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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 281-304 (01. Dezember 1900 - 31. Dezember 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37614#0631

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Xr. 286. Erker Blatt. Keilas, Lea 7. Dklmber

1900.

Die Abreise Krügers von Köln.
Gestern, Donnerstag, wüthete in der frühen Morgen-
stunde ein gewaltiger Orkan über Köln und Um-
gegend, der zahlreiche Dächer abdeckte und Bäume ent-
wurzelte. Die Feuerwehr wurde zwölf Mal zur Hilfe-
leistung herbeigeholt. Es herrschte also kein günstiges
Wetter dort. Das mag der Grund sein, weshalb die
Abreise Krügers viel stiller von Statten ging als die An-
kunft. Wenigstens muß man dies aus den vorliegenden,
ziemlich farblosen Berichten schließen.
So berichtet man der Frks. Ztg.: Krüger ist bereits
vor 10 Uür in einem Sonderzug nach dem Haag abge-
reist. Den Weg zum Bahnhof hielt wiederum eine zahl-
reiche Menschenmenge besetzt, während auf dem Bahnsteig
nur wenigen Personen der Zutritt gestattet worden ist.
Der Alldeutsche Verband ließ Krüger durch ein Kind unter
entsprechenden Glückwünschen für die Weiterreise ein
Blumenarrangement überreichen, worauf der Präsident den
Wagen bestieg. Er grüßte solange die Anwesenden, bis
der Sonderzug aus dem Gesichtskreis entschwunden war.
Kaufmann Karl Lemmen richtete Namens des Kölner
Burenkomitös vor der Abreise herzliche Worte des
Abschiedes an den scheidenden Präsidenten und betonte,
daß Kölns Bürgerschaft sich überaus glücklich gefühlt habe,
den Präsidenten unter sich zu sehen. Sie sei einig in den
Wünschen, daß es mit Hülfe des Allmächtigen sowie der
hohen Politik ihm recht bald vergönnt sein möge, das
heißgeliebte Vaterland wiederzusehen und dort die Stelle
einzunehmen, die ihm gebühre.
Der Bericht des Wolff'schen Bureaus erzählt: Die
Polizei hatte umfassende Maßregeln getroffen, um einen
großen Andrang des Publikums zu verhindern. Der
Bahnsteig selbst war abgesperrt, dagegen waren die dem
Publikum zugänglichen Perronsteige an den Seiten dicht
besetzt. Als Krüger erschien, erschollen stürmische Hoch-
rufe, welche bei Abfahrt des Zuges sich mehrfach wieder-
holten.
Die uns in diesem Augenblick vorliegenden Berichte
verfolgen die Reise des Präsidenten bis zur holländischen
Grenze. Auf allen deutschen Stationen, wo der Zug
hielt, namentlich in Oberhausen und Düsseldorf, ist Krü-
ger sehr lebhaft begrüßt worden. Im ersten holländischen
Ort, in Zevenaar, war feierlicher Empfang.
Man wird jetzt, da Krüger den deutschen Boden ver-
lassen hat, über seinen ganz plötzlich in Paris gefaßten
Entschluß, Deutschland zu besuchen und über Alles, was
damit zusammenhängt, anfangen, ruhiger, leidenschaftsloser
zu urtheilen. Bemerkcnswerth ist, daß die Köln. Ztg., die
doch den durch Köln rasenden Begeisterungssturm für Krü-
ger gesehen hat. sich ganz auf die Seite des Auswärtigen
Amts stellt und ihm dafür dankt, daß er dem Sturm
widerstanden hat. Das rheinische Blatt weist darauf hin,
daß die französische Republik nicht die Kraft gehabt habe,
der Bewegung für Krüger Stand zu halten. Andererseits
habe sie Krüger durchaus nicht als Souverän, sondern nur
als Privatmann empfangen. Es liegt auf der Hand, so
führt das Blatt weiter aus, daß es im wesentlichen dem
französischen Interesse gedient hätte, wenn Herr Loubet
hierin nicht vereinzelt geblieben wäre, wenn seinem Beispiel
auch der deutsche Kaiser gefolgt wäre. Der deutsche Kaiser
und die deutsche Regierung haben aber ausschließlich deut-
scke Interessen im Auge und diese verlangen gebieterisch,
daß Deutschland nicht seine Finger an die Reibungsflächen
lege, die zwischen Frankreich und England bestehen. Herr
Dr. Leyds aber hatte das entgegengesetzte Interesse, ihm
lag daran, Deutschland an die Seile Frankreichs gegen
England zu treiben, und da er als wohlerfahrener Agita-

Ein Opfer.
Roman von B. Saworra.
Autorifirte Bearbeitung nach dem Englischen.

