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Miistsg. den 17. Aklmber
ISS«.
Die Borgäuge in Südafrika.
Noch am Samstag bestätigte folgendes Telegramm die
Nachricht von der bedeutenden Schlappe, welche die Eng-
länder im Osten von Transvaal erlitten haben:
London, 15. Dez. Lord Kitchener meldet
aus Pretoria vom 11. Dez.: General Clements
brachte seine Streitkräfte widerstandslos nach Com
mandoneck. Seine Verluste sind schwer. 5 Ossi
ziere und 9 Mann getödtet, 18 Offiziere und
555 Mann werden vermißt, darunter vier
Compagnien Northumbcrland-Füsiliere.
Wir haben die Depesche hier durch Anschlag bekannt
gemacht.
In England ist man über diese unerwartete Niederlage
nicht nur sehr ärgerlich, sondern geradezu bestürzt. Auf
das Eintreffen der Meldung davon und der allgemeinen
Offensive der Buren ordnete ein plötzlich einberufener
engl. Kabinetts rath, dem mit einer einzigen Aus-
nahme alle Minister beiwohnten, die sofortige Bereit-
stellung aller verfügbaren Reserven, besonders
der Kavallerie an. Die Aufregung in den maßgeben-
den Kreisen dort erinnert nach einem Bericht der Münch.
N. Nachr. an die schlimmsten Tage vor Ladysmirh. Seit-
dem auch die Angriffe auf Petrusberg, die Bedrohung
Komatiports, Bloemfontains und Kimberleys bekannt ge-
worden sind, werden alle auf dem Heimweg begriffenen
Kolonial- und Aeomanry-Truppen zur Front zurückbeor-
dert. Aus Kapstadt wird ungeheure Aufregung
gemeldet infolge von Nachrichten über schwere Niederlagen,
deren Einzelheiten die Zensur zurückhält.
Seit geraumer Zeit, so erzählt ein Londoner Bericht-
erstatter der Straßb. Post, ist die Nachrichtenstelle des
Kriegsamtes nicht so umlagert gewesen, wie diesen Freitag
Vormittag. Man hatte sich erinnert, daß in derselben
Woche vor Jahresfrist die Schläge bei Magers-
fontein, Stormberg und Colenso, wo Roberts
seinen einzigen Sohn verloren, zusammenfielen, und empfand
eine abergläubische Besorgniß. Die Spannung ist seit
Kitcheners Depesche noch im Wachsen, besonders da ver-
lautet, daß Kitchener dringend namhafte Verstärkung durch
reitende Truppen und durch einige frische Bataillone
Infanterie nachgesucht hat. Angeordnet wurde bereits,
daß 900 Mann reitende Infanterie von Aldershot und 400
Mann von Malta, die sofort verfügbar sind, anfangs
Januar nach Süoafrika abgehen sollen. Zwei Miliz-
bataillonen soll die freiwillige Meldung für den Kriegs-
schauplatz nahe gelegt worden sein. General Clements, dem
das jüngste Mißgeschick widerfuhr, hatte, wie verlautet,
Nur eine kleine Kolonne von kaum tausend Mann bei sich
und war von der ebenfalls kleinen Kolonne Broadwood
(Kitchener bezeichnet sie als eine Brigade) auf 11 Kilo-
Meter Entfernung durch die Magaliesbcrgc getrennt. Die
Verbindung zwischen beiden Abtheilungen hielten vier
Kompagnien des Regiments Norihumberland auf der Höhe
der Magaliesberge aufrecht. Das Bataillon der North-
Ninberland-Füsiliers, das die Niederlage erlitt, scheint das
Nämliche gewesen zu sein, das am 10. Dezember vorigen
Jahres unter Gatacre bei Srormberg eine Niederlage er-
litt. Statt die Verbindung der auf beiden Seiten des
Berges stehenden englischen Truppen aufrecht zu erhalten,
hat es sich von den Buren überraschen und gefangen nehmen
lassen. Dem englischen Haupttrupp, der solcher Art in der
Mitte entzwei gesprengt war, blieb nichts übrig, als zurück-
Zugehen.
Wenn die Buren im Stande sind, immer wieder solche
Schläge gegen die Engländer auszuführen, dann dürfen
sie hoffen, ihren Gegner allmählich mürbe zu machen und
ihn zu günstigen Friedensbedingungen zu veranlassen. Man
darf nicht vergessen, daß die Engländer durch Festlegung
ihrer Haupttruppenmacht in Südafrika verhindert sind, in
den anderen Gegenden der Welt ihre Interessen so kräftig
zu vertreten, wie sie es wünschten. Je länger dieser Zu-
stand dauert, desto unangenehmer muß er in England em-
pfunden werden.
Was De Wet anbetrifft, der an der Grenze der eng-
lischen Kapkolonie kämpft, so ist er den von allen Seiten
herzudrängenden Engländern richtig wieder entwischt.
Seine Einbuße dabei scheint nicht einmal groß zu sein.
