- Erscheint täglich,
sonntags ausgenommen.
Preis
' mit Familienblättern
. monatlich 50 Pf.
^n's Haus gebracht,
urch Post bezogen
vittteljährl. 1.25 Mk.
'u-Ichließlich Zustellgebühr.
^nsprech-Anschluß Nr. 82.
Jnserttonsgebühr
15 Pf. für d.e Ifpaltige
Pctitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigeu bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Fernsprech-Anschluß Nr. 83
Sir. M.
Samstag, den 25. August
I8«v.
Bestellungen
die Heidelberger Zeitung für den Monat September
?^rden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den Agenten,
ei den Trägern in der Stadt, sowie in der Expedition,
untere Neckarstr. 21, angenommen.
, Bezugspreis: monatlich nur 50 Pf^ ' frei in's Haus
Fracht; durch die Post bezogen für den Monat September,
am Schalter abgeholt, 42 Pftz., für Zustellgebühr
^ Pfg. mehr.
Die Vorgänge in China.
y Einem Bericht des Standard aus Tientsin vom
Juni entnehmen wir: „Einigen der hier ansässigen
putschen mag es jetzt recht unbehaglich sein, denn es ist
ugeniein bekannt, daß sie fast allein für die Rüstungen
. . ..as die Verantwortung tragen. Der größere Theil
^ Kriegsmaterials wurde zwar auf vollkommen recht-
,?Mgcm Wege und längst vor den jetzigen Ereignissen ge-
, aber man glaubt hier, daß einiges durch Vermitt-
kleiner deutscher Händler auch dann noch in 'chinesische
?ände kam, als man seine Verwendung schon erkennen
Nute. Angenehmer ist zu berichten, daß die Deutschen
" den Kämpfen dieser Tage Schulter an Schulter mit
gestanden und sich glänzend bewährt haben. Sie
^?ben sich M Männer und Brüder gezeigt, und unsere
*^ppen sind ihres Lobes voll. Viel Anerkennung hat
"ch die Thätigkeit der Kosaken im Felde gefunden und
^ wird offen ausgesprochen, daß wir ohne die starke
"wkenabthcilung jetzt in einer andern Lage wären. Das-
kann ich nicht von den Kosaken oder auch den anderen
kuppen im Quartier sagen. Sie scheinen unter dem
stanren Eindruck gestanden zu haben, Tientsin sei eine
oberte Stadt und die Häuser der Bewohner eine
y.w Beute. Bald war das Plündern allgemein, und
„ .^on hauptsächlich auf Nahrungsmittel gefahndet wurde,
^'4ah doch allerlei Unfug und Schaden. So tödteten
k Kosaken einen Bedienten und verwundeten einen andern,
kniuthlich, weil sie den Eindringenden Widerstand leisteten.
Bewohner der Frcmdenstadt mußten freilich ihre
kun^r, verlassen und zehn Tage lang im Rathhause Unter-
ihr iuchen, aber das ist doch kein Grund, daß man in
U k' ein paar Minuten Wegs abgelegenen Häuser eindrang
- ".sie plünderte. Bei den britischen Matrosen und den
dg ^'Füsiliers ist der Unfug streng bestraft worden, und
.. ",ie Bewohner jetzt in ihre Häuser zurückkehren, wird er
sind ganz aufhören. Aber die hiesigen Ansiedler
gx? ^cht sehr erbaut darüber, daß zu ihren übrigen Sor-
kvn, ""ch die Furcht vor ihren Vertheidigern
^wn,t.« Schon früher wurde berichtet, daß die fremden
hcjp Tientsin, freilich in der Chinesenstadt geplündert
die/"' *vir sind s"si überzeugt, daß deutsche Soldaten an
disziplinwidrigen Unfug nicht theilgenommen haben.
Hi Deni Berliner Lokalanzeiger werden über Tschifu nähere
^ "Ölungen über den Tod des Gesandten v. Ketteler
Hackst. Danach geschah die Ermordung des deutschen
ej/""dten auf höheren Wunsch, v. Ketteler erhielt
Schuß in den Hinter ko Pf, als er in einer
(F "ste (!) nach dem Tsungli-Iamen unterwegs war.
sich ""dschaftlich englische Meldungen waren es bekannt-
hg^' welche dem deutschen Gesandten vorwarfen, er selbst
Gdie Chinesen dadurch gereizt, daß er, entgegen dem
de?^uch der Benutzung der Sänfte, zu Pferde sich zu
tz " Namen begeben habe.) Seitdem war v. Kettelers
p^che verschwunden. Am Tage nach der Einnahme
-in Chinese die Stelle, wo Ketteler begraben
Frau Male.
Von Helene Lang-Anto«.
