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der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
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Ar. 275. Eiker tilatt. Samstag, de« 24. November
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auf die Heidelberger Zeitung für den Monat Dccember
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Psg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für den Monat Decem-
ber, wenn am Schalter abgeholt, 42 Psg., für Zustell-
gebühr 15 Pfg. weiter.
Bom Reichstage.
Die gegen die sozialdemokratischen Abgeordneten Zu-
beil und Fischer schwebenden Strafverfahren
wegen Beleidigung sollen auf Antrag von Albrecht und
Genossen eingestellt werden.
Mit Abänderungen des Gerichtsverfassung s-
gesetzes, der Straf- und der Civilproceß-
Ordnung und des Strafgesetzbuches beschäftigen
sich Anträge der freisinnigen Volkspartei, der Konservativen
unier der Führung des Herrn von Salisch und ein
Sammelantrag über dieselben Materien, unterschrieben von
Angehörigen des Centrums, der nationallibcralen und der
konservativen Partei, der freisinnigen Vereinigung, der
Polen und der Elsässer. Von Aenderungen, welche durch
dies Gesetz gebracht werden sollen, ist besonders die Er-
richtung von Strafsenaten bei Landgerichten, welche vom
Oberlandesgcricht zu weit entfernt liegen, zu nennen. Es
soll diesen die Thätigkeit des Oberlandcsgerichts in der
Berufungsinstanz übertragen werden. Die Kompetenz der
Schöffengerichte soll in verschiedenen Fällen erweitert wer-
den; ferner sollen sowohl in der Strafkammer, als auch
zu den richterlichen Mitgliedern der Schwurgerichte nur
ständig angestellte Richter verwandt werden. Die bisherige
Praxis, jeden Zeugen einzeln zu vernehmen, soll verlassen
werden und gemeinschaftliche Vereidigung statthaft sein, so-
daß die ermüdende Zahl der Einzelvereidigungen ein-
geschränkt würde. Betreffs der Vereidigung von Sach-
verständigen soll jetzt sowohl vor als nach Abgabe des
Gutachtens ein Eid geleistet werden; verzichten der Staats-
anwalt und der Beschuldigte auf eine Beeidigung, so kann
sie unterbleiben, was bisher unstatthaft war. Eine Ver-
schärfung der Bestimmungen, welche die Geschworenen vor
Beeinflussung ihres Urtheils schützen, soll auch eintreten.
Daneben finden sich noch eine Menge Aenderungen, welche
Wehr das Interesse der Juristen erregen.
Der Antrag Dr. Oertel, über welchen wir neulich
berichteten, hat nicht das Aus wa »der» n gs wese n,
sondern das Ausverkaufswesen zum Gegenstände.
Es sollen namentlich Scheinausverkäufe und der Nachschub
von Maaren zu einem Ausverkauf unter Strafe gestellt
werden.
Der Antrag Dr. Müller, Munkel, Lenzmann, unter-
stützt durch mehrere andere Freisinnige und Herrn Payer
von der deutschen Volkspartei, auf Abänderung der
M 95, 97, 99, 101, 103 und 104 des Reichsstraf-
te setzbuches, hat die Möglichkeit einer milderen Auf-
lassung und Beurtheilung der Majestätsbeleidigungen zum
Ziel. Die untere Strafgrenze ist aufgehoben; die Be-
strafung soll nur auf Antrag des verantwortlichen Ber-
aters der Landesjustizverwaltung eintreten können. Der
Staatsanwalt müßte also jedesmal erst nach oben berichten,
che aus jedem Fall ein Prozeß gemacht wird. Auf diese
Art kämen viele lächerliche und ungefährliche Majestäts-
beleidigungen gar nicht erst an die Oeffentlichkeit.
Die Schutz best immun gen für jugendliche
Arbeiter und Arbeiterinnen in Werkstätten mit
Motorenbetrieb erleiden durch Ausführungsbestimmungen
des Bundesraths auf Grund des § 154 Abs. 3 einige
Aenderungen in Gestalt von Ausnahmen, welche von den
Bestimmungen der W 135—139 5 der Gewerbeordnung
gemacht werden dürfen. Sie werden dem Reichstage zur
Kenntnißnahme vorgelegt.
Abänderung derGewerberordnung selbst bezwecken
Anträge Trimborn und Hehl von Hernsheim. Sie haben
keine einschneidende Bedeutung.
Freiherr von Wangenhcim beantragt die baldige Vor-
lage eines Gesetzentwurfs, durch welchen die im Börsen-
gesetz vom 22. Juni 1896 verbotenen Termingeschäfte
unter Strafe gestellt werden.
Graf v. Oriola interpellirt den Reichskanzler, ob die
Vorarbeiten für die von dem Herrn Kriegsminister in
Aussicht gestellte Vorlage, betreffend die Revision der
Militärpensions-Gesetze, beendet sind und ob an-
zunehmen ist, daß diese Vorlage im Laufe dieser Session
an den Reichstag gelangen wird?
Deutsches Reich.
Kiel, 23. Nov. Der Kaiser ist heute hier ein-
getroffen und wurde am Bahnhof vom Prinzen Heinrich
empfangen. Vormittags fand vor dem Kaiser im Beisein
des kommandirenden Admirals v. Köster, der Contre-
Admiräle v. Tirpitz und v. Diedcrichs, oller dienstfreien
Offiziere sowie von Detachements der Marineabtheilungen
die Vereidigung der Marinerekruten statt. Der
Kaiser hielt nach der Vereidigung eine Ansprache und nahm
nach Beendigung der Feierlichkeit militärische Meldungen
entgegen. Das Frühstück nahm er in der Offizierspeise-
anstalt ein. Auf Einladung des Kaisers waren zur Be-
eidigung gekommen der italienische Admiral Grenet, General-
major Prudente, Kapitän Luvfiro sowie der österreichisch-
ungarische Kapitän Couarde und Hauptmann Margucci.
