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wenn am Schalter abgeholt, 42 Psg., für Zustellgebühr
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Die Ankunft der Division Lefsel in China.
Man schreibt dem Berliner Tagblatt aus Kiel vom
29. August:
Fast gleichzeitig sind das Vorbereitungskommando des
Unter dem Generalleutnant v. Lessel stehenden Expeditions-
korps in der Aangtsemündung an Bord des Lloyddampfers
"Preußen", die Linienschiffsdivision in Hongkong und die
ersten drei Dampfer des ostasiatischen Expeditionskorps am
Eingang zum chinesischen Meere angekommen. Die Linien-
risse und der Kreuzer „Hela" haben die Fahrt von Kiel
bach Hongkong in fünfzig Tagen gemacht. Es ist diese
Fahrzeit gegenüber der Leistung des Panzerkreuzers
»Fürst Bismarck" eine ziemlich lange. Da die Aktions-
fähigkeit der Panzer eine beschränkte ist, mußte eine Marsch-
öeschwindigkeit von zehn Seemeilen innegehalten werden.
Dadurch hat sich die Ankunft verzögert. Es ist das erste
Pial, daß der Salut deutscher Linienschiffe an den Ge-
raden Chinas erdröhnt; zum ersten Male erblicken die
Perbündeten und die Chinesen die Flagge einer deutschen
>inienschiffsdivision im fernen Osten. Das deutsche Reich
üt jetzt unter allen Mächten durch die größte Anzahl
Linienschiffe in Ostasien vertreten. Das Vorbereitungs-
'"lnmandv traf am 26. August in Shanghai ein.
Als erstes Schiff der Lessel'schen Expedition erreichte
^ »Halle" mit 24 Offizieren und 488 Mann am
Sonntag Singapore; an demselben Tage lief die
»Dresden" mit 61 Offizieren und 925 Mann ein, und
^n Montag folgte die stattliche „Batavia" mit 157
Offizieren und 2138 Mann. Augenblicklich befinden sich
o800 Mann der Expedition in dem südchinesischen Meer,
Während 2400 Manu der Linienschiffsdiviston vor Hong-
liegen. Rechnet man dazu die 2500 Mann starken
deebalaillone unter Generalmajor v. Höpfner und die Be-
dungen der bereits eingetroffencn Kriegsschiffe „Fürst
^lsmarck", „Seeadler", „Geier" und „Tiger",
Wwie der auf der Fahrt von Singapore nach Hongkong
befindlichen „Schwalbe", insgesammt über 1000 Mann,
W find jetzt schon auf dem Kriegsschauplatz rund 10 000
Mann Verstärkung angekommen. Im Indischen Ozean
Mwimmen sieben Transportdampfer, darunter die beiden
Sofien Hamburger Schiffe „Rhein" und „Phönicia",
allein 4000 Mann an Bord haben, sowie das Lazareth-
'^>ff „Gera", welches gestern Aden verließ. Die
Wuchsen" mit dem Oberkommando durchmißt jetzt das
?>othe M^r und dürfte eine Reihe von Schiffen über-
?bstn. Im weilen Abstande folgen die mit Kriegsmaterial
b"adenen Dampfer „Marie", „Elsa" und „Borneo".
Die Vorgänge in China.
Aus Washington, 31. August, wird gemeldet: Die ameri-
bllische Regierung setzte ihre Vertreter im Auslande davon
" Kennkniß, daß sie vom russischen Geschäftsträger
„we Note erhalten habe, welche darauf Hinweise, daß die
bmirale beschlossen hätten, Li-Hung-Tschang zu
^hindern, sich mit den chinesischen Behörden in Ver-
bindung zu setzen, so lange sie davon dem diplomatischen
Corps in Peking noch keinerlei Mittheilung gemacht hätten
und welche die Ueberraschung Rußlands über diese
Maßnahme zum Ausdruck bringe. Amerika stimme mit
dieser Ansicht Rußlands überein und mache mit allem
Nachdruck geltend, daß Li-Hung-Tschang der einzige
erreichbare Vertreter der chinesischen Re-
gierung sei und daß er deshalb vollständige
Freiheit haben müsse, sich mit seiner Regierung und
mit dem Kommandeur der chinesischen Truppen in Ver
bindung zu setzen. Die amerikanischen Vertreter in China
seien in diesem Sinne instruirt, die amerikanischen Ver-
treter in Europa aber seien angewiesen, sich über die An
schaumigen der Regierungen, bei denen sie beglaubigt sind,
zu vergewissern.
Eine weitere Meldung ergänzt diese Mittheilungcn da
hin: Den amerikanischen Vertretern im Auslande sind
Weisungen ertheilt worden, laut deren die Vereinigten
Staaten bereit seien, ihre Truppen aus Peking
zurückzuziehen und dem kaiserlichen Hofe zu
gestatten, zurückzu kehren, um Friedensverhand-
lungen einleitcn zu können. Es heißt, die russische
Note, auf welche sich diese Weisung gründe, verlange, daß
die Kaiserin Wittwe und der Kaiser Sicherheit dafür geben,
daß die chinesische Regierung bereit sei, die Ausbreitung
der Unruhen und die Wiederkehr solcher Verhältnisse, wie
die jetzigen, zu verhindern.