(Nachdruck verboten.)
kennt sie nicht, die blasse junge Frau im Osten
i>az M die mit ihrem Marktkorbe geht und ihrem Manne
tiiali^Magsbrod bringt. Jeder dort kennt sie, weil sie
sehr „dieselben Straßen geht. Wer mit ihr näher in Ver-
lamlns^ten ist, schätzt und achtet sie, die stille Frau, die
"etzt. 'd*er Pflicht genügt, bescheiden Rede und Antwort
ist ein gute Frau, eine brave Frau, die mir noch
"ube Stunde gemacht hat, seit ich sie habe," erzählt ihr
d>ch ns der Maurerpolier Schröder, jedem, der es hören will; !
dieo,g,zMals läßt er sie kommen, ohne ihr entgegen zu eilen, '
die M ste gehen, ohne ihr mit der Hand liebkosend über
^"usen zu streichen. Sie sieht ihn freundlich
n°5 lenen glückselig strahlenden, das Gesicht beim An-
dicht "siebter Menschen belebenden Ausdruck findet man
an ihr,
ich^.Wige Leute wollten wissen, daß sie als junges Mädchen
mit einem jungen Manne gegangen, der dann nach
i.""»te ousgewandert sei, weil er keine Arbeit finden
..'Her """ dort verschollen wäre. Sie war stiller, immer
^Een »^worden und hatte sich endlich aus Zureden ihrer
Eer entschlossen, Schröder zu heirathen.
s "der ist ein braver Mensch," sagte die alte Frau,
fl ^ dumm, du wirst es gut haben bei ihm-"
Male hatte ihn peheirathet. und die Mutter batte
aalten, sie hatte es gut bei ihm und er bei ihr. Das
"kt don ihrer ersten Liebe verstummte bald, angesichts
i Er sjkdknen Ehe der beiden.
^fle jfd'"'ür sie, was er konnte, sie ging gut gekleidet und
vr Sonntagsvergnügen. Er sorgte für die nöthigen
wurde. Es war ein chinesischer Grabhügel in der Nähe
der Mordstelle. Deutsche Soldaten deckten den Hügel auf
und stießen auf einen chinesischen Sarg, der die Leiche des
ermordete» deutschen Gesandten enthielt. Die Leiche des
Freiherrn v. Ketteler wird nächsten Samstag nach christ-
lichem Ritus beigesetzt werden. Der in Ketteler's Be-
gleitung verwundete Gesandtschafts-Dolmetscher Otto Cordes
ist in der Hauptsache wieder hergestellt.
Ob diese Mittheilungen des Berliner Localanzeiges sich
bestätigen, muß abgewartet werden.
Aus Paris wird noch zu der Ermordung v. Kettelers
gemeldet: Der Gesandte war gleich den Vertretern anderer
Mächte zum Tsungli-Aamen geladen, um einer
Berathung beizuwohnen, wie man das Leben der Gesandten
Angesichts der Boxer-Bewegung am besten schützen könne.
Nach der Ermordung des Gesandten bemächtigten sich
20 Deutsche mit 4 Kanonen des Mittelhofes im
Süden der Tatarenstadt, wo sie sich bis zum Entsatz
heldenmüthig vertheidigten.
Ueber das Vorgehen der Verbündeten gegen die Kaiser-
liche Stadt innerhalb Pekings veröffentlicht der Newyork-
Herald folgendes Telegramm aus Peking vom 17. Aug.:
Am 15. August griffen die amerikanischen Truppen
die Thore der kaiserlichen Stadt an. Die 5. Artillerie-
Batterie, die auf einer Anhöhe aufgestellt war, beschoß
eines der Thore. Alsdann vertrieben das 14. und das
19. Infanterie-Regiment mit Marinefüsilieren die Chinesen
durch heftiges Feuer. Von dort begaben sich die Truppen
nach der westlichen Pforte. Die amerikanischen Geschütze
leisteten Großartiges. Die Thore wurden eingeschossen und
die sie vertheidigendcn Chinesen in die Flucht geschlagen.
Die vier Thore wurden nacheinander eingenommen. Am
Nachmittag wurde das Vorgehen eingestellt, und eine Kon-
ferenz der Generäle beschloß die Zurückziehung der ameri-
kanischen Truppen. In dieser Konferenz der Generäle
wurde nur gegen die Stimme des russischen Vertreters be-
schlossen, die kaiserliche Stadt zu achten und, da der Haupt-
zweck der Expedition erreicht war, weitere Weisungen der
Regierungen abzuwarten. Der russische Befehlshaber be-
merkte dagegen, daß seine Regierung China den Krieg er-
klärt habe. Die Militärbehörden stehen mit der chinesischen
Regierung nicht in Fühlung. Die Japaner, Russen und
Engländer haben ihr Lager in der Tatarenstadt auf-
geschlagen. Die Chinesen sind allgemein geflüchtet. Die
amerikanischen Verluste beziffern sich auf 10 Todte und 25
Verwundete.
Reuter's Bureau meldet aus Peking vom 16. d. M.:
In der Peitang-Kathedrale im Norden der Stadt
befand sich eine Besatzung von 30 Franzosen und 10 Ita-
lienern, die seit Beginn der Belagerung mit den übrigen
Fremden keine Verbindung mehr hatten. Dieselben wurden
von den Japanern, Engländern und Franzosen befreit.
