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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203-227 (01. September 1900 - 29. September 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37614#0293

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g. Erscheint täglich,
onntags ausgenommen.
Preis
""t Familienblättern
. monatlich 50 Pf.
Ul s Haus gebracht,
fch die Post bezogen
»u«?l?^jährl. 1.25 Mk.
schließlich Zustellgebühr.

^nsvrech-

Anschluß Nr. 82.




Fttitiz, Le« 21. Scplcmbcr

JnsertiMsgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82

I90V.

Bestellungen
^ die Heidelberger Zeitung für das IV. Vierteljahr
erden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den Agenten,
n ^ °en Trägern in der Stadt, sowie in der Expedition,
ntere Neckarstr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
Fracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vierteljährlich
^Zustellgebühr Mk. 1.65.

Die Vorgänge in China.
d Das Rundschreiben der deu tschen Re gierun g wird
n dem Petersburger Herold und der Petersburger Börsen-
in zu stimmendem Sinne besprochen. Es er-
hieraus die Hoffnung, daß auch die russische Re-
s Erring die Auslieferung und Bestrafung der Haupt-
hMdigei, als ein Ding der Nothwendigkeit ansehen und
^bieranf gerichtetenVerlangenDeutschlands zustimmen wird,
s. Bcmerkcnswerth ist, mit welcher warmen Anerkennung
b^zösische Plätter die Zirkularnote des Herrn v. Bülow
sprechen. So schreibt neuerdings der Temps: „Seit
w°chen erwartete mau ein beruhigendes Wort, und das
r^lrdsch rxjben Bülows ist dazu angethan, diese B e-
dj ltigung hervorzurufen. Es zeigt, daß die Mächte
»ick ^Esemlichen Bedingungen des zu lösenden Problems
d aus dem Auge verloren haben. Es bezeugt ferner
y Borhandensein eines grundsätzlichen Einverständnisses
die n, Mehrzahl der Verbündeten. Es zerstreut endlich
H.Befürchtungen, die gewisse Auslegungen eines seitens
Ar °^nds erfolgten Schrittes hatten entstehen lassen."
"wem alsdann der Temps den Text der Note in diesem
j^"Ue erörtert hat, erklärt er: „Sie hat das Verdienst,
mit einer Genauigkeit ohne gleichen
djx '^llen. Sie bietet außerdem eine vorbereitende Lösung,
ly »rit der Strenge, deren Europa sich nicht entschlagen
^ ohne auf immer seinen Kredit in China zu verlieren,
bj.,?"ige Milde gegen die Kleinen und Schwachen ver-
Ei, die das schönste Erbtheil der Civilisation sein maß.
x-sit deshalb zu hoffen, daß die Mächte ihr
^inimig zustimmen."
2()^ch Berichten aus Washington, sollte dort am
i>jx g Eine Cabinetssitzung startfinden, in der über
d, Antwort auf das deutsche Rundschreiben
ekll Bestrafung der Rädelsführer in China

b-fT^uß gefaßt werden sollte. Das Resultat ist noch nicht
E»Nnt.
China selbst liegen heute Nachrichten von Belang
j>j^ dor. Wie das Reutcr'sche Bureau meldet, hätten
Aj, Berbündcten am 19. ds. die Peitangforts, die 15
^«Nieter von den Takuforts entfernt liegen, angegriffen. Nach
s°li^ anderweitigen, aber noch unbestätigten Nachricht
sich ^e Forts eingenommen worden sein. Wie man
Erinnern wird, haben die Russen vor einiger Zeit
^vergeblichen Versuch gemacht, die Forts zu nehmen.
Shanghai hat die Meldung, daß der deutsche
Ijx/r vor Eintritt in die Verhandlungen die Aus-
i»jji.Erung der Anstifter zu den Verbrechen
»Hs ^E, hohe Befriedigung hervorgcrufen. Wie
ivll ^"nghai vom 19. ds. Mts. weiter gemeldet wird,
un g - Tsch a n g am Abend dieses Tages vor
eingctroffen sein.
der Standard erfährt, kam ein höherer Mandschu-
der Provinz Annan am 9. d. M. mit 8000
tzcho „der Provinz Hunan in Talungfu in der Provinz
dq^vsj und theilte der Ka i se r in-Witt we mit,
dix voch größere Truppenmassen sich unter-
»L? befänden. Die Kaiserin hat dem Danke für die