Von der Offizierspeiseanstalt begab sich der Kaiser mit
dem Prinzen Heinrich und den Herren seines Gefolges
nach der Barbarossabrücke und fuhr von dort mit dem
Verkehrsboote „Hulda" an Bord des Linienschiffes „Kaiser
Wilhelm II."
Deutscher Reichstag. Berlin, 23. Nov. Fortsetzung
der Berathung der Chinavorlage.
Abg. Dr. Hasse (natl.): Allerdings bestehe ein Unterschied
zwischen Ausgaben, die gegen das Votum des Rcichtages gemacht
seien, und solchen, bei denen sein Votum nicht eingeholt wurde.
Demnach müsse der Reichstag hier auf Indemnität bestehen, die
ihm auch zugesagt worden sei. Erfreulich sei, daß der Reichs-
kanzler nur deutsche Politik treiben wolle, und daß der Reichstag
mehr und mehr Interesse an auswärtiger Politik genommen
habe. Die bürgerlichen Parteien hätten zum größten Theile
unsere auswärtige Politik unterstützt. So bei der Flotten-
vermchrung und der Erwerbung von Kiautschou. Hierin und
auch in der Colonialpolitik liege Weltpolitik, die der Kaiser zu-
erst vor seinen Staatsmännern in sein Programm ausgenommen
hat. Nach den Erfahrungen der letzten Monate brauche man
eine schlagfertige, für überseeische Zwecke stets bereite Colontal-
armee.
StaatSsecretär Frhr. v. Richthofen wendet sich zunächst
gegen eine Bemerkung Hasse's über Transvaal. Er glaube sagen zu
können, daß das deutsche Reich und seine Consuln in Sachen der
aus Transvaal Ausgewiesenen ihre Pflicht erfüllt hätten, trotz
aller schwierigen Verhältnisse. Es sei eine völkerrechtlich be-
rechtigte Maßnahme, wenn die Engländer Ausländer vom Kriegs-
schauplatz entfernt hätten» bei denen nähere Umstände sie dazu
berechtigten. Dagegen sind wir für Landsleute, die ohne zu-
reichenden Grund oder mit Härte, die nicht geboten erschien,
ausgewtesen wurden, nachdrücklich eingetreten und haben Forde-
rungen auf Emschädigungen gestellt. England hat sich bereit
erklärt, unberechtigt Ausgewiesencn Entschädigungen zu gewähren.
Ueber die Modalitäten verhandeln wir noch. Wir werden uns
auch derer annehmen, die keine Belege für erlittenen Schaden
haben. Bei diesen wird die Regultrung allerdings schwieriger
sein. Ein Ausgewiesener, der arm nach Transvaal gekommen
und ebenso wieder fortgegangcn sei, habe seine ursprüngliche
Forderung von 10000 Mk. auf 800 Mk. Reisekosten herabgesetzt.
Abg. S ch r a d e r (fr. Ver.): Unter den gestern vom Abg.
v. Wangenhetm erwähnten Verhältnissen hätten alle Minister-
präsidenten zu leiden gehabt, auch Fürst Bismarck und Caprivi.
Abg. Bebel (Soz.): Die gestrigen Ausführungen des Grafen
Lerchenfeld waren lediglich eine Rechtfertigung des Verfassungs-
bruches, der notorisch vorliege und mit Nichten aus der Welt ge-
schafft werden könne. Das Centrum, einstmals Mitwahrer der
Volksrechte, sei jetzt Schleppträger der Politik des Reichskanzlers.
Nennen Sie mich nicht immer einen Vertheidiger der Boxer, ich
bin ein Vertheidiger der Wahrheit. (Großer Lärm.) Bedauerlich
sei, daß die Hunnenbrtefe vom Kriegsministerium nicht beanstandet
worden seien. Auch die Staatsanwälte hätten nicht eingegriffen,
trotzdem die schlimmsten Beleidigungen gegen die deutsche Armee
darin ausgesprochen seien. Was in den Briefen stehe, sei leider
wahr. Der Kriegsminister sagte, man könne den Kaiser nicht ver-
antwortlich machen für diese Thaten. Ich frage: Ist vom Ober-
kommando den Soldaten der Befehl gegeben worden: „Pardon
wird nicht gegeben l. Gefangene werden nicht gemacht!" Das
wollen wir wissen. (Großer Lärm.) Ich erkläre, daß wenn der
Kriegsminister mir nicht klipp und klar antwortet, ich den Schluß
ziehe, daß ein solcher Befehl gegeben- wurde. Ohne einen solchen
Befehl wären solche Thaten unmöglich. Die deutsche Kujtur in
die Welt zu tragen, ist eine schöne, große Aufgabe, aber es kommt
auf die Art an, wie man zu den fremden Völkern kommt. Der
Vorwurf Stöckers, Redner habe die Kommune gelobt, sei falsch.
Auch Bismarck habe gesagt, in der Kommune stecke ein ffuter
Kern. Auch in Zukunft seien ohne die sozialdemokratischen Stim-
men Handelsverträge unmöglich.
