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Die Absage an den Präsidenten Krüger.
Wenn Präsident Krüger mitten auf dem Wege
Uach Berlin Kehrt machen und den Besuch der deutschen
^eichshauptstadt aufgeben mutzte, so ist an dieser peinlichen
Art, wie seine Absicht scheiterte, er selbst und seine Um
gebung Schuld. Er hätte sich, allgemeinen und diplo
Gotischen Anstandsregeln entsprechend, in Berlin anmelden
Müssen. Ob man ihn dort angenommen hätte, mag dahin
gestellt bleiben. Es ist sehr wohl möglich, daß ihm auch
diesem Falle gesagt worden wäre, sein Besuch würde
"scht gern gesehen. Der alte, ehrwürdige Burenpräsident
Mtte es aber in diesem Falle doch vermieden, auf halbem
Wege umkehren zu müssen, was doch sehr peinlich und
Niederdrückend für ihn sein muh und auch auf die von
chm vertretene Sache ungünstiger wirkt, als wenn er die
»ieise nach Berlin gor nicht angetreten hätte. Die Stimmung
iM deutschen Publikum ist, das kann nicht verkannt
Werden, durchaus auf Seite Krügers und der Buren.
Zwar ein eigentliches Eintreten der deutschen Wehrmacht
Mr dieselben möchte Niemand befürworten, aber die Sympathie
Mochte man ihnen im weitesten Maße erzeigen, obgleich
^och, offen gesagt, die Buren von einer Sympathie-
Beugung, hinter der keine That steht, nichts haben. Die
Situation erinnert sehr an die Zeit, da Bismarck das für
^r> durch Rußland aus Bulgarien vertriebenen Batten-
Berger schwärmende Deutschland rücksichtslos mit kalten
Wasserstrahlen begoß. Heute ist wohl Jedermann in
Deutschland froh darüber, daß die deutsche Regierung sich
Damals vom Volke nicht für den Battenberger mitreißen
,eß. Aehnlich wird cs in einiger Zeit mit der Auf-
fassung der heutigen Stimmung für die Buren und ihren
Präsidenten stehen. Sollten die Buren ihre Freiheit doch
"och von England erkämpfen, so würde man das in
Deutschland gewiß mit Freuden sehen, aber man sagt sich,
"oß sie in den Kampf gegangen sind, ohne auf die Stimme
stammverwandten Hollands und Deutschlands zu hören,
^ie haben die Sache allein angefangen, deshalb mögen sie
Dieselbe auch allein ausfechten. Diejenigen Buren, die auf
deutsche Gebiet in Südafrika übersiedeln wollen,
Werden dort den Schutz der deutschen Regierung genießen.
Frankreich ist man über die Berliner Absage an Krüger
prustet. Der Kaiser, so sagen Pariser Blätter — und
"as jst gewiß in ihren Augen schrecklich — sei kein Lohengrin
^ehr; er habe sich als simpler Schüler Bismarcks entpuppt.
England herrscht begreiflicherweise Freude über das
Verhallen Deutschlands. Krüger will später nach Wien
""d nach Petersburg gehen; ob er dort den von ihm ge-
wünschten Erfolg haben wird, bleibe dahingestellt.
Deutsches Reich.
. — Der Nordd. Allg. Ztg. zufolge ist zum Nachfolger
ifs Fürsten Radolin für den Bot schäfte cp osten in
Petersburg der kaiserliche Gesandte in Brüssel, Graf
"> A lvensleben, ausersehen. (Graf v. Alvensleben ist
^ Jahre alt und seit 1861 im diplomatischen Dienst,
wurde er Botschastsrath in Petersburg, 1876 Ge-
neralconsul in Bukarest, 1879 preußischer Gesandter in
Darmstadt, 1882 kaiserlicher Gesandter im Haag und 1884
in Washington, 1888 außerordentlicher Gesandter und be
vollmächtigter Minister in Brüssel. Er ist seit 1897 ver-
heirathet mit der sechs Jahre jüngeren verwittweten Frau
Pauline v. Winterfeld geb. v. Röder.)
— Der bereits geschilderte Streit der sozialdemokra-
tischen Leipziger Volkszeitung mit ihren Setzern
schlägt allem, was die sozialdemokratische Theorie sonst ge-
genüber ihren Gegnern als ihr unverbrüchliches Dogma
aufzustellen pflegt, so ins Gesicht, daß man es begreift,
wenn auch der Vorstand der soz.-demokratischen Reichs-
tagsfraktion Veranlassung genommen hat, sich mit der An-
gelegenheit zu befassen. Er veröffentlicht im Vorwärts eine
Erklärung, in der es heißt:
Die Fraktion ist von jeher und zwar unter Zustimmung der
ganzen Partei dagegen aufgetreten, wenn die Leiter von Staats-
oder Privatbetrieben Arbeiter entließen, weil diese einer ihnen
mißliebigen Partei angehörten. Bon diesem Gesichtspunkte aus
kann die Fraktion es auch nicht billigen, daß die Frage,
ob ein Arbeiter eine gewünschte politische Thätigkeit ausübe oder
nicht, bei der Kündigung oder Entlassung in Parteigeschäften ent-
scheidend sei. Die Fraktion spricht deshalb die Hoffnung aus,
daß die Leipziger Genossen alles ausbieten werden, um den ge-
machten Mißgriff auszugletchen und die daraus ent-
sprungenen Differenzen zu beseitigen. Sie erwartet aber auch,
daß der Buckdruckerverband eine KampfeSweise einstellt, welche
die herrschende Verbitterung nur verschärfen muß. Die Fraktion
erklärt sich bereit, die Vermittlung zwischen den Streikenden zu
übernehmen.