46)

(Fortsetzung.)

Als Juditb das Zimmer verließ und die Thür leise schloß,
kam Ellen auf den Zehen die Treppe herauf und fragte leise:
»Wie gebt cs Bertha?"
„Nicht viel besser." antwortete Judith traurig.
„Doktor Grävener ist hier gewesen, um sich nach ihrem
Befinden zu erkundigen. Das ist^doch sehr gütig und liebens-
würdig von ihm — nicht wahr?"
„Ist er schon fort?" fragte Judith schnell.
„Er geht eben." erwiderte Ellen; sie hörten seinen festen
Schritt in der Vorhalle.
Eine Minute später, als Grävener gerade das kleine
Gartenthor erreicht hatte, hörte er seinen Namen rufen. Er
Wandte sich schnell um.
„Fräulein Verrell," rief er angenehm überrascht. „Ich
Neue mich, Sie noch zu sehen, ich kam beute Abend haupt-
wchlich in der Hoffnung her, dazu eine Gelegenheit zu
ariden."

Er sprach sehr ernst, fast ehrerbietig.
^ „Ich habe Ihnen etwas — etwas zu sagen," begann Judith
ebenso ernst.
Sie standen sich gegenüber; es war so dunkel, daß Grä-
ben» kaum ihre Gesichtszüge unterscheiden konnte.
. „Fräulein Verrell, gestatten Sie mir, daß ich Ihnen vor-
ber sage, weßhalb ich gekommen bin. Ich glaube, ich
babe Ihnen ein schweres Unrecht zugefügt — in meinem
unverzeihlichen Jrrihum- Kann ich je auf ihre Vergebung
hoffen?-

tor wußte, daß bei der üblichen vorherigen Anfrage am
Berliner Hofe sein Ziel nicht erreicht worden wäre, so that
er den im diplomatischen Verkehr der Völker von allem
Brauch abweichenden Schritt: er veranlaßt- den Präsidenten
Krüger, sich unmittelbar und ohne vorherige Anfrage nach
Deutschland zu begeben, in der Hoffnung, durch solchen
indirekten Zwang sein Ziel zu erreichen. Deshalb sei
nochmals offen der Genugthuung darüber Ausdruck ge-
geben, daß unser Kaiser und der Reichskanzler Graf Bülow
auch nicht einen Augenblick gezaudert haben, den Besuch ab-
zulehnen, obwohl sie wußten, daß sie damit weite und gute
Kreise des deutschen Volkes, die keinen genügenden Einblick
in die wirkliche politische Lage haben, zunächst vor den
Kopf stoßen würden.