Die Vertheidigung der Kathedrale war eine höchst helden-
müthige. Die kaiserliche Stadt wurde von den kombinirlen
Streitkräften angegriffen, die jetzt die Stadt von dem
Feinde säubern. Das Palastgebäude wurde mit
internationalen Wachen besetzt, um Plünderungen zu ver-
hindern.
Die Kaiserin-Wittwe, soviel ist sicher, ist recht-
zeitig aus der Stadt entflohen. Den Kaiser hat sie mit-
genommen, falls sie nicht etwa vorgezogen hat, ihn um-
bringen zu lassen. Bevor die Kaiserin-Wittwe Peking
verließ, ernannte sie Chaochachiau» bekannt durch seine
wemdenfeindliche Gesinnung, zum Vicekönige von Tschili.
Das Wolff'sche Bureau meldet aus Tientsin vom 21.
August: Kapitänleutnant Pohl mit dem deuts-chen
Matrosendetachement ist am 18. August in Peking ein-
getroffen. Am 20. befand sich das deutsche Seebataillon
in Hosiwu (also halbwegs zwischen Tientsin und Peking).
Der Standard meldet aus Tientsin ohne Datum:
Der Feind hat zwei große Lager mit Kavallerie und Fah-
nen im Südwesten aufgeschlagen. Alle hiesigen Truppen
erhielten Nachmittag Marschbefehl. Ein Gefecht wird
erwartet. Die Verbindungslinie mit Peking ist in kei-
nem befriedigenden Zustande. Die zur Verfügung stehende
Truppenmacht, welche dieselbe hält, ist unzureichend.
Deutsches Reich.
— Angesichts des offiziellen Redestroms, der seit
Wochen unsere Chinaexpedition umplätschert, wird
dem nat.-lib. Mannheimer Generalanz. geschrieben:
Man mag royalistisch sein bis in die Knochen, ohne die
gegenwärtige Art des Regierens und namentlich des Redens in
Deutschland gutheißen zu könne«: der Reichstag ist der einzige
Ort, wo ein unzweideutiges Wort über diese Dinge nicht nur
gesprochen werden kann, sondern von wo ans es auch sicher ist,
an den in Betracht kommenden Stellen gehört zu werden. Soll
es aber wirken, so muß es von der Seite kommen, die über dem
Verdacht böswilliger Kritik und gewohnheitsmäßiger Opposition
erhaben ist ... . Unter den Ursachen, die zur Entlassung des
Fürsten Bismarck führten, war sicher nicht die geringste die, daß
er den Standpunkt vertrat, daß wohlbedachte Entschließungen
und nicht impulsive Rhetorik das Staatsschiff steuern sollten;
von dem Altmeister zu lernen, wird auch heute keiner sich zu gut
erachten dürfen .... Es wäre eine würdige Aufgabe für einen
Führer unserer Partei, dem Volksempfinden würdigen Ausdruck
zu verleihen, unbekümmert um höfische Rücksichten.
Cronberg, 25. Aug. Das Kaiserpaar ist 12
Uhr 45 Minuten hier eingetroffen. Am Bahnhofe waren
zum Empfange erschienen das griechische Kronprinzenpaar
und das Prinzenpaar Friedrich Karl von Hessen. Um I V,
Uhr fand im Schloß Friedrichshof Mittagtafel zu neun
Gedecken statt, an der das Kaiserpaar, die Kaiserin Fried-
rich, der Prinz von Wales, der preußische Geueralsuniform
trug, der Herzog von Cambridge, sowie die griechischen und
hessischen Herrschaften theilnahmen. Um 3'/» Uhr geleitete
der Kaiser den Prinzen von Wales und den Herzog von
Cambridge nach Homburg zurück, um gleichzeitig dem
Prinzen von Wales seinen Gegenbesuch zu machen.
Wilhelmshöhe, 24. August. Der Kaiser tele«
graphirte au Herrn v. Below in Peking:
Ich freue Mich, zu erfahren, daß Sie die schwere Zeit, welche
hinter Ihnen liegt, mit Gottes Hilfe glücklich überstanden haben,
und spreche Jhneu ^nd dm überlebenden Mitgliedern der Ge-
sandtschaft Meinen herzlichsten Glückwunsch aus zur Errettung
aus den großen Gefahren, in denen Ste Alle geschwebt haben
und zu deren Abwendung Sie Alle muthig mitgewirkt haben.
Zur Belohnung für Ihr tapferes Ausharren verleihe Ich Ihnen
den Rothen Adlerorden vierter Klasse mit Schwertern. Ich bitte,
Anträge zur Dekorirung der übrigen Mitglieder der Gesandtschaft
einzureichen.