Deutscher Reichstag. Berlin, 3. Decbr. Auf der
Tagesordnung steht die Interpellation der Cen-
trumsabgeordneten Dr. Heim und Müller-Fulda betreffend
Beseitigung der Kohlennot h.
Abg. Dr. Heim (Centr.) begründet die Interpellation. Das
rheinisch-westphälische Kohlensyncikat habe schwere Fehler be-
gangen. Redner wendet sich gegen den Zwischenhandel und be-
tont sodann, bis 1893, wo sich das Kohlensyndikat bildete, habe
der Kohlenpreis geschwankt, seitdem sei er aber beständig im
Steigen begriffen, da jede Concurrcnz fehle. Das Syndikat ver-
kaufe nach dem Ausland billiger, als im Jnlande. In den ersten
Monaten des Jahres habe sich die Kohlcnausfuhr um 12^ Mill.
Doppelcentner gesteigert, trotz Mangels im Jnlande. Dabei stelle
die Regierung stets nur Erwägungen und Erhebungen an. Man
müsse fast glauben, Herr Brefeld sei nicht Handelsminister, son-
dern gehöre dem Auffichtsrathe einer Bergwerksactiengesellschaft
an. Im Publikum herrsche eine wahre Kohlenangst. Das 18.
Armeekorps habe bei einer Submission gar keine Antwort erhal-
ten und englische Kohlen beziehen müssen. Ueber die Syndikate
müsse doch einmal die Staatsaufsicht eingerichtet weiden.
Preußischer Handelsminister Brefctd: Einzelheiten könne er
nicht kontrolliren- Auf die Verträge zwischen dem Syndikat und
dem Kleinhandel habe die Regierung keinen Einfluß. Ursache
der Kohlennoth sei der Ausfall der englischen, sächsischen und
böhmischen Kohlen und gesteigerter Bedarf der Industrie. Der
Zwischenhandel müsst naturgemäß größere Preise haben als
Gruben und Großhandel. Er habe aber vielfach die Preise
bis ins Wucherische gesteigert und das besonders in der
nächsten Nähe der Gruben. Zeitungsklagen und Versammlungen
riefen nur eine Art Panik hervor, so daß sich der Consum
ständig steigerte. Gruben und Großhändler haben bisher
die Preise nicht über Gebühr erhöht. Es sei nun eine
ganze Reihe von Abhilfsmitteln vorgeschlagen worden. Die Kohlen-
förderung in Preußen sei aber ständig gestiegen und werde nach
Fertigstellung der tn Augriff genommenen neuen Förderanlagen
weiter um 10 Procent steigen. Wenn allerdings auch die Aus-
fuhr erheblich gestiegen sei, müsse er doch- von einem Ausfuhr-
verbot abrathen als wirthschaftlich unrationell. Der Zwischen-
handel sei für die Production unentbehrlich; er habe den Uever-
luß dahin abzuleiten, wo Mangel sei. Dennoch sei direkter
Verkehr der Gruben mit den Verbrauchern erwünscht. Hierzu
sollen die Genossenschaften dienen, als organisirte
Käufer gegenüber dem organisirten Verkauf der Syndicate.
Gegen staatliche Beaufsichtigung der letzteren sei bet genügender
Vorsicht nichts einzuwenden. Die Genossenschaften hätten aber
immer noch Bedenken, die die Erfahrung nicht beseitigt hätte.
Die Frage, ob und wie man den Zwischenhandel controlircn
könne, sei noch niLt spruchreif. Er hoffe, seine Antwort werde
mehr Beruhigung und Vertrauen zu der staatlichen Aufsicht als
bisher Hervorrufen.
Preußischer Verkehrsminister v. Thielen: Er verfolge die
Kohlenabschlüsse alljährlich persönlich. Der Betrag des lausenden
Jahres sei 17000 Tonnen. Ausfuhrtarife seien nöthig für die
Produktion und für die Stabilität der Beförderungstartfe»
während die Verkaufspreise veränderlich seien. Hochkonjunk-
turen dauerten stet« nur kurze Zeit. Es sei daher un-
richtig, besondere Maßregeln zu ergreifen, wie Ausnahmetarife,
Aufhebung oder Erhöhung von Tarifen. Redner bespricht die
Kohlenausfuhr »ach den einzelnen Ländern. Die Aufhebung der
Ausfuhrtarife würde niemanden nützen, aber weite Kreise em-
findlich schädigen. Er sei überzeugt, die einheimische Produklion
werde in absehbarer Zeit zu mäßig sinkenden Preisen unseren
Bedarf decken können.
Es sprachen noch die Abgg. Hilbek, Richter und Kanitz,
ohne auf die Erklärungen der Regierungsvertreler Wesentliches
zur Beurtheilung der Sachlage beizubringen.
Nächste Sitzung Mittwoch: Centrumsantrag betr. das schranken-
lose Walten religiöser Gemeinschaften.