Reichskanzler Graf v. Bülow: Die Behauptung Bebels,
daß unsere Politik gegenüber China unfreundlich, hart und grau-
sam gewesen sei, welcher Vorwurf ihn persönlich, als früheren
StaatSsecretär, treffe, sei ganz grundlos. Er berufe sich auf einen
Brief des hiesigen chinesischen Gesandten, der als geborener
Chinese (stürmische Heiterkeit) sicherlich competenter sei, als ein
freiwilliger Chinese. (Erneute Heiterkeit.) Redner verliest den
Brief, in dem die freundliche Haltung Deutschlands gegenüber
China sowohl in der Vergangenheit als auch in jüngster Zeit an-
erkannt wird. Von den Kaiserreden habe er am Diensrag nur
gesprochen von denen in Bremerhaven und in Wilhelmshaven,
Er erinnere sich bestimmt, daß am Tage der Wilhelmshavener
Rede Alle überzeugt waren, die Europäer in Peking seien bis auf
den letzten Mann niedergemacht worden. In London sei sogar
ein Trauergottesdienst für die Unglücklichen abgehalten worden.
Die Rede in Wilhelmshaven sei gehalten worden, unmittelbar
nachdem die Nachricht von der Ermordung Kettelers eingetroffen
war. Er (Redner) würde es nicht verstehen, wenn die Nachricht
von einer so schweren Thal dem deutschen Kaiser nicht das Blut
rascher durch die Adern getrieben halte. (Bravo.) Er müsse seinem
tiefen Bedauern Ausdruck geben über die Art, wie der Abg.
Bebel von unseren Soldaten und unserer Armee gesprochen habe.
Noch sei kein Fall erwiesen worden, wo ein deutscher Soldat sich
unwürdig gemacht hätte des Rufes der deutschen Armee und des
deutschen Volkes. Sollte ein Fall bewiesen werden, so würde die
strengste Ahndung erfolgen. Aus Einzelfällcn dürften nicht all-
gemeine Schlüsse gezogen werden. Die deutschen Soldaten würden
sich an Mannszucht und Menschlichkeit von keinem anderen
Soldaten übertreffen lassen. Das sage er auch für das Land,
vor dem die deutschen Soldaten herabgesetzt werden sollten. Der
Genius des deutschen Volkes habe noch immer Humanität mit
Heroismus zu vereinigen gewußt. (Beifall.)
Kriegsminister v. Go bl er: Er sei es gewohnt, Anklagen
gegen wen sie auch gerichtet seien, aufzuklären. Der von Bebel
überreichte Brief aus der Frank. Tagespost sei jedenfalls eine
M ache. (Beifall rechts.) Wie man Cultur und Christenthum
in Gegensatz bringen konnte, wie Bebel es gethan, verstehe er
nicht. Daß wir das Christenthum in der Armee Hochhalten, ist
unser größter Ruhm. (Beifall im Centrum.) Der Kaiser spräche
nicht i ur als Kaiser, sondern zum Heere auch als Kriegsherr.
Nur darin sei Redner mit Bebel einig, daß der Kaiser ein ganzer
Mann sei.
Abg. Dr. Bachem (Centr.): Bebel habe für die weltgeschicht-
liche Erscheinung des Chrtstenthums und der christlichen Mission
kein Verständlich.
Abg. Bebel (Soz.) verwahrt sich gegenüber dem Reichskanzler
und dem Kriegsminister dagegen, daß er den Wunsch habe, die
deutsche Armee gegenüber dem Auslande und China herabzusetzen.
Der Kriegsminister habe auf seine Frage nach dem Befehl „Par-
don wird nicht gegeben" nicht geantwortet. Er ziehe daraus seine
Folgerungen.
Die Vorlage wird der Budgetcommission überwiesen.
Nächste Sitzung morgen 1 Uyr. Tagesordnung: 12 000Mark-
Affäre. Schluß gegen 5 Ubr.
^ * Das Romanfruilleto« findet der Leser im heutigen
weiten Blatt.
Stadt-Theater.
Heidelberg, 24. November.
„Die Jüdin". Oper in 5 Akten von Halevy.
, Bei der Wiederholung der prächtigen Oper, auf der Meyerbeer,
Wst noch Gounod so erfolgreich aufgebaut haben, hat sich
Manches noch gefestigt, so daß der Gesammteindruck ein außer-
,kdcntlich günstiger war. Die Einstudirung hatte an dem Werk
wr Bestes gethan.
Seltsam gehen in dem Werk conventionelle Figuren neben
Jaraktertsttschen Gestalten her. Der Coloraturprinz und die
^oloraturprinzessin sind ganz nach der italienischen Schablone
Meichnet, während Eleazar, Recha und der Cardinal musikalische
^harakterköpfe sind.
^ Die beste gesanglich: Leistung des Abends bot in der ersten
Gruppe Fräulein Hesch. Es ist wirklich hocherfreulich, wie ge-
Men sie solche Partieen, besonders in der Ausführung des
6>gurenwerkes, behandelt. Herr Runsky verdient alle An-
fr'ennung, daß er diesen unseligen Tenorprinz, der seinem Fach
fern liegt, so annehmbar über Wasser hält. Eleazar, ein
madiger Nathan der Oper, ist, so viel ich weiß, die einzige Rolle,
.« der die Tenöre auch auf der Bühne alt werden. Den Großen
2»? Faches gewährt es einen eigenen Reiz, einmal aus ihren
Ostungen und schönen Gewändern zu schlüpfen, um den grauen
^°rt und den Gcbetrtemen anzulegen. Was hat einst Niemann
«» diesem von Grunde so unwahren Eleazar geschaffen!