Lord Kitchener berichtet aus Pretoria vom 14. December
darüber: „General Knox trieb De Wet nordwärts nach
Thabanchu und Ladybrand, der Linie, die von den briti-
schen Truppe» besetzt war. De Wets Streitmacht, etwa
3000 Mann stark, machte im Laufe des Tages verschiedene
Versuche, mit Hülfe einer von Norden her operirenden
Burenmacht die Linie zu durchbrechen. Diese Angriffe
wurden abgeschlagen, obwohl es einigen Buren gelang,
vom Süden her durch die Linie zu kommen." In einer
später« Depesche meldet Kitchener aber weiter: „Beim
Passiren der britischen Linie in der Nähe von
Thabanchu erlitt De Wet beträchtliche Verluste. Die
Briten erbeuteten einen Fünfzehnpfünder, den die Buren
ihnen bei De Wets Dorp genommen hatten, und mehrere
Munitionswagen. Sie nahmen 22 Mann gefangen.
Einem Theil der feindlichen Truppen gelang es nicht,
nach Norden durchzukommen."
Ein Fünfzehnpfünder, der ursprünglich den Engländern
gehörte, und 22 Mann, das kann man doch nicht einen
beträchtlichen Verlust nennen! De Wet hat sich nach Durch-
brechung der englischen Linien vermuthlich mit dem Buren-
corps vereinigt, die bei Fouriesburg und Ficksburg ihr
Centrum haben und deren Unterstützung ihm gewiß von
großem Nutzen gewesen ist. Die Taktik, die ihm auch hier
wieder geholfen hat, ist die der Auflösung seiner Truppen
in kleine Abtheilungen.
Präsident Krüger erhielt in Haag die Meldung von
dem Doppelsieg Bothas und Delareys (über die Be-
deutung des Sieges Bothas. der westlich von Pretoria
steht, ist Näheres nicht bekannt) Freitag Nachmittags.
Große Freude herrschte in der Umgebung des Präsi-
denten. Krüger erklärte, der Krieg könne noch Jahre
fortdauern, falls England keine Zugeständnisse macht.
In der Umgebung Krügers verlautet, der Präsident würde
seinen Landsleuten die Niederlegung der Waffen empfehlen,
falls England den Burenstaaten volle innere Freiheit
unter seiner Oberleitung gewähre.
dürfniß hierfür nicht herausgestellt hat. Mitunter wird
wochenlang, selbst auf größeren Postämtern, nicht ein ein-
ziger Kartenbrief verkauft. Nach anderen Meldungen soll
der Kartenbrief abgeändert werden. Wenn er fällt, so
fällt er, weil mit dieser Neuerung kein Vortheil für das
Publikum verbunden war.
Baden. L.N. Frei bürg, 16. Dezbr. Der hiesige
liberale Verein erklärte sich in einer Versammlung mit dem
Anträge des Engeren Ausschusses der nationalliberalen
Partei auf Einführung der direkten Wahl einverstanden,
sowie mit der Bezirkseintheilung der Städte und einer Re-
form der Ersten Kammer und der Gesammteineuerung der
Zweiten Kammer jeweils nach 4 Jahren.
Cobnrg-Gotha. Gotha, 14. Dec. Der neue Staats-
minister Henhig hat sich bei der Lehrer- und Schüler-
welt gut einzuführen verstanden, indem er angeordnet, daß
in allen Schulen des Landes die Weihnachtsferien
volle zwei Wochen dauern sollen. Bisher hatten
nur die höheren Lehranstalten sich dieser Feriendaucr zu
erfreuen, fortan sind ihnen hierin auch die Volksschulen
gleichgestellt.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben
dem Vortragenden Raih im Reichseisenbahnamt Geheimen Ober-
regicrungsrath Dr. Theodor Gcrstner das Kommandeurkreuz
zweiter Klasse des Ordens Berthold des Ersten, dem bisherigen
Schriftführer des badischen Landeskomites des Deutschen Flotten-
vereins, Handelskammersekreiär Dr. Planer in Karlsruhe, daS
Ritterkreuz zweiter Klasse mit Eichenlaub des Ordens vom
Zähringer Löwen, dem Vizewachtmeister Miller» Regiments-
schneider im Ulanenregiment Großherzog Friedrich von Baden
(Rheinischen) Nr. 7, die silberne Verdienstmedaille verliehen.
Karlsruhe, 15. Dec. Die Großherzogin ist
heute früh 7 Uhr 52 Minuten von Schloß Baden nach
Karlsruhe gereist und gedenkt heute Abend 6 Uhr wieder
in Baden einzutreffen. Um 10 Uhr 15 Minuten heute
Vormittag traf Generalintendant Dr. Bürklin zur Vor-
tragserstattung in Schloß Baden ein und wurde sofort
von dem Großherzog empfangen. Der Vortrag dauerte
bis gegen 1 Uhr. Nach der Frühstückstafel kehrte der
Generalintendant wieder nach Karlsruhe zurück.
Deutsches Reich
— Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt: Nachdem die parla-
mentarischen Verhandlungen über den Reichshaushalt in
erster Lesung zum Abschluß gelangt sind, gedenkt der
Reichskanzler noch vor Weihnachten sich den Re-
genten der größeren Bundesstaaten vorzustellen.
