel"
bereits im vollen Gange, denn auch verschiedene von den
Armen und Elenden, die eben noch in stiller Ergebung ihr
Haupt über den Bordrand geneigt, waren vom Spielteufel
erfaßt worden und machten mit, bis — nun bis bei ihnen,
nach einigen nicht zu sanften Plumpsackschlägen, wiederum
ein stilles Beiseitetreten und Neigen über Bord nothwendig
wurde. . .
Der Kaiser und Graf Waldersee.
Der Kaiser hat den Grafen Waldersee mit dem Stab
des Oberkommandos für China am 18. ds. im Schlosse
in Kassel empfangen. Dabei richtete der Kaiser an den
Generalfeldmarschall Grafen Waldersee und seinen Stab
folgende Worte:
„Ich begrüße Sie im Moment Ihrer Abfahrt aus
dem Vaterlande und grotulire Ihnen dazu, daß Sie
auserwählt worden sind, als Stab und unter Führung
und Leitung unseres bewährten Feldmarschalls,
des Grafen Waldersee, die Campagne in China mit-
machen zu können. Lieber Waldersee, ich spreche Ihnen
meinen Glückwunsch aus, daß ich Sie nochmals an
dem heutigen Tage als Führer der vereinigten
Truppen der zivilisirten Welt begrüßen darf.
Von hoher Bedeutung ist es, daß Ihre Ernennung zum
Ausgangspunkt hat die Anregung und den Wunsch
Seiner Majestät des Kaisers aller Reussen, des
mächtigen Herrschers, der weit bis in die astatischen
Lande hinein seine Macht fühlen läßt. Es zeigt dies
wiederum, wie eng verbunden die alten Waffen-
traditionen der beiden Kaiserreiche sind, und ich be-
grüße es mit Freuden, daß auf die Anregung Seiner
Majestät hin die gesummte gesittete Welt ohne Unter-
schied aus freiem Antrieb Euere Excellenz nunmehr
mit dem Kommando über ihre Truppen betraut. Wir
können als preußische Offiziere dankbar und mit Stolz
erfüllt sein ob der Aufgabe, die Ihnen zugefallen ist.
Denn es wird darin eine einheitliche .An-
erkennung für unser ganzes militärisches Leben
und Wirken ausgesprochen, sowie für das militärische
System und für die Ausbildung und Führerschaft unserer
Generale und Offiziere. Zum Zeichen Ihrer Würde
überreiche ich Ihnen an dem heutigen Tage den Feld-
marschallstab, indem ich hoffe, daß Sie ihn führen
werden mit der altgewohnten Frische, mit der Sicher-
heit, die Sie immer entwickelt haben in wichtigen
Augenblicken, und vor allen Dingen mit der Unter-
stützung der Vorsehung, ohne deren Hilfe selbst der beste
Soldat nichts zu leisten im Stande ist. Ich schließe
mit dem Wunsche, daß es Euerer Excellenz beschicken
sein möge, die Aufgaben, welcher Art sie auch sein
mögen, ob langwierig, ob schnell, ob blutig
oder nicht, so zu leisten, wie Sie es wünschen werden,
und wie wir es alle ohne Ausnahme wünschen, die wir
Ihnen unsere Truppen anvertraut haben. Im Interesse
unseres Volkes wünsche ich, daß unsere gemeinsame
Expedition eine feste Bürgschaft gegenseitiger
Anerkennung und gegenseitigen Friedens
für die europäischen Mächte werden möge, wie dies
Seine Majestät der Kaiser von Rußland im vorigen
Jahre auf anderem Gebiete versucht hat. Was uns im
Frieden nicht hat beschicken sein können, das ist nun
vielleicht mit den Waffen in der Hand zu erreichen."
Es ist sehr zu beachten, daß nach den Worten des
Kaisers der Zar die Berufung Waldersee's an-
geregt hat. Eine neulich laut gewordene offiziöse russische
Stimme stellte, wohl mit Rücksicht auf Frankreich, die
Sache so dar, als sei die Anregung von Kaiser Wilhelm
ausgegangen.
