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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150-175 (02. Juli 1900 - 31. Juli 1900)
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Fernsprcch-Anschluß Nr. 82

«r. 156.

Munks, den 9. Inli

1900.

Die Vorgänge in China.
Ueber das Schicksal der Gesandtschaften in China läßt
sich auch heute noch nichts Gewisses sagen, doch ist nach
den letzten Nachrichten immerhin ein Schimmer von Hoff-
nung vorhanden, daß sie die Krisis in Peking bisher be-
standen haben und vielleicht ganz überstehen.
Wohl wissen englische Blätter schon genau zu erzählen,
wie es bei der Hinmordung der Europäer in Peking zu-
gegangcn sei. Als Munition und Lebensmittel der Euro-
päer nach IStägigem Widerstand erschöpft waren, seien die
Chinesen etngedrungen und hätten die am Leben gebliebenen
getödlet; sodann hätten sie das Gesandtschaftsgebäude in
Brand gesteckt und die Verwundeten und die Tobten ver-
brannt. Vom Prinzen Tuan selbst würden gegen Chinesen
erschreckliche Grausamkeiten verübt: Er habe 4000 ange-
sehene chinesische Bürger lödten lassen, weil sie es wagten,
ihn zu bitten, dem Blutbad Einhalt zu thun.
Es sind dies Berichte, die angeblich — vielleicht auch
wirklich — über Shanghai aus chinesischer Quelle kommen.
Man weiß nicht, was hinter ihnen steckt.
Dagegen liegen einige Konsularberichte vor, die vor
jenen den Vorzug der größeren Glaubwürdigkeit haben;
diese lauten etwas hoffnungsvoller.
Nach einer am 7. d. in Paris eingetroffenen amtlichen
Depesche des französischen Konsuls in Canton waren die
europäischen Legalionen in Peking am 1. Juli unver-
letzt. Der amerikanische Konsul Goodnow in Shanghai
telegraphirt: Die Gesandtschaften waren am 3. Juli von
den Boxern belagert, aber sie sind noch intakt. Die
Boxers scheinen jetzt durch Aushungern die Gesandtschaften
bezwingen zu wollen.
In Uebcreinstimmung mit dem Obigen erhielt die Lon-
doner Firma Mathieson u. Co. folgendes Telegramm
von ihrer Filiale in Shanghai: „Die englische Gesandt-
schaft stand am 2. Juli. Beruhigende Berichte be-
treffs Leben der Europäer."
Das englische Auswärtige Amt erhielt eine Depesche
vom englischen Konsul in Shanghai vom 7. Juli,
worin er meldet: er erfahre aus absolut glaubwürdiger Quelle,
ein Courier aus Peking habe gesagt, daß am 3. Juli
noch zwei Gesandtschaften sich hielten, daß die Boxers und
chinesischen Truppen sehr entmuthigt seien. Mehr als
2000 chinesische Soldaten und viele Führer der Boxers
seien gesellen. Die Boxers erklärten, die Fremden hätten
den Zauber der mystischen Macht der Boxers gebrochen.
Die Boxers wagten nicht mehr, sich den Ge-
sandtschaften zu nähern. Der Courier fügt hinzu,
die Fremden könnten sich noch lange halten, wenn sie ge-
nügend mit Lebensmitteln und Munition versehen seien.
Der Londoner chinesische Gesandte hat am 6. d. ein
Telegramm von Li Hung Tschang erhalten, in dem
er mittheilt, er habe guten Grund zu der Annahme, daß
die Gesandtschaften in Peking unter dem Schutze der Re-
gierung in Sicherheit seien. Diesem Telegramm
gegenüber ist große Vorsicht geboten. Es widerspricht
dem, was z. B. Robert Hart und der zweite deutsche Ge-
sandtschaftssekretär gemeldet haben. Darnach sind die Ge-
sandten in der Zeit, als sie ihre Nachrichten absandten,
nicht in Sicherheit, sondern hart bedrängt gewesen. Man
kann nur hoffen, daß sie der Bedrängniß widerstehen.
Wie über die angebliche Niedermetzelung der Europäer,
so liegen auch über die Entthronung der Kaiserin und des
Kaisers durch den Prinzen Tuan Berichte aus Shanghai
vor. Darnach hätte die gemeinschaftliche Denkschrift der
Vicekönige und Gouverneur über und gegen die Boxer am
19. Juni in feierlicher Versammlung des Großrathes zu
einem stürmischen Auftritt geführt. Der Bericht erzählt