Baden. * Der Zwei Sterue-Mann des Beobachter
druckt die Schilderung ab, die neulich im Schwäb. Merk,
von dem Abg. Wacker und seiner Thätigkeit entworfen
wurde und die darin gipfelte, daß er die Politik zu sehr
wie Prozeßkrämerei treibe. Ob er allein dieses Unheils
wegen den Artikel abgedruckt hätte, mag dahingestellt
bleiben; die Hauptsache ist ihm, den Satz festzunageln,
daß es Wacker mit Hilfe des Agitationsmittels, das in der
Forderung des direkten Wahlrechts steckt, gelungen sei, die
nationalliberale Partei zu schwächen. Daran erfreut er
sich, daran ergötzt er sich. Er thut, als wäre damit ein
ganz außerordentliches Zugeständniß gemacht worben. In
Wirklichkeit aber hat doch Jeder, der bis 63 zählen kann,
nicht nur nachrechnen können, daß die nationalliberale
Partei in den letzten Jahren in der Zweiten Kammer geschwächt
worden ist, sondern auch genau um wie viel Stimmen. Ein
Geheimniß war und ist das doch sicher nicht Nun ist
aber dem Centrum das erfolgreiche Agitationsmittel aus der
Hand genommen worden. Ueberall erweckt die Ansprache des
engeren Ausschusses der nationalliberalen Partei in deren
Reihen freudigen Widerhall. Die Stimmung in ihr ist
lebhafter und zuversichtlicher als jemals seil längerer Zeit.
Man muß deshalb lachen, wenn mau sieht, daß der Zwei
Sterne-Manu seinen Artikel überschreibt: „Den
Nationalliberalen wird es unbehaglich". Nein,
den Nationalliberalen ist es sehr behaglich. Die Reihe, Un-
behagen zu empfinden, ist durchaus am Centrum.
Karlsruhe, 2. Dcc. Eine vorbereitende Versamm-
lung des nationalliberalen Vereins in Ettlingen stellte
sich bezüglich des Wahlrechts auf den Standpunkt des
Landesausschusses, nämlich allgemeines direktes Wahl-
recht ohne Kauteleu.
ö.O. Emmendingen, 3. Dez. In einer Versamm-
lung des hiesigen nat.-lib. Vereins sprachen sich Abg.
Pfefferle und Rechtsanwalt Dreyfußfür, Fabrikant
RingWald und Realschuloorstand Debo gegen die
Einführung des direkten Landtags Wahlrechts aus.
Bei der Abstimmung erklärte sich die Versammlung mit
einer Mehrheit von 2 Stimmen mit der Stellungnahme
des engeren Ausschusses der nat.-lib. Partei einverstanden.
In der Debatte wurde, wie die Breisg. Ztg. hervorhebt,
allgemein der Ansicht Ausdruck gegeben, daß, wie auch die
Entscheidung in der Wahlrechtsfrage ausfalle, die Einig-
keit innerhalb der nat.-lib. Partei gewahrt bleiben müsse.
Nus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großh-rzog haben
dem Geheimen Äanzleidiener im Auswärtigen Amte Otto
Schütz die kleine goldene Verdienstmedaille verliehen und auf
1. Januar k. I. den Landgerichtsrath Adolf Guttenberg in
Waldshut des Dienstes als Untersuchungsrichter enthoben und
an seiner Stelle den Landgerichlsrath Friedrich Gut zum Unter-
suchungsrichter beim Landgericht Waldshut ernannt.
— 'Die Generatdirektion der Staatseisenbahnen hat die im
S>plember d I. ungeordnete Kürzung der L a d e f r i st e n für
. * Das Romanfeuilleton mußte heute Raummangels wegen
«>egbleiben.
Stadt-Theater.
Heidelberg, 3. December.
»Die Hochzeit des Figaro", Oper in 4 Aufzügen von
W- A. Mozart.
. Den erfreulichsten Eindruck, den seit Langem eine Opernauf-
Mrung hier zurückgelassen, nahm man von der gestrigen
Aeubelebung des entzückenden Juwels von komischer Oper mit.
^ds himmlische musikalische Rokokobild hatte eine Fassung er-
Mten, die es, für unsere Verhältnisse zumal, zu durchaus glück-
te»" Geltung kommen ließ.
k. Die in ihrer Art ungemein schwierige Oper war nicht nur
Nler von Direktor Radig einstudirt, man darf sogar der
Wiedergabe nachrühmen, daß sie auf'S rühmlichste bemüht war,
vornehmen Styl zu wahren. Gäbe es nur ein Mittel, den
^rchesteiklang nach dem Zuschauer hin zu dämpfen!
Die Damen leisteten das Beste. Obenan stand gesanglich wie
varstellertsch die Susanne des Frl. H es ch. Können und Ge-
""wack verbanden sich bei ihr und ermöglichten es, eine wirklich
"liebste, nach jeder Richtung anziehende und abgerundete
^"stung zu bieten. Das war brav, wirklich brav! Ueberrascht
M neben ihr Frl. Gerhäuser, in der ungemein schwierigen
Aufgabe der Gräfin. Auch gestern war freilich, was sie gab,
AMch ungleich. Die großen, schönen Mittel, die ausgiebige
"doch etwas schwerfällige Stimme ist eben nicht genügend
^Kpltnirt. Vieles sang die Dame wirklich tadellos schön und
Nute man sich an dem trefflichen Stimmmaterial erfreuen, das
I?" oft wieder leicht in der Höhe einen spröden und harten
di-Ä annimmt. Besonders gefährlich ist für Frl. Gerhäuser
Arhemökonomie. Trotz dieser Beanstandungen muß auch bei
di, r. Pistung das Streben nach einer vornehmen Haltung und
, " bedeutende musikalisch-ernste Durchführung wärmstens aner-
uttnt werdcn.
^ Gar lieb nahm sich der Page des Frl. Koppenhöfcr aus.