«, Mit dem, was Herr Landen gibt, darf man sehr wohl zu-
meden sein. Feinere Züge, eine eingehende Charakterisirung
It". > ht ^ ja der Figur nicht, sein Spiel hält nur die allgemeinen
ibn, 'e. aber diese sicher und mit Routine fest. Ais Sänger ist
tis^ Gewandtheit, musikalische Sicherheit und die Gabe drama-
bir?^ Deklamation nachzurühmen. Die Stimme und ihre Aus-
ang ist ungleich. Die Höhe hat überraschend viel Fülle und
h mnz und wird fehlerlos behandelt. In Mittellage und Tiefe
»egen drückt ein gutturaler Ansatz auf den Ton, der in dieser
Lage noch leicht störend vibrirt. Die Texlaussprache ist in der
hohen Lage auch ungleich deutlicher als nach der Tiefe zu. Trotz
dieser Ausstellungen, die ein Wink für den Sänger sein mögen,
muß der kräftige, große Zug, der durch die an schönen Einzel-
heiten — die wunvervolle Romanze! obgleich da Herr Landen
bereits ermüdet war — reiche Leistung geht, voll und ganz an-
erkannt werden.
Recha ist die typische dramatische Partie der Oper alten
Styls. Frl. Ger Häuser bringt für dieselbe die großen
Mittel und die dramatische Veranlagung mit. Heute schon ist
die Ausführung eine hochzuschätzcnds Talentprobe, wenn auch !
das Ganze noch zu unausgeglichen ist. Die Dame hat treffliche l
Momente und singt Vieles, wie die wundervolle Arte im 2. Akt ^
und den Abschied tm 4. Akt, ebenso schön als ergreifend. Dann ^
wirkt aber wieder Manches sehr störend. Sie nimmt die Tiefe
oft unschön flach und dann erzwingt sie oft die schwer sich gebende !
Höhe, sodaß diese schrill und hart klingt. In solchen Momenten
verläßt sie auch die Treffsicherheit und erklingen (wie zum Schluß
des 2. Aktes) schmerzend falsche Noten.
Sie hat das Zeug und die Ausrüstung zu einer dramatischen !
Sängerin, auch die schauspielerische Veranlagung, sie muß, um
auszureisen, über die Sprödigkeit ihrer Stimme Herr werden.
Der Kardinal bietet einem Bassisten Gelegenheit, zu schwelgen
in Wohllaut und den tiefsten Tönen. Herrn Hunyady kann
man immer nur das Gleiche nachrühmen: die sichere verftändniß-
volle Beherrschung der ihm gestellten Aufgaben. Er erschöpft
seine Rolle. So auch gestern. An richtiger Kraft fehlte es ihm
nur in der Fluchszene. Die so wichtige Tiefe war besonders
gut vorhanden. Was ihm eben fehlt, ist des Bassisten Mark
und Seele — da« Metall. Es liegt nicht einmal an der Stimme,
die es vielleicht besitzt, sondern an dem Gaumenton, der Alles drückt
und dämpft.
Auf die gesunde, kräftige Deklamation des Herrn Paul, der
eine fehlerlose Tonbildung aufweist, ist bereits hingewiesen !
worden.
Die Oper, unter Radigs bewährter Leitung, fand, dank ^
dem glücklichen Gesammteindruck, eine sehr beifällige Aufnahme, j
vr. 8.
Literarisches.
—Z Zur See, mein Volk. Die besten See-, Flotten-
Lieder und Meerespoesieu, gesammelt von Julius Lohmeyer.
Leipzig 1900. Breitkovf und Haertel. Der Herausgeber gibt
einen orieutirenden „Eingang" und ein praktisches EWettungs-
stück „dem Kaiser zum 27. Januar 1900". Von den preis-
gekrönten Flottenliedern wird das stimmungsvolle Lied von
Gottfried Schwab-Darmstadt „Michel, horch, der Seewind pfeift"
sich bald eindürgern. Die vier Abtheilungen des Büctxeins:
Flotteulieder, Seebilder und Meererklänge, erzählende Dichtungen
von der See und endlich Deutschland zur See enthalten manchen
Beitrag, der aus einem Aneinandecballcn tönender Redewendungen
besteht. Der größere Theil des Büchleins ist scbr we-thvoll. Da
ist ein deutsches Flottenlied von Rudolf Meyer-Krämer: „Nun
sort, ade, An Bord! in Seel", da ist ein deutsches Matrosenlied
von Reinhold Fuchs-Dresden: „Hurrah. ihr blauen Jungen".
Von Georg Herwegh „Die deutsche Flotte" (1848) und von
Heinrich Leuthold „An das Meer" sind Gedichte, die zu den
Gaben echter Poesie herüberführen, den Auswanderern von
Freiligrath und dem John Maynard von Theodor Fontane.
Ltliencron fehlt so wenig wie Arno Holz mit seinem wunder-
vollen Gedicht, das sich prachtvoll zum öffentlichen Vortrag
eignet, „Een Boot is noch buten". Vierordt und Fitzer schlagen
männliche Töne an. Heine's „Meergrub" und Storms „Meeres-
strand" und „Stadt am Meer" werfen ihren goldenen Schimmer
über die ganze Sammlung.
— H. Könige, Oberlandesgerichtsrath (Karlsruhe),
Kommentar zum Retchsgesetz betreffend die gemeinsamen
Rechte derBesitzer v o n S ch u ld v er s ch r e i b u n g e n
vom 4. December 1899. Verlag von I. C. B. Mohr, Tübingen,
Freiburg, Leipzig 1900. Das neue Reichsgesetz hat eine gemein-
same Organisation für die Gläubiger solcher Darlehen geschaffen»
die von inländischen Schuldnern in einem Betrag von mindestens
300 000 Mk. und gegen Schuldverschreibungen auf den Inhaber
in einer Anzahl von mindestens 300 Stück ausgenommen werden.