ihr von den Vizekönigen und Gouverneuren erwiesene Treue
Ausdruck gegeben.
In Nanking gewinnt nach angeblichen glaub-
würdigen Meldungen aus chinesischer Quelle die
fremdenfeindliche Partei im Gegensatz zu den
dortigen Vizekönigen an Einfluß.

Deutsches Reich.
— Oberstleutnant Gerding, der im Aufträge der
deutschen Colonialverwaltung die afrikanischen Eisen-
bahnen bereist hat, hielt darüber einen Vortrag im Ver-
ein für Eisenbahnkunde in Berlin. Er erklärte, daß an-
gesichts der Anstrengungen, die jenseit der deutschostafrikani-
schen Grenze gemacht würden, um durch Eisenbahnen den
Handelsverkehr des deutschen Schutzgebietes nach außerhalb
abzulenken, mit dem Bau der Centralbahn nicht gezögert
werden dürfe, es sei eine Lebensfrage für das Schutzgebiet.
Bremen, 20. Sept. Nach BösmannS Bureau nahm der
Passagierverkehr über Bremen in der letzten Woche eine
noch nie dagcwesene Ausdehnung an. Die bedeutendste Ziffer
zeigt die lausende Woche, in der einschließlich des am nächsten
Samstag abgehenden „Großen Kurfürsten" allein nach New-
Uork 2328 Cajüt- und 3235 Zwischendeckpassagiere befördert
werden. Eine riesige Zahl der Fahrgäste verteilt sich auf die
einzelnen Dampfer und zwar auf „Aller" 322 Cajüt- und 276
Zwischendeckpassagiere, „Friedrich der Große" 546 und 1043.
„Kaiser Wilhelm der Große" 805 und 941, „Großer Kurfürst"
655 und 1275. Sämmtliche vier Dampfer waren bis auf den
letzten verfügbaren Platz besetzt.
Sachsen. Dresden, 20. Sept. Nach der feierlichen
Einsegnung wurde die Leiche des Prinzen Albert
Abends 8 Uhr in die Hofkirche übergeführt. Der König
mit den fremden Fürstlichkeiten erwarteten den Sarg am
Hauptportale, der von 12 Unteroffizieren getragen wurde.
Der König, die Prinzen und fremden Fürstlichkeiten schritten
dicht hinter dem Sarge, während die Königin und die
Prinzessinnen im Oratorium der Feier beiwohnten. Sämmt-
liche Trauerceremonien vollzog Prinz Max, der
Bruder des Verstorbenen. Nach Schluß der Feier wurde
der Sarg in die Familiengruft gesenkt.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Hof-Ansage. Wegen Ablebens Seiner Königlichen
Hoheit des Prinzen Albert Karl Anton Ludwig Wil-
helm Bictor von Sachsen und Seiner Großherzoglichen
Hoheit des Prinzen Heinrich Ludwig Wilhelm Adal-
bert Waldemar Alexander von Hessen und bei
Rhein legt der Großherzogliche Hof von heute an die Trauer
auf 10 Tage bis zum 30. September einschließlich, für beide
gleichzeitig, nach der 4. Stufe der Trauerordnung an. Karls-
ruhe, den 21. September 1900. Großhcrzogliches Oberstkammer-
Herrn-Amt. Freiherr von Gemmingen.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog habendem
Staatsminister, Präsidenten des Staatsministeriums und Minister
der Justiz, des Kultus und Unterrichts, Dr. Nokk die Kette
zum Grobkreuz des Ordens Berthold des Ersten verliehen und
dem Königlich Bayrischen Bahnhofverwalter Wilhelm Ahrendts
in München das Ritterkreuz zweiter Klasse des Ordens vom
Zähringer Löwen verliehen, die unterm 13. Juli d. I. ausge-
sprochene Ernennung des Bezirlsassistenzarztes Dr. Jul. Blume
in Philippsburg zum Bezirksarzt in Sinsheim auf dessen An-
suchen zurückgenommen, den Bezirksarzt Dr. Karl Riesterer
in Eppingen in gleicher Eigenschaft nach Sinsheim versetzt und
den praktischen Arzt Dr. Josef Wohl fahrt, in Mosbach zum
Bezirksarzt in Eppingen ernannt.
— Dem Aktuar Emil Müller beim Bezirksamt Bruchsal
wurde die etatmäßige Stelle eines Amtsrevidenten übertragen.
— Die Amtsrevidenten August La ist beim Bezirksamt
Schwetzingen und Eduard Merkel beim Bezirksamt Ettlingen
wurden zu Revisoren ernannt.

