Erscheint täglich,
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vierteljährl. 1.25 Mk.
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Für hiesige Geschäfts- und
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der Inserate auf den Plakat»
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulm.
Fernsprcch-Anschluß Nr. 82
«r. 243.
Ammrstaz, den 18. Moder
190«.
3.:
4.:
6/
Chronik.
(Vom 30. September bis zum 13. October.)
^Ept. M.: In einem Edikt hat der Kaiser von China er-
klärt, der Thron sei an der Lage unschuldig. Schuld
x. seien einige Prinzen und Beamten.
^"br. 1.: Der Kaiser von China hat an den deutschen
Kaiser eine Art von Entschuldigungstclegramm
gerichtet und Opfer zur Sühne der Ermordung
v. KettelerS in Aussicht gestellt. In einem energischen
Antwortstelegramm hat der deutsche Kaiser eine
solche Sühne als unzulänglich bezeichnet.
. 1.: Lord Roberts ist an Wolseleys Stelle zum Ober-
kommandirenden der gesammten englischen Armee er-
nannt worden.
Ein Dekret des Kaisers von China hat die
Bestrafung einer Anzahl von hohen Beamten
und Prinzen angeordnet.
Frankreich hat eine Note an die Mächte gerichtet,
worin es in Bezug auf China außer der Bestrafung
der Hauptschuldigen Verbot der Waffeneinfuhr,
Schadenersatz, ständige Wachen in Peking, Schleifung
der Takuforts und Besetzung von drei Punkten zwischen
Tientsin und Peking fordert.
Der Kaiser von Oesterreich hat denB 1 scbof
von Serajewo ermahnt, sich von der Politik (ins-
besondere von großkroatischen Umtrieben) fern zu
Hallen.
7.: Nahe der Station Heidelberg-Karlsthor trägt sich ein
schweres Eisenbahnunglück zu.
7.: Die Mehrheit des engeren Ausschusses der
nationalliberalen Partei Badens soll sich
für das direkte Wahlrecht ohne Kautelen ausgesprochen
haben.
9.: Zn Südchina macht sich eine Bewegung, ver-
anlaßt durch die Dreifalttgkeitsgesellschast, bemerkbar.
Die Aufständischen sollen eine größere, kaiserliche
Truppe geschlagen haben.
11.: In Anwesenheit des Kaiserpaares findet auf
der Saalburg die Legung des Grundsteins zum
R eich s - Lim es - M us e u m statt.
11. : Der Erzherzogin von Toskana gegenüber tadelt der
Papst die Menschenfurcht und Energielosigkeit hoch-
stehender österreichischer Persönlichkeiten.
12. : Wegen einer nicht unbedenklichen Erkrankung
der Kaiseiin Friedrich hat der Kaiser die
von ihm beabsichtigte Reise nach Elberfeld verschoben.
Erzbischof Nörber richtete ein Rundschreiben
an die Geistlichkeit, worin er sich gegen die chri st-
lichen Gewerkschaften wendet, bei denen das
Wort christlich nur ein leerer Scholl und ein Aus-
hängeschild sei.
Die Gesandten in Peking haben den Straf-
erlaß des Kaisers von China als un-
genügend seinem Umfang und der Art der Strafen
nach bezeichnet.
12.:
13.
Ein neuer Reichskanzler.
e .Heute früh traf die überraschende Kunde ein,
^ das deutsche Reich einen neuen Kanzler erhalten
Me. Die erste Nachricht davon entstammt der Köln. Ztg.
Ms ^s hierüber zugegangeue und von uns durch An-
Mag von Extrablättern hier bekannt gegebene Telegramm
^tet wie folgt:
Köln, 18. Oet. Eine Extraausgabe der
Kölnischen Zeitung meldet aus Homburg
^ d. H. vom 17. d.: Der Kaiser vollzog
feilte die Ernennung des Staatsministers
grasen Vülow zum Reichskanzler,
^venßischen Ministerpräsidenten und Mi-
^ster der auswärtigen Angelegenheiten.
2. Für st Hohenlohe scheint sich erst in verletzten
Mm Rücktritt vom Reichskanzleramt entschlossen zu
»Mn. erst in der Mittwoch-Abend nummer
der Köln. Ztg. findet sich folgende auf das Ereigniß vor-
bereitende Ausführung aus Berlin vom 16. d.:
In Kreisen, die dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe
gesellschaftlich nahestehen, mißt man der jetzigen Reise des
Fürsten nach Homburg v. d. H. die größte Bedeutung bei.
