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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150-175 (02. Juli 1900 - 31. Juli 1900)
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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

WelheM ZritiW.

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. 170.

Miltmch, dk» 25. Juli

ISO«.

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onf die Heidelberger Zeitung für die Monate August und
September werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern,
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gebracht; durch die Post bezogen für die Monate August
und September, wenn am Schalter abgeholt, 84 Pfg
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Die Borgänge in China.
Berlin, 2i. Juli, 4 Uhr 30 Min., Nachmittags.
Die Nordd. Allgem. Ztg. meldet: Der chinesische
Gesandte stellte am 21. d. M. dem auswärtigen
Amte eine Depesche des Kaisers von China an den
Deutschen Kaiser zu, worin er als einziges
Mittel zur Klärung der Lage die Beihilfe Deutsch
lands anruft und den Kaiser bittet, die Leitung
zu übernehmen und die früheren friedlichen Zustände
wieder herbei zu führen. In der Antwortnote vom
24. Juli lehnte Graf Bülow ab, die Depesche
dem Kaiser zu unterbreiten, solange nicht das
Schicksal der in Peking eingeschlossenen Gesandt-
schaften und der übrigen Fremden aufgeklärt sei,
die chinesische Regierung für die Ermordung v. Kettelers
Sühne gewährt und für ein dem Völkerrecht und der
Civllisation entsprechendes Verhalten genügend Ga-
rantie geleistet habe.
Die würdige Sprache des Herrn v. Bülow wird hoffent-
lich nicht verfehlen, in Peking Eindruck zu machen. Man
wird nach der Ablehnung, welche die Vermittlungsgesuche
des chinesischen Kaisers überall gefunden haben, wohl end-
lich in Peking Ansehen, daß die Mächte sich nicht zum
Narren halten lassen. Auch Amerika macht die Vermitt-
lung von Bedingungen abhängig, die höchst wahrscheinlich
denen der anderen Mächte entsprechen. Vom Kaiser
von China persönlich ist ja entschuldigend anzunehmen,
daß er die Macht nicht in Händen hat. Er ist be-
kanntlich resormfreundlich; wäre er im Besitz der Ge-
walt gewesen, dann wären die Dinge nicht so ge-
kommen, wie sie gekommen sind. Für die Mängel bei
der diplomatischen Action, die jetzt unter seinem Namen
begonnen hat, ist er persönlich auch nicht verantwortlich
Su machen, sondern die Regierung, die vermuthlich wieder
w den Händen der Kaiserin Wittwe liegt.
Wie der Hamb. Corresp. meldet, ist nach einem Tele-
gramm aus London das Personal der Gesandten in Pe-
king wohlbehalten auf dem Wege nach Tientsin.
Das Gleiche wird von Pariser Blättern aus London —
sslso wohl aus der gleichen Quelle — gemeldet. Sollte
sich diese Nachricht bestätigen, so wäre dies für den ganzen
Geileren Verlauf der chinesischen Angelegenheit von der
größten Bedeutung. Der Zug der Mächte nach Peking
v>ürde dann vielleicht unterbleiben.
Dem Londoner chinesischen Gesandten ist von dem Tele-
graphendirector Scheng folgendes unterm 23. Juli abge-
isNigtes Telegramm aus Shanghai zugegangen: „Nach
E>Ner Meldung aus Peking vom 18. d. Ni. hatte das Tsung-
ff'Aamen den Departementssecretär Wenjin entsandt, mit
Aufträge, die ausländischen Gesandten zu be-
uchen. Er fand alle, außer dem deutschen Gesandten, bei
^Nter Gesundheit. General Junglu wendet sich jetzt
Air der Bitte an den Thron, die Gesandten sämmtlich unter
^Edeckung nach Tientsin zu senden, in der Hoffnung, daß
vnn die militärischen Operationen eingestellt würden."