Die Thatsache, daß die Admirale beschlossen haben, Li-
Hung-Tschang in Taku festzuhalten, ist auch in Europa
nicht recht verstanden worden. Man hat ihre Gründe noch
nicht gehört. Andererseits erscheint die Vertrauensseligkeit
der Russen und Amerikaner, die schon von der Zurückziehung
der Truppen sprechen, doch etwas voreilig.
Mit Bedauern ist wahrzunehmen, daß das eilige Nb-
schwcnken der amerikanischen Regierung in die Friedcns-
richtung mit Angriffen amerikanischer Blätter auf Deutsch-
land verbunden ist.
Die New-Iarker Sun schreibt, die Waldersee-Affaire
sei lächerlich geworden. Wenn der Kaiser in seiner Hal-
tung fortfahre, könne man dem Schluß nicht widerstehen,
daß er Ziele im Auge habe, die im Rundschreiben Bülows
nicht dargelegt seien. Die New-Aorker Evening Post schließt
einen ähnlichen Artikel mit dem Ausdruck des Glaubens,
daß Deutschland in Gefahr der Vereinzelung sei, aber,
falls es allein und erfolgreich kämpfe, könne es kaum die
Kosten eines solchen Abenteuers wieder hereinbringen. Der
Morning Post wird aus Washington vom 30. August ge-
meldet: Ein Beamter des Staats-Departements, dessen
Namen nicht angegeben werden kann, veranlaßte heute Nach-
mittag eine Mitthciluug an die Presse des Inhalts, daß
der Gebietserwerbungsehrgeiz (!) des deutschen
Kaisers (!) einer der Hauptgründe dafür sei, daß die
Friedensunterhandlungen der Mächte nicht zum Abschluß
kämen. Diese Mittheilung sei ohne Vorbehalt gemacht und
könne als amtlich angesehen werden. Die Morning Post
bemerkt dazu mit Recht in ihrem Leitartikel, dies müsse
durch das fernere Vorgehen Deutschlands im fernen Osten
belegt werden, eye ihm ernstliche Wichtigkeit beigemessen
werden könne.
Daily Telegraph melbet aus Washington vom 30. d.:
Im Weißen Haus und im Staatsdepartement wird gesagt,
daß die auf eine friedliche Lösung der chinesischen Frage
zielenden Verhandlungen befriedigend fortschreiten. Es
wird behauptet, daß sämmtliche verbündeten Mächte so gut
wie eingewilligt hätten, Li-Hung-Tschang in den vor-
läufigen Unterhandlungen für eine Einstellung der.Feind-
seligkeiten und Wiederherstellung des Friedens als den
Vertreter der chinesischen Regierung anzuerkennen. Eine
höchst bezeichnende Entwicklung der internationalen Lage
vollzog sich heute, indem der deutsche Geschäfts-
träger, Baron v. Sternburg, zwei Besuche im Staats-
departement abstattete. Wie verlautet, versicherte Herr
v. Sternburg dem Staatssekretär, daß Deutschland mit
den anderen Mächten zusammenzuwirken wünsche, um eine
freundschaftliche Regelung herbeizufähren. Er fügte hinzu,
Deutschland habe keinen Krieg an China erklärt, aber
würde sich sicher den übrigen Mächten anschließen, um eine
angemessene Entschädigung für alle die Unbilden zu er-
langen, die die deutschen Interessen in China erlitten
hätten. Die Politik der deutschen Regierung sei im Ein-
klang mit den in der Note Hays vom 31. aufgezählten
Forderungen der amerikanischen Regierung. Der Bericht-
erstatter fährt fort, das Vorgehen Rußlands, das sich
Amerika und Japan anschloß, habe endgiltig die Zustim-
mung der Mächte, England eingeschlossen, herbeigeführt,
Li-Hung-Tschang als Unterhändler anzuerkennen.
Deutsches Reich.
— Anläßlich der Fertigstellung des neuen deutsch-
amerikanischen Kabels richtete der Kaiser an den
Präsidenten Mac Kinley folgendes Telegramm:
Bei der heutigen Eröffnung des neuen Kabels, das Deutsch-
land mit den Vereinigten Staaten in engste telegraphische Ver-
bindung bringt, freut ee> mich, Ew. Excellenz meine Befriedigung
über die Vollendung des bedeutsamen Frtedenswerkes auszu-
drücken. Ich weiß mich mit Ew. Excellenz eins in dem
Wunsche und der Hoffnung, daß die Kabelverbindung die allge-
meine Wohlfahrt fördern und zur Erhaltung und Befestigung
der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern bei-
tragen möge.
Wilhelm I. U.
Mac Kinley erwiderte:
An S. M. den Kaiser und König Wilhelm II., Berlin. Ich
empfange mit großer Genugthuung das Glückwunschtelegramm
Ew. Majestät anläßlich der Eröffnung des Kabels, das das
Netz des engeren Verkehrs zwischen diesem Lande und dem
deutschen Reich vervollständigt. In diesem Zeitalter des Fort-
schrittes fördert jedes Land, das die Nationen in ihren commer-
ciellen Beziehungen und freundschaftlichen Interessen einander
näher bringt, ihre allgemeine Wohlfahrt und kann nicht ver-
fehlen. ihr herzliches Verhältniß zu stärken und ihren wechsel-
seitigen Vormarsch auf dem Friedenspfade zu beschleunigen.
