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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150-175 (02. Juli 1900 - 31. Juli 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37614#0071

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Fernsprech-Slnschluß Nr. 82.


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Fernsprech-Slnschluß Nr. 82

«r. IKK.

Kkilag, den 2Ü.Z»Ii

190«.

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auf die Heidelberger Zeitung für die Monate August und
September werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern,
den Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstr. 21, angenommen.
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und September, wenn am Schalter abgeholt, 84 Pfg.,
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Wochenchronik.
(Vom 8. bis zum 14. Juli.)
Juli 8.: Der frübere preuß. Kultusminister Falk ist am 7. d.
an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben.
„ 8.: Es verlautet, daß in Peking eine Gegenrevolution
unter dem Prinzen Tsching im Gang sei. Der mittlere
und südliche Theil China's verhält sich noch neutral.
„ 9.: Das für Ostasien bestimmte Kreuzer-
geschwader tritt die Ausreise von Kiel an.
. 10.: Der Kaiser tritt von Kiel aus seine Nordlands-
reise an.
„ 10.: In Gmunden findet dieHochzeit des Prinzen
Max von Baden und der Prinzessin Marie
Luise von Cumberland statt.
„ 11.: Die Bildung der für Ostasien bestimmten See-
brigade ist im Gang. Kommandeur wird General-
leutnant v. Lessel.
11.: Die Buren greifen die Engländer 18 Meilen
von Pretoria an und nehmen ihnen zwei Geschütze
sowie eine erhebliche Anzahl Gefangener ab.
„ 12.: In Tientsin finden schwere Kämpfe statt. Die
Angriffskraft und Zähigkeit der Chinesen überrascht
allgemein.
„ 14.: Es gelingt den T r u p p e n der Verbündeten,
nach mehrtägigem verlustreichem Kampfe die Chtnesen-
stadt von Tientsin zu erobern.
. 14.: Prinz Max von Baden und Gemahlin halten ihren
Einzug in Karlsruhe.

Die Ankunft des „Wittekind" mit dem I. See-
bataillon in Port Said.
Der Dampfer „Wittekind" lief am 15. ds. um 12 Uhr
Nachts in Port Said unter den Klängen des Preußenmarsches
ein. Wir hatten — berichtet der an Bord befindliche Bericht-
erstatter des B. L.-A. — während der ersten Hälfte der Fahrt
Zuerst wechselvolles, dann schönes Wetter. Die Offiziere und
Mannschaften lebten sich schnell ein; nachdem einige in den ersten
^agen der Fahrt dem Meergott den Tribut gezahlt hatten,
herrschte dann später echt soldatischer Geist und treffliche Dis»
KPlin. Tägliche Turn- und Leibesübungen halfen bald über die
ersten kleinen Leiden hinweg. Jetzt ist der überwiegende Theil
Äsest. — Da Port Said pestverdächtig ist, so darf Niemand an
And. Der dortige Konsul Bronn brachte die Heimathpost an
HU Längsseite des Schiffes und empfing dort unsere 5000 Briefe
Und Postkarten. Der „Wittekind" nimmt in der Nacht Kohlen
ttn und geht morgen früh durch den Suezkanal weiter. An
^ord ist Alles wohl. Die „Frankfurt", welche vom Kap
mnisterre, um Kohlen einzunehmen, vorausgeschickt worden war,
^wartet uns zur gemeinsamen Weiterfahrt in Suez. — Der
Mstdampfer „Prinz Heinrich" lief um halb 11 Uhr Vormittags
sn Port Said ein und machte neben uns fest. Er brachte die
M Dienstag eingetroffene Post mit. Wir begrüßten ihn mit
hem Preußenmarsch und einem dreimaligen Hurrah. Dankend
antwortete das Musikkorps des „Prinz Heinrich" mit einer
Umne, während alles an Bord unter Hurrahrufen die Tücher
lchwenkte. Uns gegenüber liegt der portugiesische Dampfer
^uzenko" mit 400 Soldaten für Macao vor Anker. Um 11
M Vormittags kam der große französische Truppen-Transport-
Knipser „Aquitaine" vorbei; auch ihm sandten wir unsere
^rüße und zwar durch Absingen der Marseillaise. Die
dfsanzosen antworteten, da sie kein Musikkorps an Bord
«utten, mit donnernden Hurrahs und Händeklatschen; die Be-
LtzUng des portugiesischen Dampfers stimmte in das Hurrah ein.
^Uiposant gestattete sich unsere Abfahrt von Port Said. Vom
«uudampfer „Prinz Heinrich" geleiteten uns die Hurrahs der
^wsagiere. Auf einem portugiesischen Truppentransportdampfer
Arten die Matrosen auf, die Kompagnien traten an und be-
Skidie Grüße, die ihnen unser Mufikkorps durch das
»»Letten ihrer Nationalhymne sandte, mit donnernden Hurrahs.