Diese Mittheilung harmonirt mit der obigen Auslassung
über die Abreise der Gesandten nach Tientsin.
Der amerikanische Staatssecretär Hay veröffentlicht
das kaiserlich chinesische Edict vom 17. d. M.
welches ihm von dem chinesischen Gesandten Wutingfang
zugestellt wurde. DaS Edict erwähnt zunächst den Fall
der Forts von Taku und das überstürzte Aufeinanderstoßen
der Streitkräfte; bespricht hierauf die Maßregeln der
chinesischen Regierung zum Schutze der Gesandtschaften und
Missionen, und gibt dem schmerzlichen Erstaunen über die
Ermordung des Kanzlers der japanischen Gesandtschaft
und des deutschen Gesandten Ausdruck, deren schmerzliches
Ende die chinesische Regierung tief ergriffen habe. Das
Edict betont ferner, es sei Pflicht der in Betracht kommen
den Behörden, die Mörder so rasch wie möglich festzu-
nehmen und zu bestrafen. Außerdem befiehlt es dem Gon
vcrneur von Peking und dem Vicckönig von Tschili, die
Schadenersatzansprüche aller Ausländer einer genauen
Prüfung zu unterziehen, welche wegen der Ermordung von
Fremden oder wegen Verlust von Eigenthum seit dem An
griffe auf Tientsin gestellt werden, mit Ausnahme der
jenigen, welche unmittelbar durch den Angriff auf Tientsin
entstanden sind.
Nach einer Meldung der Daily Mail vom 22. Juli
sandte Li-Hung-Tschang sofort nach seiner Ankunft in
Shanghai 8 Telegrammeab, worin er sein Eintreffen anzeigte.
Er benachrichtigte ebenfalls das Tsung-li-Mmen und berichtete
über seinen kalten Empfang und fragte an, ob seine Be-
rufung vonf Kaiser oder vom Prinzen Tuang ausginge.
Der Berichterstatter verzeichnet das Gerücht, Li sei amtlich
verständigt worden, er könne weder Shanghai verlassen,
noch als Bevollmächtigter zur Eröffnung von Verhand-
lungen anerkannt werden, bis weitere Weisungen von
den Regierungen in Shanghai eingelaufen seien. Der
Berichterstatter hebt ferner hervor, obschon Li zum
Vizekönig in Tschili ernannt sei, so sei doch Aulu,
obzwar im Range zurückgesetzt, dieses Postens noch nicht
enthoben worden, sodaß den Machthabern in Peking die
Hinterthüre offen bleibe, sobald es ihnen passe, die unklaren
Erlasse, die bald als kaiserlich, bald vom Throne aus-
gehend bezeichnet werden, zu verleugnen. Die Limes be-
merkt am Schluffe ihres gestrigen Leitartikels, es wäre
berechtigt, wie politisch klug, bis das Schicksal der Pekinger
Engländer festgestellt sei, Li unter Aufsicht zu hal-
ten. Es sei fraglich, ob er in Shanghai oder Tientsin
festzuhalten sei; festgehalten müsse er aber werden, bis
nachgewiesen sei, daß der Gesandte Macdonald und die
übrigen Gesandtschaften in Sicherheit seien und sie unbe-
helligt ausgeliefert würden. Li könne seine Verhandlungen
unter Aufsicht führen und jeder Mandarin, der beaufsich-
tigt werden könne, müsse vorläufig angehalten werden, sei-
nen Verkehr mit Peking unter europäischer Kontrolle zu
betreiben. Nach einem Telegramm des Daily Telegraph
aus Shanghai von vorgestern hätte der Taotai das
Konsularcorps zu Ehren des Geburtstags des Kaisers zum
Frühstück geladen und Li beabsichtige, dem Feste beizu-
wohnen. DiL Konsuln lehnten jedoch ab.