Da Staats- und Gemeindeanlehen nicht unter das Gesetz fallen,
erstreckt sich dasselbe in der Praxis hauptsächlich nur auf
Prioriläts- und ähnliche Darlehen von industriellen Unter-
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beil und Fischer schwebenden Strafverfahren
wegen Beleidigung sollen auf Antrag von Albrecht und
Genossen eingestellt werden.
Mit Abänderungen des Gerichtsverfassung s-
gesetzes, der Straf- und der Civilproceß-
Ordnung und des Strafgesetzbuches beschäftigen
sich Anträge der freisinnigen Volkspartei, der Konservativen
unier der Führung des Herrn von Salisch und ein
Sammelantrag über dieselben Materien, unterschrieben von
Angehörigen des Centrums, der nationallibcralen und der
konservativen Partei, der freisinnigen Vereinigung, der
Polen und der Elsässer. Von Aenderungen, welche durch
dies Gesetz gebracht werden sollen, ist besonders die Er-
richtung von Strafsenaten bei Landgerichten, welche vom
Oberlandesgcricht zu weit entfernt liegen, zu nennen. Es
soll diesen die Thätigkeit des Oberlandcsgerichts in der
Berufungsinstanz übertragen werden. Die Kompetenz der
Schöffengerichte soll in verschiedenen Fällen erweitert wer-
den; ferner sollen sowohl in der Strafkammer, als auch
zu den richterlichen Mitgliedern der Schwurgerichte nur
ständig angestellte Richter verwandt werden. Die bisherige
Praxis, jeden Zeugen einzeln zu vernehmen, soll verlassen
werden und gemeinschaftliche Vereidigung statthaft sein, so-
daß die ermüdende Zahl der Einzelvereidigungen ein-
geschränkt würde. Betreffs der Vereidigung von Sach-
verständigen soll jetzt sowohl vor als nach Abgabe des
Gutachtens ein Eid geleistet werden; verzichten der Staats-
anwalt und der Beschuldigte auf eine Beeidigung, so kann
sie unterbleiben, was bisher unstatthaft war. Eine Ver-
schärfung der Bestimmungen, welche die Geschworenen vor
Beeinflussung ihres Urtheils schützen, soll auch eintreten.
Daneben finden sich noch eine Menge Aenderungen, welche
Wehr das Interesse der Juristen erregen.
Der Antrag Dr. Oertel, über welchen wir neulich
berichteten, hat nicht das Aus wa »der» n gs wese n,
sondern das Ausverkaufswesen zum Gegenstände.
Es sollen namentlich Scheinausverkäufe und der Nachschub
von Maaren zu einem Ausverkauf unter Strafe gestellt
werden.
Der Antrag Dr. Müller, Munkel, Lenzmann, unter-
stützt durch mehrere andere Freisinnige und Herrn Payer
von der deutschen Volkspartei, auf Abänderung der
M 95, 97, 99, 101, 103 und 104 des Reichsstraf-
te setzbuches, hat die Möglichkeit einer milderen Auf-
lassung und Beurtheilung der Majestätsbeleidigungen zum
Ziel. Die untere Strafgrenze ist aufgehoben; die Be-
strafung soll nur auf Antrag des verantwortlichen Ber-
aters der Landesjustizverwaltung eintreten können. Der
Staatsanwalt müßte also jedesmal erst nach oben berichten,
che aus jedem Fall ein Prozeß gemacht wird. Auf diese
Art kämen viele lächerliche und ungefährliche Majestäts-
beleidigungen gar nicht erst an die Oeffentlichkeit.
Die Schutz best immun gen für jugendliche
Arbeiter und Arbeiterinnen in Werkstätten mit
Motorenbetrieb erleiden durch Ausführungsbestimmungen
des Bundesraths auf Grund des § 154 Abs. 3 einige
Aenderungen in Gestalt von Ausnahmen, welche von den
Bestimmungen der W 135—139 5 der Gewerbeordnung
gemacht werden dürfen. Sie werden dem Reichstage zur
Kenntnißnahme vorgelegt.
Abänderung derGewerberordnung selbst bezwecken
Anträge Trimborn und Hehl von Hernsheim. Sie haben
keine einschneidende Bedeutung.
Freiherr von Wangenhcim beantragt die baldige Vor-
lage eines Gesetzentwurfs, durch welchen die im Börsen-
gesetz vom 22. Juni 1896 verbotenen Termingeschäfte
unter Strafe gestellt werden.
Graf v. Oriola interpellirt den Reichskanzler, ob die
Vorarbeiten für die von dem Herrn Kriegsminister in
Aussicht gestellte Vorlage, betreffend die Revision der
Militärpensions-Gesetze, beendet sind und ob an-
zunehmen ist, daß diese Vorlage im Laufe dieser Session
an den Reichstag gelangen wird?
Deutsches Reich.
Kiel, 23. Nov. Der Kaiser ist heute hier ein-
getroffen und wurde am Bahnhof vom Prinzen Heinrich
empfangen. Vormittags fand vor dem Kaiser im Beisein
des kommandirenden Admirals v. Köster, der Contre-
Admiräle v. Tirpitz und v. Diedcrichs, oller dienstfreien
Offiziere sowie von Detachements der Marineabtheilungen
die Vereidigung der Marinerekruten statt. Der
Kaiser hielt nach der Vereidigung eine Ansprache und nahm
nach Beendigung der Feierlichkeit militärische Meldungen
entgegen. Das Frühstück nahm er in der Offizierspeise-
anstalt ein. Auf Einladung des Kaisers waren zur Be-
eidigung gekommen der italienische Admiral Grenet, General-
major Prudente, Kapitän Luvfiro sowie der österreichisch-
ungarische Kapitän Couarde und Hauptmann Margucci.