Baden. Ein Meinungsaustausch, der soeben zwischen
zwei soz.-demokr. Blättern Badens stattfindet, bietet ein
weitergehendes Interesse, weil er die verschiedenen Anschau-
ungen kennzeichnet, die innerhalb der Sozialdemokratie un-
vermittelt nebeneinander stehen. Der Mannheimer Ar-
beitersekretär Genosse Katzen stein hat in seinem Jahres-
bericht ausgesprochen, er halte es für seine Pflicht, in Un-
fallversicherungssachen nur diejenigen Fälle zu vertreten,
die wohlberechtigt seien, solche aber abzuweisen, bei denen
unlautere Zwecke verfolgt würden. Nur dadurch gewinne
das Arbeitersekretariat das absolute Vertrauen in die Kor-
rektheit seines Vorgehens, dessen es bei Behörden und
Privaten bedürfe. Dazu bemerkte nun die Mannheimer
Volksstimme: Sie wünsche, daß dieser Grundsatz aufge-
geben würde, denn das Arbeitersekretariat habe den Ar-
beitern zu helfen und sich nicht zum Schiedsgericht aufzu-
werfen. Es ist kein Wunder, daß der Bericht wiederholt
Groschen zur Bestreitung des Haushaltes, so daß die Sorgen
fern blieben. Er ließ es auch an nichts fehlen. Sie war
fleißig und tüchtig, hielt alles in Ordnung, pflegte ihn, und
nie fiel ein böses Wort. Wenn die Leute in der Nachbar-
schaft von einer glücklichen Ehe sprachen, setzten sie fast stets
hinzu: „Wie bei Schröders." Daß die junge Frau so blaß
war und niemals lachte, fiel nicht auf, das lag so in ihrer
Art. Die Bekannten Schröders hatten viel zu wenig Zeit,
um darüber nachzudenken.
So waren zehn Jahre vergangen. Bei Schröders
hatte sich nichts geändert, sie lebten immer gleich friedlich
fort. Eines TaaeS war er fehl getreten und vom
zweiten Stockwerk hinunter gestürzt. Da lag er nun
mit zerschmetterten Gliedern; er lebte noch und war bei Be-
wußtsein.
„Arme Male!" murmelte er, — selbst in seinem Schmerze
dachte er nur an sie. Als sie in diesem Augenblick mit dem
Mittagsbrod wie alltäglich hcrankam, stellten mitleidige
Menschen sich ihr entgegen, sie sollte ihn nicht gleich sehen.
Die bestürzten Gesichter, die Verlegenheit und der stumme
Ernst der sonst derb scherzenden Männer fielen ihr auf. Sie
schob sie schweigend bei Seite und sah ihn daliegen, das
halbgebrochene Auge noch liebevoll auf sie gerichtet. Sie
schrie nicht auf und weinte nicht. Sie verlangte auch nicht
nach dem Arzte. Sie sah, daß da jede menschliche Hülfe zu
spät käme.
Sie kniete bei dem Sterbenden nieder, bettete seinen
Kopf an ihre Brust und strich ihm das Blut vom Gesicht.
Er sprach leise, sie neigte ihr Ohr ganz nahe zu seinem
Munde.
„Dank. Male, Dank für Deine Liebe!" keuchte er. Sie
zuckte zusammen, dann küßte sie ihn; er sah sie dankbar an
und verschied.
Wochen waren seit jenem Unglückstage verstrichen.
Heinrich Müller, der Verschollene, war aus Amerika
zurückaekehrt und hatte Male Schröder aufgesucht. Als er
vor ihr stand, wunderte er sich, daß sie ihn nicht erkannte.
Er batte sie sofort erkannt, trotzdem sie bleich und gealtert
aussah. Auch ste wunderte sich, daß sie so ruhig blieb. Wie
hatte sie in früherer Zeit dieses Wiedersehen herbeigesehnt,
wie es sich ausgemalt!
Sie allein und der droben über den Sternen wußte, was
sie gelitten, wie sie gekämpft, um diese Liebe, die ihr ganzes
Leben erfüllte, niederzudrücken, der Pflicht unterznordnen.
Jetzt war sie frei, nichts hinderte sie, ihrer Liebe zu
leben, glücklich zu sein. Nichts! Denn Müller liebte sic
noch, sonst wäre er nicht übers Meer zurückgekommen, um
sie zu sehen. Warum nur blieb sie so ruhig, warum jauchzte
sie nicht vor innerer Glückseligkeit?!
Sie konnte es nicht. Sie fühlte, daß sie in diesem jahre-
langen Ringen und Kämpfen, in dieser strengen Selbst-
beherrschung, in Ausübung ihrer Pflichten das Lieben ver-
lernt hatte. Ja, selbst die Fädigkeit, es jemals wieder zu
erlernen, fehlte ihr, das fühlte sie. In ihr war alles ruhig,
öde und leer-
Er stand vor ihr, den sie so heiß geliebt, und es berührte
sie kaum, er hatte seine Arme für sie geöffnet und sie fühlte
kein Verlangen, an seine Brust zu sinken.
„Male, Male, komm mit mir!"
Sie schüttelte den Kopf.
„Male, hast Du mich nicht mehr lieb?"
Sie schaute ihn traurig an.
„So hast Du den anderen geliebt?"
„Ich habe es ihn zehn Jahre glauben lassen, begreifst Du.
was das heißt?"