^ stt ja nur ein verschleiertes, zerbrechliches Sümmchen, das in
der ersten Arie zu unreif flackerte; was die Partie trug, war das
ganze schalkhafte, knabenhafte Wesen; der Geschmack und die An-
muth in Vortrag und Spiel vergoldeten die kleinen Mittel.
Auch Marcelline und Bärbchen (Frl. Heiland und Frl.
Pilna) gereichten der Aufführung zur Zierde.
Auf zweiter Stufe standen die Herren. Der Graf liegt Hrn.
v. Keller insofern nicht so recht, als er den glänzenden Theil
seiner Stimme, die Höhe, nicht ausgiebig verwenden kann. Die
Ausgestaltung der Rolle war eine recht sympathische, die bei
wachsender Bühnensicherheit noch reifen wird. Seine weiche, an-
genehme Stimme und sein musikalischer Vortrag, sowie — von
einem Einsatz abgesehen — seine Sicherheit verbinden sich heute
schon zu glücklicher Wirkung. Sein technischer Mangel, das
Vtbriren in den tieferen Lagen, trat auch gestern störend hervor,
wenn auch schwächer als bei seinem Debüt.
Die wackere Haltung der Herren Paul (Bartolo) und
Runsky — warum in aller Welt hatte dieser auf die fest-
stehende Basiliomaske verzichtet? — verdient volle Anerkennung.
Den wunden Punkt des Abends gab Figaro ab. Es thut
Einem ja leid, eine so musikalisch sicher und bestens gewollte,
auch schauspielerisch annehmbare Leistung nicht würdigen zu kön-
nen, aber in dieser prächtigen, wohlig klingenden Baß-Baryton-
Partie den ganzen Abend nur einen hohlen, farblosen Gaumen-
ton zu hören, ist eine absolute Unmöglichkeit.
Nicht eben schön war auch der Dialog, den man zu hören
bekam. An welcher Bühne ist er überhaupt schön?
Im Uebrigen denkt man mit ehrlicher Freude an denMozc""
abend von gestern zurück. Or. 8
O Heidelberg. 4, December
Ueber unsere Kraft. Schauspiel in zwei Theilen ,t
Björnsterne Björnson. Erster Theil.
Wir sollen nicht viel reden und deuten, wir sollen uns
Weisheit zu Hause lassen, wenn auf unserer Bühne etwas
schienen ist von einer so starken Idealität wie Björnsons „Uel
unsere Kraft". Nur unwillig, ermüdet durch zu langwierige Ar
einandersetzungen jedesmal zu Beginn der beiden Akte, gaben t
uns in den Bann der Dichtung; gegen die Aktschlüsse hin faßt
sie mit festen heiligen Händen mächtig nach unseren Herzen. Die
gestrige Aufführung bot uns die Scenen des ersten Theils in
klaren Zügen und schöner feierlicher Stimmung. Herr Rudoph
war ein Pfarrer Sang, so hoheitvoll, so voll von Güte und
Glaubensfreude, Innigkeit und Naivetät, daß wir uns schwer
einen besseren Interpreten dieser Gestalt denken können. — Das
Stück der Dichtung, das wir gestern sahen, stellt gewissermaßen
nur ein Vorspiel, nur eine Einleitung dar zum zweiten Theil von
„Ueber unsere Kraft", der großartigen und überaus mächtigen
Tragödie des Pfarrerssohns Elias Sang. Ein mystischer Hauch
liegt über dem Ganzen dieser Dichtung, und mit tastender Un-
sicherheit geht der Berichterstatter an seine Aufgabe, von ihr einen
Begriff zu geben. Im Lagerlied von Goethe heißt's: „Und
schwer und schwerer hängt eine Hülle mit Ehrfurcht. Die Zukunft
decket Schmerzen und Glücke, schrittweis dem Blicke, doch un-
geschrecket dringen wir vorwärts". Die Schritte, die Etappen,
das mühsame Vorwärts zum Ziele des Gottesreichs, der Gemein-
schaft frei vollendeter Menschen, glauben beide überfliegen zu
können, beide Sang, Adolf, der Vater, und Elias, der Sohn.
Der Vater glaubt durch anhaltende Gebete die Kraft Gottes auf
die Erde herabreißen zu können; der Sohn, der den Glauben des
Vaters verloren und nur den Glauben „an die wachsende Gerech-
tigkeit" behalten hat, sucht mit einem Schlage aus einmal die
Menschheit anszurüttcln und emporznheben durch ein Entsetzliches
und begeht eine grauenvolle That. „Willst Du, daß etwas weiterlebt,
' stirb dafür." „Keine Erneuerung außer durch den Tod",
rch den Geist, der in seines Vaters Haus lebte, hat sich sein Be-
ßtsein „mit dem erfüllt, was größer war als das Größte, und sich
ans „Unendliche hinanfgeschraubt". Beide, Vater und Sohn,
en an überspanntem Willen, überspannter Phantasie zu Grunde.
: „haben Menschen in goldenen Wagen gen Himmel fahren sehen,
cn Engel in den Wolken und Teufel in ewigen Feuern erblickt
> haben einen wahren Heißhunger nach Wundern'. Sie „haben
>t gelernt, das wirkliche Leben zu sehen und sich darüber klar
werden. Ihr Gehirn reicht nicht aus, sie können sich in dem
ürlichen Leben nicht zurecht finden, sie nehmen falsches
zenmaß und stürzen aufs Gerathewohl hinaus. Das
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tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
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Fr. 283. ErKts Mit.
Dienstag, den 4. Dceemder
1900.
Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für den Monat December
Werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Spedition, UntereNeckarstr.21, fortwährend angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für den Monat Decenn
"er, wenn am Schalter abgeholt, 42 Pfg., für Zustell
gebühr 15 Pfg. weiter.
Die Absage an den Präsidenten Krüger.
Wenn Präsident Krüger mitten auf dem Wege
Uach Berlin Kehrt machen und den Besuch der deutschen
^eichshauptstadt aufgeben mutzte, so ist an dieser peinlichen
Art, wie seine Absicht scheiterte, er selbst und seine Um
gebung Schuld. Er hätte sich, allgemeinen und diplo
Gotischen Anstandsregeln entsprechend, in Berlin anmelden
Müssen. Ob man ihn dort angenommen hätte, mag dahin
gestellt bleiben. Es ist sehr wohl möglich, daß ihm auch
diesem Falle gesagt worden wäre, sein Besuch würde
"scht gern gesehen. Der alte, ehrwürdige Burenpräsident
Mtte es aber in diesem Falle doch vermieden, auf halbem
Wege umkehren zu müssen, was doch sehr peinlich und
Niederdrückend für ihn sein muh und auch auf die von
chm vertretene Sache ungünstiger wirkt, als wenn er die
»ieise nach Berlin gor nicht angetreten hätte. Die Stimmung
iM deutschen Publikum ist, das kann nicht verkannt
Werden, durchaus auf Seite Krügers und der Buren.
Zwar ein eigentliches Eintreten der deutschen Wehrmacht
Mr dieselben möchte Niemand befürworten, aber die Sympathie
Mochte man ihnen im weitesten Maße erzeigen, obgleich
^och, offen gesagt, die Buren von einer Sympathie-
Beugung, hinter der keine That steht, nichts haben. Die
Situation erinnert sehr an die Zeit, da Bismarck das für
^r> durch Rußland aus Bulgarien vertriebenen Batten-
Berger schwärmende Deutschland rücksichtslos mit kalten
Wasserstrahlen begoß. Heute ist wohl Jedermann in
Deutschland froh darüber, daß die deutsche Regierung sich
Damals vom Volke nicht für den Battenberger mitreißen
,eß. Aehnlich wird cs in einiger Zeit mit der Auf-
fassung der heutigen Stimmung für die Buren und ihren
Präsidenten stehen. Sollten die Buren ihre Freiheit doch
"och von England erkämpfen, so würde man das in
Deutschland gewiß mit Freuden sehen, aber man sagt sich,
"oß sie in den Kampf gegangen sind, ohne auf die Stimme
stammverwandten Hollands und Deutschlands zu hören,
^ie haben die Sache allein angefangen, deshalb mögen sie
Dieselbe auch allein ausfechten. Diejenigen Buren, die auf
deutsche Gebiet in Südafrika übersiedeln wollen,
Werden dort den Schutz der deutschen Regierung genießen.
Frankreich ist man über die Berliner Absage an Krüger
prustet. Der Kaiser, so sagen Pariser Blätter — und
"as jst gewiß in ihren Augen schrecklich — sei kein Lohengrin
^ehr; er habe sich als simpler Schüler Bismarcks entpuppt.
England herrscht begreiflicherweise Freude über das
Verhallen Deutschlands. Krüger will später nach Wien
""d nach Petersburg gehen; ob er dort den von ihm ge-
wünschten Erfolg haben wird, bleibe dahingestellt.
Deutsches Reich.
. — Der Nordd. Allg. Ztg. zufolge ist zum Nachfolger
ifs Fürsten Radolin für den Bot schäfte cp osten in
Petersburg der kaiserliche Gesandte in Brüssel, Graf
"> A lvensleben, ausersehen. (Graf v. Alvensleben ist
^ Jahre alt und seit 1861 im diplomatischen Dienst,
wurde er Botschastsrath in Petersburg, 1876 Ge-
neralconsul in Bukarest, 1879 preußischer Gesandter in
Darmstadt, 1882 kaiserlicher Gesandter im Haag und 1884
in Washington, 1888 außerordentlicher Gesandter und be
vollmächtigter Minister in Brüssel. Er ist seit 1897 ver-
heirathet mit der sechs Jahre jüngeren verwittweten Frau
Pauline v. Winterfeld geb. v. Röder.)
— Der bereits geschilderte Streit der sozialdemokra-
tischen Leipziger Volkszeitung mit ihren Setzern
schlägt allem, was die sozialdemokratische Theorie sonst ge-
genüber ihren Gegnern als ihr unverbrüchliches Dogma
aufzustellen pflegt, so ins Gesicht, daß man es begreift,
wenn auch der Vorstand der soz.-demokratischen Reichs-
tagsfraktion Veranlassung genommen hat, sich mit der An-
gelegenheit zu befassen. Er veröffentlicht im Vorwärts eine
Erklärung, in der es heißt:
Die Fraktion ist von jeher und zwar unter Zustimmung der
ganzen Partei dagegen aufgetreten, wenn die Leiter von Staats-
oder Privatbetrieben Arbeiter entließen, weil diese einer ihnen
mißliebigen Partei angehörten. Bon diesem Gesichtspunkte aus
kann die Fraktion es auch nicht billigen, daß die Frage,
ob ein Arbeiter eine gewünschte politische Thätigkeit ausübe oder
nicht, bei der Kündigung oder Entlassung in Parteigeschäften ent-
scheidend sei. Die Fraktion spricht deshalb die Hoffnung aus,
daß die Leipziger Genossen alles ausbieten werden, um den ge-
machten Mißgriff auszugletchen und die daraus ent-
sprungenen Differenzen zu beseitigen. Sie erwartet aber auch,
daß der Buckdruckerverband eine KampfeSweise einstellt, welche
die herrschende Verbitterung nur verschärfen muß. Die Fraktion
erklärt sich bereit, die Vermittlung zwischen den Streikenden zu
übernehmen.