Die Einberufung des Reichstages steht vor der
Thür; der greise Kanzler hat sich wohl mehr als einmal
die Frage vorgelegt, ob er vor den Reichstag als Träger
der Reichspolitik hintreten könnte. Darüber ist wohl kein
Zweifel, daß die Mitwirkung des Fürsten an den
großen politischen Maßnahmen anläßlich der Chinapolitik
nicht sehr bedeutend gewesen ist. Von dem mehr
als 8!jährigen Fürsten war auch das nicht zu verlangen.
Wiederholentlich sind Nachrichten verbreitet worden, daß
der Fürst auf Bitten seiner Familie von seinem dornen-
vollen Amte zurücktreten wolle. Wenn aber der Reichs-
kanzler vor der Einleitung der großen Chinapolitik zurück-
getreten wäre, so wäre dies zweifellos dahin ausgelcgt
worden, daß der Kanzler mit dieser Politik nicht einver-
standen sei. Das wäre durchaus falsch gewesen, an den
Handlungen der deutschen Chinapolitik, auch wenn sie sich
zum Theil der Mitwirkung des Kanzlers entzogen, hatte
er nicht das Geringste auszusetzen. Der Reichskanzler
hätte genau so verfahren, wie es Graf v. Bülow gethan;
es gab für Deutschland keinen richtigeren Weg als den,
den der Staatssekretär mit Erfolg beschritten hat. Jetzt
vor dem Zusammentritt des Reichstages muß sich aber der
Reichskanzler sagen, daß er kaum mehr als Träger der
Reichspolttik gelten kann, und wenn er nach sechsjähriger
Amtsführung nun daran denkt, den Kaiser um seine Ent-
lassung zu bitten, so kann das nicht überraschen und darf
nimmermehr dahin ausgelegt werden, daß er die Wege des
Grafen Bülow nicht betreten hätte. Der Fürst billigt die
Chinapolitik durchaus, aber er ist Staatsmann und weiß,
daß er zurücktreten muß, wenn das Alter und die dadurch
bedingte Abnahme seiner Kräfte ihm Halt zurufen.
Offiziös wurden die Rücktrittsgedanken des Fürsten
Hohenlohe noch in den letzten Tagen abgeleugnet. Gegen-
über dem Sport, den eine Anzahl von berufsmäßigen
Witzblättern und von ebenso wenig witzigen politischen
Zeitungen machte, den Fürsten wegen seiner mangelnden
Antheilnahme an den Staatsgeschäften aufzuziehen, wurde
noch jüngst von einem süddeutschen offiziösen Organ der
Welt vorgercchnet, daß Fürst Hohenlohe weniger viel von
Berlin abwesend sei, als cs seinerzeit Bismarck war und
daß er stets in Fühlung mit den Geschäften bleibe.
Mag nun aber auch der Entschluß des Fürsten, zurück-
zutreten, erst aus der letzten Zeit datiren, so darf man
die Gründe, welche in dem vorbereitenden Artikel der
Köln. Ztg. für den Rücktritt angegeben werden, doch als
zutreffend und stichhaltig ansehen. Wenn ein Staatsmann
81 Jahre alt ist, so darf man jeden Tag seiner weitern
Amtsführung als ein Geschenk ansehen, und wenn man so
wenig Redner ist, wie Fürst Hohenlohe, dann kann Einem
der Gedanke an den Reichetag und die moralische Noth-
wendigkeit, dort vor versammelter Korona zu sprechen,
vielleicht öfters sprechen zu müssen, den Rücktritt von den
Geschäften als doppelt erwünscht erscheinen lassen.
Fürst Chlodwig Hohenlohe ist vom 29. October 1894
an — also fast genau sechs Jahre — deutscher Reichs-
kanzler gewesen. Er übernahm den Posten nach der Ent-
lassung Cavrivi's in einer Zeit starker politischer Gährung
und in euiem Alter, da Andere sich schon zur Ruhe setzen.
Er übernahm den mehr nach oben wie nach unten hin
schwieligen Posten aus patriotischer selbstloser Gesinnung.
Blickt man auf die sechs Jahre der Kanzlerschaft Hohen-
lohe's zurück, so muh man sagen, Fürst Hohenlohe hat
das Vertrauen, das man in ihn setzte, reichlich verdient.