Auf die an ihn und seinen Stab gerichteten Worte des
Kaisers erwiderte Graf Waldersee:
Euer Majestät lege ich meinen innigsten Dank zu
Füßen für die überaus gnädigen, mich ebenso ehrenden
wie tief bewegenden Worte. Die Reihe von Jahren, die
ich die Ehre habe, unter Euer Majestät Befehl zu stehen,
sind gleichbedeutend mit einer Kette von Ehrungen und von
Auszeichnungen und Beweisen allerhöchsten Vertrauens.
Euer Majestät haben mich zu dem höchsten Range der
militärischen Hierarchie aufsteigen lassen. Es ist mir nur
Eins versagt geblieben, daß ich meinen Dank in Thaten
umsetze. Daß nunmehr Euer Majestät mir die Gelegenheit
gegeben haben, dies zu thun, beglückt mich in hohem
Maße. Euere Majestät haben diesen wichtigen Moment
benutzt, mir auch das äußere Zeichen meines Ranges zu
verleihen und dadurch die Bedeutung in hohem Maße ge-
steigert. Ich bitte Euere Majestät, die Versicherung
gnädigst anzunehmen, daß, so lange der Arm die Kraft
behalten wird, diesen Stab zu halten, ein Befehl zum
Rückzug über meine Lippen nicht kommen wird. Ich
bitte Euere Majestät zu glauben und ich darf das im
Namen des ausgezeichneten Stabes, den Euere Majestät
mir gegeben haben, aussprechen, daß alle Herren mit mir
einmüthig sind, unser Letztes daran zu setzen, Eurer Majestät
treu zu dienen und den letzten Blutstropfen einzusetzen für
Euere Majestät und Deutschlands Ehre.
Der Kaiser begleitete später den Grafen Waldersee
zum Bahnhof. Im Schlosse hatte er ihm einen Feldherrn-
stab überreicht und nahm dort von ihm herzlichen Abschied,
indem er ihn umarmte und küßte.
Der deutsche Kaiser der populärste Mann in
Frankreich.
Der deutschböhmische Reichsrathsabgeordnete Professor
Dr. August Fournier giebt in der N. Fr. Pr. seine
Pariser Ausstellungseindrücke wieder und schreibt darin
u. a.: So paradox es klingen mag: die populärste
Persönlichkeit ist heute in Frankreich Kaiser Wil-
Kalliope Mavros.
Erzählung von Adolf Flachs.
(Fortsetzung.)
ch HAnislaus, der sonst ihre Gedanken den ganzen Tag lang
>hr nahm, war nun in weiter Ferne — cs fehlte
Sigx ^.Gelegenheit, für sein körperliches Wohlbefinden durch
vbnxf,Mche zu sorgen, ihn mit mütterlicher Liebe zu be-
- Die Abwesenheit ihres Mannes machte sich unter
j Umständen für sie noch fühlbarer. Das ewige Lesen
. ^"n überdrüssig geworden. Intime Bekannt-
Asob sie nicht. In dieser Langenweile und Verein-
Mochte ihr der Zufall eine willkommene kleine Zer-
Ai : sie fand einmal unter dem Speisetisch einen offenen,
Mm, gerichteten Brief aus Konstantinopel. Frau
Mion hEe, obgleich sie von der Neugierde geplagt war,
!>e nie über die türkische Korrespondenz befragt, weil
Ulleu Mochte, daß sie von ihr doch keine Aufklärung er-
MipL.-Aerde. Und sie rechnete mit einer gewissen Be-
Äriink K darauf, daß sie früher oder später das Geheimniß
Ml werde. Die Gelegenheit war nun da. Der Brief
Mini" >sch ^schrieben, diese Sprache verstand Frau
kä? Wchh allein sie wußte sich zu helfen. Sie nahm
ii steun^Echen au sich, fuhr nach Galatz, stattete dort einer
U pn» ?en griechischen Familie einen Besuch ab und ließ
Dame des Hauses den Brief übersetzen . . .