Von der Offizierspeiseanstalt begab sich der Kaiser mit
dem Prinzen Heinrich und den Herren seines Gefolges
nach der Barbarossabrücke und fuhr von dort mit dem
Verkehrsboote „Hulda" an Bord des Linienschiffes „Kaiser
Wilhelm II."
Deutscher Reichstag. Berlin, 23. Nov. Fortsetzung
der Berathung der Chinavorlage.
Abg. Dr. Hasse (natl.): Allerdings bestehe ein Unterschied
zwischen Ausgaben, die gegen das Votum des Rcichtages gemacht
seien, und solchen, bei denen sein Votum nicht eingeholt wurde.
Demnach müsse der Reichstag hier auf Indemnität bestehen, die
ihm auch zugesagt worden sei. Erfreulich sei, daß der Reichs-
kanzler nur deutsche Politik treiben wolle, und daß der Reichstag
mehr und mehr Interesse an auswärtiger Politik genommen
habe. Die bürgerlichen Parteien hätten zum größten Theile
unsere auswärtige Politik unterstützt. So bei der Flotten-
vermchrung und der Erwerbung von Kiautschou. Hierin und
auch in der Colonialpolitik liege Weltpolitik, die der Kaiser zu-
erst vor seinen Staatsmännern in sein Programm ausgenommen
hat. Nach den Erfahrungen der letzten Monate brauche man
eine schlagfertige, für überseeische Zwecke stets bereite Colontal-
armee.
StaatSsecretär Frhr. v. Richthofen wendet sich zunächst
gegen eine Bemerkung Hasse's über Transvaal. Er glaube sagen zu
können, daß das deutsche Reich und seine Consuln in Sachen der
aus Transvaal Ausgewiesenen ihre Pflicht erfüllt hätten, trotz
aller schwierigen Verhältnisse. Es sei eine völkerrechtlich be-
rechtigte Maßnahme, wenn die Engländer Ausländer vom Kriegs-
schauplatz entfernt hätten» bei denen nähere Umstände sie dazu
berechtigten. Dagegen sind wir für Landsleute, die ohne zu-
reichenden Grund oder mit Härte, die nicht geboten erschien,
ausgewtesen wurden, nachdrücklich eingetreten und haben Forde-
rungen auf Emschädigungen gestellt. England hat sich bereit
erklärt, unberechtigt Ausgewiesencn Entschädigungen zu gewähren.
Ueber die Modalitäten verhandeln wir noch. Wir werden uns
auch derer annehmen, die keine Belege für erlittenen Schaden
haben. Bei diesen wird die Regultrung allerdings schwieriger
sein. Ein Ausgewiesener, der arm nach Transvaal gekommen
und ebenso wieder fortgegangcn sei, habe seine ursprüngliche
Forderung von 10000 Mk. auf 800 Mk. Reisekosten herabgesetzt.
Abg. S ch r a d e r (fr. Ver.): Unter den gestern vom Abg.
v. Wangenhetm erwähnten Verhältnissen hätten alle Minister-
präsidenten zu leiden gehabt, auch Fürst Bismarck und Caprivi.
Abg. Bebel (Soz.): Die gestrigen Ausführungen des Grafen
Lerchenfeld waren lediglich eine Rechtfertigung des Verfassungs-
bruches, der notorisch vorliege und mit Nichten aus der Welt ge-
schafft werden könne. Das Centrum, einstmals Mitwahrer der
Volksrechte, sei jetzt Schleppträger der Politik des Reichskanzlers.
Nennen Sie mich nicht immer einen Vertheidiger der Boxer, ich
bin ein Vertheidiger der Wahrheit. (Großer Lärm.) Bedauerlich
sei, daß die Hunnenbrtefe vom Kriegsministerium nicht beanstandet
worden seien. Auch die Staatsanwälte hätten nicht eingegriffen,
trotzdem die schlimmsten Beleidigungen gegen die deutsche Armee
darin ausgesprochen seien. Was in den Briefen stehe, sei leider
wahr. Der Kriegsminister sagte, man könne den Kaiser nicht ver-
antwortlich machen für diese Thaten. Ich frage: Ist vom Ober-
kommando den Soldaten der Befehl gegeben worden: „Pardon
wird nicht gegeben l. Gefangene werden nicht gemacht!" Das
wollen wir wissen. (Großer Lärm.) Ich erkläre, daß wenn der
Kriegsminister mir nicht klipp und klar antwortet, ich den Schluß
ziehe, daß ein solcher Befehl gegeben- wurde. Ohne einen solchen
Befehl wären solche Thaten unmöglich. Die deutsche Kujtur in
die Welt zu tragen, ist eine schöne, große Aufgabe, aber es kommt
auf die Art an, wie man zu den fremden Völkern kommt. Der
Vorwurf Stöckers, Redner habe die Kommune gelobt, sei falsch.
Auch Bismarck habe gesagt, in der Kommune stecke ein ffuter
Kern. Auch in Zukunft seien ohne die sozialdemokratischen Stim-
men Handelsverträge unmöglich.