Er schaute sie verständnißlos an, und sie wandte sich ab.
mir kommen willst, so
etwas Tüchtiges gelernt.
bleibe
Was,
„Wenn Du nicht mit
ich hier bei Dir, ich habe
Male?"
Sie schwieg. Sie wußte auch nichts zu sagen. Sie liebte
ihn nicht mehr. Sie wollte allein bleiben. Es war ihr eine
Erlösung, nicht mehr heucheln zu müsse».
sonntags ausgenommen.
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Die Vorgänge in China.
y Einem Bericht des Standard aus Tientsin vom
Juni entnehmen wir: „Einigen der hier ansässigen
putschen mag es jetzt recht unbehaglich sein, denn es ist
ugeniein bekannt, daß sie fast allein für die Rüstungen
. . ..as die Verantwortung tragen. Der größere Theil
^ Kriegsmaterials wurde zwar auf vollkommen recht-
,?Mgcm Wege und längst vor den jetzigen Ereignissen ge-
, aber man glaubt hier, daß einiges durch Vermitt-
kleiner deutscher Händler auch dann noch in 'chinesische
?ände kam, als man seine Verwendung schon erkennen
Nute. Angenehmer ist zu berichten, daß die Deutschen
" den Kämpfen dieser Tage Schulter an Schulter mit
gestanden und sich glänzend bewährt haben. Sie
^?ben sich M Männer und Brüder gezeigt, und unsere
*^ppen sind ihres Lobes voll. Viel Anerkennung hat
"ch die Thätigkeit der Kosaken im Felde gefunden und
^ wird offen ausgesprochen, daß wir ohne die starke
"wkenabthcilung jetzt in einer andern Lage wären. Das-
kann ich nicht von den Kosaken oder auch den anderen
kuppen im Quartier sagen. Sie scheinen unter dem
stanren Eindruck gestanden zu haben, Tientsin sei eine
oberte Stadt und die Häuser der Bewohner eine
y.w Beute. Bald war das Plündern allgemein, und
„ .^on hauptsächlich auf Nahrungsmittel gefahndet wurde,
^'4ah doch allerlei Unfug und Schaden. So tödteten
k Kosaken einen Bedienten und verwundeten einen andern,
kniuthlich, weil sie den Eindringenden Widerstand leisteten.
Bewohner der Frcmdenstadt mußten freilich ihre
kun^r, verlassen und zehn Tage lang im Rathhause Unter-
ihr iuchen, aber das ist doch kein Grund, daß man in
U k' ein paar Minuten Wegs abgelegenen Häuser eindrang
- ".sie plünderte. Bei den britischen Matrosen und den
dg ^'Füsiliers ist der Unfug streng bestraft worden, und
.. ",ie Bewohner jetzt in ihre Häuser zurückkehren, wird er
sind ganz aufhören. Aber die hiesigen Ansiedler
gx? ^cht sehr erbaut darüber, daß zu ihren übrigen Sor-
kvn, ""ch die Furcht vor ihren Vertheidigern
^wn,t.« Schon früher wurde berichtet, daß die fremden
hcjp Tientsin, freilich in der Chinesenstadt geplündert
die/"' *vir sind s"si überzeugt, daß deutsche Soldaten an
disziplinwidrigen Unfug nicht theilgenommen haben.
Hi Deni Berliner Lokalanzeiger werden über Tschifu nähere
^ "Ölungen über den Tod des Gesandten v. Ketteler
Hackst. Danach geschah die Ermordung des deutschen
ej/""dten auf höheren Wunsch, v. Ketteler erhielt
Schuß in den Hinter ko Pf, als er in einer
(F "ste (!) nach dem Tsungli-Iamen unterwegs war.
sich ""dschaftlich englische Meldungen waren es bekannt-
hg^' welche dem deutschen Gesandten vorwarfen, er selbst
Gdie Chinesen dadurch gereizt, daß er, entgegen dem
de?^uch der Benutzung der Sänfte, zu Pferde sich zu
tz " Namen begeben habe.) Seitdem war v. Kettelers
p^che verschwunden. Am Tage nach der Einnahme
-in Chinese die Stelle, wo Ketteler begraben
Frau Male.
Von Helene Lang-Anto«.
(Nachdruck verboten.)
kennt sie nicht, die blasse junge Frau im Osten
i>az M die mit ihrem Marktkorbe geht und ihrem Manne
tiiali^Magsbrod bringt. Jeder dort kennt sie, weil sie
sehr „dieselben Straßen geht. Wer mit ihr näher in Ver-
lamlns^ten ist, schätzt und achtet sie, die stille Frau, die
"etzt. 'd*er Pflicht genügt, bescheiden Rede und Antwort
ist ein gute Frau, eine brave Frau, die mir noch
"ube Stunde gemacht hat, seit ich sie habe," erzählt ihr
d>ch ns der Maurerpolier Schröder, jedem, der es hören will; !