Zur Verlobung des Serbenkönigs.
-Die ersten Beziehungen zwischen dem König und
einer Braut wurden in Biarritz geknüpft, wo König
Alexander seiner Mutter, die damals dort weilte, einen
Besuch abstattete. Königin Natalie begünstigte diese Be-
ziehungen bis zu einer gewissen Grenze in selbstsüchtiger
Absicht. Frau Maschin verließ dann ihre Stellung bei
der Königin Natalie und ließ sich in Belgrad nieder.
Schon im heurigen Frühjahr kam es zu einem Streit

zwischen dem Könige Alexander und seinem Vater, dem
Könige Milan, der seinen Sohn zur Verehelichung mit
einer ausländischen Prinzessin drängte. Auch das
Ministerium drohte schon damals mit seinem Rücktritt,
wenn König Alexander aus seine n bereits im Frühjahr
gemachten Andeutungen von einer Verlobung mit Frau
Maschin Ernst machen sollte; doch blieb all dies ver-
geblich. Am Freitag wurde das Kab inet von der un-
mittelbar bevorstehenden Verlobung des Königs mit Frau
Maschin in Kenntniß gesetzt. Das Kabinet trat sofort zu
einem Ministerrath zusammen und beschloß, seine Ent-
lassung zu geben, falls der König auf seiner Verlobung
beharre, da die Regierung die Verantwortung hierfür nicht
tragen könne. Gleichzeitig wurde beschlossen, den Obersten
Csiirics, den ehemaligen Adjutanten des Königs, sofort
nach Karlsbad zu König Milan zu entsenden, um diesen
zu bewegen, daß er seinen ganzen Einfluß auf seinen
Sohn aufwende, um womöglich die Verlobung hintan-
zuhaltcn. Der Vater der Braut, Panta Ljunewitza, war
Kreisvorsteher in Sabatz. Nach seinem Tode hat die
Wittwe Andja den nachmaligen Re genten General Beli-
markowitsch geheirathet. Als König Alexander von dem
Beschlüsse des Ministerraths in Kenntniß gesetzt wurde,
erklärte er, auf seinem Entschluß zu beharren und, falls
sich im Lande Widerstand gegen seine Verehelichung erheben
sollte, lieber dem Throne zu Gunsten seines
Vaters zu entsagen. Wie weiter gemeldet wird,
haben in Belgrad der Ministerrath, der Staatsrath,
der Metropolit und der Präsident der Skupschtina den
König Alexander beschworen, im Interesse der Krone der
Dynastie und des Landes dasunglücklicheHeiraths-
projekt fallen zu lassen. Der König blieb jedoch
bei seinem gefaßten Beschlüsse, weshalb das Ministerium
zurücktrat. Nach der stürmischen Ministerrathssitzung, in
welcher der Rücktritt des Kabtnets beschlossen wurde, gab
König Aiexanoer Befehl, daß die königliche Leib-
garde das Haus der Frau Maschin bewache,,
angeblich um deren Entführung zu vereiteln und sie vor
jeder Unbill zu schützen. König Alexander stattete Sonn-
tag Vormittag Frau Maschin, vor deren Hause ein doppelter
Wachkordon aufgestellt war, einen Besuch ab. Am Sams-
tag Abend fand im Konak ein Festmahl statt, woran der
Präsident der Skupschtina und mehrere Abgeordnete theil-
nahmen. Der König fragte den Präsidenten, ob er seinen
Heirathsplan billige. Der Präsident erwiderte ausweichend,
worauf der König erwiderte: „Möge man mein Vorgehen
billigen oder nicht, ich liebe die Frau, die ich auserkoren
habe, und werde sie heirathen." Die Braut des Königs,
besitzt aus ihrer ersten Ehe einen erwachsenen Sohn.
Nikola Christitsch hat den Auftrag zur Kabinets-
bildung abgelehnt, nachdem er erfahren hatte, daß König
Alexander die Demission Milan's als Armee-Kommandant
angenommen hat. Der Präsident des Appellhofes, Iowa-
nowitsch, hat die Bildung des neuen Kabinets übernommen.
Verschiedene Hofchargen, darunter der Flügel-Adjutant So-
larowitsch, der Leibarzt Michel und der Oh cim des Königs
Alexander, Oberstleutnant Konstantins witsch, haben eben-
älls ihre Entlassung gegeben.