Dem Staatssecretär v. Podbielski ging folgendes
Telegramm zu: Neues Palais, 29. August:
Ich freue mich sehr über die glückliche Beendigung der
Kabellegung Emden-New-Aork. Ich danke Ihnen bestens für
die Meldung und beglückwünsche Sie zu der schnellen Durch-
führung dieses für unser Vaterland so bedeutsamen Werkes,
das, wie ich zuversichtlich hoffe, dazu beitragen wird, die Be-
ziehungen zweier befreundeter Völker zu festigen und zu mehren.
Als Ausdruck meiner Zufriedenheit mit Ihrer erfolgreichen
Leistung stelleich SienlnsnitsdesZieren-Husaren»
regtments Nr. 3. Wilhelm, I. K.
— Ueber die Gründe, die Herrn o. Kettel er ver-
anlaßten, sich auf den Weg zum Lsungli-Iamen zu be-
geben, einen Weg, auf dem er bekanntlich seinen Tod fand,
owie über die endliche Feststellung des Tages seines Todes
49. Juni) entnehmen wir dem Ostas. Lloyd Folgendes:
Die Gesandten hatten am 19. Juni vom Tsungli-Iamen die
Mittheilung erhalten, der Generalgouverneur von Lschili habe
telegraphirt, der Doyen des Konsularkorps in Tientsin habe er-
klärt, daß, wenn die Takuforts nicht bis 2 Uhr Nachmittags
enes Tages übergeben seien, sie fortgenommen werden würden.
(Offenbar ist die Mittheilung dieses am 16. überreichten Ulti-
maiums mit drei Tagen Verspätung in Peking eingetroffen.)
Das Tsungli-Aamen müsse daraus entnehmen, daß die fremden
Mächte an die Auftheilung Chinas gingen. Unter diesen Um-
ständen hätten die Gesanden in 24 Stunden Peking zu verlassen.
Nach dieser Zeit könnte ihnen kein Schutz mehr gewährt wer-
den. Die Gesandten antworteten dem Tsunglt-Aamen, daß sie
die Sache nicht verständen, das Konsularkorps in Tientsin könne
eine derartige Forderung nicht stellen; gleichzeitig baten sie um
ln-^.Das Romanfeutlleton mußte heute Raummangels wegen
en.
Kleine Zeitung.
Zeitgemäße Betrachtungen. (Nachdruck verboten.) Der
di, L°bermenschen fand, — der die „blonde Bestie" sandt' — in
!vi,, lt der „Viel zu Vielen", — Fangball mit der Plebs zu
kunr. ' ^ ber die ferne Zeit gesichtet, — da man Menschen
züchtet, — sorgsam prüft der Eltern Gaben, —
schM rament, Gestalt, Behoben, — daß das kommende Ge-
bön. si^ erhebe hoch und recht — über der Erzeuger
^ schließlich bis zur Götternähe; — der aus reich ge-
Hirn — hinter prächt'ger Dichterstirn — Blitze schoß
viik-, gleich — in das trübe Menschenreich'; — der im Streben,
gxiSbellen, — seinen eig'nen Geist zerschellen — ließ, geknickt,
lich bms, verdorben:— Friedrich Nietzsche ist gestorben. — Frei-
Cp.'char' ein Jeder Cäsar, — Attila, Theod'rich, Omar, — oder
b>er ki Alexander, — Chlodwig, Dschingtskhan, Lysander: —
rj„ Nr Üt' dann zusammenhalteu — noch ein Volk? Wie wär'
die,,, °sten -- schiedlich, friedlich und verträglich — noch auf
»Iz möglich? — Würd' Darius tagelöhnern, — würde
Än„A'seur verschönern — Hannibal und Leut' rasiren, — Belisar
stdes. führen? — Aber soviel ist sehr richtig: — für ein
djx ^ Volk ist wichtig, — daß ihm's nicht an Schaarcn fehlt, —
Tretz,"" ö" ben Starken zählt. — Stark an Muth und stark an
enib?' "" gleich an kühnem Stolz dem Leus, — opferwillig, heiß
^°irim ^' sür das liebe Vaterland. — So wie sich im
ChjhM^reigen — unsre tapfern Krieger zeigen — dort im fernen
— wohlerzog'nen Helden gleich. — Sie, die wir
Aiekk^^stE- — bringen Ehr' vor aller Welt — uns; trotz
'che fand noch Keiner — bess're Männer.