Jetzt nahten wir der „Aquitaine". Die Musik intonirte die
Marseillaise. Die französtschen Truppen. mit den unse-
ligen in gleicher Stärke, waren wie wir an der Bordseite ange-
treten. die Offiziere vor der Front; auf beiden Seiten traten die
Wachen unter Gewehr und salutirten. Plötzlich kam Leben in
die Reiben der Franzosen, ein immer stärker anschwellendes,
wahrhaft frenetisches Hurrah dröhnte aus tausend Kehlen
herüber, die Mannschaften schwenkten ihre Mützen, die Offiziere
ihre Tropenhelme, dazu bliesen die Hornisten auf schrill klingen-
den Hörnern den Präsentirmarsch. Das Ganze war eine auf-
richtige enthusiastische Begrüßung, wie sie seit 1870 nicht vorge.
kommen ist. Interessant ist übrigens, daß die Khaki-Uniform bei
Franzosen, Deutschen und Portugiesen ganz die gleiche ist.

Die Vorgänge in China.
Heute herrschen wieder Nachrichten vor, denen zufolge
die Gesandten in Peking noch leben oder wenigstens am
9. ds. noch lebten. Das Wolffburcau meldet aus Tschifu
vom 18. Juli: Amerikanische Berichterstatter melden, daß
die Fremden in Peking am 6. Juli einen Ausfall machten
und darauf bombardirt wurden und sich seit dem 9. Juli
in einem bombensicheren Versteck befanden. Die
Kaiserin sei todt. Prinz Tuan habe den Thron an sich
gerissen. General Nieh sei zu Gunsten der Fremden auf-
getreten und zum Selbstmord gezwungen worden. Ein
deutscher Postdampfer meldet, am 7. Juli hätten die
Fremden in Peking sich noch am Leben befunden. — Nach
einer Pariser Meldung erhielt der Minister Delcassk eine
Depesche aus Shanghai vom 18. d. Mts., welche besagt,
daß nach Mittheilungen des Gouverneurs von Shantung
die Gesandten in Peking unversehrt seien. Die
Gefahr sei aber noch groß.
Daily Mail meldet aus Shanghai vom 18. Juli:
Von chinesischer Seite wird amtlich gemeldet: General
Nieh sei in der Schlacht bei Tientsin gefallen. Das
Eigenthum aller Ausländer der Provinz Shantung sei
zerstört. Die Truppen des Gouverneurs Juanschukai
schlugen diejenigen des Generals Tungfusiang unter großen
Verlusten bei Tsangtschou, südlich von Tientsin, in der
Nähe der Grenze der Provinz Tschili.
Am besten wäre es bei diesem Durcheinander von
Nachrichten, die heute so und morgen so lauten, man ließe
Alles unbeachtet, was nicht von den Konsuln oder den
Kommandanten der europäischen Truppen stammt. Ins-
besondere Shanghai hat sich als ein wahres Lügenuest
entpuppt und dem dortigen Telegraphen-Mandarin Sheng,
der sich erlaubt, die Kulturwelt in der unverschämtesten
Weise zu nasführen, sollte man beide Ohren abschneiden.
Was die weitere Ausdehnung des Aufstandes gegen
die Fremden anbetrifft, so erklärt eine Meldung des Bureau
Reuter aus Shanghai vom 19. Juli: Amtlich wild mit-
getheilt: Die Fremden mit ihren Frauen und Kindern
wurden aufgefordert, die Häfen am Aangtsekiang zu
verlassen. Am Tayangsee in der Nähe oon Kinkiang
ist ein Aufruhr ausgebrochcn. Mehrere Missionare sind
getödtet und die Kirchen eingeäschert worden. Der Tele-
graph zwischen Hankau und Kinkiang ist unterbrochen.
Der amerikanische Gesandte in Söul (Korea) tele-
graphirte, daß die Boxer und eine chinesische Streitmacht
wenige Meilen von der Grenze Koreas stehen.
Die Eingeborenen seien in Unruhe versetzt und flüchteten.
Die Ausländer seien noch in Sicherheit, doch seien die
koreanischen Behörden sehr in Sorge. Das Bestreben der
Boxer scheint demnach nicht nur auf die Vertreibung der
Fremden, sondern auch auf die Wiedergewinnung Koreas
gerichtet zu sein. Koreas wegen kam es bekanntlich 1894
zum chinesisch-japanischen Krieg. Die Japaner siegten,
Korea ist jedoch mehr und mehr unter russisches Protektorat
gekommen.