ein Liebesbrief — Aristides Zappa theilt seinem
^ sich " Gngel mit, daß er alle Aussichten habe, ihn bald
M N>??omen zu können und dann wollen sie in Glück
^klde/'che miteinander leben, bis der Tod
sie in Glück
sie trennen
tAssch *M>ch?ger Aufregung fuhr Frau Jadwiga nach Braila
fi.AAs sollte sie nun von Kalliope halten? Und je
r darüber nachdachte, desto häßlicher erschien ihr der
Charakter der Griechin. Schließlich gelang sie zu der un-
umstößlichen Ueberzeugung, daß Kalliope eine Kokette war,
der es das höchste Vergnügen bereitete, mit Männerherzen
zu spielen. Nun glaubte Frau Jadwiga auch, daß sie mit
Vorbedacht und in ausgesuchter Schlauheit Stanislaus um-
garnt, wie sie dann Dr. Kärnthner bestrickt hatte» ohne auch
nur einen Funken von Sympathie für ihn zu empfinden;
und jetzt meinte sie auch ganz bestimmt zu wissen, was ihres
Mannes plötzlich erwachte lebhafte Sympathie für Kalliope
zu bedeuten hatte. Kalliope ist also eine Art weiblicher
Blaubart, der selbst über Land und Meer hinweg seine
Ränke spinnt, bis nach Konstantinopel. Das einzige
Mittel, dieser Person das Handwerk zu legen, ist, sie zu ent-
larven.
Als Kalliope am darauf folgenden Tage ausging, um
allerband Einkäufe zu besorgen, begab sich Frau Jadwiga in
das Veranda-Zimmer und untersuchte jeden Winkel. In der
Ecke einer unverschlossenen Schublade fand sie mehrere
griechische Briefe, die mit einem blauen Bändchen zusammen-
gebunden waren. Ohne zu überlegen, nahm Frau Jadwiga
die Briefe zu sich und fuhr rmt ihnen zu einer Wahr-
sagerin, die vor kurzem von Konstantinopel nach Braila ge-
kommen war. Die Wahrsagerin mußte ihr alle Briefe
übersetzen; sie enthielten Variationen über ein und dasselbe
Thema — Zappa's Liebe zu Kalliope. Frau Jadwiga bat
nun die ! Wahrsagerin, sofort eines dieser Schreiben zu
kopircn und unterstützte ihre Bitte mit einem Napoleond'or.
Eine Stunde später trat Frau Jadwiga wieder in ihrer
Wohnung ein-
„Ist Fräulein Kalliope schon zurück?" fragte sie hastig
eines der Mädchen.
«Noch nicht."
Frau Jadwiga's Herz, das lebhaft gepocht hatte, beruhigte
sich sofort; sie eilte in Kalliope's Zimmer und legte die
Briefe an ihre Stelle zurück. Am nächsten Vormittag unter-
nahm sie wieder die kurze Reise nach Galatz und gab dort
ein Couvert an Dr. Kärnthner auf, das nichts weiter als
die Abschrift des Briefes erhielt. Das Wetter war feucht
und kalt gewesen. Sie kam mit einem Schnupfen nach Hause,
legte sich zu Bette und ließ am darausfolgenden Tage Dr.
Kärnthner kämmen.
Der Arzt beruhigte die Kranke, es sei eben nichts weiter
als ein harmloser Schnupfen.
„Sie sind heute verstimmt, Herr Doktor," sagte sie dann,
ihn scharf beobachtend.
„Ja . . . eine unangenehme Nachricht aus Wien." er-
widerte er und erhob sich, um fortzugehen.
„Diese traurige Miene steht Ihnen nicht gut, Herr Doktor,"
fuhr Frau Jadwiga fort- „So werden Sie ihrer herrlichen
Kalliope nicht gefallen."
Kärnthner's Gesicht verzog sich ein wenig wie von
physischem Schmerze . . . und Frau Jadwiga, der das
nicht entging, wußte nun, daß er den Brief erhalten hatte.
„Ja wahrhaftig," fuhr Frau Jadwiga fort, „herrlich" ist
das richtige Wort für Kalliope! Von einem bestrickenden
Liebreiz, dem selten ein Mann zu widerstehen vermag. Sie
sehen ja . . ." Sie zählte an den Fingern ab . . . „mein
Stanislaus hat sich in sie verliebt, sie hat sich Ihr Herz er-
obert, selbst mein Mann schwärmt seit kurzem in verdäch-
tiger Weise für sie. Und wer mag wissen, wer sonst noch in
den Netzen dieser interessanten Griechin zappelt. . ."