^ , Fidel Greiuer.
einer „^beier, 30. Aug. Heute wurde das Grab Heinrichs III.
sn>n n„n Prüfung unterzogen. Die Körpertheile waren wicde-
Me„ g.M völlig vermodert, leider auch die Schädeldecke einge-
.. ?en seidenen Gewandungen zeigten sich interessante
luuilrchkeiten. Ein feiner, gestickter Schleier lag über der
Leiche. Ein Schwert wurde, nicht gefunden. Das .Symbol der
Herrscherwürde, die hier besonders hochgeformte, mit eigenthüm-
lichen Seitenbändern versehene und gut erhaltene kupferne Grab-
krone fand sich auf dem Kopfe. In der mit Handschuhen be-
kleideten rechten Hand hielt der Kaiser einen für das BeHräbniß
hergerichteten hölzernen, mit Leder überzogenen und mit dem
Kreuze gekrönten Reichsapfel. Die stattliche Körperlänge fällt
auch hier in die Augen. Schmuckgegenstände kamen nicht zur
Hebung, ebensowenig eine Bleitafel oder sonstige Inschrift. Trotz
alledem ist an der Identität der Leiche mit dem Körper
Heinrich's III. nicht zu zweifeln. — Nachmittags wurde noch das
Grab am äußersten Südende der Salierreihe aufgedeckt; in einem
rothen Sandsteinsarkophage lag in etwas tieferem Niveau als die
nebenan gebettete Kaiserin Gisela eine völlig vermoderte Leiche,
die an einigen Knochenresten als eine weibliche rekognoszirt
werden konnte. Nach der Ueberlieferung, insbesondere auch der
Ursberger Chronik kann als sicher angenommen werden, daß wir
es hiermit der Kaiserin Bertha, der Gemahlin Heinrichs IV.,
zu thun haben. Grabkrone und sonstige auszeichnende Schmuck-
gegenstände fehlten. Dagegen lag der Leichnam auf einem an
den Rändern durchlöcherten Brette, offenbar einer provisorisch hcr-
gerichteten Tragbare, auf welcher er, von dem Sterbeorte nach
Speier transserirt worden zu sein scheint. Für die Baugeschichte
des Domes und die Anlage des Königschores und der Kaiser-
gräber ist von besonderer Bedeutung die heute erfolgte Freilegung
der bisher im Boden verborgenen Basis eines der Hauptstütz-
pfeiler. Gestern Abend ist der K. und K. Hofrath Freiherr
v. Weckbecker vom K. und K. Oberstkämmereramte in Wien hier ein-
getroffen, welcher als officieller österreichischer Delegirter den Ar-
beiten der Kommission seit heute Morgen mit dem größten
Interesse gefolgt ist.
Literarisches.
—Z Dr. E. Spielmann, „Die T a i p in g rev o luti o n
in China 1850—1864." Ein Kapitel der menschlichen
Tragikomödie. Nebst einem Ueberblick über Geschichte und Ent-
wickelung Chinas. Preis Mk. 2. 60. Verlag von Hermann
Gesenius in Halle. Im Hinblick auf die großartige Bewegung,
die gegenwärtig im „Reiche der Mitte" herrscht, wird es den
Gebildeten aller Stände interessant sein, über einen ebenso tief-
greifenden Vorgang ähnlicher Art unterrichtet zu werden, der sich
vor fünfzig Jahren in China abzuspielen begann. Tien-te, ein
hochbegabter Eingeborener, tritt auf als religiöser, politischer und
sozialer Messias; es gelingt ihm, Millionen Chinesen für seine
Lehren (die sich sehr stark ans Christenthum anlehnen) und Re-
formen zu gewinnen und einen großen Freiheitskampf der Nation
gegen die Fremdherrschaft der Mandschuh zu entfesseln. Unsere
Sympathieen begleiten den tapferen Mann und seine Bestrebungen
umsomehr, als er nicht nur Anlehnung an das Christenthum suchte^
sondern auch fremdenfreundlich war. Der Sieg heftet sich an die Fahne
des neuen Kaiser-Hohenpriesters, der ganz Südchtna unterwirft und
zu Nan-ktng das himmlische Reich des allgemeinen Friedens
(chtn. Tai-ping-tien-kwo) gründet. Vierzehn Jahre (1850—1864)
hat es bestanden und würde der Entwicklung China's, wenn es
zu völligem Stege gelangt wäre, eine ganz andere Bahn gewie-
sen haben. Leider hat europäische Kurzsichtigkeit und namentlich
der englische Krämergeist die weittragenden Folgen einer sieg-
reichen Taipingbewegung nicht erkannt, sondern, statt sie zu
unterstützen, die Taiping unterdrücken helfen. Den Dank zahlt
die mandschurische Regierung heute zurück. — Das seelische und
politische Werden des Tien-te, hochinteressant und ebenso be-
deutsam wie das eines Moses, Buddha, Muhamed u. a., wird
von dem Verfasser, der zu seiner Arbeit die gründlichsten Studien
gemacht hat, in lebhaften Farben geschildert. Die Einrichtungen
des Taipingtums, sowie seine Kämpfe, sein heroischer Auf- und
Untergang finden stets Jnbeziehungsetzung zu ähnlichen Erschei-
nungen und Vorgängen in der Weltgeschichte, so daß im Ganzen
eine färben- und avwechselungsretche Darstellung entsteht, die
jeder mit großem Interesse lesen wird, zumal da die Taiping-
revolution bisher nur aus dem Munde Feindlichgesinnter absicht-
lich falsch, oder nach vorübergehenden Augeublickseindrücken ent-
stellt vorgeführt worden, den allermeisten überhaupt unbekannt
geblieben ist.
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bei den Trägern in der Stadt, sowie in der Expedition,
Untere Neckarstr. 21, angenommen.