Deutsches Reich.
— Der Reichskanzler empfing zu längeren Kon-
ferenzen am 6. d. den württembergischen Finanzminister
v. Zeyer und tagszuvor den badischen Mimster des Aus-
wärtigen v. Brauer.
— Kapitän Lans telegraphirte seinen Verwandten in
Wesel, sein Bein sei soweit geheilt, daß er am 28. von
Jokohama die Heimreise an Bord des „König Albert" an-
treten werde.
Deutscher Reichstag. Berlin, 6. Decbr. Weiter-
berathung der Interpellation betreffend Kohlen-
t h e u e r u n g.
Preußischer Handelsminister Brefeld: Bei direkter Abgabe
von Kohlen werden gewerbliche Genossenschaften ebenso berück-
sichtigt wie landwirthschaftliche; nur haben letztere den Vortheil,
daß sie nur zwei große Veekaufsgruppen bilden, während die
gewerblichen Genossenschaften in viele kleinere Besteller zerfallen.
Verkaufsbureaus befinden sich für das Saargebtet in Saarbrücken,
für Oberschlesien in Zabrze. Redner wendet sich gegen die einzel-
nen Vorwürfe des Abg. Dr. Heim und betont, daß eine Ver-
anlassung, die Grubenbesitzer zur Eröffnung neuer Gruben anzu-
halten, niemals Vorgelegen hätte. Neue Gruben seien stets und
ständig in Angriff genommen und alte erweitert worden. Auch
jetzt seien 72 neue Anlagen in Vorbereitung.
Preußischer Verkehrsminister v. Th ielen: Schon am 28. März
sei der ziffernmäßige Nachweis erbracht worden, daß die Tarife
von dem wichtigen Saargebiete, beispielsweise nach Zürich, um
20 Mk. pro Tonne theurer sind, als auf gleiche Entfernung im
Inland, und um 18 Mk. von dem Ruhrgedlet. Auch die Gruben-
preise seien meist höher nach der Schweiz als im Jnlande.
Gegenüber dem Vorschläge des Grafen Kanttz könne sich Redner
nicht befugt halten, Tarifvergünstigung zu gewähren, die mit den
Frachtverträgen in keiner Beziehung stehen.
Abg. Sachse (Soz.): Aus dem sächsischen Kohlengebiet seien
Massenltefernngen nach Oesterreich gegangen, die gradezu deutsch-
feindlich genannt werden müssen. Die Kohlengewinnung werde
immer schwieriger, trotzdem sind die Bergleute fleißiger denn je;
ihre Jahresleistungen sind gestiegen. Die Kohlennoth habe
hauptsächlich das Kohlensyndikat herbeigeführt. Schließlich seien
die Grubenbesitzer, die dem Centrum angehören, grade so wie
Juden und Syndikate zur Preissteigerung geschritten- Krupp
habe allerdings auf „Zeche Hannover" eine Villenkolonie gebaut,
dafür aber 10 Proz. von den Arbeitslöhnen, im Ganzen 300000
Mark abgezogen. Dafür könne man sich als Wohlthäter der
Menschheit aufspielen und Monarchen zu Gaste laden. (Hört!
Hört!) Viele Abgeordnete seien an der Grubenindustrie be-
theiligt. v. Kardorff habe als Aufsichtsrath der „Laurahütte"
27 Proz. bekommen.
Präsident Graf B a l l e st r e m bittet, nicht auf die Privat-
verhältniffe der Abgeordneten einzugehen.
Abg. Sachse schließt mit der Forderung, daß wenn man der
Kohlennoth Vorbeugen und für die Arbeiter sorgen wolle, man
für Verstaatlichung des Kohlenbergbaues eintreten müsse.
Sächsischer Bundesrathsvevollmächtigter Fischer: Der Erlaß
eines Ausfuhrverbotes noch Oesterreich sei gesetzlich unmöglich.
Die Regierung habe, als die Kohlenfrage brennend wurde, alles
Mögliche gethan, die Kohlenarbeiterausstände hätten nur losen
Zusammenhang mit der in Rede stehenden Frage. Sie wurden
vielleicht nicht mit Absicht inscenict, aber doch mit dem Erfolg,
daß die Kohlennoth dadurch vermehrt wurde.
Abg. Gamp (Reichspartei): Die Kohlennoth wäre auch
ohne Syndikat entstanden; sie war hervorgegangen aus