Er trifft zu diesem Zwecke kommenden Montag in
München ein, um vom Prinzregenten empfangen zu
werden. Von München wird sich Graf Bülow nach Stutt-
gart und Karlsruhe begeben. Die Besuche werden
dem Reichskanzler auch die erwünschte Gelegenheit bieten,
mit den Ministern der auf der Reise berührten Bundes-
staaten persönlich in Fühlung zu treten.
— Die Kar tenb riefe, die die Postoerwaltuug vor
zwei Jahren zur Einführung brachte, sollen dem Ver-
nehmen nach wieder eingehen, weil sich ein Be-
Ausland.
Asien. Aus angeblich zuverlässiger Quelle wird der
Agentur Havas aus Tientsin berichtet, der Kaiser von
China habe folgend^ zehn Bedingungen angenom-
men: 1. Bezahlung einer Entschädigung von 700 Millionen
Taels in 60 Jahresraten, die durch das Likin verbürgt
werden sollen; 2. Errichtung eines Denkmals für den
deutschen Gesandten Freiherr» v. Ketteler; 3. Besuch eines
dem kaiserlichen Hof nahe verwandten Prinzen in Berlin;
4. Besetzung der Verkehrswege zwischen Taku und Peking
durch die fremden Truppen; 5. Bestrafung der Boxer-
beamien; 6. in den Provinzen, in denen Fremde mißbandelt
wurden, werden die Staatsprüfungen auf fünf Jahre ein-
gestellt; 7. Abschaffung des Lsung-li-Namen; 8. die fremden
Gesandten müssen vom Kaiser jederzeit empfangen werden;
9. Einfuhrverbot für Waffen und Munition; 10. Schleifung
der Festungen im Binnenlande und an der Küste zwischen
Schanhaikwan, Taku und Peking.
— Die Times meldet aus Tokio : Die japanische
Regierung und das Volk seien beseelt von dem Ver-
langen, den Frieden und die Wohlfahrt Chinas zu fördern
und dessen Unverletzlichkeit zu wahren. Es könne keinen
schlagenderen Beweis für Japans Verlangen, China zu er-
halten. geben, als einen schnellen, vorbehaltlosen Beitr itt
zum deutsch-englischen Abkommen.
* Das Romanfeuilleton mußte heute Raummangels wegen
^eableiben.
Stadt-Theater.
L*L Heidelberg. 17. December.
.Der Postillon von Loujumeau", komische Oper in
o Aufzügen nach dem Französischen von M. G. Friedrich. Musik
don Adolf Adam.
So leicht wie der Charakter der Personen mit ihrer echt fran-
zösischen Anschauung von der Ehe, istsder Charakter der Musik, der
M nette kleine Lustspiel trägt. Nicht so fein wie Auber, ist
Adam auch heute noch als gefälliger, oft witziger musikalischer
Mauderer willkommen.
Die bekannte komische Oper hat Tenorkorypbäen mit den
schönen Stimmen und dem gepflegten bst vanto, die noch nichts
"ori dem schrecklichen Wagner ahnten, zu ihren größten Triumphen
geholfen. Sie schmetterten das hohe 6 hinaus und knallten dazu
k>il Peitsche und Virtuosität.
, Auch bescheidene Tcnöre dürfen sich, nachdem Wachtel, für
°en unsere Eltern schwärmten, vermodert und fast vergessen ist,
"N die Glanzrolle-Partie des Chapelou wagen.
Herr Schade ist noch kein Ritter vom hohen 6, vielmehr
ein bescheidener, nicht übler Page. Was ihm immer noch hinder-
lich im Wege steht, ist das steife unbeholfene Wesen, obgleich er
üch gestern redlich Mühe gab, es abzuschütteln. Man denkt sich den
llvtten feschen Frauenjäger nicht so kerzengerade und ängstlich.
Auch der Dialog steht noch sehr unter dem Zeichen dieser etwas
Vsbeholfenen Aengstlichkeit. Viel besser verhält es sich mit dem
Länger. Stimmverschwendung kann ja Herr Schade gewiß nicht
^iben, sein Tenor ist nicht eben kraftvoll, aber in seinen Gren-
M sympathisch und nach der Höhe zu, die zwar gestern zu An-
s?Ng nicht ansprechen wollte, ausgiebig. Die Anwendung des
Wisets macht ihm, wie sich im Duett zeigte, noch ziemlich
Schwierigkeit. Im Uebrigen sang er den Postillon nicht glän-
Knd, aber recht brav, mit ernstem Wollen und gewissenhafter Hin-
Labung. Sein Bestes hätte das eingelegte, redlich abgesungene
Muberlied bringen können, hätte ihm nicht die dicke schwere In-
"bUtnentation einen zu harten Kamps auferlegt.