Deutscher Reichstag. Berlin, 3. Decbr. Auf der
Tagesordnung steht die Interpellation der Cen-
trumsabgeordneten Dr. Heim und Müller-Fulda betreffend
Beseitigung der Kohlennot h.
Abg. Dr. Heim (Centr.) begründet die Interpellation. Das
rheinisch-westphälische Kohlensyncikat habe schwere Fehler be-
gangen. Redner wendet sich gegen den Zwischenhandel und be-
tont sodann, bis 1893, wo sich das Kohlensyndikat bildete, habe
der Kohlenpreis geschwankt, seitdem sei er aber beständig im
Steigen begriffen, da jede Concurrcnz fehle. Das Syndikat ver-
kaufe nach dem Ausland billiger, als im Jnlande. In den ersten
Monaten des Jahres habe sich die Kohlcnausfuhr um 12^ Mill.
Doppelcentner gesteigert, trotz Mangels im Jnlande. Dabei stelle
die Regierung stets nur Erwägungen und Erhebungen an. Man
müsse fast glauben, Herr Brefeld sei nicht Handelsminister, son-
dern gehöre dem Auffichtsrathe einer Bergwerksactiengesellschaft
an. Im Publikum herrsche eine wahre Kohlenangst. Das 18.
Armeekorps habe bei einer Submission gar keine Antwort erhal-
ten und englische Kohlen beziehen müssen. Ueber die Syndikate
müsse doch einmal die Staatsaufsicht eingerichtet weiden.
Preußischer Handelsminister Brefctd: Einzelheiten könne er
nicht kontrolliren- Auf die Verträge zwischen dem Syndikat und
dem Kleinhandel habe die Regierung keinen Einfluß. Ursache
der Kohlennoth sei der Ausfall der englischen, sächsischen und
böhmischen Kohlen und gesteigerter Bedarf der Industrie. Der
Zwischenhandel müsst naturgemäß größere Preise haben als
Gruben und Großhandel. Er habe aber vielfach die Preise
bis ins Wucherische gesteigert und das besonders in der
nächsten Nähe der Gruben. Zeitungsklagen und Versammlungen
riefen nur eine Art Panik hervor, so daß sich der Consum
ständig steigerte. Gruben und Großhändler haben bisher
die Preise nicht über Gebühr erhöht. Es sei nun eine
ganze Reihe von Abhilfsmitteln vorgeschlagen worden. Die Kohlen-
förderung in Preußen sei aber ständig gestiegen und werde nach
Fertigstellung der tn Augriff genommenen neuen Förderanlagen
weiter um 10 Procent steigen. Wenn allerdings auch die Aus-
fuhr erheblich gestiegen sei, müsse er doch- von einem Ausfuhr-
verbot abrathen als wirthschaftlich unrationell. Der Zwischen-
handel sei für die Production unentbehrlich; er habe den Uever-
luß dahin abzuleiten, wo Mangel sei. Dennoch sei direkter
Verkehr der Gruben mit den Verbrauchern erwünscht. Hierzu
sollen die Genossenschaften dienen, als organisirte
Käufer gegenüber dem organisirten Verkauf der Syndicate.
Gegen staatliche Beaufsichtigung der letzteren sei bet genügender
Vorsicht nichts einzuwenden. Die Genossenschaften hätten aber
immer noch Bedenken, die die Erfahrung nicht beseitigt hätte.
Die Frage, ob und wie man den Zwischenhandel controlircn
könne, sei noch niLt spruchreif. Er hoffe, seine Antwort werde
mehr Beruhigung und Vertrauen zu der staatlichen Aufsicht als
bisher Hervorrufen.
Preußischer Verkehrsminister v. Thielen: Er verfolge die
Kohlenabschlüsse alljährlich persönlich. Der Betrag des lausenden
Jahres sei 17000 Tonnen. Ausfuhrtarife seien nöthig für die
Produktion und für die Stabilität der Beförderungstartfe»
während die Verkaufspreise veränderlich seien. Hochkonjunk-
turen dauerten stet« nur kurze Zeit. Es sei daher un-
richtig, besondere Maßregeln zu ergreifen, wie Ausnahmetarife,
Aufhebung oder Erhöhung von Tarifen. Redner bespricht die
Kohlenausfuhr »ach den einzelnen Ländern. Die Aufhebung der
Ausfuhrtarife würde niemanden nützen, aber weite Kreise em-
findlich schädigen. Er sei überzeugt, die einheimische Produklion
werde in absehbarer Zeit zu mäßig sinkenden Preisen unseren
Bedarf decken können.
Es sprachen noch die Abgg. Hilbek, Richter und Kanitz,
ohne auf die Erklärungen der Regierungsvertreler Wesentliches
zur Beurtheilung der Sachlage beizubringen.
Nächste Sitzung Mittwoch: Centrumsantrag betr. das schranken-
lose Walten religiöser Gemeinschaften.