Dr. Kärnthner waren diese Reden peinlich; er murmelte
ein kaum verständliches „gewiß ... ja. ja . . .",
empfahl sich und verließ das Zimmer, um Kalliope zu be-
suchen. Es war ein schwerer Gang für ihn. Drei, vier
Minuten Zeit brauchte er» um die wenigen Schritte durch
den Korridor bis zu ihrem Zimmer zurückzulegen. Oft blieb
er stehen, mit pochendem Herzen, mit glühendem Kopfe. Er
konnte nicht glauben, daß Kalliope ihn hinterging, daß sie
eine herzlose Kokette war, die ein übermüthiges Spiel mit ihm
und den anderen trieb.
_ (Fortsetzung folgt.)
sonntags ausgenommen.
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Xr. 182.
Monlliz, den 28. August
!90V
O
Die Einnahme Pekings.
^ Die Einnahme Pekings wird jetzt von verschiedenen
Seiten bestätigt. Die Nachrichten von Seiten der Ver-
bündeten sind fast alle auf die Japaner zurückzuführen.
Sie haben ihrem Admiral in Taku Nachricht gegeben
Das Telegramm des japanischen Generals Syamaguschi
'st datirt Peking, 15. August, früh und lautet: Am 14.
August griffen die Verbündeten Peking von der
Ostseite an, zuerst mit Artillerie. Die Wälle hielt der
Feind hartnäckig. Der Angriff erfolgte durch die Ja-
paner und Russen auf der Nordseite des Tongschow-Kanals,
durch die Engländer und Amerikaner auf der Südseite des
Kanals. Nachts sprengten die Japaner zwei
Thore auf der Ostseite der Tartarenstadt und drangen
ln dieselbe ein. Die Engländer und die Amerikaner drangen
durch das Tunpienthor in die Chinesenstadt. Sofort
lvurden die Detachements der beiden Truppenabtheilungen
^ach den Gesandtschaften dirigirt, wo sie zusammentrafen.
Der Verlust der Japaner beträgt über 100 Mann, da-
runter drei Offiziere; der chinesische Verlust beläuft sich
Uber 400 Tobte.
Die Verbündeten scheinen noch gerade zur rechten
äeit eingetroffcn zu sein, um von den in Peking
belagerten das Schlimmste abzuwenden, denn eine neuere,
uicht datirte Botschaft des amerikanischen Gesandten Conger,
d'e nach Ansicht seiner Regierung zwischen dem 5. und 11.
August aus Peking abgegangen ist, lautete: „Seit dem 23.
^uni vollständig belagert. Seit dem 17. Juli nur noch
Gewehrfeuer, aber täglich und häufig begleitet von
verzweifelten Angriffen. Einer noch in der letzten
^acht.« Das also war der „freundschaftliche Verkehr",
An die chinesische Regierung mit den Belagerten unterhal-
^u haben will!
. Die chinesische Diplomatie hatte noch bis zuletzt ver-
acht, durch Friedcnsanerbietungen den Marsch der Ver-
bündeten aufzuhalten, aber vergeblich. Ebenso vergeblich
Werden hoffentlich ihre Versuche sein, Uneinigkeit zwischen
An Mächten hervorzurufen, indem sie sich speziell bald an
eine, bald an die andere Macht wendet.
^ Nach einer Mittheilung der Times aus chinesischer
Quelle ist Li-Hung-Tschang von der kaiserlichen Regierung
fauftragt worden, durch den chinesischen Gesandten in
Aelerstmrg sich darüber zu unterrichten, ob Rußland
Ajuillt sei, China dabei behülflich zu sein, zu einer fried-
,Hen Regelung der Dinge zu gelangen, und ob Rußland
^A»er die Versicherung geben wolle, daß es nicht irgend
Theil der Mandschurei zu annektiren beabsichtige,
^.enn die Antwort günstig ausfalle, solle der Vicekönig
dw Unterhandlungen einleiten und gleichzeitig der
,/llitärgouverneur der Mandschurei angewiesen werden,
'E Feindseligkeiten einzustellen.