Seine Partnerin lief jedenfalls stimmlich nicht Gefahr, ihn zu
erdrücken. Frl. Koppen Höf er ist auf der Bühne immer ein
liebes Geschöpf. Es liegt etwas Warmes, Amnuthiges in dem
Persönchen und der Stimme. Auch ihre Magdalsne war lieb
und anziehend. Wie immer hat Fräul. Koppenhöfer, wenn ihr
auch das Bauernmädchen weit besser liegt als die Dame von
Welt, gezeigt, daß sie aus jeder Rölle etwas Fertiges, Ab-
gerundetes zu machen weiß. Gesanglich hat sie, wenn auch die
Koloratur nicht immer tadellos erschien, die Rolle überraschend
gut beherrscht und durchgeführt und dabei ihren erprobten mu-
sikalischen Geschmack, verbunden mit Reinheit und Sicherheit,
walten lassen. ... .
Gut charakterisirte Herr Runsky seinen Marquis; seine
ausgesprochene Bühnenbegabung bewährte sich bet Herrn Paul
als Bijou. Letzterer geht immer mit Feuereifer musikalisch und
schauspielerisch in den ihm gestellten Aufgaben auf, was diese
immer zu gewichtiger Geltung bringt. , , ^
Herr Radig dirigirte mit der gewohnten Energie und
scharfen Umsicht. Daß die Oper offenbar etwas rasch heraus-
gekommen war, konnte freilich nicht vollständig verdeckt werden.
Die richtige Sonntagsoper ist der Postillon nicht, dafür ist sie
ein zu intimes, anspruchsloses musikalisches Lustspiel. 0r. 8.
Kleine Zeitung.
— A«S Vaiern, im Dec. Die Jagd uach dem Räuber
Kneißl nimmt immer größere Dimensionen an. Donnerstag
Nachmittag sind mit dem Jngolstädter Postzuge ungefähr 40
Mann von der Münchener Schutzmannschaft, unter ihnen eine
Anzahl Berittener, nach Dachau abgegangen, um auf Grund ge-
wisser Anhaltspunkte, die sich bezüglich des Aufenthalts Kneißls
ergeben haben, in der dortigen Gegend die Streife nach dem
Mordbuben zu unternehmen. — Wie Kneißl in Oberdorf entkam,
darüber wird noch Folgendes mitgetheilt: Die Frau des Schäfers
August Maier war in die Ortschaft gegangen, um Verschiedenes
etnzukaufen. Da kam ihr zehnjähriges Mädchen ihr nachge-
laufen und sagte: „Mutter, geh' glei' heim, der Kneigl ist da.
Diese Aeußerung wurde auch von anderen Leuten vernommen,
die dann sofort Veranstaltungen zur Avisirung der Gendarmerie
trafen. Der Verrath war also seitens des Kindes ein unbe-
wußter und unbeabsichtigter. Jedenfalls hat die Frau des
Schäfers den Kneißl sofort gewarnt. Kneißl hatte es aber mit
seiner Entfernung noch gar nicht eilig; denn er wußte ganz
genau, daß die Gendarmerie so schnell nicht da sein könne. Diese
langte auch erst um 8 Uhr Abends an, inzwischen hatte der Ge-
suchte sich schon seitwärts in die Büsche geschlagen, und zwar
darf angenommen werden, daß er in der Richtung gegen Augs-
burg sich entfernt hatte. Die umliegenden Orte dieser Stadt
sind nun ebenfalls in Aufregung versetzt. Die Kinder des Dorf-
Hirten Maier wurden einstweilen in ihre zuständige Heimath-
gemeinde, nach Meriug, verbracht, da auch die Verhaftung der
Frau des Schäfers bevorstehen dürfte, wenn sie nicht schon er-
folgt ist. — Wie sehr übrigens die ländliche Bevölkerung die
Polizei bei ihrer schwierigen Arbeit „unterstützt", dafür dürfte
ein kleines Beispiel sprechen. Eine von der letzten Fahndung
zurückkehrende Patrouille fragte Nachts den Besitzer eines Bauern-
anwesens. wie weit es noch nach Althegnenberg sei. „Fünf
Minuten", antwortete der Gefragte, während es in Wirklichkeit
fünf Viertelstunden waren. — Die Gendarmerie merkte bald, daß
die Aufgabe nicht stimmte, kehrte zu dem Hause zurück und ver-
anlaßte den gewissenlosen Lügner, sie mit der Laterne nach
Alihegnenberg zu führen. In Unterhegnenberg wurden der dortige
Gastwirth und dessen Ehefrau verhaftet und nach Augsburg ab-
geliefert. Es stellte sich nämlich heraus, daß Mathias Kneißl
zwei Nächte vorher bei den Leuten Unterschlupf gefunden hatte.
Die Verhaftung erfolgte unter der Anschuldigung der Begünsti-
gung. Auch die Geliebte Kneißl's, die Vöstbauerntochter, sowie
deren Bruder (zwei Brüder der Vöst befinden sich zur Zeit
wegen schwere Eigenthumsdelikte im Zuchthause) wurden vor-
läufig festgenommen und nach München trausportirt.
— Berlin, 15. Dec. Im Prozeß Stern berg gaben
die ärztlichen Sachverständigen ihre Gu!achten ab, die im allge-
meinen die Uuglaubwürdigkett der Frida Woyda auf pathologi-
scher Grundlage feststellten, ober nicht feststelllen, wann und in
welchem Falle sie die Wahrheit sage. Nach einer längeren Debatte
zwischen dem Staatsanwalt und der Verteidigung über den An-
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Miistsg. den 17. Aklmber
ISS«.