dann weiter: Die Kaiserin trat unerwartet ein und schloß
sich ihr an, Prinz Tuan, unterstützt von Kangyi, erhob
sich wüthend dagegen und stürzte mit dem Ruf: „Lodden
Fremden!" aus dem Saal. Palastbeamte und Gesindel
trugen den Ruf durch die Tartarenstadt und stürzten zu
den Waffen gegen die Europäer, während Tuan mit den
Palastwachen Kaiser und Kaiserin gefangen nahm und
später zum Selbstmord zwang. Wie man steht, ist das
der weitere Ausbau der früher bereits erwähnten Gerüchte,
über deren Wahrheit oder Nichtwahrheit nichts Bestimmtes
bekannt ist.
Erwähnt sei dann noch, daß nach einer ebenfalls un-
kontrollirbaren Quelle muhamedanische Soldaten nach Pe-
king zum Kampfe gegen die Europäer herangezogeu wor-
den seien, weil diese Soldaten in ihrem religiösen Fanatis-
mus blindlings gegen die Christen vorgingen. Auch sei
noch erwähnt, daß von den Chinesen bei Tientsin angeb-
lich die Brunnen vergiftet wurden, um den Europäern das
Vorrücken zu erschweren.
Was nun die Maßnahmen der Mächte anbetrifft, so
ist es klar, daß schleunigstes Auftreten einer größeren
Kriegsmacht dringend Noth thut. Man sollte deshalb
Japan, das China zunächst liegt und eine starke Truppen-
macht zur Hand hat, zu schleunigster Hilfeleistung veran-
lassen. Die japanische Regierung selbst hat in Berlin
darauf hingewiesen, daß ihrer Ansicht nach der wachsende
Ernst der Lage in China die sofortige Entsendung
größerer Truppenkörper erheische, und hierbei den Wunsch
geäußert, die Ansicht der Mächte kennen zu lernen. Die
deutsche Regierung hat geantwortet, daß sie das Haupt-
moment der Lage im Zusammenhalten und im Einver-
nehmen unter den Mächten erblicke. Dementsprechend werde
Deutschland allen Maßnahmen zustimmen, die von den
anderen Mächten keinem Einspruch begegnen.
Aehnlich hat auch Frankreich geantwortet. Der Temps
schreibt: „Niemand denkt daran, sich dem zu widersctzen,
daß Japan seine Lage zu einer größeren Truppenent-
faltung gegen China benutzt, aber man wünscht auch, daß
Rußland von seiner nachbarlichen Lage und seinen Truppen
in der Mandschurei Nutzen ziehe. Jedenfalls will man
keine bevorzugten Bevollmächtigten, sondern nur eine ge-
meinsame Aktion, in der jeder eine Rolle spielt.
Statt freudiger Zustimmung also Reservirtheit und
Kühle; alles im Hinblick auf Rußland, das ein Concurrent
Japans ist! Rußland scheint sich indessen in dieser Sache nicht
engherzig zeigen zu wollen, wenigstens ist schon berichtet
worden, daß es nach offizieller Versicherung nichts einzu-
wendcn hat, wenn Japan möglichst schnell eine starke
Truppenmacht nach China wirft. Nach einer Depesche,
welche die japanische Gesandtschaft in Washington aus
Tokio erhielt, beschloß Japan, eine gemischte Divi-
sion nach China zu schicken, um die dortige japanische
Streitmacht zu verstärken. Die Gesammtzahl der ja-
panischen Truppen in China wird damit auf 22 000
Mann erhöht. Mit einer solchen Macht ließe sich wenigstens
Tientsin sichern. _