Ausland.
Afrika. Von Lord Roberts ist aus Belspruit in
London die Meldung eingegangen, daß von 3000 Buren,
die sich nach Koomatipoort zurückgezogen, 700 die

portugiesische Grenze überschritten hätten. Die
übrigen zerstreuten sich, nachdem sie die schweren Ge-
schütze und die Feldgeschütze zerstört hatten. Vom Buren-
heer se! nichts mehr übrig geblieben als einige marodirende
Banden. (?)
Lorenzo-Marquez, 19. September. Die Buren
setzten einen Ausschuß ein, welcher die aus Trans-
vaal ankommenden Flüchtlinge empfangen und
mit Nahrungsmitteln versehen soll. Den fremden Consuln
wurde mitgetheilt, daß man erwarte, sie würden sich ihrer
aus Transvaal kommenden Landsleute annehmen. (Hier-
nach haben die Transvaaler die Hoffnung, das englische
Joch abschütteln zu können, aufgegeben.)

Preßstimmen über den Rücktritt Eisenlohrs.
Die Konst. Ztg. schreibt: Wohl bleibt Dr. Nokk,
dessen liberale Gesinnung über jeden Zweifel erhaben ist,
verantwortlicher Leiter der badischen Regierung, und auch
der Nachfolger Eisenlohrs, Geh. Rath. Schenkel, steht
durchaus auf dem Boden der liberalen Grundsätze; aber
die milde Tonart im Ministerium, wie sie bisher schon
durch die Minister Nokk, v. Brauer und Buchenberger
vertreten wurde, erfährt jetzt eine Verstärkung und wird zur
alleinherrschenden. Von einem politischen Systemwechsel in
Baden kann auch nach dem Rücktritt Dr. Eisenlohrs selbst-
verständlich keine Rede sein. Aber mag auch der liberale
Zettel im bad. Ministerium derselbe bleiben, der Einschlag
hat eine sanftere Färbung erhalten; und wenn sich dies
künftig in weiteren Zugeständnissen au das Centruin, etwa
in der Genehmigung einzelner Männerklöster, äußern sollte,
so wäre das nur der Reflex der versöhnlicheren und staats-
männischeren Haltung, welche die Centrumsfraktion auf dem
letzten Landtag unter dem Einfluß des Landgerichtsdirektors
Zehnter einnahm. Daß den Rücktritt des Ministers Eisen-
lohr nicht etwa i ?s diktatorische und rücksichtslose Auftreten
Wackers oder gar die Obstruktionspläne der radikalen Par-
teien erzwungen haben, versteht sich von selbst; als vor 2
Jahren die Opposition durch derartige parlamentarische
Druckmittel einen Ministerwechsel durchzusetzen suchte, wurde
knapp und klar in der Karlsr. Ztg. erklärt, daß die amtiren-
den Minister das vollste Vertrauen des Landesfürsten ge-
nießen. Aber was der Sturm im Landtag nicht erreichte,
das hat jetzt das stillere Säuseln im Centrums-
lager erreicht. Vielleicht darf man daran erinnern, daß
um dieselbe Zeit, wo jüngst Staatsminister Dr. Nokk
auf Mainau weilte, Frhr. Franz v. Bodman, der ver-
söhnliche Viccpräsidcnt der 1. Kammer, und Frhr. von
Stotzingen, der eifrige Verfechter der Centrumssache, zur
Großherzoglichen Tafel geladen waren. Es ist möglich,
daß diese zwei adeligen Vertreter des Centrums als Vor-
aussetzung für einen naoäus vivonäi, für ein ersprießliches
Zusammenarbeiten der beiden großen Parteien des Landes,
das Ausscheiden des Ministers des Innern bezeichneten.
Als Gegenstück dazu hätte dann jedenfalls die Regierung
sich ausbedungen, daß fortan die Centrumsfraktion, statt
im Fahrwasser von Wackers Jntransigententhum zu segeln,
fortan im Geiste Zehntels und Lenders thätig ist. Damit
würde sich die Parteikonstellation in Baden erheblich ver-
schieben; das klerikale Bündniß mit der Sozialdemokratie
müßte sich wohl lösen und das parlamentarische Leben
dürfte sich in unserem Einzelstaat etwas friedlicher gestal-
ten. Wenn da in deu letzten Jahren vielfach schwüle Ge-
witterstimmung herrschte, so hat hiezu auch das scharfe
Temperament des Ministers Eisenlohr ein klein wenig bei-
getragen. Natürlich mindert dieses Zugeständniß nicht im
Mindesten die große und lebhafte Anerkennung, welche dem