Die Borgäuge in Südafrika.
Noch am Samstag bestätigte folgendes Telegramm die
Nachricht von der bedeutenden Schlappe, welche die Eng-
länder im Osten von Transvaal erlitten haben:
London, 15. Dez. Lord Kitchener meldet
aus Pretoria vom 11. Dez.: General Clements
brachte seine Streitkräfte widerstandslos nach Com
mandoneck. Seine Verluste sind schwer. 5 Ossi
ziere und 9 Mann getödtet, 18 Offiziere und
555 Mann werden vermißt, darunter vier
Compagnien Northumbcrland-Füsiliere.
Wir haben die Depesche hier durch Anschlag bekannt
gemacht.
In England ist man über diese unerwartete Niederlage
nicht nur sehr ärgerlich, sondern geradezu bestürzt. Auf
das Eintreffen der Meldung davon und der allgemeinen
Offensive der Buren ordnete ein plötzlich einberufener
engl. Kabinetts rath, dem mit einer einzigen Aus-
nahme alle Minister beiwohnten, die sofortige Bereit-
stellung aller verfügbaren Reserven, besonders
der Kavallerie an. Die Aufregung in den maßgeben-
den Kreisen dort erinnert nach einem Bericht der Münch.
N. Nachr. an die schlimmsten Tage vor Ladysmirh. Seit-
dem auch die Angriffe auf Petrusberg, die Bedrohung
Komatiports, Bloemfontains und Kimberleys bekannt ge-
worden sind, werden alle auf dem Heimweg begriffenen
Kolonial- und Aeomanry-Truppen zur Front zurückbeor-
dert. Aus Kapstadt wird ungeheure Aufregung
gemeldet infolge von Nachrichten über schwere Niederlagen,
deren Einzelheiten die Zensur zurückhält.
Seit geraumer Zeit, so erzählt ein Londoner Bericht-
erstatter der Straßb. Post, ist die Nachrichtenstelle des
Kriegsamtes nicht so umlagert gewesen, wie diesen Freitag
Vormittag. Man hatte sich erinnert, daß in derselben
Woche vor Jahresfrist die Schläge bei Magers-
fontein, Stormberg und Colenso, wo Roberts
seinen einzigen Sohn verloren, zusammenfielen, und empfand
eine abergläubische Besorgniß. Die Spannung ist seit
Kitcheners Depesche noch im Wachsen, besonders da ver-
lautet, daß Kitchener dringend namhafte Verstärkung durch
reitende Truppen und durch einige frische Bataillone
Infanterie nachgesucht hat. Angeordnet wurde bereits,
daß 900 Mann reitende Infanterie von Aldershot und 400
Mann von Malta, die sofort verfügbar sind, anfangs
Januar nach Süoafrika abgehen sollen. Zwei Miliz-
bataillonen soll die freiwillige Meldung für den Kriegs-
schauplatz nahe gelegt worden sein. General Clements, dem
das jüngste Mißgeschick widerfuhr, hatte, wie verlautet,
Nur eine kleine Kolonne von kaum tausend Mann bei sich
und war von der ebenfalls kleinen Kolonne Broadwood
(Kitchener bezeichnet sie als eine Brigade) auf 11 Kilo-
Meter Entfernung durch die Magaliesbcrgc getrennt. Die
Verbindung zwischen beiden Abtheilungen hielten vier
Kompagnien des Regiments Norihumberland auf der Höhe
der Magaliesberge aufrecht. Das Bataillon der North-
Ninberland-Füsiliers, das die Niederlage erlitt, scheint das
Nämliche gewesen zu sein, das am 10. Dezember vorigen
Jahres unter Gatacre bei Srormberg eine Niederlage er-
litt. Statt die Verbindung der auf beiden Seiten des
Berges stehenden englischen Truppen aufrecht zu erhalten,
hat es sich von den Buren überraschen und gefangen nehmen
lassen. Dem englischen Haupttrupp, der solcher Art in der
Mitte entzwei gesprengt war, blieb nichts übrig, als zurück-
Zugehen.
Wenn die Buren im Stande sind, immer wieder solche
Schläge gegen die Engländer auszuführen, dann dürfen
sie hoffen, ihren Gegner allmählich mürbe zu machen und
ihn zu günstigen Friedensbedingungen zu veranlassen. Man
darf nicht vergessen, daß die Engländer durch Festlegung
ihrer Haupttruppenmacht in Südafrika verhindert sind, in
den anderen Gegenden der Welt ihre Interessen so kräftig
zu vertreten, wie sie es wünschten. Je länger dieser Zu-
stand dauert, desto unangenehmer muß er in England em-
pfunden werden.
Was De Wet anbetrifft, der an der Grenze der eng-
lischen Kapkolonie kämpft, so ist er den von allen Seiten
herzudrängenden Engländern richtig wieder entwischt.
Seine Einbuße dabei scheint nicht einmal groß zu sein.