. Ferner wird der Times aus Shanghai vom 16. ds.
Meldet: Der chinesische Gesandte in Tokio telcgraphirte
h Li-Hung-Tschang, die japanische Regierung sei ge-
züt, sich fjjx die Kaiserin-Wittwe und den Kaiser zu ver-
sA'Aen; hoch sij sie entschlossen, die Flucht der vier be-
E^ders verantwortlichen Beamten Prinz Tuan, Kangyi,
Hutung und Tschaoschutschiao zu verhindern.
russische Consul in Shanghai stehe seit Kurzem mit
^'Hung-Tschang in lebhaftem Verkehr.
dfere Seebataillone ans dem Rothen Meere.
erste und das zweite deutsche Seebataillon haben
ihrer Chinafahrt im Rothen Meere unter großer Hitze
Uio eiden gehabt, Temperaturen von über 30 Gr. Reaumur
tzAen gang and gäbe. Einem Bericht von Bord des
^busvortdamvfers „Wittekind" entnehmen wir nach einem
Berliner Blatte Folgendes: Die Bäder und Douchen waren
den ganzen Tag über belagert, aber auch sie brachten nur
eine momentane und sehr geringe Erfrischung, denn das
Wasser hatte 22 Grad Wärme. Gegessen ward wenig,
desto mehr aber getrunken. An Eiswasser, Limonaden,
Kaffee, Thce und Bier wurden ganze Ströme verbraucht,
so allein an einem Tage 30 Füßchen leichtes Bier aus-
getrunken. Von irgend welcher Nachtruhe in den erhitzten,
schwülen Räumen unter Deck konnte überhaupt keine Rede
sein. Offiziere wie Mannschaften brachten die Nächte auf
Deck zu. Heiß, feuchtschwül, eng war es auch da, aber
immer noch viel besser als in den unter Deck gelegenen
Höllenkammern. Sehr unangenehm machte sich zu alledem
bei sämmtlichen Insassen das Auftreten eines stark jucken-
den Nesselausschlages bemerkbar, der den Namen „Rother
Bulldogg" erhielt. Auf der „Wittekind" kamen drei, auf
der „Frankfurt" zwei Hitzschläge vor, die fünf Mann er-
holten sich aber bald wieder... Im indischen Ocean
war es nicht besser. Unbarmherzig und viel stärker als
zu Anfang unserer Abreise schwang das Gespenst der See-
krankheit von Neuem seine widerliche Geißel. Aber der
Humor ist unseren braven Jungens noch keine Minute
ausgcgangen. Als jüngst die Hitze fürchterlich, in dem
Nerven und Magen erregenden Rollen des Schiffes eine
kleine Pause eingetreten war, kamen ein paar von der
Seekrankheit verschont gebliebene Leute auf den kuriosen
Einfall, „Der Plumpsack geht rum" zu spielen. Wenige
Minuten später war dies eigenthümliche „Abkühlungsspiel"
bereits im vollen Gange, denn auch verschiedene von den
Armen und Elenden, die eben noch in stiller Ergebung ihr
Haupt über den Bordrand geneigt, waren vom Spielteufel
erfaßt worden und machten mit, bis — nun bis bei ihnen,
nach einigen nicht zu sanften Plumpsackschlägen, wiederum
ein stilles Beiseitetreten und Neigen über Bord nothwendig
wurde. . .
Der Kaiser und Graf Waldersee.
Der Kaiser hat den Grafen Waldersee mit dem Stab
des Oberkommandos für China am 18. ds. im Schlosse
in Kassel empfangen. Dabei richtete der Kaiser an den
Generalfeldmarschall Grafen Waldersee und seinen Stab
folgende Worte:
„Ich begrüße Sie im Moment Ihrer Abfahrt aus
dem Vaterlande und grotulire Ihnen dazu, daß Sie
auserwählt worden sind, als Stab und unter Führung
und Leitung unseres bewährten Feldmarschalls,
des Grafen Waldersee, die Campagne in China mit-
machen zu können. Lieber Waldersee, ich spreche Ihnen
meinen Glückwunsch aus, daß ich Sie nochmals an
dem heutigen Tage als Führer der vereinigten
Truppen der zivilisirten Welt begrüßen darf.