Er war unter den gegebenen Verhältnissen vielleicht der
beste Kanzler, den man als Nachfolger Caprivi's finden
konnte. Für ein durchgreifendes Genie L I» Bismarck
war nach dem Tode des alten Kaisers Wilhelm auf dem
deutschen Kanzlcrposten kein Platz mehr, man brauchte
vielmehr eine persönlich angesehene milde Persönlichkeit,
welche die Kunst des Lavirens verstand und vom Ehrgeiz,
ganz nach dem eigenen Kopf zu regieren, frei war. Das
traf bei Hohenlohe zu. Er hat insbesondere Friktionen nach
oben vermieden. Unter seiner Kanzlerschaft hat die Schärfe
der politischen Gegensätze sich äußerlich etwas weniger be-
merkbar gemacht und Deutschland ist in aufsteigcnder
Richtung langsam weiter gekommen. Eine eingehende
Würdigung der Kanzlerschaft Hohenlohe's müssen wir uns
Vorbehalten, hervorgehoben sei nur, daß die Vollendung
des bürgerlichen Gesetzbuches, der weitere Ausbau der
Kolonialpolitik, die Durchführung zweier großen Flotten-
vorlagen in die Zeit der Kanzlerschaft Hohenlohe's fallen.
Der neue Reichskanzler Graf Bülow besitzt heute
schon beim Reichstag und beim deutschen Volk einen Schatz
von Vertrauen, den ein anderer Kanzler erst erwerben
müßte. Man darf hoffen, daß es ihm ebenso wie seinem
Vorgänger gelingen wird, Frictionen nach oben zu ver-
meiden, und daß seine Geschäftsführung eine solide und
zuverlässige sein wird.
Die Einberufung des Reichstages.
Berlin, 17. Oct. Der Reichstag wird
zum 14. November zusammenberufen.
Die künstliche Aufregung, in die sich die linksstehende
Presse wegen der Nichteinberufung des Reichstages seit
Beginn der Chinacxpedition hineingeredet hat, dürfte sich
jetzt legen, nachdem bekannt gegeben worden ist, daß der-
selbe zum 14. November einberufen werden wird.
Man sieht, die Regierung ist der künstlichen Auf-
regung gegenüber kühl bis ans Herz hinan geblieben und
hat sich die Reichsboten nicht früher und nicht später wie
sonst auch bestellt. Man wüßte auch nicht, wozu die
frühere Einberufung hätte dienen sollen; ist doch auch in
keinem andern Lande die Volksvertretung der chinesischen
Angelegenheiten wegen einberufen worden. Was die
Regierung heute sagen kann, hat sie durch den Kanal der
Presse in die Oeffentlichkeit gebracht. Und wegen der
Kosten zu reden, wäre heute noch zu früh.
Deutsches Reich
— Die Konfirmation des Prinzen Adalbert
(geb. 14. Juli 1884), des dritten Sohnes des Kaiser-
paares, die sonst in Berlin stattgefunden hätte, wird heute,
am 18. Oct., zu Homburg im engsten Familienkreise ao-
gehalten. Zu diesem Bchufe haben sich die kaiserlichen
Prinzen bereits nach Homburg begeben.
— Die Stichwahl im Kreise Rinteln-Hof-
geismar zwischen dem Konservativen und dem Antisemiten
findet am 23. October statt. Herr Bürgermeister Wittje,
der für die nationalliberale Partei kandidirt hat,
erläßt eine Erklärung, welche befriedigt darauf hinweist,
daß noch ein fester Stamm von Freunden der national-
liberalen Partei im Wahlkreis vorhanden ist. Aufgabe der
nächsten Zeit müsse es sein, mir Hilfe dieser thatbereiten
Freunde die große Mehrheit der Wähler, die von ihrem
Wahlrecht keinen Gebrauch mehr machen, aufzurütteln
und sie um die Fahne der liberalen Mittelpartei zu sam-
meln, damit der Wahlkreis bei nächster Gelegenheit für oie
Partei wieder gewonnen werde. In der jetzt bevorsteheu-
4)
Ein Opfer.
Roman von B. Saworra.
Autorisirte Bearbeitung nach dem Englischen.
(Fortsetzung.)
A ''8ch muß sofort telegraphiren," sagte Grävener. .Sein
"5? wuß so schnell als möglich kommen."
dann —* beginnt das Mädchen mit bangem,
sin,dann wird es zu spät sein," ergänzt er ernst die
L'ae Frage.
ijb,^whrend er spricht, wird die Thür nach dem Nebcn-
kvw^r geöffnet, und die Alte bittet ihn hastig, bineinzu-
hj^kn. Er folgt sofort dem Rufe. Als die Thür sich
bxhA ihm schließt und das junge Mädchen allein bleibt,
Uch k Augen und Stirn mit den Händen, als wenn sie
" aller Welt abschließen, jeden Gedanken zurückdrängen
Ivz Eine Minute etwa bleibt sie so still und regungs-
ttvl, Dann erbebt sie das Haupt. Ihre Augen sind noch
tz^rn, kein Laut, kein erlösender Thränenstrom lindert ihre
fix JAung. Sie erhebt sich hastig, als wenn eine neue Furcht
Mit schnellen Schritten eilt sie durch die
swch der offenen Thür. Der Regen fällt noch in
^geminderter Beständigkeit aus die Steinstufen. Einen
fix Üblich zögert sie, aber nur einen Augenblick, — dann sieht
>.ewll Angst um und verschwindet im Regen, in der
' "wlhxii.