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gebracht; durch die Post bezogen für den Monat September,
wenn am Schalter abgeholt, 42 Psg., für Zustellgebühr
^5 Pfg. mehr.
Die Ankunft der Division Lefsel in China.
Man schreibt dem Berliner Tagblatt aus Kiel vom
29. August:
Fast gleichzeitig sind das Vorbereitungskommando des
Unter dem Generalleutnant v. Lessel stehenden Expeditions-
korps in der Aangtsemündung an Bord des Lloyddampfers
"Preußen", die Linienschiffsdivision in Hongkong und die
ersten drei Dampfer des ostasiatischen Expeditionskorps am
Eingang zum chinesischen Meere angekommen. Die Linien-
risse und der Kreuzer „Hela" haben die Fahrt von Kiel
bach Hongkong in fünfzig Tagen gemacht. Es ist diese
Fahrzeit gegenüber der Leistung des Panzerkreuzers
»Fürst Bismarck" eine ziemlich lange. Da die Aktions-
fähigkeit der Panzer eine beschränkte ist, mußte eine Marsch-
öeschwindigkeit von zehn Seemeilen innegehalten werden.
Dadurch hat sich die Ankunft verzögert. Es ist das erste
Pial, daß der Salut deutscher Linienschiffe an den Ge-
raden Chinas erdröhnt; zum ersten Male erblicken die
Perbündeten und die Chinesen die Flagge einer deutschen
>inienschiffsdivision im fernen Osten. Das deutsche Reich
üt jetzt unter allen Mächten durch die größte Anzahl
Linienschiffe in Ostasien vertreten. Das Vorbereitungs-
'"lnmandv traf am 26. August in Shanghai ein.
Als erstes Schiff der Lessel'schen Expedition erreichte
^ »Halle" mit 24 Offizieren und 488 Mann am
Sonntag Singapore; an demselben Tage lief die
»Dresden" mit 61 Offizieren und 925 Mann ein, und
^n Montag folgte die stattliche „Batavia" mit 157
Offizieren und 2138 Mann. Augenblicklich befinden sich
o800 Mann der Expedition in dem südchinesischen Meer,
Während 2400 Manu der Linienschiffsdiviston vor Hong-
liegen. Rechnet man dazu die 2500 Mann starken
deebalaillone unter Generalmajor v. Höpfner und die Be-
dungen der bereits eingetroffencn Kriegsschiffe „Fürst
^lsmarck", „Seeadler", „Geier" und „Tiger",
Wwie der auf der Fahrt von Singapore nach Hongkong
befindlichen „Schwalbe", insgesammt über 1000 Mann,
W find jetzt schon auf dem Kriegsschauplatz rund 10 000
Mann Verstärkung angekommen. Im Indischen Ozean
Mwimmen sieben Transportdampfer, darunter die beiden
Sofien Hamburger Schiffe „Rhein" und „Phönicia",
allein 4000 Mann an Bord haben, sowie das Lazareth-
'^>ff „Gera", welches gestern Aden verließ. Die
Wuchsen" mit dem Oberkommando durchmißt jetzt das
?>othe M^r und dürfte eine Reihe von Schiffen über-
?bstn. Im weilen Abstande folgen die mit Kriegsmaterial
b"adenen Dampfer „Marie", „Elsa" und „Borneo".
Die Vorgänge in China.
Aus Washington, 31. August, wird gemeldet: Die ameri-
bllische Regierung setzte ihre Vertreter im Auslande davon
" Kennkniß, daß sie vom russischen Geschäftsträger
„we Note erhalten habe, welche darauf Hinweise, daß die
bmirale beschlossen hätten, Li-Hung-Tschang zu
^hindern, sich mit den chinesischen Behörden in Ver-
bindung zu setzen, so lange sie davon dem diplomatischen
Corps in Peking noch keinerlei Mittheilung gemacht hätten
und welche die Ueberraschung Rußlands über diese
Maßnahme zum Ausdruck bringe. Amerika stimme mit
dieser Ansicht Rußlands überein und mache mit allem
Nachdruck geltend, daß Li-Hung-Tschang der einzige
erreichbare Vertreter der chinesischen Re-
gierung sei und daß er deshalb vollständige
Freiheit haben müsse, sich mit seiner Regierung und
mit dem Kommandeur der chinesischen Truppen in Ver
bindung zu setzen. Die amerikanischen Vertreter in China
seien in diesem Sinne instruirt, die amerikanischen Ver-
treter in Europa aber seien angewiesen, sich über die An
schaumigen der Regierungen, bei denen sie beglaubigt sind,
zu vergewissern.
Eine weitere Meldung ergänzt diese Mittheilungcn da
hin: Den amerikanischen Vertretern im Auslande sind
Weisungen ertheilt worden, laut deren die Vereinigten
Staaten bereit seien, ihre Truppen aus Peking
zurückzuziehen und dem kaiserlichen Hofe zu
gestatten, zurückzu kehren, um Friedensverhand-
lungen einleitcn zu können. Es heißt, die russische
Note, auf welche sich diese Weisung gründe, verlange, daß
die Kaiserin Wittwe und der Kaiser Sicherheit dafür geben,
daß die chinesische Regierung bereit sei, die Ausbreitung
der Unruhen und die Wiederkehr solcher Verhältnisse, wie
die jetzigen, zu verhindern.