Der Prinz von Tuan.
Der jetzt so viel genannte Prinz von Tuan, der sich
der obersten Gewalt in Peking bemächtigt haben soll, ist
bekanntlich der Vater des durch Erlaß vom 24. Januar
zum Thronfolger ausersehencn Putschün. Dieser Putschün
nun ist bestimmt, dem am 12. Januar 1875 gestorbenen
Kaiser Tungtschi als Sohn adoptirt zu werden, weil
Tungtschi ohne Nachkommen gestorben ist, solche aber
wegen der Ahnenopfer, von denen in China alles abhängt
und die nur von einem Sobne, sei es dem leiblichen oder

einem Adoptivsohn, dargebracht werden können, durchaus
erforderlich sind. Kuangsü, der jetzige Kaiser, aber gehört
der gleichen Generation an wie Tungtschi, er mußte daher
dem 1861 verstorbenen Kaiser Hsienfeng adoptirt werden,
um aber Tungtschi den Nachkommen und die Ahnenopfer
zu sichern, wurde in dem Erlaß vom 13. Januar 1875,
der Kuangsü als Nachfolger auf dem Throne verkündete,
bestimmt, daß der erste Kuangsü geborene Sohn dem
Kaiser Tungtschi adoptirt werden solle. Da nun aber
Kuangsü keinen Sohn hat und Nachkommenschaft auch
nicht erwarten darf, so verfügte der bekannte Erlaß vom
24. Januar d. I., der Putschün, den Sohn Tsaiyis, des
Prinzen von Tuan, zum Nachfolger Kuangsü's bestimmte,
daß dieser Putschün nun endlich dem Kaiser Tungtschi zu
adoptiren sei. Ueber den Stammbaum Putschüns und
Tsaiyis, des Prinzen von Tuan, machte der Ostasiatische
Lloyd seinerzeit folgende Mittheilungen: Der Kaiser Tao-
kuang, der im Jahre 1850 starb, hinterließ neun Söhne,
die von der Bevölkerung in Peking numerirt und als „der
erste Prinz", „der zweite Prinz" u. s. w. bekannt sind.
Die drei ältesten dieser Brüder starben vorzeitig, der vierte
wurde unter dem Rcgierungsnamen Hsten-feng der Nach-
folger seines Vaters. Der fünfte Prinz war Jit-sung;
er beging angeblich einen schweren Verstoß gegen die
Trauer-Riten und wurde zur Strafe aus dem engsten
Verwandtenkreise des Kaisers entfernt, indem er einem
Bruder des Kaisers Tao-kuang adoptirt wurde. Als nun
Tung-chi, der Sohn des „vierten Prinzen" starb, würde
einer von seinen, des „fünften Prinzen", Söhnen natürlich
den nächsten Anspruch auf Adoption und Thronfolge ge-
habt haben; wegen der Ausstoßung Iil-sungs aber wurde
Tsai-tien, der Sohn des „siebenten Prinzen", dazu erwählt.
Einer von den Söhnen des „fünften Prinzen" nun ist
Tsai-yi, der Prinz von Tuan und Vater des muth-
maßlichen Thronerben Putschün, dem also die Sünden der
Vorfahren verziehen sind.