Baden. * Der Zwei Sterue-Mann des Beobachter
druckt die Schilderung ab, die neulich im Schwäb. Merk,
von dem Abg. Wacker und seiner Thätigkeit entworfen
wurde und die darin gipfelte, daß er die Politik zu sehr
wie Prozeßkrämerei treibe. Ob er allein dieses Unheils
wegen den Artikel abgedruckt hätte, mag dahingestellt
bleiben; die Hauptsache ist ihm, den Satz festzunageln,
daß es Wacker mit Hilfe des Agitationsmittels, das in der
Forderung des direkten Wahlrechts steckt, gelungen sei, die
nationalliberale Partei zu schwächen. Daran erfreut er
sich, daran ergötzt er sich. Er thut, als wäre damit ein
ganz außerordentliches Zugeständniß gemacht worben. In
Wirklichkeit aber hat doch Jeder, der bis 63 zählen kann,
nicht nur nachrechnen können, daß die nationalliberale
Partei in den letzten Jahren in der Zweiten Kammer geschwächt
worden ist, sondern auch genau um wie viel Stimmen. Ein
Geheimniß war und ist das doch sicher nicht Nun ist
aber dem Centrum das erfolgreiche Agitationsmittel aus der
Hand genommen worden. Ueberall erweckt die Ansprache des
engeren Ausschusses der nationalliberalen Partei in deren
Reihen freudigen Widerhall. Die Stimmung in ihr ist
lebhafter und zuversichtlicher als jemals seil längerer Zeit.
Man muß deshalb lachen, wenn mau sieht, daß der Zwei
Sterne-Manu seinen Artikel überschreibt: „Den
Nationalliberalen wird es unbehaglich". Nein,
den Nationalliberalen ist es sehr behaglich. Die Reihe, Un-
behagen zu empfinden, ist durchaus am Centrum.
Karlsruhe, 2. Dcc. Eine vorbereitende Versamm-
lung des nationalliberalen Vereins in Ettlingen stellte
sich bezüglich des Wahlrechts auf den Standpunkt des
Landesausschusses, nämlich allgemeines direktes Wahl-
recht ohne Kauteleu.
ö.O. Emmendingen, 3. Dez. In einer Versamm-
lung des hiesigen nat.-lib. Vereins sprachen sich Abg.
Pfefferle und Rechtsanwalt Dreyfußfür, Fabrikant
RingWald und Realschuloorstand Debo gegen die
Einführung des direkten Landtags Wahlrechts aus.
Bei der Abstimmung erklärte sich die Versammlung mit
einer Mehrheit von 2 Stimmen mit der Stellungnahme
des engeren Ausschusses der nat.-lib. Partei einverstanden.
In der Debatte wurde, wie die Breisg. Ztg. hervorhebt,
allgemein der Ansicht Ausdruck gegeben, daß, wie auch die
Entscheidung in der Wahlrechtsfrage ausfalle, die Einig-
keit innerhalb der nat.-lib. Partei gewahrt bleiben müsse.
Nus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großh-rzog haben
dem Geheimen Äanzleidiener im Auswärtigen Amte Otto
Schütz die kleine goldene Verdienstmedaille verliehen und auf
1. Januar k. I. den Landgerichtsrath Adolf Guttenberg in
Waldshut des Dienstes als Untersuchungsrichter enthoben und
an seiner Stelle den Landgerichlsrath Friedrich Gut zum Unter-
suchungsrichter beim Landgericht Waldshut ernannt.
— 'Die Generatdirektion der Staatseisenbahnen hat die im
S>plember d I. ungeordnete Kürzung der L a d e f r i st e n für
. * Das Romanfeuilleton mußte heute Raummangels wegen
«>egbleiben.
Stadt-Theater.
Heidelberg, 3. December.
»Die Hochzeit des Figaro", Oper in 4 Aufzügen von
W- A. Mozart.
. Den erfreulichsten Eindruck, den seit Langem eine Opernauf-
Mrung hier zurückgelassen, nahm man von der gestrigen
Aeubelebung des entzückenden Juwels von komischer Oper mit.
^ds himmlische musikalische Rokokobild hatte eine Fassung er-
Mten, die es, für unsere Verhältnisse zumal, zu durchaus glück-
te»" Geltung kommen ließ.
k. Die in ihrer Art ungemein schwierige Oper war nicht nur
Nler von Direktor Radig einstudirt, man darf sogar der
Wiedergabe nachrühmen, daß sie auf'S rühmlichste bemüht war,
vornehmen Styl zu wahren. Gäbe es nur ein Mittel, den
^rchesteiklang nach dem Zuschauer hin zu dämpfen!
Die Damen leisteten das Beste. Obenan stand gesanglich wie
varstellertsch die Susanne des Frl. H es ch. Können und Ge-
""wack verbanden sich bei ihr und ermöglichten es, eine wirklich
"liebste, nach jeder Richtung anziehende und abgerundete
^"stung zu bieten. Das war brav, wirklich brav! Ueberrascht
M neben ihr Frl. Gerhäuser, in der ungemein schwierigen
Aufgabe der Gräfin. Auch gestern war freilich, was sie gab,
AMch ungleich. Die großen, schönen Mittel, die ausgiebige
"doch etwas schwerfällige Stimme ist eben nicht genügend
^Kpltnirt. Vieles sang die Dame wirklich tadellos schön und
Nute man sich an dem trefflichen Stimmmaterial erfreuen, das
I?" oft wieder leicht in der Höhe einen spröden und harten
di-Ä annimmt. Besonders gefährlich ist für Frl. Gerhäuser
Arhemökonomie. Trotz dieser Beanstandungen muß auch bei
di, r. Pistung das Streben nach einer vornehmen Haltung und
, " bedeutende musikalisch-ernste Durchführung wärmstens aner-
uttnt werdcn.