Die Thatsache, daß die Admirale beschlossen haben, Li-
Hung-Tschang in Taku festzuhalten, ist auch in Europa
nicht recht verstanden worden. Man hat ihre Gründe noch
nicht gehört. Andererseits erscheint die Vertrauensseligkeit
der Russen und Amerikaner, die schon von der Zurückziehung
der Truppen sprechen, doch etwas voreilig.
Mit Bedauern ist wahrzunehmen, daß das eilige Nb-
schwcnken der amerikanischen Regierung in die Friedcns-
richtung mit Angriffen amerikanischer Blätter auf Deutsch-
land verbunden ist.
Die New-Iarker Sun schreibt, die Waldersee-Affaire
sei lächerlich geworden. Wenn der Kaiser in seiner Hal-
tung fortfahre, könne man dem Schluß nicht widerstehen,
daß er Ziele im Auge habe, die im Rundschreiben Bülows
nicht dargelegt seien. Die New-Aorker Evening Post schließt
einen ähnlichen Artikel mit dem Ausdruck des Glaubens,
daß Deutschland in Gefahr der Vereinzelung sei, aber,
falls es allein und erfolgreich kämpfe, könne es kaum die
Kosten eines solchen Abenteuers wieder hereinbringen. Der
Morning Post wird aus Washington vom 30. August ge-
meldet: Ein Beamter des Staats-Departements, dessen
Namen nicht angegeben werden kann, veranlaßte heute Nach-
mittag eine Mitthciluug an die Presse des Inhalts, daß
der Gebietserwerbungsehrgeiz (!) des deutschen
Kaisers (!) einer der Hauptgründe dafür sei, daß die
Friedensunterhandlungen der Mächte nicht zum Abschluß
kämen. Diese Mittheilung sei ohne Vorbehalt gemacht und
könne als amtlich angesehen werden. Die Morning Post
bemerkt dazu mit Recht in ihrem Leitartikel, dies müsse
durch das fernere Vorgehen Deutschlands im fernen Osten
belegt werden, eye ihm ernstliche Wichtigkeit beigemessen
werden könne.
Daily Telegraph melbet aus Washington vom 30. d.:
Im Weißen Haus und im Staatsdepartement wird gesagt,
daß die auf eine friedliche Lösung der chinesischen Frage
zielenden Verhandlungen befriedigend fortschreiten. Es
wird behauptet, daß sämmtliche verbündeten Mächte so gut
wie eingewilligt hätten, Li-Hung-Tschang in den vor-
läufigen Unterhandlungen für eine Einstellung der.Feind-
seligkeiten und Wiederherstellung des Friedens als den
Vertreter der chinesischen Regierung anzuerkennen. Eine
höchst bezeichnende Entwicklung der internationalen Lage
vollzog sich heute, indem der deutsche Geschäfts-
träger, Baron v. Sternburg, zwei Besuche im Staats-
departement abstattete. Wie verlautet, versicherte Herr
v. Sternburg dem Staatssekretär, daß Deutschland mit
den anderen Mächten zusammenzuwirken wünsche, um eine
freundschaftliche Regelung herbeizufähren. Er fügte hinzu,
Deutschland habe keinen Krieg an China erklärt, aber
würde sich sicher den übrigen Mächten anschließen, um eine
angemessene Entschädigung für alle die Unbilden zu er-
langen, die die deutschen Interessen in China erlitten
hätten. Die Politik der deutschen Regierung sei im Ein-
klang mit den in der Note Hays vom 31. aufgezählten
Forderungen der amerikanischen Regierung. Der Bericht-
erstatter fährt fort, das Vorgehen Rußlands, das sich
Amerika und Japan anschloß, habe endgiltig die Zustim-
mung der Mächte, England eingeschlossen, herbeigeführt,
Li-Hung-Tschang als Unterhändler anzuerkennen.
Deutsches Reich.
— Anläßlich der Fertigstellung des neuen deutsch-
amerikanischen Kabels richtete der Kaiser an den
Präsidenten Mac Kinley folgendes Telegramm:
Bei der heutigen Eröffnung des neuen Kabels, das Deutsch-
land mit den Vereinigten Staaten in engste telegraphische Ver-
bindung bringt, freut ee> mich, Ew. Excellenz meine Befriedigung
über die Vollendung des bedeutsamen Frtedenswerkes auszu-
drücken. Ich weiß mich mit Ew. Excellenz eins in dem
Wunsche und der Hoffnung, daß die Kabelverbindung die allge-
meine Wohlfahrt fördern und zur Erhaltung und Befestigung
der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern bei-
tragen möge.
Wilhelm I. U.
Mac Kinley erwiderte:
An S. M. den Kaiser und König Wilhelm II., Berlin. Ich
empfange mit großer Genugthuung das Glückwunschtelegramm
Ew. Majestät anläßlich der Eröffnung des Kabels, das das
Netz des engeren Verkehrs zwischen diesem Lande und dem
deutschen Reich vervollständigt. In diesem Zeitalter des Fort-
schrittes fördert jedes Land, das die Nationen in ihren commer-
ciellen Beziehungen und freundschaftlichen Interessen einander
näher bringt, ihre allgemeine Wohlfahrt und kann nicht ver-
fehlen. ihr herzliches Verhältniß zu stärken und ihren wechsel-
seitigen Vormarsch auf dem Friedenspfade zu beschleunigen.