42)

Die Irre von Sankt Rochus.
Kriminalroman von Gustav Höcker.
(Fortsetzung.)

»vi?^ch schwankte das Boot unruhig von einer Seite zur
sgAEren, noch stand der Fährmann betroffen über das, was
riy, A seine Augen gesehen, wie zu einer Statue erstarrt,
da -Mastbaum, sich mit der einen Hand daran festhaltend,
ih>, Ärzten auch schon der Müller und seine Begleiterin auf
mit vereinter Kraft ihm das Schicksal des
^ bereiten. Blitzschnell hatte der Fährmann seinen
Arm erhoben. — ein Feuerstrahl zuckte aus — ein
sich - Erschütterte die Lust, — und ohne einen Laut von
kvas geben, sank der Müller auf den Boden des Fahr-
L? nieder.
Hxx A" Entsetzen gepackt, Prallte seine Begleiterin zurück.
Vman ließ ihr keine Zeit, sich zu sammeln und einen
dix^Muß zu fassen. Er riß sich die Jacke vom Leibe, um
8ln„ Strick zu benutzen, und so verzweifelt sich die kleine
Az »»auch wehrte, so tapfer sie auch Zähne und Fingernägel
sie ^Affen zu gebrauchen wußte, so gelang es ihm dennoch,
?EM Maste zu zerren uud an diesem mit beiden
seftzubinden.
dtaaÄtcnstllle herrschte: nur das Plätschern der an das Boot
8>i>r r"An Wellen und das keuchende Athmen der Gefesselten
AojAA vernehmen; ein leises Stöhnen, welches zuweilen vom
Aes-A-des Fahrzeugs heraufdranq, verrieth, daß der von dem
. Unk c^uwestreckte Mann noch lebte.
?c>tie „Pf stieß daß Boot, auf weiches der Fährmann nicht
m Jeden können, drüben ans Ufer, wo sich mehrere
Gestalten hin- und herbewegten.
* *
^ebff^Ae Rose, wie magst du so einsam noch blüh'n? Deine
Mi, Schwestern sind längst schon dahin I" — so klagt