Lord Kitchener berichtet aus Pretoria vom 14. December
darüber: „General Knox trieb De Wet nordwärts nach
Thabanchu und Ladybrand, der Linie, die von den briti-
schen Truppe» besetzt war. De Wets Streitmacht, etwa
3000 Mann stark, machte im Laufe des Tages verschiedene
Versuche, mit Hülfe einer von Norden her operirenden
Burenmacht die Linie zu durchbrechen. Diese Angriffe
wurden abgeschlagen, obwohl es einigen Buren gelang,
vom Süden her durch die Linie zu kommen." In einer
später« Depesche meldet Kitchener aber weiter: „Beim
Passiren der britischen Linie in der Nähe von
Thabanchu erlitt De Wet beträchtliche Verluste. Die
Briten erbeuteten einen Fünfzehnpfünder, den die Buren
ihnen bei De Wets Dorp genommen hatten, und mehrere
Munitionswagen. Sie nahmen 22 Mann gefangen.
Einem Theil der feindlichen Truppen gelang es nicht,
nach Norden durchzukommen."
Ein Fünfzehnpfünder, der ursprünglich den Engländern
gehörte, und 22 Mann, das kann man doch nicht einen
beträchtlichen Verlust nennen! De Wet hat sich nach Durch-
brechung der englischen Linien vermuthlich mit dem Buren-
corps vereinigt, die bei Fouriesburg und Ficksburg ihr
Centrum haben und deren Unterstützung ihm gewiß von
großem Nutzen gewesen ist. Die Taktik, die ihm auch hier
wieder geholfen hat, ist die der Auflösung seiner Truppen
in kleine Abtheilungen.
Präsident Krüger erhielt in Haag die Meldung von
dem Doppelsieg Bothas und Delareys (über die Be-
deutung des Sieges Bothas. der westlich von Pretoria
steht, ist Näheres nicht bekannt) Freitag Nachmittags.
Große Freude herrschte in der Umgebung des Präsi-
denten. Krüger erklärte, der Krieg könne noch Jahre
fortdauern, falls England keine Zugeständnisse macht.
In der Umgebung Krügers verlautet, der Präsident würde
seinen Landsleuten die Niederlegung der Waffen empfehlen,
falls England den Burenstaaten volle innere Freiheit
unter seiner Oberleitung gewähre.
dürfniß hierfür nicht herausgestellt hat. Mitunter wird
wochenlang, selbst auf größeren Postämtern, nicht ein ein-
ziger Kartenbrief verkauft. Nach anderen Meldungen soll
der Kartenbrief abgeändert werden. Wenn er fällt, so
fällt er, weil mit dieser Neuerung kein Vortheil für das
Publikum verbunden war.
Baden. L.N. Frei bürg, 16. Dezbr. Der hiesige
liberale Verein erklärte sich in einer Versammlung mit dem
Anträge des Engeren Ausschusses der nationalliberalen
Partei auf Einführung der direkten Wahl einverstanden,
sowie mit der Bezirkseintheilung der Städte und einer Re-
form der Ersten Kammer und der Gesammteineuerung der
Zweiten Kammer jeweils nach 4 Jahren.
Cobnrg-Gotha. Gotha, 14. Dec. Der neue Staats-
minister Henhig hat sich bei der Lehrer- und Schüler-
welt gut einzuführen verstanden, indem er angeordnet, daß
in allen Schulen des Landes die Weihnachtsferien
volle zwei Wochen dauern sollen. Bisher hatten
nur die höheren Lehranstalten sich dieser Feriendaucr zu
erfreuen, fortan sind ihnen hierin auch die Volksschulen
gleichgestellt.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben
dem Vortragenden Raih im Reichseisenbahnamt Geheimen Ober-
regicrungsrath Dr. Theodor Gcrstner das Kommandeurkreuz
zweiter Klasse des Ordens Berthold des Ersten, dem bisherigen
Schriftführer des badischen Landeskomites des Deutschen Flotten-
vereins, Handelskammersekreiär Dr. Planer in Karlsruhe, daS
Ritterkreuz zweiter Klasse mit Eichenlaub des Ordens vom
Zähringer Löwen, dem Vizewachtmeister Miller» Regiments-
schneider im Ulanenregiment Großherzog Friedrich von Baden
(Rheinischen) Nr. 7, die silberne Verdienstmedaille verliehen.
Karlsruhe, 15. Dec. Die Großherzogin ist
heute früh 7 Uhr 52 Minuten von Schloß Baden nach
Karlsruhe gereist und gedenkt heute Abend 6 Uhr wieder
in Baden einzutreffen. Um 10 Uhr 15 Minuten heute
Vormittag traf Generalintendant Dr. Bürklin zur Vor-
tragserstattung in Schloß Baden ein und wurde sofort
von dem Großherzog empfangen. Der Vortrag dauerte
bis gegen 1 Uhr. Nach der Frühstückstafel kehrte der
Generalintendant wieder nach Karlsruhe zurück.
Deutsches Reich
— Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt: Nachdem die parla-
mentarischen Verhandlungen über den Reichshaushalt in
erster Lesung zum Abschluß gelangt sind, gedenkt der
Reichskanzler noch vor Weihnachten sich den Re-
genten der größeren Bundesstaaten vorzustellen.