dieo,g,zMals läßt er sie kommen, ohne ihr entgegen zu eilen, '
die M ste gehen, ohne ihr mit der Hand liebkosend über
^"usen zu streichen. Sie sieht ihn freundlich
n°5 lenen glückselig strahlenden, das Gesicht beim An-
dicht "siebter Menschen belebenden Ausdruck findet man
an ihr,
ich^.Wige Leute wollten wissen, daß sie als junges Mädchen
mit einem jungen Manne gegangen, der dann nach
i.""»te ousgewandert sei, weil er keine Arbeit finden
..'Her """ dort verschollen wäre. Sie war stiller, immer
^Een »^worden und hatte sich endlich aus Zureden ihrer
Eer entschlossen, Schröder zu heirathen.
s "der ist ein braver Mensch," sagte die alte Frau,
fl ^ dumm, du wirst es gut haben bei ihm-"
Male hatte ihn peheirathet. und die Mutter batte
aalten, sie hatte es gut bei ihm und er bei ihr. Das
"kt don ihrer ersten Liebe verstummte bald, angesichts
i Er sjkdknen Ehe der beiden.
^fle jfd'"'ür sie, was er konnte, sie ging gut gekleidet und
vr Sonntagsvergnügen. Er sorgte für die nöthigen
wurde. Es war ein chinesischer Grabhügel in der Nähe
der Mordstelle. Deutsche Soldaten deckten den Hügel auf
und stießen auf einen chinesischen Sarg, der die Leiche des
ermordete» deutschen Gesandten enthielt. Die Leiche des
Freiherrn v. Ketteler wird nächsten Samstag nach christ-
lichem Ritus beigesetzt werden. Der in Ketteler's Be-
gleitung verwundete Gesandtschafts-Dolmetscher Otto Cordes
ist in der Hauptsache wieder hergestellt.
Ob diese Mittheilungen des Berliner Localanzeiges sich
bestätigen, muß abgewartet werden.
Aus Paris wird noch zu der Ermordung v. Kettelers
gemeldet: Der Gesandte war gleich den Vertretern anderer
Mächte zum Tsungli-Aamen geladen, um einer
Berathung beizuwohnen, wie man das Leben der Gesandten
Angesichts der Boxer-Bewegung am besten schützen könne.
Nach der Ermordung des Gesandten bemächtigten sich
20 Deutsche mit 4 Kanonen des Mittelhofes im
Süden der Tatarenstadt, wo sie sich bis zum Entsatz
heldenmüthig vertheidigten.
Ueber das Vorgehen der Verbündeten gegen die Kaiser-
liche Stadt innerhalb Pekings veröffentlicht der Newyork-
Herald folgendes Telegramm aus Peking vom 17. Aug.:
Am 15. August griffen die amerikanischen Truppen
die Thore der kaiserlichen Stadt an. Die 5. Artillerie-
Batterie, die auf einer Anhöhe aufgestellt war, beschoß
eines der Thore. Alsdann vertrieben das 14. und das
19. Infanterie-Regiment mit Marinefüsilieren die Chinesen
durch heftiges Feuer. Von dort begaben sich die Truppen
nach der westlichen Pforte. Die amerikanischen Geschütze
leisteten Großartiges. Die Thore wurden eingeschossen und
die sie vertheidigendcn Chinesen in die Flucht geschlagen.
Die vier Thore wurden nacheinander eingenommen. Am
Nachmittag wurde das Vorgehen eingestellt, und eine Kon-
ferenz der Generäle beschloß die Zurückziehung der ameri-
kanischen Truppen. In dieser Konferenz der Generäle
wurde nur gegen die Stimme des russischen Vertreters be-
schlossen, die kaiserliche Stadt zu achten und, da der Haupt-
zweck der Expedition erreicht war, weitere Weisungen der
Regierungen abzuwarten. Der russische Befehlshaber be-
merkte dagegen, daß seine Regierung China den Krieg er-
klärt habe. Die Militärbehörden stehen mit der chinesischen
Regierung nicht in Fühlung. Die Japaner, Russen und
Engländer haben ihr Lager in der Tatarenstadt auf-
geschlagen. Die Chinesen sind allgemein geflüchtet. Die
amerikanischen Verluste beziffern sich auf 10 Todte und 25
Verwundete.
Reuter's Bureau meldet aus Peking vom 16. d. M.:
In der Peitang-Kathedrale im Norden der Stadt
befand sich eine Besatzung von 30 Franzosen und 10 Ita-
lienern, die seit Beginn der Belagerung mit den übrigen
Fremden keine Verbindung mehr hatten. Dieselben wurden
von den Japanern, Engländern und Franzosen befreit.
Die Vertheidigung der Kathedrale war eine höchst helden-
müthige. Die kaiserliche Stadt wurde von den kombinirlen
Streitkräften angegriffen, die jetzt die Stadt von dem
Feinde säubern. Das Palastgebäude wurde mit
internationalen Wachen besetzt, um Plünderungen zu ver-
hindern.