das viel gesungene irische Volkslied, und bei einigem guten
Willen konnte man die allbekannte Melodie unterscheiden,
welche in weinerlich näselnden Tönen Frau Therese Thorbeck's
Finger der Zither entlockten. Wenn sie vor ihrem In-
strumente saß, war die übrige Welt für sie nicht mehr vor-
handen, und fürwahr! ihr glühender Eifer wäre eines besseren
Lohnes würdig gewesen. Sie brachte es nämlich in ihrer
Kunst nicht vorwärts; sie hatte eine gewisse, über die blutigste
Ansängerschaft hinausgebende Stufe erreicht, aber über
diese kam sie nicht hinweg. Daß sie dies nicht merkte,
weil sie sich wie eine Virtuosin erschien, indem sie der Zeit
gedachte, wo sie vom Zitherspiele noch gar nichts verstanden
hatte, — das trug viel zu ihrem Glücke und ihrer Zufrieden-
heit bei.
Eben klopfte es an der Stubenthür.
Aber Therese hörte es nicht, denn sie war von ihrem
musikalischen Empfinden und vom Zauber ihres Spiels so
hingerissen, daß sie die Töne der Zither unwillkürlich mit
ihrer Stimme begleitete, die in einem Alt fast bodenloser
Tiefe erklang.
Es klopfte abermals. Da ihr jedoch soeben ein Akkord
so schön gelungen war, daß sie ihn noch einigemale hinter-
einander, und immer lauter und rauschender anschlng, so
blieb ihr Ohr gegen jedes Geräusch der profanen Außenwelt
taub.
„Bravo! bravo!" ließ sich Plötzlich eine Stimme ver-
nehmen. „Da fehlt gar nicht mehr viel — und Sie können
es im Zitherklub „Orpheus" als Solo vortragen."
Frau Thorbeck, welche der Thüre den Rücken zugekehrt
hatte, wandte sich nach dem unbemerkt eingetretenen Sprecher
um. Sie war überrascht, aber nicht erstaunt oder gar zu
einer Bildsäule verwandelt. Hätte sie freilich mit ihren
eigenen Augen gesehen, was sich vergangene Nacht unweit
des Städchens Worb ganz in der Nähe des Lindenhofs auf
dem Strome ereignet hatte, so würde ihr der Anblick des
Mannes, der jetzt vor ihr stand, einen Todesschrccken einge-
jagt haben, wie ihn nur die plötzliche Erscheinung eines