Er trifft zu diesem Zwecke kommenden Montag in
München ein, um vom Prinzregenten empfangen zu
werden. Von München wird sich Graf Bülow nach Stutt-
gart und Karlsruhe begeben. Die Besuche werden
dem Reichskanzler auch die erwünschte Gelegenheit bieten,
mit den Ministern der auf der Reise berührten Bundes-
staaten persönlich in Fühlung zu treten.
— Die Kar tenb riefe, die die Postoerwaltuug vor
zwei Jahren zur Einführung brachte, sollen dem Ver-
nehmen nach wieder eingehen, weil sich ein Be-
Ausland.
Asien. Aus angeblich zuverlässiger Quelle wird der
Agentur Havas aus Tientsin berichtet, der Kaiser von
China habe folgend^ zehn Bedingungen angenom-
men: 1. Bezahlung einer Entschädigung von 700 Millionen
Taels in 60 Jahresraten, die durch das Likin verbürgt
werden sollen; 2. Errichtung eines Denkmals für den
deutschen Gesandten Freiherr» v. Ketteler; 3. Besuch eines
dem kaiserlichen Hof nahe verwandten Prinzen in Berlin;
4. Besetzung der Verkehrswege zwischen Taku und Peking
durch die fremden Truppen; 5. Bestrafung der Boxer-
beamien; 6. in den Provinzen, in denen Fremde mißbandelt
wurden, werden die Staatsprüfungen auf fünf Jahre ein-
gestellt; 7. Abschaffung des Lsung-li-Namen; 8. die fremden
Gesandten müssen vom Kaiser jederzeit empfangen werden;
9. Einfuhrverbot für Waffen und Munition; 10. Schleifung
der Festungen im Binnenlande und an der Küste zwischen
Schanhaikwan, Taku und Peking.
— Die Times meldet aus Tokio : Die japanische
Regierung und das Volk seien beseelt von dem Ver-
langen, den Frieden und die Wohlfahrt Chinas zu fördern
und dessen Unverletzlichkeit zu wahren. Es könne keinen
schlagenderen Beweis für Japans Verlangen, China zu er-
halten. geben, als einen schnellen, vorbehaltlosen Beitr itt
zum deutsch-englischen Abkommen.
* Das Romanfeuilleton mußte heute Raummangels wegen
^eableiben.
Stadt-Theater.
L*L Heidelberg. 17. December.
.Der Postillon von Loujumeau", komische Oper in
o Aufzügen nach dem Französischen von M. G. Friedrich. Musik
don Adolf Adam.
So leicht wie der Charakter der Personen mit ihrer echt fran-
zösischen Anschauung von der Ehe, istsder Charakter der Musik, der
M nette kleine Lustspiel trägt. Nicht so fein wie Auber, ist
Adam auch heute noch als gefälliger, oft witziger musikalischer
Mauderer willkommen.
Die bekannte komische Oper hat Tenorkorypbäen mit den
schönen Stimmen und dem gepflegten bst vanto, die noch nichts
"ori dem schrecklichen Wagner ahnten, zu ihren größten Triumphen
geholfen. Sie schmetterten das hohe 6 hinaus und knallten dazu
k>il Peitsche und Virtuosität.
, Auch bescheidene Tcnöre dürfen sich, nachdem Wachtel, für
°en unsere Eltern schwärmten, vermodert und fast vergessen ist,
"N die Glanzrolle-Partie des Chapelou wagen.
Herr Schade ist noch kein Ritter vom hohen 6, vielmehr
ein bescheidener, nicht übler Page. Was ihm immer noch hinder-
lich im Wege steht, ist das steife unbeholfene Wesen, obgleich er
üch gestern redlich Mühe gab, es abzuschütteln. Man denkt sich den
llvtten feschen Frauenjäger nicht so kerzengerade und ängstlich.
Auch der Dialog steht noch sehr unter dem Zeichen dieser etwas
Vsbeholfenen Aengstlichkeit. Viel besser verhält es sich mit dem
Länger. Stimmverschwendung kann ja Herr Schade gewiß nicht
^iben, sein Tenor ist nicht eben kraftvoll, aber in seinen Gren-
M sympathisch und nach der Höhe zu, die zwar gestern zu An-
s?Ng nicht ansprechen wollte, ausgiebig. Die Anwendung des
Wisets macht ihm, wie sich im Duett zeigte, noch ziemlich
Schwierigkeit. Im Uebrigen sang er den Postillon nicht glän-
Knd, aber recht brav, mit ernstem Wollen und gewissenhafter Hin-
Labung. Sein Bestes hätte das eingelegte, redlich abgesungene
Muberlied bringen können, hätte ihm nicht die dicke schwere In-
"bUtnentation einen zu harten Kamps auferlegt.