Dem Staatssecretär v. Podbielski ging folgendes
Telegramm zu: Neues Palais, 29. August:
Ich freue mich sehr über die glückliche Beendigung der
Kabellegung Emden-New-Aork. Ich danke Ihnen bestens für
die Meldung und beglückwünsche Sie zu der schnellen Durch-
führung dieses für unser Vaterland so bedeutsamen Werkes,
das, wie ich zuversichtlich hoffe, dazu beitragen wird, die Be-
ziehungen zweier befreundeter Völker zu festigen und zu mehren.
Als Ausdruck meiner Zufriedenheit mit Ihrer erfolgreichen
Leistung stelleich SienlnsnitsdesZieren-Husaren»
regtments Nr. 3. Wilhelm, I. K.
— Ueber die Gründe, die Herrn o. Kettel er ver-
anlaßten, sich auf den Weg zum Lsungli-Iamen zu be-
geben, einen Weg, auf dem er bekanntlich seinen Tod fand,
owie über die endliche Feststellung des Tages seines Todes
49. Juni) entnehmen wir dem Ostas. Lloyd Folgendes:
Die Gesandten hatten am 19. Juni vom Tsungli-Iamen die
Mittheilung erhalten, der Generalgouverneur von Lschili habe
telegraphirt, der Doyen des Konsularkorps in Tientsin habe er-
klärt, daß, wenn die Takuforts nicht bis 2 Uhr Nachmittags
enes Tages übergeben seien, sie fortgenommen werden würden.
(Offenbar ist die Mittheilung dieses am 16. überreichten Ulti-
maiums mit drei Tagen Verspätung in Peking eingetroffen.)
Das Tsungli-Aamen müsse daraus entnehmen, daß die fremden
Mächte an die Auftheilung Chinas gingen. Unter diesen Um-
ständen hätten die Gesanden in 24 Stunden Peking zu verlassen.
Nach dieser Zeit könnte ihnen kein Schutz mehr gewährt wer-
den. Die Gesandten antworteten dem Tsunglt-Aamen, daß sie
die Sache nicht verständen, das Konsularkorps in Tientsin könne
eine derartige Forderung nicht stellen; gleichzeitig baten sie um
ln-^.Das Romanfeutlleton mußte heute Raummangels wegen
en.
Kleine Zeitung.
Zeitgemäße Betrachtungen. (Nachdruck verboten.) Der
di, L°bermenschen fand, — der die „blonde Bestie" sandt' — in
!vi,, lt der „Viel zu Vielen", — Fangball mit der Plebs zu
kunr. ' ^ ber die ferne Zeit gesichtet, — da man Menschen
züchtet, — sorgsam prüft der Eltern Gaben, —
schM rament, Gestalt, Behoben, — daß das kommende Ge-
bön. si^ erhebe hoch und recht — über der Erzeuger
^ schließlich bis zur Götternähe; — der aus reich ge-
Hirn — hinter prächt'ger Dichterstirn — Blitze schoß
viik-, gleich — in das trübe Menschenreich'; — der im Streben,
gxiSbellen, — seinen eig'nen Geist zerschellen — ließ, geknickt,
lich bms, verdorben:— Friedrich Nietzsche ist gestorben. — Frei-
Cp.'char' ein Jeder Cäsar, — Attila, Theod'rich, Omar, — oder
b>er ki Alexander, — Chlodwig, Dschingtskhan, Lysander: —
rj„ Nr Üt' dann zusammenhalteu — noch ein Volk? Wie wär'
die,,, °sten -- schiedlich, friedlich und verträglich — noch auf
»Iz möglich? — Würd' Darius tagelöhnern, — würde
Än„A'seur verschönern — Hannibal und Leut' rasiren, — Belisar
stdes. führen? — Aber soviel ist sehr richtig: — für ein
djx ^ Volk ist wichtig, — daß ihm's nicht an Schaarcn fehlt, —
Tretz,"" ö" ben Starken zählt. — Stark an Muth und stark an
enib?' "" gleich an kühnem Stolz dem Leus, — opferwillig, heiß
^°irim ^' sür das liebe Vaterland. — So wie sich im
ChjhM^reigen — unsre tapfern Krieger zeigen — dort im fernen
— wohlerzog'nen Helden gleich. — Sie, die wir
Aiekk^^stE- — bringen Ehr' vor aller Welt — uns; trotz
'che fand noch Keiner — bess're Männer.