^ Gar lieb nahm sich der Page des Frl. Koppenhöfcr aus.
^ stt ja nur ein verschleiertes, zerbrechliches Sümmchen, das in
der ersten Arie zu unreif flackerte; was die Partie trug, war das
ganze schalkhafte, knabenhafte Wesen; der Geschmack und die An-
muth in Vortrag und Spiel vergoldeten die kleinen Mittel.
Auch Marcelline und Bärbchen (Frl. Heiland und Frl.
Pilna) gereichten der Aufführung zur Zierde.
Auf zweiter Stufe standen die Herren. Der Graf liegt Hrn.
v. Keller insofern nicht so recht, als er den glänzenden Theil
seiner Stimme, die Höhe, nicht ausgiebig verwenden kann. Die
Ausgestaltung der Rolle war eine recht sympathische, die bei
wachsender Bühnensicherheit noch reifen wird. Seine weiche, an-
genehme Stimme und sein musikalischer Vortrag, sowie — von
einem Einsatz abgesehen — seine Sicherheit verbinden sich heute
schon zu glücklicher Wirkung. Sein technischer Mangel, das
Vtbriren in den tieferen Lagen, trat auch gestern störend hervor,
wenn auch schwächer als bei seinem Debüt.
Die wackere Haltung der Herren Paul (Bartolo) und
Runsky — warum in aller Welt hatte dieser auf die fest-
stehende Basiliomaske verzichtet? — verdient volle Anerkennung.
Den wunden Punkt des Abends gab Figaro ab. Es thut
Einem ja leid, eine so musikalisch sicher und bestens gewollte,
auch schauspielerisch annehmbare Leistung nicht würdigen zu kön-
nen, aber in dieser prächtigen, wohlig klingenden Baß-Baryton-
Partie den ganzen Abend nur einen hohlen, farblosen Gaumen-
ton zu hören, ist eine absolute Unmöglichkeit.
Nicht eben schön war auch der Dialog, den man zu hören
bekam. An welcher Bühne ist er überhaupt schön?
Im Uebrigen denkt man mit ehrlicher Freude an denMozc""
abend von gestern zurück. Or. 8
O Heidelberg. 4, December
Ueber unsere Kraft. Schauspiel in zwei Theilen ,t
Björnsterne Björnson. Erster Theil.
Wir sollen nicht viel reden und deuten, wir sollen uns
Weisheit zu Hause lassen, wenn auf unserer Bühne etwas
schienen ist von einer so starken Idealität wie Björnsons „Uel
unsere Kraft". Nur unwillig, ermüdet durch zu langwierige Ar
einandersetzungen jedesmal zu Beginn der beiden Akte, gaben t
uns in den Bann der Dichtung; gegen die Aktschlüsse hin faßt
sie mit festen heiligen Händen mächtig nach unseren Herzen. Die
gestrige Aufführung bot uns die Scenen des ersten Theils in
klaren Zügen und schöner feierlicher Stimmung. Herr Rudoph
war ein Pfarrer Sang, so hoheitvoll, so voll von Güte und
Glaubensfreude, Innigkeit und Naivetät, daß wir uns schwer
einen besseren Interpreten dieser Gestalt denken können. — Das
Stück der Dichtung, das wir gestern sahen, stellt gewissermaßen
nur ein Vorspiel, nur eine Einleitung dar zum zweiten Theil von
„Ueber unsere Kraft", der großartigen und überaus mächtigen
Tragödie des Pfarrerssohns Elias Sang. Ein mystischer Hauch
liegt über dem Ganzen dieser Dichtung, und mit tastender Un-
sicherheit geht der Berichterstatter an seine Aufgabe, von ihr einen
Begriff zu geben. Im Lagerlied von Goethe heißt's: „Und
schwer und schwerer hängt eine Hülle mit Ehrfurcht. Die Zukunft
decket Schmerzen und Glücke, schrittweis dem Blicke, doch un-
geschrecket dringen wir vorwärts". Die Schritte, die Etappen,
das mühsame Vorwärts zum Ziele des Gottesreichs, der Gemein-
schaft frei vollendeter Menschen, glauben beide überfliegen zu
können, beide Sang, Adolf, der Vater, und Elias, der Sohn.
Der Vater glaubt durch anhaltende Gebete die Kraft Gottes auf
die Erde herabreißen zu können; der Sohn, der den Glauben des
Vaters verloren und nur den Glauben „an die wachsende Gerech-
tigkeit" behalten hat, sucht mit einem Schlage aus einmal die
Menschheit anszurüttcln und emporznheben durch ein Entsetzliches
und begeht eine grauenvolle That. „Willst Du, daß etwas weiterlebt,
' stirb dafür." „Keine Erneuerung außer durch den Tod",
rch den Geist, der in seines Vaters Haus lebte, hat sich sein Be-
ßtsein „mit dem erfüllt, was größer war als das Größte, und sich
ans „Unendliche hinanfgeschraubt". Beide, Vater und Sohn,
en an überspanntem Willen, überspannter Phantasie zu Grunde.
: „haben Menschen in goldenen Wagen gen Himmel fahren sehen,
cn Engel in den Wolken und Teufel in ewigen Feuern erblickt
> haben einen wahren Heißhunger nach Wundern'. Sie „haben
>t gelernt, das wirkliche Leben zu sehen und sich darüber klar
werden. Ihr Gehirn reicht nicht aus, sie können sich in dem
ürlichen Leben nicht zurecht finden, sie nehmen falsches
zenmaß und stürzen aufs Gerathewohl hinaus. Das