Ueber den Stand der Metzer Bischofsfrage
wird der Voss. Zeitung geschrieben: Die Vacanz des
Metzer Bischofssitzes dauert nun schon weit über ein halbes
Jahr, und es hat den Anschein, als ob es noch eine Weile
o weiter gehen werde. Die Schuld daran trägt allein
das Metzer Domkapitel, das sich mit Händen und Füßen
gegen die Ernennung des Monsignore Zorn von Bulach
wehrt, weil es fürchtet, dieser könne zu regierungs- und

Die Irre von Sankt Rochus.
. Kriminalroman von Gustav Höcker.
^ (Schluß.)
An jenem Abende, wo das Berbrecherpaar in der Mühle
h," Plan zur Beseitigung des Detektivs flüsternd besprach,
zugleich auch Wippachs Tod beschlossen worden. War
^ uhon unbequem, daß er um Bruschers Namensfälschung
j>i me, so wäre es in höchstem Grade bedenklich gewesen, ihn
Ür>, ? Komplott gegen Allram einzuweihen. Der Haupl-
hPid war jedoch ein anderer. Wippach selbst sollte gewisser-
hä°en das gegen den Detektiv geplante Verbrechen decken,
sj^ mit diesem zugleich ins Wasser gestürzt werden, damit
stet, - Sache so darstellte, als seien beide während der
dxz Erfahrt verunglückt, was bei der bekannten Trunksucht
tzz- Fährmanns durchaus glaubhaft erschienen wäre. Das
l«sse Ewt hatte Bruscher dann leer den Strom hinabtreiben

i>b-?Equ Bruscher leugnete dem Untersuchungsrichter gegen-
lebe Mitschuld an dem Verbrechen ihres Neffen. Als
"en Geständniß vorgehalten wurde, schien ihr alles
Äev??? dem Antlitz gewichen und ihr Aussehen glich dem
^Eiche, aber über ihren Mund kam kein Wort mehr,
tljss. änderen Morgen fand man sie todt in ihrem Gesäng-
Am ärztliche Untersuchung stellte eine Vergiftung
Cyankali fest. Sie hatte das dem Detektiv zugc-
kiyJE Pulverchen leicht zu verbergen gewußt und es selbst
mummen. ... i
Eich nach ihrer Inhaftnahme war in ihrer Wohnung in
§ej,eine gründliche Haussuchung vorgenommen worden,
" Briefe von ihrem Neffen zu finden hoffte. Diese
Mbr ^ erfüllte sich nicht, dagegen fand man einen Brief
«t ^onns, der an seine Tockter gerichtet war. Er schilderte
Ne ./j'-in seine geschäftlichen Unglückssälle und seine hoffnungs-
^Elbs^E, welche ihn zu dem verzweifelten Schritte eines
^hren Eds dränge. Nur Konstanze könne ihn davor be-
In jedem ihrer Briefe an die verstorbene Mutter