Von hoher Bedeutung ist es, daß Ihre Ernennung zum
Ausgangspunkt hat die Anregung und den Wunsch
Seiner Majestät des Kaisers aller Reussen, des
mächtigen Herrschers, der weit bis in die astatischen
Lande hinein seine Macht fühlen läßt. Es zeigt dies
wiederum, wie eng verbunden die alten Waffen-
traditionen der beiden Kaiserreiche sind, und ich be-
grüße es mit Freuden, daß auf die Anregung Seiner
Majestät hin die gesummte gesittete Welt ohne Unter-
schied aus freiem Antrieb Euere Excellenz nunmehr
mit dem Kommando über ihre Truppen betraut. Wir
können als preußische Offiziere dankbar und mit Stolz
erfüllt sein ob der Aufgabe, die Ihnen zugefallen ist.
Denn es wird darin eine einheitliche .An-
erkennung für unser ganzes militärisches Leben
und Wirken ausgesprochen, sowie für das militärische
System und für die Ausbildung und Führerschaft unserer
Generale und Offiziere. Zum Zeichen Ihrer Würde
überreiche ich Ihnen an dem heutigen Tage den Feld-
marschallstab, indem ich hoffe, daß Sie ihn führen
werden mit der altgewohnten Frische, mit der Sicher-
heit, die Sie immer entwickelt haben in wichtigen
Augenblicken, und vor allen Dingen mit der Unter-
stützung der Vorsehung, ohne deren Hilfe selbst der beste
Soldat nichts zu leisten im Stande ist. Ich schließe
mit dem Wunsche, daß es Euerer Excellenz beschicken
sein möge, die Aufgaben, welcher Art sie auch sein
mögen, ob langwierig, ob schnell, ob blutig
oder nicht, so zu leisten, wie Sie es wünschen werden,
und wie wir es alle ohne Ausnahme wünschen, die wir
Ihnen unsere Truppen anvertraut haben. Im Interesse
unseres Volkes wünsche ich, daß unsere gemeinsame
Expedition eine feste Bürgschaft gegenseitiger
Anerkennung und gegenseitigen Friedens
für die europäischen Mächte werden möge, wie dies
Seine Majestät der Kaiser von Rußland im vorigen
Jahre auf anderem Gebiete versucht hat. Was uns im
Frieden nicht hat beschicken sein können, das ist nun
vielleicht mit den Waffen in der Hand zu erreichen."
Es ist sehr zu beachten, daß nach den Worten des
Kaisers der Zar die Berufung Waldersee's an-
geregt hat. Eine neulich laut gewordene offiziöse russische
Stimme stellte, wohl mit Rücksicht auf Frankreich, die
Sache so dar, als sei die Anregung von Kaiser Wilhelm
ausgegangen.
Auf die an ihn und seinen Stab gerichteten Worte des
Kaisers erwiderte Graf Waldersee:
Euer Majestät lege ich meinen innigsten Dank zu
Füßen für die überaus gnädigen, mich ebenso ehrenden
wie tief bewegenden Worte. Die Reihe von Jahren, die
ich die Ehre habe, unter Euer Majestät Befehl zu stehen,
sind gleichbedeutend mit einer Kette von Ehrungen und von
Auszeichnungen und Beweisen allerhöchsten Vertrauens.