Reichskanzler Graf v. Bülow: Die Behauptung Bebels,
daß unsere Politik gegenüber China unfreundlich, hart und grau-
sam gewesen sei, welcher Vorwurf ihn persönlich, als früheren
StaatSsecretär, treffe, sei ganz grundlos. Er berufe sich auf einen
Brief des hiesigen chinesischen Gesandten, der als geborener
Chinese (stürmische Heiterkeit) sicherlich competenter sei, als ein
freiwilliger Chinese. (Erneute Heiterkeit.) Redner verliest den
Brief, in dem die freundliche Haltung Deutschlands gegenüber
China sowohl in der Vergangenheit als auch in jüngster Zeit an-
erkannt wird. Von den Kaiserreden habe er am Diensrag nur
gesprochen von denen in Bremerhaven und in Wilhelmshaven,
Er erinnere sich bestimmt, daß am Tage der Wilhelmshavener
Rede Alle überzeugt waren, die Europäer in Peking seien bis auf
den letzten Mann niedergemacht worden. In London sei sogar
ein Trauergottesdienst für die Unglücklichen abgehalten worden.
Die Rede in Wilhelmshaven sei gehalten worden, unmittelbar
nachdem die Nachricht von der Ermordung Kettelers eingetroffen
war. Er (Redner) würde es nicht verstehen, wenn die Nachricht
von einer so schweren Thal dem deutschen Kaiser nicht das Blut
rascher durch die Adern getrieben halte. (Bravo.) Er müsse seinem
tiefen Bedauern Ausdruck geben über die Art, wie der Abg.
Bebel von unseren Soldaten und unserer Armee gesprochen habe.
Noch sei kein Fall erwiesen worden, wo ein deutscher Soldat sich
unwürdig gemacht hätte des Rufes der deutschen Armee und des
deutschen Volkes. Sollte ein Fall bewiesen werden, so würde die
strengste Ahndung erfolgen. Aus Einzelfällcn dürften nicht all-
gemeine Schlüsse gezogen werden. Die deutschen Soldaten würden
sich an Mannszucht und Menschlichkeit von keinem anderen
Soldaten übertreffen lassen. Das sage er auch für das Land,
vor dem die deutschen Soldaten herabgesetzt werden sollten. Der
Genius des deutschen Volkes habe noch immer Humanität mit
Heroismus zu vereinigen gewußt. (Beifall.)
Kriegsminister v. Go bl er: Er sei es gewohnt, Anklagen
gegen wen sie auch gerichtet seien, aufzuklären. Der von Bebel
überreichte Brief aus der Frank. Tagespost sei jedenfalls eine
M ache. (Beifall rechts.) Wie man Cultur und Christenthum
in Gegensatz bringen konnte, wie Bebel es gethan, verstehe er
nicht. Daß wir das Christenthum in der Armee Hochhalten, ist
unser größter Ruhm. (Beifall im Centrum.) Der Kaiser spräche
nicht i ur als Kaiser, sondern zum Heere auch als Kriegsherr.
Nur darin sei Redner mit Bebel einig, daß der Kaiser ein ganzer
Mann sei.
Abg. Dr. Bachem (Centr.): Bebel habe für die weltgeschicht-
liche Erscheinung des Chrtstenthums und der christlichen Mission
kein Verständlich.
Abg. Bebel (Soz.) verwahrt sich gegenüber dem Reichskanzler
und dem Kriegsminister dagegen, daß er den Wunsch habe, die
deutsche Armee gegenüber dem Auslande und China herabzusetzen.
Der Kriegsminister habe auf seine Frage nach dem Befehl „Par-
don wird nicht gegeben" nicht geantwortet. Er ziehe daraus seine
Folgerungen.
Die Vorlage wird der Budgetcommission überwiesen.
Nächste Sitzung morgen 1 Uyr. Tagesordnung: 12 000Mark-
Affäre. Schluß gegen 5 Ubr.
^ * Das Romanfruilleto« findet der Leser im heutigen
weiten Blatt.
Stadt-Theater.
Heidelberg, 24. November.
„Die Jüdin". Oper in 5 Akten von Halevy.
, Bei der Wiederholung der prächtigen Oper, auf der Meyerbeer,
Wst noch Gounod so erfolgreich aufgebaut haben, hat sich
Manches noch gefestigt, so daß der Gesammteindruck ein außer-
,kdcntlich günstiger war. Die Einstudirung hatte an dem Werk
wr Bestes gethan.
Seltsam gehen in dem Werk conventionelle Figuren neben
Jaraktertsttschen Gestalten her. Der Coloraturprinz und die
^oloraturprinzessin sind ganz nach der italienischen Schablone
Meichnet, während Eleazar, Recha und der Cardinal musikalische
^harakterköpfe sind.
^ Die beste gesanglich: Leistung des Abends bot in der ersten
Gruppe Fräulein Hesch. Es ist wirklich hocherfreulich, wie ge-
Men sie solche Partieen, besonders in der Ausführung des
6>gurenwerkes, behandelt. Herr Runsky verdient alle An-
fr'ennung, daß er diesen unseligen Tenorprinz, der seinem Fach
fern liegt, so annehmbar über Wasser hält. Eleazar, ein
madiger Nathan der Oper, ist, so viel ich weiß, die einzige Rolle,
.« der die Tenöre auch auf der Bühne alt werden. Den Großen
2»? Faches gewährt es einen eigenen Reiz, einmal aus ihren
Ostungen und schönen Gewändern zu schlüpfen, um den grauen
^°rt und den Gcbetrtemen anzulegen. Was hat einst Niemann
«» diesem von Grunde so unwahren Eleazar geschaffen!