Die Kaiserin-Wittwe, soviel ist sicher, ist recht-
zeitig aus der Stadt entflohen. Den Kaiser hat sie mit-
genommen, falls sie nicht etwa vorgezogen hat, ihn um-
bringen zu lassen. Bevor die Kaiserin-Wittwe Peking
verließ, ernannte sie Chaochachiau» bekannt durch seine
wemdenfeindliche Gesinnung, zum Vicekönige von Tschili.
Das Wolff'sche Bureau meldet aus Tientsin vom 21.
August: Kapitänleutnant Pohl mit dem deuts-chen
Matrosendetachement ist am 18. August in Peking ein-
getroffen. Am 20. befand sich das deutsche Seebataillon
in Hosiwu (also halbwegs zwischen Tientsin und Peking).
Der Standard meldet aus Tientsin ohne Datum:
Der Feind hat zwei große Lager mit Kavallerie und Fah-
nen im Südwesten aufgeschlagen. Alle hiesigen Truppen
erhielten Nachmittag Marschbefehl. Ein Gefecht wird
erwartet. Die Verbindungslinie mit Peking ist in kei-
nem befriedigenden Zustande. Die zur Verfügung stehende
Truppenmacht, welche dieselbe hält, ist unzureichend.
Deutsches Reich.
— Angesichts des offiziellen Redestroms, der seit
Wochen unsere Chinaexpedition umplätschert, wird
dem nat.-lib. Mannheimer Generalanz. geschrieben:
Man mag royalistisch sein bis in die Knochen, ohne die
gegenwärtige Art des Regierens und namentlich des Redens in
Deutschland gutheißen zu könne«: der Reichstag ist der einzige
Ort, wo ein unzweideutiges Wort über diese Dinge nicht nur
gesprochen werden kann, sondern von wo ans es auch sicher ist,
an den in Betracht kommenden Stellen gehört zu werden. Soll
es aber wirken, so muß es von der Seite kommen, die über dem
Verdacht böswilliger Kritik und gewohnheitsmäßiger Opposition
erhaben ist ... . Unter den Ursachen, die zur Entlassung des
Fürsten Bismarck führten, war sicher nicht die geringste die, daß
er den Standpunkt vertrat, daß wohlbedachte Entschließungen
und nicht impulsive Rhetorik das Staatsschiff steuern sollten;
von dem Altmeister zu lernen, wird auch heute keiner sich zu gut
erachten dürfen .... Es wäre eine würdige Aufgabe für einen
Führer unserer Partei, dem Volksempfinden würdigen Ausdruck
zu verleihen, unbekümmert um höfische Rücksichten.
Cronberg, 25. Aug. Das Kaiserpaar ist 12
Uhr 45 Minuten hier eingetroffen. Am Bahnhofe waren
zum Empfange erschienen das griechische Kronprinzenpaar
und das Prinzenpaar Friedrich Karl von Hessen. Um I V,
Uhr fand im Schloß Friedrichshof Mittagtafel zu neun
Gedecken statt, an der das Kaiserpaar, die Kaiserin Fried-
rich, der Prinz von Wales, der preußische Geueralsuniform
trug, der Herzog von Cambridge, sowie die griechischen und
hessischen Herrschaften theilnahmen. Um 3'/» Uhr geleitete
der Kaiser den Prinzen von Wales und den Herzog von
Cambridge nach Homburg zurück, um gleichzeitig dem
Prinzen von Wales seinen Gegenbesuch zu machen.
Wilhelmshöhe, 24. August. Der Kaiser tele«
graphirte au Herrn v. Below in Peking:
Ich freue Mich, zu erfahren, daß Sie die schwere Zeit, welche
hinter Ihnen liegt, mit Gottes Hilfe glücklich überstanden haben,
und spreche Jhneu ^nd dm überlebenden Mitgliedern der Ge-
sandtschaft Meinen herzlichsten Glückwunsch aus zur Errettung
aus den großen Gefahren, in denen Ste Alle geschwebt haben
und zu deren Abwendung Sie Alle muthig mitgewirkt haben.
Zur Belohnung für Ihr tapferes Ausharren verleihe Ich Ihnen
den Rothen Adlerorden vierter Klasse mit Schwertern. Ich bitte,
Anträge zur Dekorirung der übrigen Mitglieder der Gesandtschaft
einzureichen.