Euer Majestät haben mich zu dem höchsten Range der
militärischen Hierarchie aufsteigen lassen. Es ist mir nur
Eins versagt geblieben, daß ich meinen Dank in Thaten
umsetze. Daß nunmehr Euer Majestät mir die Gelegenheit
gegeben haben, dies zu thun, beglückt mich in hohem
Maße. Euere Majestät haben diesen wichtigen Moment
benutzt, mir auch das äußere Zeichen meines Ranges zu
verleihen und dadurch die Bedeutung in hohem Maße ge-
steigert. Ich bitte Euere Majestät, die Versicherung
gnädigst anzunehmen, daß, so lange der Arm die Kraft
behalten wird, diesen Stab zu halten, ein Befehl zum
Rückzug über meine Lippen nicht kommen wird. Ich
bitte Euere Majestät zu glauben und ich darf das im
Namen des ausgezeichneten Stabes, den Euere Majestät
mir gegeben haben, aussprechen, daß alle Herren mit mir
einmüthig sind, unser Letztes daran zu setzen, Eurer Majestät
treu zu dienen und den letzten Blutstropfen einzusetzen für
Euere Majestät und Deutschlands Ehre.
Der Kaiser begleitete später den Grafen Waldersee
zum Bahnhof. Im Schlosse hatte er ihm einen Feldherrn-
stab überreicht und nahm dort von ihm herzlichen Abschied,
indem er ihn umarmte und küßte.
Der deutsche Kaiser der populärste Mann in
Frankreich.
Der deutschböhmische Reichsrathsabgeordnete Professor
Dr. August Fournier giebt in der N. Fr. Pr. seine
Pariser Ausstellungseindrücke wieder und schreibt darin
u. a.: So paradox es klingen mag: die populärste
Persönlichkeit ist heute in Frankreich Kaiser Wil-
Kalliope Mavros.
Erzählung von Adolf Flachs.
(Fortsetzung.)
ch HAnislaus, der sonst ihre Gedanken den ganzen Tag lang
>hr nahm, war nun in weiter Ferne — cs fehlte
Sigx ^.Gelegenheit, für sein körperliches Wohlbefinden durch
vbnxf,Mche zu sorgen, ihn mit mütterlicher Liebe zu be-
- Die Abwesenheit ihres Mannes machte sich unter
j Umständen für sie noch fühlbarer. Das ewige Lesen
. ^"n überdrüssig geworden. Intime Bekannt-
Asob sie nicht. In dieser Langenweile und Verein-
Mochte ihr der Zufall eine willkommene kleine Zer-
Ai : sie fand einmal unter dem Speisetisch einen offenen,
Mm, gerichteten Brief aus Konstantinopel. Frau
Mion hEe, obgleich sie von der Neugierde geplagt war,
!>e nie über die türkische Korrespondenz befragt, weil
Ulleu Mochte, daß sie von ihr doch keine Aufklärung er-
MipL.-Aerde. Und sie rechnete mit einer gewissen Be-
Äriink K darauf, daß sie früher oder später das Geheimniß
Ml werde. Die Gelegenheit war nun da. Der Brief
Mini" >sch ^schrieben, diese Sprache verstand Frau
kä? Wchh allein sie wußte sich zu helfen. Sie nahm
ii steun^Echen au sich, fuhr nach Galatz, stattete dort einer
U pn» ?en griechischen Familie einen Besuch ab und ließ
Dame des Hauses den Brief übersetzen . . .
ein Liebesbrief — Aristides Zappa theilt seinem
^ sich " Gngel mit, daß er alle Aussichten habe, ihn bald
M N>??omen zu können und dann wollen sie in Glück
^klde/'che miteinander leben, bis der Tod
sie in Glück
sie trennen
tAssch *M>ch?ger Aufregung fuhr Frau Jadwiga nach Braila
fi.AAs sollte sie nun von Kalliope halten? Und je
r darüber nachdachte, desto häßlicher erschien ihr der
Charakter der Griechin. Schließlich gelang sie zu der un-
umstößlichen Ueberzeugung, daß Kalliope eine Kokette war,
der es das höchste Vergnügen bereitete, mit Männerherzen
zu spielen. Nun glaubte Frau Jadwiga auch, daß sie mit
Vorbedacht und in ausgesuchter Schlauheit Stanislaus um-
garnt, wie sie dann Dr. Kärnthner bestrickt hatte» ohne auch
nur einen Funken von Sympathie für ihn zu empfinden;
und jetzt meinte sie auch ganz bestimmt zu wissen, was ihres
Mannes plötzlich erwachte lebhafte Sympathie für Kalliope
zu bedeuten hatte. Kalliope ist also eine Art weiblicher
Blaubart, der selbst über Land und Meer hinweg seine
Ränke spinnt, bis nach Konstantinopel. Das einzige
Mittel, dieser Person das Handwerk zu legen, ist, sie zu ent-
larven.