wollen

habe sie die theilnahmsvolle, ja väterliche Güte gerühmt, die
Georgi ihr erweise — ein warmes Wort der Fürbitte an den
edlen Mann werde gewiß einem Verzweifelnden, der Kon-
stanzen so nahe stehe, Hilfe und Rettung bringen.
Dieser Brief war niemals in Konstanzes Hände gelangt
und der unglückliche Schreiber desselben, der vergebens auf
eine Antwort wartete, war in bitterer Verkennung seiner
Pflegetochter, von der er sich verlassen und vergessen glauben
mußte, aus dem Leben geschieden. Offenbar hatte Frau
Bruscher den Brief unterschlagen, und mit welchem Erfolge
sie die Kenntniß seines Inhalts gegen die Angeklagte zu be-
nutzen verstand, wie sie ihr eine tiefe, bis zur tödtlichen
Rachsucht gehende Verstimmung gegen den Professor anzu-
dichten wußte, welcher die Bitte seiner Vorleserin abgewiesen
haben sollte.dürfte noch erinnerlich sein.
Alles hatte jene hinterlistige, von Habsucht und Geldgier
geleitete Frau auis genaueste berechnet, um den Mord auf
Konstanzes unschuldiges Haupt zu wälzen. Nur ein einziges
Moment war vorhanden, wo sie sich dem Zufalle anver-
traute; daß nämlich der verdächtige Hammer bei Konstanze
gefunden und zu derem erstem Ankläger werde, das Blut
an Konstanzes Hand war das Eintreten dieses außer
aller Berechnung liegenden Zufalles, indem es zur Durch-
suchung ihrer Sachen führte. Wo Speck liegt, finden sich die
Mäuse ein, — wo böser Same ausgestreut ist, werden die
finsteren Mächte angelockt, welche den Samen fruchtbringend
machen. . . .
Abermals kam nun der Mordprozeß vor dem Schwur-
gerichte zur Verhandlung. Wider Erwarten war Bruscher
von seiner schweren Verwundung wieder genesen, sodaß er
persönlich vorgeführt werden konnte- Auch Konstanze Her-
bronn war eben erst von schwerem Krankenlager erstanden.
Nach ihrem mißglückten Fluchtversuche hatte sie wochenlang
zwischen Leben und Tod geschwebt, aber ihre Jugend und
ihre elastische Natur, besonders jedoch die Kunst und Pflege
ihres Arztes Doktor Gerth hatten sie dem Tode entrissen.
Freilich trug sie die Spuren all ihrer Seelenlerden und der
kaum überwundenen Krankheit an sich, und wer sie bei der

ersten Verhandlung des Prozesses gesehen, der kannte das
schöne junge Mädchen kaum wieder, dessen gebrochene
Haltung und tiefschwermüthiger Gesichtsaus druck eine furcht-
bare Leidensgeschichte erzählten. Durfte sie auch sicher sein,
daß sie, von Schuld entlastet und gereinigt, diesen Saal
verlassen werde, so fühlte sie sich doch von einer entsetzlichen
Angst bedrückt, denn wie ein Damoklesschwert schwebte die
Möglichkeit über ihr, es könne im Lause der Verhandlung
zu Tage kommen, daß Georgi ihr Vater gewesen sei. und
der Fehltritt ihrer Mutter könne sich entschleiern, für welche
sie alle die Leiden einer unschuldig Verurtbeilten ertragen
hatte. Aber Frau Bruscher hatte jenes Geheimniß mit ins
Grab genommen.
Dem Leben wieder zurückgegeben, klammerte sich Bruscher
von neuem an dieses an und widerrief seine Geständnisse, —
aber er selbst hatte seine Schuld zu klar bewiesen, und mit
finsterer Ergebung vernahm er sein Todesurtheil.
Konstanze Herbronn wurde freigesprochen. Fast Ueber-
menschliches hatte sie ausgestanden, ober in der finsteren
Nacht der Leiden war ihr der Stern erschienen, dessen freund-
liches Licht von nun an ihr Leben Verklärte; sie ward von
Gerth als Gattin beimgeführt.
Der Irrenarzt schied für immer aus St. Rochus und
reiste mit seiner jungen Frau nach Italien.
Als Beide nach Jahr und Tag von dort zurückkehrten
und in Konstanz den Dampfer verließen, der sie von Bregenz
über den blauen Bodensee gebracht hatte, trafen sie im Ge-
dränge der Reisenden, welche das schon wieder zur Rückfahrt
sich rüstende Schiff bestiegen, unerwartet einen alten, lieben
Bekannten. Es war Herr Titus Allram. Konstanzes Anblick
überraschte ihn, so schön war sie im Süden von neuem er-
blüht. Er wünschte dem jungen Paare, welches ihm eine
unbegrenzte Dankbarkeit bewahrte, Glück und Segen. Wie
gern hätten Beide einige Stunden mit ihm verplaudert! Aber
er halte leider große Eile und durfte den Abgang des
Dampfers nicht versäumen. Wie es schien, befand sich der
Unermüdliche wieder auf irgend einer Fährte.
 
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