Seine Partnerin lief jedenfalls stimmlich nicht Gefahr, ihn zu
erdrücken. Frl. Koppen Höf er ist auf der Bühne immer ein
liebes Geschöpf. Es liegt etwas Warmes, Amnuthiges in dem
Persönchen und der Stimme. Auch ihre Magdalsne war lieb
und anziehend. Wie immer hat Fräul. Koppenhöfer, wenn ihr
auch das Bauernmädchen weit besser liegt als die Dame von
Welt, gezeigt, daß sie aus jeder Rölle etwas Fertiges, Ab-
gerundetes zu machen weiß. Gesanglich hat sie, wenn auch die
Koloratur nicht immer tadellos erschien, die Rolle überraschend
gut beherrscht und durchgeführt und dabei ihren erprobten mu-
sikalischen Geschmack, verbunden mit Reinheit und Sicherheit,
walten lassen. ... .
Gut charakterisirte Herr Runsky seinen Marquis; seine
ausgesprochene Bühnenbegabung bewährte sich bet Herrn Paul
als Bijou. Letzterer geht immer mit Feuereifer musikalisch und
schauspielerisch in den ihm gestellten Aufgaben auf, was diese
immer zu gewichtiger Geltung bringt. , , ^
Herr Radig dirigirte mit der gewohnten Energie und
scharfen Umsicht. Daß die Oper offenbar etwas rasch heraus-
gekommen war, konnte freilich nicht vollständig verdeckt werden.
Die richtige Sonntagsoper ist der Postillon nicht, dafür ist sie
ein zu intimes, anspruchsloses musikalisches Lustspiel. 0r. 8.
Kleine Zeitung.
— A«S Vaiern, im Dec. Die Jagd uach dem Räuber
Kneißl nimmt immer größere Dimensionen an. Donnerstag
Nachmittag sind mit dem Jngolstädter Postzuge ungefähr 40
Mann von der Münchener Schutzmannschaft, unter ihnen eine
Anzahl Berittener, nach Dachau abgegangen, um auf Grund ge-
wisser Anhaltspunkte, die sich bezüglich des Aufenthalts Kneißls
ergeben haben, in der dortigen Gegend die Streife nach dem
Mordbuben zu unternehmen. — Wie Kneißl in Oberdorf entkam,
darüber wird noch Folgendes mitgetheilt: Die Frau des Schäfers
August Maier war in die Ortschaft gegangen, um Verschiedenes
etnzukaufen. Da kam ihr zehnjähriges Mädchen ihr nachge-
laufen und sagte: „Mutter, geh' glei' heim, der Kneigl ist da.
Diese Aeußerung wurde auch von anderen Leuten vernommen,
die dann sofort Veranstaltungen zur Avisirung der Gendarmerie
trafen. Der Verrath war also seitens des Kindes ein unbe-
wußter und unbeabsichtigter. Jedenfalls hat die Frau des
Schäfers den Kneißl sofort gewarnt. Kneißl hatte es aber mit
seiner Entfernung noch gar nicht eilig; denn er wußte ganz
genau, daß die Gendarmerie so schnell nicht da sein könne. Diese
langte auch erst um 8 Uhr Abends an, inzwischen hatte der Ge-
suchte sich schon seitwärts in die Büsche geschlagen, und zwar
darf angenommen werden, daß er in der Richtung gegen Augs-
burg sich entfernt hatte. Die umliegenden Orte dieser Stadt
sind nun ebenfalls in Aufregung versetzt. Die Kinder des Dorf-
Hirten Maier wurden einstweilen in ihre zuständige Heimath-
gemeinde, nach Meriug, verbracht, da auch die Verhaftung der
Frau des Schäfers bevorstehen dürfte, wenn sie nicht schon er-
folgt ist. — Wie sehr übrigens die ländliche Bevölkerung die
Polizei bei ihrer schwierigen Arbeit „unterstützt", dafür dürfte
ein kleines Beispiel sprechen. Eine von der letzten Fahndung
zurückkehrende Patrouille fragte Nachts den Besitzer eines Bauern-
anwesens. wie weit es noch nach Althegnenberg sei. „Fünf
Minuten", antwortete der Gefragte, während es in Wirklichkeit
fünf Viertelstunden waren. — Die Gendarmerie merkte bald, daß
die Aufgabe nicht stimmte, kehrte zu dem Hause zurück und ver-
anlaßte den gewissenlosen Lügner, sie mit der Laterne nach
Alihegnenberg zu führen. In Unterhegnenberg wurden der dortige
Gastwirth und dessen Ehefrau verhaftet und nach Augsburg ab-
geliefert. Es stellte sich nämlich heraus, daß Mathias Kneißl
zwei Nächte vorher bei den Leuten Unterschlupf gefunden hatte.
Die Verhaftung erfolgte unter der Anschuldigung der Begünsti-
gung. Auch die Geliebte Kneißl's, die Vöstbauerntochter, sowie
deren Bruder (zwei Brüder der Vöst befinden sich zur Zeit
wegen schwere Eigenthumsdelikte im Zuchthause) wurden vor-
läufig festgenommen und nach München trausportirt.
— Berlin, 15. Dec. Im Prozeß Stern berg gaben
die ärztlichen Sachverständigen ihre Gu!achten ab, die im allge-
meinen die Uuglaubwürdigkett der Frida Woyda auf pathologi-
scher Grundlage feststellten, ober nicht feststelllen, wann und in
welchem Falle sie die Wahrheit sage. Nach einer längeren Debatte
zwischen dem Staatsanwalt und der Verteidigung über den An-