der internationalen Conjunctur. Das Syndikat, an sich
eine verdienstliche Gründung, habe seine Aufgabe allerdings
nicht voll erfüllt nämlich die deutsche Industrie mit zweck-
entsprechenden Kohlen zu entsprechenden Preisen zu versorgen. Viel-
leicht könne der Minister doch die Händler mit commissionsweisem
Verkauf von Kohlen betrauen.
Preußischer Handelsminister Brefeld: Alle Bergbehörden
hätten sich dagegen ausgesprochen, den Händlern den commisstons-
weisen Verkauf von Kohlen anzutragen, denn sie sagen mit Recht,
für uns ist die Hauptsache, daß wir den Ueberschuß an die Händler
los werden.
Abg. Dr. Pach nicke (freist Vg.): Ausfuhrverbote seien
glücklicherweise durch die Handelsverträge unmöglich. Der Vor-
schlag Kanitz, die Preise indirekt durch den Staat feststellen zu
lassen, sei undurchführbar.
Morgen 1 Uhr: Weiterberathung und Rechnungssachen.
Baden. In der Landes-Ztg. giebt der frühere Minister
Eisenlohr'folgende Erklärung ab:
Ueber die Gründe meines Rücktritts hat das seiner Zeit
veröffentlichte Schreiben, durch welches S. K. H. der Großher-
zog meinem Entlassungsgesuch gnädigst entsprach, vollen Aaf-
schjuß gegeben. Gleichwohl sehe ich mich durch Vorkommnisse
auf dem Handelstage zu der Erklärung veranlaßt, daß ich um
meine Entlassung gebeten habe, weil ich meine Gesundheit nicht
für ausreichend erachten konnte, um auf dem nächsten Landtag
in der insbesondere durch die vorauszusehende Aenderung der
Stellung der liberalen Fraktion erhöhten Schwierigkeit der
politischen Lage die Großh. Regierung mit der meines Er-
achtens gebotenen Entschiedenheit zu vertreten.
Baden-Baden, den 6. Dez.
E i s e n l o h r.
Bemerkt sei hierzu, daß sein Nachfolger auf dem Ban-
kett des Handelstags nach dem Bericht der Karlsr. Ztg.
folgenden Grund des Rücktritts Eisenlohrs angegeben hatte:
Nahe dem 70. Lebensjahre ist mein Herr Vorgänger zurück-
getreten, um nach langer aufreibender Thätigkeit in der Ver-
waltung und harten politischen Kämpfen die ihm noch beschie-
denen, hoffentlich recht zahlreichen Jahre zwar nicht in der
Muße, aber in der Stille des Familienlebens zu verbringen.
Anderer Gründe, um sein Ausscheiden zu erklären, bedarf es
nicht; mit ihm hat nur die Person, nicht das Regierungssystem
gewechselt.
— Das sozialdemokratische Gemeindepro-
gramm, dessen Kennzeichen die offene Hand ist, stößt
im sozialdemokratischen Lager selbst auf eine scharfe Kritik.
So schreibt im Volksfreund ein Genosse: Der Programm-
entwurf ist so unbestimmt in seinen Ausdrücken, so mangel-
haft in der Form, so ungeordnet in der Zusammenstellung
der Forderungen wie nur irgend möglich. Ich glaube
nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte: lieber gar kein
Programm, als ein so wirres Durcheinander! Wenn bei
den Sozialdemokraten selbst über das Programm so geur-
theilt wird, dann können sich die bürgerlichen Parteien die
weitere Kritik zunächst sparen.
— Zu der ersten Notiz der Straßb. Post über die
Wahlreform-Rede des Ministertalpräsidenten Schenkel
bemerkt der Beobachter:
Es ist sehr ausfallend, daß der neue Minister des Innern
bei einem Festessen Gelegenheit zu einer solchen polnischen
Kundgebung gesucht bat. Im Uebrigen ist nunmehr Klarheit
über die zu erwartende Haltung der Regierung geschaffen»
wlls Jemand im Unklaren war. Wir stehen in dieser Be-
ziehung genau da, wo wir 1894 gestanden sind.
In der gleichen Nummer des Blattes beginnt der
Beob. den Inhalt der Rede nach dem Bericht der Karlsr.
Ztg. wiederzugeben.
Württemberg. Stuttgart, 6. December. Nach dem
vorliegenden amtlichen Ergebniß der Landtagswahlen
ind 37 Abgeordnete gewählt worden, nämlich 16 des
Ccntrums, 8 der Volkspartei, 5 der deutschen Partei, 4
Conservative und vom Bund der Landwirthe, 2 Wilde,
2 Sozialdemokraten. 33 Stichwahlen sind erforderlich.
In die Stichwahlen kommen von der Volkspartei 23, von
der deutschen Partei 19, von den Sozialdemokraten 10,
Conservative und Bund der Landwirthe 8, vom Centrum
6 Kandidaten. Der frühere Ministerpräsident Frhr. v.