Als Kalliope am darauf folgenden Tage ausging, um
allerband Einkäufe zu besorgen, begab sich Frau Jadwiga in
das Veranda-Zimmer und untersuchte jeden Winkel. In der
Ecke einer unverschlossenen Schublade fand sie mehrere
griechische Briefe, die mit einem blauen Bändchen zusammen-
gebunden waren. Ohne zu überlegen, nahm Frau Jadwiga
die Briefe zu sich und fuhr rmt ihnen zu einer Wahr-
sagerin, die vor kurzem von Konstantinopel nach Braila ge-
kommen war. Die Wahrsagerin mußte ihr alle Briefe
übersetzen; sie enthielten Variationen über ein und dasselbe
Thema — Zappa's Liebe zu Kalliope. Frau Jadwiga bat
nun die ! Wahrsagerin, sofort eines dieser Schreiben zu
kopircn und unterstützte ihre Bitte mit einem Napoleond'or.
Eine Stunde später trat Frau Jadwiga wieder in ihrer
Wohnung ein-
„Ist Fräulein Kalliope schon zurück?" fragte sie hastig
eines der Mädchen.
«Noch nicht."
Frau Jadwiga's Herz, das lebhaft gepocht hatte, beruhigte
sich sofort; sie eilte in Kalliope's Zimmer und legte die
Briefe an ihre Stelle zurück. Am nächsten Vormittag unter-
nahm sie wieder die kurze Reise nach Galatz und gab dort
ein Couvert an Dr. Kärnthner auf, das nichts weiter als
die Abschrift des Briefes erhielt. Das Wetter war feucht
und kalt gewesen. Sie kam mit einem Schnupfen nach Hause,
legte sich zu Bette und ließ am darausfolgenden Tage Dr.
Kärnthner kämmen.
Der Arzt beruhigte die Kranke, es sei eben nichts weiter
als ein harmloser Schnupfen.
„Sie sind heute verstimmt, Herr Doktor," sagte sie dann,
ihn scharf beobachtend.
„Ja . . . eine unangenehme Nachricht aus Wien." er-
widerte er und erhob sich, um fortzugehen.
„Diese traurige Miene steht Ihnen nicht gut, Herr Doktor,"
fuhr Frau Jadwiga fort- „So werden Sie ihrer herrlichen
Kalliope nicht gefallen."
Kärnthner's Gesicht verzog sich ein wenig wie von
physischem Schmerze . . . und Frau Jadwiga, der das
nicht entging, wußte nun, daß er den Brief erhalten hatte.
„Ja wahrhaftig," fuhr Frau Jadwiga fort, „herrlich" ist
das richtige Wort für Kalliope! Von einem bestrickenden
Liebreiz, dem selten ein Mann zu widerstehen vermag. Sie
sehen ja . . ." Sie zählte an den Fingern ab . . . „mein
Stanislaus hat sich in sie verliebt, sie hat sich Ihr Herz er-
obert, selbst mein Mann schwärmt seit kurzem in verdäch-
tiger Weise für sie. Und wer mag wissen, wer sonst noch in
den Netzen dieser interessanten Griechin zappelt. . ."
Dr. Kärnthner waren diese Reden peinlich; er murmelte
ein kaum verständliches „gewiß ... ja. ja . . .",
empfahl sich und verließ das Zimmer, um Kalliope zu be-
suchen. Es war ein schwerer Gang für ihn. Drei, vier
Minuten Zeit brauchte er» um die wenigen Schritte durch
den Korridor bis zu ihrem Zimmer zurückzulegen. Oft blieb
er stehen, mit pochendem Herzen, mit glühendem Kopfe. Er
konnte nicht glauben, daß Kalliope ihn hinterging, daß sie
eine herzlose Kokette war, die ein übermüthiges Spiel mit ihm
und den anderen trieb.
_ (Fortsetzung folgt.)