Lj

Das 0orpa8 üvlieti
Novellette von Reinhold Orttnann.
^ (Fortsetzung.)
^ Eine Minute verging, che die Antwort erfolgte, zögernd
werkwürdig gepreßter Stimme,
ich kenne es."

^-Sie

geben zu, daß cs das nämliche ist, welches
dem Lederwaaren-Fabrikanten Wellhausen gekauft
Ja."
hatten es zu einem Geschenk bestimmt — nicht
^es^ulein Ilses Stimme wurde immer leiser und der
E»ssag hatte, obwohl er nicht mehr von seinen Akten
die Empfindung, daß ihr Blick noch beständig auf ihn
^ie"?»hr wohl! So werden Sie mir nun auch sagen, wem
K D.e Wenkt haben."
Näitzf. '»eiragte schwieg wie in einem schweren inneren
ll^Nlin'n < aber überraschte sie die beiden in äußerster
^>liak-i. lauschenden Herren durch die mit erstaunlicher
, abgegebene Erklärung:
kann mich dazu nicht für verpflichtet halten, so
^ Nicht gesagt ' - - - .

lechem Recht" man eine

worden ist, zu welchem Zweck und
solche Auskunft von mir ver-

^lei-/. Antersuchnngsrickter räusperte sich. Er mochte
- dei der Vernehmung bisher nicht gerade mit
hi 'ö di-t° ^ichicklichkett zu Werte gegangen war, und da
^Ektr^. Er Hinsicht vielleicht überhaupt nur ein mäpiges
" äu seiner Besähigun» hatte, zog er es vor. dem