^ 1. Kapitel.
^tsxx^ei Zwanzig Minuten von dem kleinen Dorse Krofton
MeriÜl, lührt eine herrliche, alte Buchenallee zu einem
sag.»"ch gelegenen Landhause. Einiam und verlassen
^chan ein verzaubertes Schloß. Schon der Weg im
dichtbelaubten Bäume zeigte, daß weder Wagen
t>e, weder Menschen noch Thiere ihn seit Jahren
en-Er ist dicht mit Gras bewachsen, Nesseln und riesige
«standen bilden an beiden Seiten eine lebende
Hecke. Am Ende der Allee liegt das Schlößchen in seiner
Märchenpracht, lieblich und schön, wie die Phantasie es
gern malt.
In dichten Büscheln umwuchern Kletterrosen den zier-
lichen Söller, in üppigem Gcranke steigt der Epheu bis zu
den schlanken Thürmchen empor, bedeckt mitleidig abgestoßene
Mauerecken, schadhaftes Holzwerk. Gitterfenster lugen aus
dichtem Grün, eine kunstvolle Gallerte umgiebt den seitlich
stehenden Thurm und Verheißt eine herrliche Fernsicht. „Und
rings von duft'gen Gärten ein blüthenreicher Kranz!" Auch
hier fehlt, wie es in einem verzauberten Schlosse ja sein muß,
die ordnende Hand des Gärtners. In üppiger llngezwun»
»enheit schießen Gras und Unkraut auf den Gängen, zwilchen
und auf den Beeten in die Höhe. Das Recht gehört dem
Stärkeren! Die zarten Blumen sind erstickt, aber siegreich
behaupten die härteren das Feld. Stolz erheben sich die
Stiele der weißen Lilien, kräftig stehen süß duftende Nelken,
Äkeley, Nachtschatten, Glockenblumen da. Zarte Fliederdolden
bedecken die Sträuche und senden berauschenden Woblgeruch.
Rothdorn, Goldregen, die zarte Spiräa blühen in herrlicher
Pracht.
Sechs Sommer hindurch batte es so um das verlassene
Schlößchen geblüht und geduftet; sechs Jahre lang lag es
in ungestörter Ruhe „wie verzaubert" da. Im Volksmunde
hieß eS sogar, nn Thurmzimmer ginge es nächtlicher Weile
um, mit Krachen und Knuspern, mit Rascheln und Pfeifen.
Der glückliche Besitzer des malerischen Landhauses hatte es
verlassen und sich nickt fern davon mitten in seinem schönen
Parke ein größeres Palais erbaut.
In diesem Frühjahr endlich war neues blühendes Leben
in das öde, einsame Schlößchen gezogen. Weit wurden die
erblindeten Fenster geöffnet; die strahlende Frühlingssonne
durchleuchtete die lange verschlossenen Räume, würzig strömte
die frische, reine Luit hinein. Mit Sang und Klang, mit
fröhlichem Lachen ging es tue Treppen hinauf und hinab.
Herzerfrischend klangen die munteren Stimmen selbst in dem
gefürchteten Thurmzimmer. Besen und Scheuerbürste machten
ihr Recht geltend, und bald erglänzte alles in fleckenloser
^ Sauberkeit.
, Für einen sehr billigen Preis batte Herr Verrell das
i Schlößchen pemiethet, und mit Entzücken hatte seine Familie
^ davon Besitz genommen. Es waren glückliche Menschen, die
hier ihren Einzug hielten. Frohsinn und Zufriedenheit
leuchteten aus ihren Augen. Sie hatten die beneidenswerthe
Gabe, über alles Widrige, Trübe im Leben leicht hinweg-
zusehen, an allem Schönen, Heiteren fick zu erfreuen. So
ließen sie sich nicht dadurch Niederdrücken, daß ihre be-
i schränkten Mittel es ihnen nicht gestatteten, das Schlößchen
j auch von innen gleich in ein Schmuckkästchen zu verwandeln.