Baden. Ein Meinungsaustausch, der soeben zwischen
zwei soz.-demokr. Blättern Badens stattfindet, bietet ein
weitergehendes Interesse, weil er die verschiedenen Anschau-
ungen kennzeichnet, die innerhalb der Sozialdemokratie un-
vermittelt nebeneinander stehen. Der Mannheimer Ar-
beitersekretär Genosse Katzen stein hat in seinem Jahres-
bericht ausgesprochen, er halte es für seine Pflicht, in Un-
fallversicherungssachen nur diejenigen Fälle zu vertreten,
die wohlberechtigt seien, solche aber abzuweisen, bei denen
unlautere Zwecke verfolgt würden. Nur dadurch gewinne
das Arbeitersekretariat das absolute Vertrauen in die Kor-
rektheit seines Vorgehens, dessen es bei Behörden und
Privaten bedürfe. Dazu bemerkte nun die Mannheimer
Volksstimme: Sie wünsche, daß dieser Grundsatz aufge-
geben würde, denn das Arbeitersekretariat habe den Ar-
beitern zu helfen und sich nicht zum Schiedsgericht aufzu-
werfen. Es ist kein Wunder, daß der Bericht wiederholt
Groschen zur Bestreitung des Haushaltes, so daß die Sorgen
fern blieben. Er ließ es auch an nichts fehlen. Sie war
fleißig und tüchtig, hielt alles in Ordnung, pflegte ihn, und
nie fiel ein böses Wort. Wenn die Leute in der Nachbar-
schaft von einer glücklichen Ehe sprachen, setzten sie fast stets
hinzu: „Wie bei Schröders." Daß die junge Frau so blaß
war und niemals lachte, fiel nicht auf, das lag so in ihrer
Art. Die Bekannten Schröders hatten viel zu wenig Zeit,
um darüber nachzudenken.
So waren zehn Jahre vergangen. Bei Schröders
hatte sich nichts geändert, sie lebten immer gleich friedlich
fort. Eines TaaeS war er fehl getreten und vom
zweiten Stockwerk hinunter gestürzt. Da lag er nun
mit zerschmetterten Gliedern; er lebte noch und war bei Be-
wußtsein.
„Arme Male!" murmelte er, — selbst in seinem Schmerze
dachte er nur an sie. Als sie in diesem Augenblick mit dem
Mittagsbrod wie alltäglich hcrankam, stellten mitleidige
Menschen sich ihr entgegen, sie sollte ihn nicht gleich sehen.
Die bestürzten Gesichter, die Verlegenheit und der stumme
Ernst der sonst derb scherzenden Männer fielen ihr auf. Sie
schob sie schweigend bei Seite und sah ihn daliegen, das
halbgebrochene Auge noch liebevoll auf sie gerichtet. Sie
schrie nicht auf und weinte nicht. Sie verlangte auch nicht
nach dem Arzte. Sie sah, daß da jede menschliche Hülfe zu
spät käme.
Sie kniete bei dem Sterbenden nieder, bettete seinen
Kopf an ihre Brust und strich ihm das Blut vom Gesicht.
Er sprach leise, sie neigte ihr Ohr ganz nahe zu seinem
Munde.
„Dank. Male, Dank für Deine Liebe!" keuchte er. Sie
zuckte zusammen, dann küßte sie ihn; er sah sie dankbar an
und verschied.
Wochen waren seit jenem Unglückstage verstrichen.
Heinrich Müller, der Verschollene, war aus Amerika
zurückaekehrt und hatte Male Schröder aufgesucht. Als er
vor ihr stand, wunderte er sich, daß sie ihn nicht erkannte.
Er batte sie sofort erkannt, trotzdem sie bleich und gealtert
aussah. Auch ste wunderte sich, daß sie so ruhig blieb. Wie
hatte sie in früherer Zeit dieses Wiedersehen herbeigesehnt,
wie es sich ausgemalt!
Sie allein und der droben über den Sternen wußte, was
sie gelitten, wie sie gekämpft, um diese Liebe, die ihr ganzes
Leben erfüllte, niederzudrücken, der Pflicht unterznordnen.
Jetzt war sie frei, nichts hinderte sie, ihrer Liebe zu
leben, glücklich zu sein. Nichts! Denn Müller liebte sic
noch, sonst wäre er nicht übers Meer zurückgekommen, um
sie zu sehen. Warum nur blieb sie so ruhig, warum jauchzte
sie nicht vor innerer Glückseligkeit?!
Sie konnte es nicht. Sie fühlte, daß sie in diesem jahre-
langen Ringen und Kämpfen, in dieser strengen Selbst-
beherrschung, in Ausübung ihrer Pflichten das Lieben ver-
lernt hatte. Ja, selbst die Fädigkeit, es jemals wieder zu
erlernen, fehlte ihr, das fühlte sie. In ihr war alles ruhig,
öde und leer-
Er stand vor ihr, den sie so heiß geliebt, und es berührte
sie kaum, er hatte seine Arme für sie geöffnet und sie fühlte
kein Verlangen, an seine Brust zu sinken.
„Male, Male, komm mit mir!"
Sie schüttelte den Kopf.
„Male, hast Du mich nicht mehr lieb?"
Sie schaute ihn traurig an.
„So hast Du den anderen geliebt?"
„Ich habe es ihn zehn Jahre glauben lassen, begreifst Du.
was das heißt?"
Er schaute sie verständnißlos an, und sie wandte sich ab.
mir kommen willst, so
etwas Tüchtiges gelernt.
bleibe
Was,
„Wenn Du nicht mit
ich hier bei Dir, ich habe
Male?"
Sie schwieg. Sie wußte auch nichts zu sagen. Sie liebte
ihn nicht mehr. Sie wollte allein bleiben. Es war ihr eine
Erlösung, nicht mehr heucheln zu müsse».