^ , Fidel Greiuer.
einer „^beier, 30. Aug. Heute wurde das Grab Heinrichs III.
sn>n n„n Prüfung unterzogen. Die Körpertheile waren wicde-
Me„ g.M völlig vermodert, leider auch die Schädeldecke einge-
.. ?en seidenen Gewandungen zeigten sich interessante
luuilrchkeiten. Ein feiner, gestickter Schleier lag über der
Leiche. Ein Schwert wurde, nicht gefunden. Das .Symbol der
Herrscherwürde, die hier besonders hochgeformte, mit eigenthüm-
lichen Seitenbändern versehene und gut erhaltene kupferne Grab-
krone fand sich auf dem Kopfe. In der mit Handschuhen be-
kleideten rechten Hand hielt der Kaiser einen für das BeHräbniß
hergerichteten hölzernen, mit Leder überzogenen und mit dem
Kreuze gekrönten Reichsapfel. Die stattliche Körperlänge fällt
auch hier in die Augen. Schmuckgegenstände kamen nicht zur
Hebung, ebensowenig eine Bleitafel oder sonstige Inschrift. Trotz
alledem ist an der Identität der Leiche mit dem Körper
Heinrich's III. nicht zu zweifeln. — Nachmittags wurde noch das
Grab am äußersten Südende der Salierreihe aufgedeckt; in einem
rothen Sandsteinsarkophage lag in etwas tieferem Niveau als die
nebenan gebettete Kaiserin Gisela eine völlig vermoderte Leiche,
die an einigen Knochenresten als eine weibliche rekognoszirt
werden konnte. Nach der Ueberlieferung, insbesondere auch der
Ursberger Chronik kann als sicher angenommen werden, daß wir
es hiermit der Kaiserin Bertha, der Gemahlin Heinrichs IV.,
zu thun haben. Grabkrone und sonstige auszeichnende Schmuck-
gegenstände fehlten. Dagegen lag der Leichnam auf einem an
den Rändern durchlöcherten Brette, offenbar einer provisorisch hcr-
gerichteten Tragbare, auf welcher er, von dem Sterbeorte nach
Speier transserirt worden zu sein scheint. Für die Baugeschichte
des Domes und die Anlage des Königschores und der Kaiser-
gräber ist von besonderer Bedeutung die heute erfolgte Freilegung
der bisher im Boden verborgenen Basis eines der Hauptstütz-
pfeiler. Gestern Abend ist der K. und K. Hofrath Freiherr
v. Weckbecker vom K. und K. Oberstkämmereramte in Wien hier ein-
getroffen, welcher als officieller österreichischer Delegirter den Ar-
beiten der Kommission seit heute Morgen mit dem größten
Interesse gefolgt ist.
Literarisches.
—Z Dr. E. Spielmann, „Die T a i p in g rev o luti o n
in China 1850—1864." Ein Kapitel der menschlichen
Tragikomödie. Nebst einem Ueberblick über Geschichte und Ent-
wickelung Chinas. Preis Mk. 2. 60. Verlag von Hermann
Gesenius in Halle. Im Hinblick auf die großartige Bewegung,
die gegenwärtig im „Reiche der Mitte" herrscht, wird es den
Gebildeten aller Stände interessant sein, über einen ebenso tief-
greifenden Vorgang ähnlicher Art unterrichtet zu werden, der sich
vor fünfzig Jahren in China abzuspielen begann. Tien-te, ein
hochbegabter Eingeborener, tritt auf als religiöser, politischer und
sozialer Messias; es gelingt ihm, Millionen Chinesen für seine
Lehren (die sich sehr stark ans Christenthum anlehnen) und Re-
formen zu gewinnen und einen großen Freiheitskampf der Nation
gegen die Fremdherrschaft der Mandschuh zu entfesseln. Unsere
Sympathieen begleiten den tapferen Mann und seine Bestrebungen
umsomehr, als er nicht nur Anlehnung an das Christenthum suchte^
sondern auch fremdenfreundlich war. Der Sieg heftet sich an die Fahne
des neuen Kaiser-Hohenpriesters, der ganz Südchtna unterwirft und
zu Nan-ktng das himmlische Reich des allgemeinen Friedens
(chtn. Tai-ping-tien-kwo) gründet. Vierzehn Jahre (1850—1864)
hat es bestanden und würde der Entwicklung China's, wenn es
zu völligem Stege gelangt wäre, eine ganz andere Bahn gewie-
sen haben. Leider hat europäische Kurzsichtigkeit und namentlich
der englische Krämergeist die weittragenden Folgen einer sieg-
reichen Taipingbewegung nicht erkannt, sondern, statt sie zu
unterstützen, die Taiping unterdrücken helfen. Den Dank zahlt
die mandschurische Regierung heute zurück. — Das seelische und
politische Werden des Tien-te, hochinteressant und ebenso be-
deutsam wie das eines Moses, Buddha, Muhamed u. a., wird
von dem Verfasser, der zu seiner Arbeit die gründlichsten Studien
gemacht hat, in lebhaften Farben geschildert. Die Einrichtungen
des Taipingtums, sowie seine Kämpfe, sein heroischer Auf- und
Untergang finden stets Jnbeziehungsetzung zu ähnlichen Erschei-
nungen und Vorgängen in der Weltgeschichte, so daß im Ganzen
eine färben- und avwechselungsretche Darstellung entsteht, die
jeder mit großem Interesse lesen wird, zumal da die Taiping-
revolution bisher nur aus dem Munde Feindlichgesinnter absicht-
lich falsch, oder nach vorübergehenden Augeublickseindrücken ent-
stellt vorgeführt worden, den allermeisten überhaupt unbekannt
geblieben ist.