Wunsche der Zeugin zu entsprechen, und ihr offen darzulegen,
weshalb ihre Aussage von Hoher Wichtigkeit sei.
Er erzählte ihr von der muthmaßlichen Ermordung des
Waldhegers Birkner und von den Verdachlsgründen, die
nach seiner unerschütterlichen Ueberzeugung dafür sprachen,
daß kein anderer als der Besitzer des am Thawrle ausge-
fundenen Visitenkartentäschchens der Mörder gewesen sei.
Daß seine Eröffnungen eine tief erschütternde, ja, eine
geradezu niederschmetternde Wirkung auf das junge Mäd-
chen hervorbrachten, konnte ihm nicht entgehen. Die vorige
Gluth aus ihren Wangen war einer um so tieferen Blässe
gewichen, ihre Lippen zuckten und ihre weit geöffneten Augen
batten einen fast beängstigenden Ausdruck namenlosen Ein-
setzens angenommen. Aber diese entsetzten Augen Idingen
seltsamer Weise nicht an den Lipven des Sprechenden oder
an dem verhängnißvollen Oorxns äslloti, sondern unverwandt
an dem Antlitz Walter Karstedt's, der sich dadurch um so
mehr beunruhigt sühlle, als er bemerkte, daß ihn auch der
durch dies sonderbare Benehmen der Zeugin befremdete Land-
gerichtsrath wiederholt eigenthümttch prüfend ansah.
„Sie wissen nun alles, mein Fräulein, was ich Ihnen
nach dem gegenwärtigen Stande der Dinge über die Ange-
legenheit zu sagen vermag," schloß der alte Herr in zugleich
eindringlichem und freundlichem Tone seine Rede, „und ich
bin überzeugt, daß Sie nicht einen Augenblick in Versuchung
fein werden, sich durch ein Verschweigen der Wahrheit zur
Mitschuldigen des UebelthäterS zu machen. Wer auch immer
es sein mag, der dieses Täschchen von Ihnen empfing —
Sie werden uns jetzt seinen Namen nennen. Ist er schuldlos
an dem hier jetzt in Rede stehenden Verbrechen, so wird es
ihm ja nicht schwer fallen, den Beweis für die>e Schuld-
losigkeit zu erbringen. Sind aber, wie wir fast als gewiß
annehmen müssen, seine Hände mit dem Blute des unglück-
lichen Waldhegers befleckt, so hat er wahrlich keinen An-
spruch aut Ihre Theilnahme und Ihre Schonung. — Also
sprechen Sie, mein tteves Fräulein I Sie jeyen, der Herr ^

Protokollführer wartet bereits darauf, Ihre Aussage nieder-
zuschreiben."
Aber Fräulein Ilse schwieg. Ihr Busen wogte stürmisch,
und es war ihr anzusehen, daß sie verzweifelt kämpfen mußte,
um nicht in lautes Weinen auszubrechen. Bei der Erwähnung
des Protokollführers hatte sie, wie auf einem schweren Un-
recht ertappt, mit erschrecktem Zusammenzucken ihren Blick
rasch von ihm abgewendet, um ihn voll rührenden Flehens
zu dem Gesicht des Landgerichtsraths zu erbeben. Aber
Ihre zitternden Lippen vermochten keinen Laut hervor
zu bringen, und erst als der Unteriuchungsrichter in gütigstem
Tone und in immer beredteren Worten seine Frage noch
zweimal wiederholt hatte, sagte sie in kaum vernehmlichem
Flüstern:
„Haben Sie Mitleid, mein Herr! — Ich darf — ich kann
es ja nicht sagen."
Und bei dieser überraschenden Weigerung beharrte sie,
was auch immer der Herr Rath ihr Vorhalten mochte, um
sie zum Sprechen zu bewegen. Sobald er in Erwartung
ihrer Antwort inne hielt, nachdem er sich eine Viertelstunde
lang fast heiser geredtet, kam immer das nämliche: «Ich kann
nicht!" von ihren Lipven. Und es hatte auch kein besseres
Ergebniß. als der Untersuchungsrichter, nachdem er umsonst
alle Register des gütigen Zuspruchs und der sanften Ueber-
redung gezogen, zuletzt seine Zuflucht zu energischer Auf-
forderung, ja. selbst zu beängstigenden Drohungen nahm.
„Vielleicht ist eS Ihnen nicht bekannt, mein Fräulein,"
sagte er streng, „daß das Gesetz für den Fall einer unbe-
rechtigten Zeugniß-Verweigerung sehr empfindliche Zwangs-
mittel vorsieht — Zwangsmittel, die unter Umständen in einer
langen Gefängnißhaft bestehen können. ES würde mir um
Ihretwillen leid rhun, wenn Sie mich durch eine fortgesetzte
Weigerung, den Namen der betreffenden Persönlichkeit zu
nennen, zur Anwendung dieses Gesetzes nöthigten."
(Fortsetzung folgt.)
 
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