Nach einer Meldung des Daily Expreß aus Shang-
hai hätten die Konsuln als Vertreter der Mächte ein-
stimmig beschlossen, Linkunyi, den Vizekönig von
Nangking, soweit die Steuererhebung in Betracht
kommt, als chinesischen Kaise r zu betrachten. Das Miß-
trauen gegen Li-Hun g-Tschang, besonders aber
gegen Scheng, ist in Sh anghai im Zunchuien. Man
nimmt dort an, daß es sich gegenwärtig um eine Art
Verbindung zwischen Li und Tuan handle, und daß
ein Ausbruch der Erhebung nach Li-Hung-Tschangs Ab-
reise zu befürchten sei. In London ist man wegen Lt
weniger ängstlich, weil man annimmt, Ehrgeiz wie Hab-
sucht würden ihn bestimm en, auf Seiten der Mächte zu
bleiben, wo ihm min bestens die Regentschaft winke.
Dagegen ist man bezögt ich Schengs, der neuerdings wieder
den Empfang der Peking er Mordkunde ableugnete, höchst
ungehalten. Die Times namentlich hebt an der Spitze
ihres Leitartikels hervor, wie bedenklich cs sei, daß eine
so zweideutige Persönlich keit nicht nur der thatsächliche
Vertreter der Viceköni ge den Mächten gegenüber sei, son-
dern auch den Nachri chtenverkehr zu monopolisiren in der
Lage sei, um alle "Welt in den wichtigsten Augenblicken
irre zu führen. _
Die Kämpfe in Tientsin.
Vom Chef des deutschen Kreuzergcschwaders, Admiral
Ben bemann, liegt noch folgender weiterer Bericht über
die Kämpfe um Tientsin vor:
Ta kn, 16. Juli. Kapitän v. Usedo m meldet: In-
folge des Angriffs vom 13. d. M. wurde am 14. früh
Morgens dem Sturm auf die umwallte C h i liefen stadt
durch die Japaner, Engländer und Amerikaner kaum noch
widerstanden. Tie Stadt ist in den Händen der Ver-
bündeten. Auf der östlichen Seite kämpften am 15. noch
die Russen um den Besitz des chinesischen Lagers. Am 15.
früh wehten auf der Citadelle und dem chinesischen Lager
russische Fahnen. Damit ist die Eroberung der Stadt
beendet.
Kapitän v. Usedom meldet über das Gefecht am 13.
früh: Ich war im Hauptquartier des Viceadmirals Alexe«
jew; betheiligt waren an dem Kampfe die Compagnie We-
ding von der „Gefion" und „Irene" und die Kompagnie
Kopp von der „Kaiserin Augusta" unter dem Oberbefehl
Wedings. Eine Stunde nach Beginn des Angriffes fand
600 Meter von der deutschen und russischen Infanterie
eine ungeheure Explosion statt, sodaß viele Leute umfielen
und die Maulthiere der französischen Gebirgsartillerie
durchgingen. General Stöffel war der einzige
Leichtverwundete und konnte nach einer Stunde die
Führung wieder übernehmen. Er äußerte, er habe nie
bessere Soldaten als unsere Matrosen ge-
sehen. Stöffel hat bei allen Kämpfen um Tientsin
die Russen und Deutschen hervorragend geführt.
Daß die Deutschen an diesem Tage so wenig Verluste
hatten, liegt an dem sehr schnellen sprung-
weisen Vorgehen. Um 7 Uhr wurde gemeinschaftlich mit
den Russen die chinesische Stellung mit 12 Geschützen ge-
nommen. Unsere Leute machten um 9 Uhr einen frischen
Angriff, trotz des zehnstündigen Marsches. Wir wurden
in dieser Stellung mit den Geschützen von der Citadelle
bis 11 Uhr beschossen, jedoch ohne Verluste, nur erhielt
von Wolfs beim Abmarschiren nach der Ablösung durch
frische Russen einen Shrapnellschuß ins Knie. Die
ermüdeten Compagnieen rückten gegen 1 Uhr in ihre
Quartiere.
Am 14. früh war Kapitän v. Usedom mit zwei Reserve-
Compagnieen, die aber nicht gebraucht wurden, für kurze
Verstorbenen hervorzurusen vermag, — denn dieser Mann war
Herr Titus Allram-
Da die junge Frau von der nächtlichen Begebenheit keine
Ahnung besaß, so hatte der Besuch dieses alten Bekannten
durchaus nichts Auffallendes für sie, außer daß sie in seinem
Gesicht einige rothe Streifen bemerkte, die von oben nach
unten liefen; auf jeder Wange und auch unter den Augen
waren mehrere solcher verdächtiger Furchen gezogen.
„Ei, Herr Allrami" rief Therese mit einem sehr ver-
wunderten Blicke auf diese seltsame Tätowirung, „was ist
denn mit Ihnen geschehen? Ihr Gesicht sieht ja aus, als
hätte Ihnen jemand —"
«Die Augen auskratzen wollen, nicht wahr?" ergänzte
der Detektiv.
„Und die Wunden scheinen auch noch ganz frisch zu sein,"
fügte Therese hinzu, während ihre Verwunderung in besorgte
Theilnahme überging.
„Sie sind noch keine vierundzwanzig Stunden alt. Ich
habe mich gestern Abend mit meiner Frau gezankt," sagte
Allram mit trockenem Humor.
„Ack. Herr Allram, mir das zu sagen!" rief Frau Thor-
beck. „Ich weiß ja, daß Sie gar teme Frau haben."
Der Detektiv schien nicht geneigt, ihre Neugier zu be-
friedigen. Er hatte überhaupt große Eile oder stellte sich
wenigstens so, um Therese dadurch in einen Zustand von
Unruhe zu versetzen, welcher ihr keine Zeit und Sammlung
ließ, auf die Fragen, die er an sie richten wollte, wohlüber-
legte Antworten zu geben.
„Nein, ich danke," sagte er. als sie einen Stuhl für ihn
zurechtstellte und ihm den Hut abnehmen wollte, „ich danke,
ich kann mich nur einen Augenblick bei ihnen aushalten. —
Hm! haben Sie mir nicht gesagt, Sie stünden mit Frau
Bruscher in Briefwechsel?"
Es lag etwas sehr Vertrauliches in dieser Frage.
„Ja freilich," antwortete Therese ebenso.
_ (Fortsetzung folgt.)
 
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