Deutsches Reich.
— Die Köln. Ztg. schreibt: Nachdem wir nunmehr
unversehens in einen Krieg verwickelt worden sind, dessen
Folgen und Opfer an Menschenleben und menschlicher
Gesundheit wir noch gar nicht absehen können, tritt an
das deutsche Reich auch gebieterisch die Forderung heran,
nun für die tapfern Krieger zu sorgen, die
muthig hinausziehen, um die dem Reiche angethane
Schmach zu rächen und für das schmählich vergossene
Blut Sühne zu fordern. Jetzt ist es Sache des Reiches,
endlich unsere sch l e chten Mil i t ä rpen si o nsgesetze
zu ändern und dafür zu sorgen, daß die Männer, die
in fernen Landen ihr Leben und ihre Gesundheit dem
Reiche zum Opfer bringen, auch anständig versorgt
werden, wenn sie an der Gesundheit schwer geschädigt oder
durch Wunden erwerbsunfähig geworden sind. Die Eltern
dieser tapfern Krieger, die Frauen der Verheirathelen, die
die Söhne oder die Männer mit bangem Herzen hinaus-
ziehen lassen, sie sollen nicht wie die Angehörigen der im
Jahre 1870/71 Gefallenen 30 Jahre lang darben und
entbehren, sie sollen heute schon die Beruhigung haben,
daß sie nicht wie die andern mit Nahrungssorgen zu
kämpfen haben zum Danke dafür, daß sie ihr Theuerstes
dem deutschen Reiche geopfert haben.
— Im Berliner Tagebl. wird die Zweckmäßigkeit der
Entsendung der ersten Division des Panzergeschwa-
ders nach China bezweifelt. Die Division sei der
werthvollste Theil unserer heimischen Vertheidigungsflotte;
in China aber könne sie kaum zur Geltung kommen. In

Die Irre von Sankt Rochus.
Kriminalroman von Gustav Höcker.
33) (Fortsetzung.)
Wie cs ihr gelungen war, ihre Flucht unbemerkt zu be-
werkstelligen, ließ sich unschwer erklären. In dem Hofe,
Welcher ihr mit der untersten Klasse ihrer Unglücksgefährtinnen
zum Spaziergänge angewiesen war, hatte es an diesem Tage
Unen furchtbaren Tumult gegeben. Eine der beiden
/Wärterinnen, welche die Aufsicht führten, hatte sich an einer
?sr widerspenstigen Irren thällich vergriffen und war von
Mer zu Boden geworfen und gewürgt worden. Ein großer
^heil der Irren ergriff Partei gegen die Wärterin, die all-
pkMein verhaßt war, und als die andere Wärterin ihrer hart
^drängten Kollegin beistehen wollte, wurde sie gewaltsam
/aran gehindert und sogar selbst bedroht. Sie stürzte fort,
männliche Hilfe herbeizuholen. In der Hast hatte sie
^.baessen, die in den Hof führende kleine Pforte hinter sich
wMer zu verschließen. Vielleicht hatte Konstanze dies zu-
Uchst nur benutzen wollen, um dem Tumulte zu entrinnen.
halte dann Korridore passiren müssen, wo sie jeden
Augenblick ungehalten werden konnte, sie halte sogar durch
Empfangszimmer gehen und darauf vertrauen müssen,
atz in demselben gerade Niemand gegenwärtig war. Aber
einmal so weit gekommen, ohne auf ein Hinderniß zu
,wtzen, stand ihr allerdings der Weg zur Freiheit offen. Aus
em Empfangszimmer führten ein paar steinerne Stufen in
.men kleinen Blumengarten, und die niedere Hecke, welche
^Melden einsäumte, war leicht zu übersteigen, denn daß ein
Insasse der Anstalt bis h lerher gelangen konnte, war nicht voraus-
Fna " gewesen und nur in einem so außergewöhnlichen
<aaue denkbar, wie er sich beute ereignet hatte.
Weibertumult im Hofe hatte durch die Hinzukunst
evrerer herbeigerufener Wärter nur noch größere Dimensionen