«, Mit dem, was Herr Landen gibt, darf man sehr wohl zu-
meden sein. Feinere Züge, eine eingehende Charakterisirung
It". > ht ^ ja der Figur nicht, sein Spiel hält nur die allgemeinen
ibn, 'e. aber diese sicher und mit Routine fest. Ais Sänger ist
tis^ Gewandtheit, musikalische Sicherheit und die Gabe drama-
bir?^ Deklamation nachzurühmen. Die Stimme und ihre Aus-
ang ist ungleich. Die Höhe hat überraschend viel Fülle und
h mnz und wird fehlerlos behandelt. In Mittellage und Tiefe
»egen drückt ein gutturaler Ansatz auf den Ton, der in dieser
Lage noch leicht störend vibrirt. Die Texlaussprache ist in der
hohen Lage auch ungleich deutlicher als nach der Tiefe zu. Trotz
dieser Ausstellungen, die ein Wink für den Sänger sein mögen,
muß der kräftige, große Zug, der durch die an schönen Einzel-
heiten — die wunvervolle Romanze! obgleich da Herr Landen
bereits ermüdet war — reiche Leistung geht, voll und ganz an-
erkannt werden.
Recha ist die typische dramatische Partie der Oper alten
Styls. Frl. Ger Häuser bringt für dieselbe die großen
Mittel und die dramatische Veranlagung mit. Heute schon ist
die Ausführung eine hochzuschätzcnds Talentprobe, wenn auch !
das Ganze noch zu unausgeglichen ist. Die Dame hat treffliche l
Momente und singt Vieles, wie die wundervolle Arte im 2. Akt ^
und den Abschied tm 4. Akt, ebenso schön als ergreifend. Dann ^
wirkt aber wieder Manches sehr störend. Sie nimmt die Tiefe
oft unschön flach und dann erzwingt sie oft die schwer sich gebende !
Höhe, sodaß diese schrill und hart klingt. In solchen Momenten
verläßt sie auch die Treffsicherheit und erklingen (wie zum Schluß
des 2. Aktes) schmerzend falsche Noten.
Sie hat das Zeug und die Ausrüstung zu einer dramatischen !
Sängerin, auch die schauspielerische Veranlagung, sie muß, um
auszureisen, über die Sprödigkeit ihrer Stimme Herr werden.
Der Kardinal bietet einem Bassisten Gelegenheit, zu schwelgen
in Wohllaut und den tiefsten Tönen. Herrn Hunyady kann
man immer nur das Gleiche nachrühmen: die sichere verftändniß-
volle Beherrschung der ihm gestellten Aufgaben. Er erschöpft
seine Rolle. So auch gestern. An richtiger Kraft fehlte es ihm
nur in der Fluchszene. Die so wichtige Tiefe war besonders
gut vorhanden. Was ihm eben fehlt, ist des Bassisten Mark
und Seele — da« Metall. Es liegt nicht einmal an der Stimme,
die es vielleicht besitzt, sondern an dem Gaumenton, der Alles drückt
und dämpft.
Auf die gesunde, kräftige Deklamation des Herrn Paul, der
eine fehlerlose Tonbildung aufweist, ist bereits hingewiesen !
worden.
Die Oper, unter Radigs bewährter Leitung, fand, dank ^
dem glücklichen Gesammteindruck, eine sehr beifällige Aufnahme, j
vr. 8.
Literarisches.
—Z Zur See, mein Volk. Die besten See-, Flotten-
Lieder und Meerespoesieu, gesammelt von Julius Lohmeyer.
Leipzig 1900. Breitkovf und Haertel. Der Herausgeber gibt
einen orieutirenden „Eingang" und ein praktisches EWettungs-
stück „dem Kaiser zum 27. Januar 1900". Von den preis-
gekrönten Flottenliedern wird das stimmungsvolle Lied von
Gottfried Schwab-Darmstadt „Michel, horch, der Seewind pfeift"
sich bald eindürgern. Die vier Abtheilungen des Büctxeins:
Flotteulieder, Seebilder und Meererklänge, erzählende Dichtungen
von der See und endlich Deutschland zur See enthalten manchen
Beitrag, der aus einem Aneinandecballcn tönender Redewendungen
besteht. Der größere Theil des Büchleins ist scbr we-thvoll. Da
ist ein deutsches Flottenlied von Rudolf Meyer-Krämer: „Nun
sort, ade, An Bord! in Seel", da ist ein deutsches Matrosenlied
von Reinhold Fuchs-Dresden: „Hurrah. ihr blauen Jungen".
Von Georg Herwegh „Die deutsche Flotte" (1848) und von
Heinrich Leuthold „An das Meer" sind Gedichte, die zu den
Gaben echter Poesie herüberführen, den Auswanderern von
Freiligrath und dem John Maynard von Theodor Fontane.
Ltliencron fehlt so wenig wie Arno Holz mit seinem wunder-
vollen Gedicht, das sich prachtvoll zum öffentlichen Vortrag
eignet, „Een Boot is noch buten". Vierordt und Fitzer schlagen
männliche Töne an. Heine's „Meergrub" und Storms „Meeres-
strand" und „Stadt am Meer" werfen ihren goldenen Schimmer
über die ganze Sammlung.
— H. Könige, Oberlandesgerichtsrath (Karlsruhe),
Kommentar zum Retchsgesetz betreffend die gemeinsamen
Rechte derBesitzer v o n S ch u ld v er s ch r e i b u n g e n
vom 4. December 1899. Verlag von I. C. B. Mohr, Tübingen,
Freiburg, Leipzig 1900. Das neue Reichsgesetz hat eine gemein-
same Organisation für die Gläubiger solcher Darlehen geschaffen»
die von inländischen Schuldnern in einem Betrag von mindestens
300 000 Mk. und gegen Schuldverschreibungen auf den Inhaber
in einer Anzahl von mindestens 300 Stück ausgenommen werden.
Da Staats- und Gemeindeanlehen nicht unter das Gesetz fallen,
erstreckt sich dasselbe in der Praxis hauptsächlich nur auf
Prioriläts- und ähnliche Darlehen von industriellen Unter-