„Wenn Sie nöthig haben, darum zu bilien — gewähre ich
sie Ihnen von Herzen," erwiderte sie mit zitternder Stimme.
„Es war zu natürlich, daß Sie den Jrrthum begingen. Wie
konnten Sie denn anders? Jetzt, Herr Grävener, habe ich
aber die Erlaubniß meiner Schwester, Ihnen die Wahrheit
zu sagen. Ich weiß, daß Sie ihr Vertrauen nicht mißbrauchen
werden."
„Warten Sie einen Augenblick," rief Georg hastig. „Er-
zählen Sie mir nichts unter dem Siegel der Verschwiegenheit.
Ich kann Ihnen nicht mein Wort geben, daß Mark in Un-
kenntniß über diese Vorgänge bleibt. Ich habe ihm durch
meinen Jrrthum. ebenso wie Ihnen, schweres Leid bereitet.
Wenn ich auch noch nicht klar in der Sache sehe, weiß ich
doch, daß ich ein großes Unrecht gethan habe, und daß es
meine Pflicht ist, Mark darüber aufzuklären."
„Was wollen Sie Mark sagen?" fragte sie zitternd.
„Alles," antwortete Georg. - -
„Er maa es erfahren," sagte sie. „Da Sie, Herr
Grävener. Mark und Foxlev dann wissen, daß Bertha
in jener Nacht in Summerlon war, muß ich Ihnen noch
etwas mehr darüber sagen. Bertha und ich vertrauen Ihnen
das Geheimnib an, mit der Bitte, daß außer Ihnen und
den beiden Herren niemals — niemals jemand davon
erfährt. Bertha war die Dame, die mit Hauptmann Pomerry
reiste. Er hatte sie dazu vermocht, mit ihm zu kommen.
Sie fühlte sich damals so unglücklich. Robert batte sie
grausam behandelt, — in einem schwachen Augenblick willigte
sie ein. Es war eine Tollheit — ein augenblicklicher Wahn-
sinn. Sie hat es schwer bereut, sie bereut es noch beute auf-
richtig —"
Sie hielt athemlos inne; dann fuhr sie fort: „Bertha
liebt ihren Gatten — sie liebt ihn von ganzer Seele
— leidenschaftlich — viel mehr, als er es verdient.
Er — er gehö.t nicht zu den Männern, die leickt ver-
geben. Er darf niemals — nie etwas von diesem Vorfälle
ahnen."

„Sie können darüber ruhig sein, Fräulein Verrell; Mark
muß alles wissen, Foxley einiges. Aber ich kann für Ihre
Ehre ebenso bürgen, wie für meine eigene; das Geheimniß
wird nie verrathen werden. Darf ich mir nur noch eine
Frage erlauben, Fräulein Verrell?"
„Bitte."
„Warum wünschten Sie Hauptmann Pomerry zu
sehen?'
„Er — er batte noch Briefe von Bertha," sagte Judith
leise- „Wenn sie gefunden worden wären, würde alles ans
Tageslicht gekommen sein."
Georg schwieg einen Augenblick, dann sagte er tief be-
wegt, indem er Judith ehrfurchtsvoll die Hand küßte:
„Wie tief beschämt stehe ich vor Ihnen, Fräulein Verrell l
Sie lehren uns, daß es Frauen giebt, die uns das Leben
auf Erden lieb machen — edle Frauen — opsermuthige —,
denen wir nur mit der höchsten Verehrung und Hochachtung
nahen."
(Schluß folgt.)

Literarisches.
—8 Katechismus des guten Tons und der
feinen Sitte von Constanze von Franken, 9. Auflage»
Max Hesse's Verlag in Leipzig. Preis geb. Mk. 2.50. Die
Verfasserin versteht es, die äußeren Formen, die sie auf das
sicherste und feinfühligste beherrscht, überall auf ihren sittlichen
Ursprung zurückzuiühren und mir Leben und Inhalt zu ver-
sehen, so daß das Buch sich nicht allein von vorzüglicher
Brauchbarkeit für alle erweist, die sich nicht ganz sicher auf
dem Gebiete des guten Tons und der feinen Sitte fühlen»
sondern zugleich ein in echtem Sinne bildendes Buch genannt
zu werden verdient-
 
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