/ angenommen. Es war zu Szenen der wildesten Wuthaus-
brüche gekommen. Viele der nicht Betheiligten wurden von
dem allgemeinen Taumel angesteckt, der nahezu in eine be-
denkliche Meuterei ausartete. Ehe die Ruhe wieder hergestellt
werden konnte, ehe man die Rasenden wieder in ihren Zellen
untergebracht, den Verwundeten die nöthige Hilfe geleistet
hatte, waren Stunden vergangen. Da erst wurde Konstanze
vermißt. Nach verschiedenen Richtungen wurden sosort An-
staltsbeamte ausgesandt, um die Flüchtige zu suchen. Aber
sie hatte einen bedeutenden Vorsprung, und rings um St.
Rochus breiteten sich dichte Wälder aus. welche die Ver-
folgung sehr erschwerten. Einige der ausgesandten Boten
kehrten am Abend zurück, ohne eine Spur entdeckt zu haben,
andere ebenso am nächsten Tage. Noch befanden sich einige
der zuverlässigsten und erprobtesten Leute unterwegs, während
der dritte Tag ergebnißlos verging.
Doktor Gerth verbrachte die Zeit in einer Gemüths-
stimmung, die um so verzweifelter war. als er für die Flüchtige
nicht das Geringste thun konnte. Er mußte am Tage seinem
Dienste nachgehen, seine vollkommene äußere Ruhe bewahren
und sich mindestens den Anschein des Gleichmuihs geben, !
wenn seine Kollegen den Fall als ein für eine Staatsanstalt >
wie St. Rochus höchst unangenehmes Ereigniß erörterten.
Oft trat er in Konstanzes Zelle, aus welcher die ihm so
theure Gestalt entschwunden war, und faltete die Hände, um
sie inbrünstig Gottes Schutze zu empfehlen. In furchtbarer
Seelenangst verbrachte er die Nächte, wo ihm die Gefahren,
denen das schwache, schutzlose Mädchen ausgesetzt war, in um
so schrecklicherer Gestalt erschienen.
Er fühlte, er wußte es: ihre Flucht war ein Opfer,
welches sie ihm brachte. Sie hatte es gewagt, auf Tod und
Leben, die einzige Möglichkeit, ihm anzugehören, zu ergreifen, l
Er sollte frei sein von jeder Mitschuld von jeder Verant-
Wörtlichkeit, — sie wollte dieFolgen des etwaigen Mißlingens
auf sich allein nehmen. Er erkannte diese Absicht und er-
blickte darin den höchsten Beweis ihrer Liebe, den sie ihm
hälte geben können. Er konnte nichts thun, nichts, als den !

Ausgang des kühnen Unternehmens abzuwarten. Jedes
Läuten der Glocke draußen durchzuckte ihn wie ein Dolchstoß:
ob man sie brachte, die Geliebte, lebendig, um nun unter
verschärfter Bewachung ein Jammerleben weiterzufristen,
oder todt, um auf dem kleinen Friedhose in die Erde gebettet
zu werden? Auch in der Nacht lausche er mit pochendem
Herzen, und oft gaukelten ihm seine überreizten Nerven
den Ton der Glocke ins Odr, und er sprang von seinem
Lager aus und horchte mit angehaltenem Athem in die
dunkle Nacht hinab, ob sich Tritte oder Stimmen vernehmen
ließen.
Eines wußte er ganz genau: war sie an sicherem Orte
geborgen, so würde sie ihm schreiben, wo sie ihn erwartete,
um an seiner Seite die Flucht in die weite Welt fortzusetzen
um sein Weib zu werden. . . .

Es war Morgens neun Uhr. Im Wohnzimmer des Herrn
Titus Allram wirthschastete eine alte Frau umher, welche
sein kleines Hauswesen besorgte, während ein Sprudeln,
Wasserglucksen und Gurgeln, welches aus der halboffenen
Thür des Schlafzimmers hervordrang, verrierh, daß Allram
eben noch mit seiner Toilette beschäftigt war.
„Da werden Sie diesmal wohl lange ausbleiben?"
unterhielt sich die Alte mit ihrem Herrn, in ihrer Be-
schäftigung fortfahrend, und rückte einen großen schweren
Reisekorb zur Seite, der ihr beim Fegen des Zimmers im
Wege stand.
„Sehr wahrscheinlich," klang die Antwort heraus. „Es
kann Monate dauern."
„Geht die Reise weit?"
„Oh, sehr weit. Frau Schubert; in ein Land, wo
Menschen, Thiere, Bäume, Häuser ganz anders aussehen, als
hier bei uns."
„Potztausend!" wo Sie doch überall in der Welt herum -
kommen!" rief die Frau.
(Fortsetzung folgt.)
 
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