Hier und da schadhafte Tapeten, beriebener Oelanstrich
machten ihnen keine Sorgen, mit geschickter Land verdeckten
sie die Schäden, soviel es anging und fanden ein Genügen
an der Sauberkeit. Ebensowenig ließen sie sich ihre gute
Laune durch die Wildniß nn Garten trüben. Mit der Zeit
würden sie wohl im Kampfe mit Gras und Unkraut, mit
wilden Schößlingen und unnützem Gesträuch den Sieg davon-
tragen, vorläufig mochte alles grünen und blühen, wachsen
und gedeihen nach Herzenslust. Es war ein herrlicher Juni-
z nachmittag. Die Vögel zwitscherten in den hohen schattigen
Bäumen, Bienen und Insekten aller Art summten, anmutbig
gaukelten die Schmetterlinge von Blume zu Blume. Ein
leichter Windhauch belebte das Laub und die Blüthenzweige
! und erfüllte die Luft mit süßem Duft. Unter einer brcir-
ästiaen Buche war eine sehr träge, sehr vergnügte Gesellschaft
versammelt. Vier junge Mädchen saßen behaglich zwischen
hohem Grase und Butterblumen, die Mutier, die den Mittel-
punkt der Gruppe bildete, lehnte gemächlich an dem stamm
der hohen Buche. _ (Fortsetzung folgt.)
Erstes Symphonie-Concert des städtischen Orchesters.
Heidelberg, 18. October.
Dem Schicksal vorgreifend, haben die von Direktor Radig
geleiteten Concerte sich bei ihrem Entstehen „populäre" Concerte
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Ammrstaz, den 18. Moder
190«.
3.:
4.:
6/
Chronik.
(Vom 30. September bis zum 13. October.)
^Ept. M.: In einem Edikt hat der Kaiser von China er-
klärt, der Thron sei an der Lage unschuldig. Schuld
x. seien einige Prinzen und Beamten.
^"br. 1.: Der Kaiser von China hat an den deutschen
Kaiser eine Art von Entschuldigungstclegramm
gerichtet und Opfer zur Sühne der Ermordung
v. KettelerS in Aussicht gestellt. In einem energischen
Antwortstelegramm hat der deutsche Kaiser eine
solche Sühne als unzulänglich bezeichnet.
. 1.: Lord Roberts ist an Wolseleys Stelle zum Ober-
kommandirenden der gesammten englischen Armee er-
nannt worden.
Ein Dekret des Kaisers von China hat die
Bestrafung einer Anzahl von hohen Beamten
und Prinzen angeordnet.
Frankreich hat eine Note an die Mächte gerichtet,
worin es in Bezug auf China außer der Bestrafung
der Hauptschuldigen Verbot der Waffeneinfuhr,
Schadenersatz, ständige Wachen in Peking, Schleifung
der Takuforts und Besetzung von drei Punkten zwischen
Tientsin und Peking fordert.
Der Kaiser von Oesterreich hat denB 1 scbof
von Serajewo ermahnt, sich von der Politik (ins-
besondere von großkroatischen Umtrieben) fern zu
Hallen.
7.: Nahe der Station Heidelberg-Karlsthor trägt sich ein
schweres Eisenbahnunglück zu.
7.: Die Mehrheit des engeren Ausschusses der
nationalliberalen Partei Badens soll sich
für das direkte Wahlrecht ohne Kautelen ausgesprochen
haben.
9.: Zn Südchina macht sich eine Bewegung, ver-
anlaßt durch die Dreifalttgkeitsgesellschast, bemerkbar.
Die Aufständischen sollen eine größere, kaiserliche
Truppe geschlagen haben.
11.: In Anwesenheit des Kaiserpaares findet auf
der Saalburg die Legung des Grundsteins zum
R eich s - Lim es - M us e u m statt.
11. : Der Erzherzogin von Toskana gegenüber tadelt der
Papst die Menschenfurcht und Energielosigkeit hoch-
stehender österreichischer Persönlichkeiten.
12. : Wegen einer nicht unbedenklichen Erkrankung
der Kaiseiin Friedrich hat der Kaiser die
von ihm beabsichtigte Reise nach Elberfeld verschoben.
Erzbischof Nörber richtete ein Rundschreiben
an die Geistlichkeit, worin er sich gegen die chri st-
lichen Gewerkschaften wendet, bei denen das
Wort christlich nur ein leerer Scholl und ein Aus-
hängeschild sei.
Die Gesandten in Peking haben den Straf-
erlaß des Kaisers von China als un-
genügend seinem Umfang und der Art der Strafen
nach bezeichnet.
12.:
13.
Ein neuer Reichskanzler.
e .Heute früh traf die überraschende Kunde ein,
^ das deutsche Reich einen neuen Kanzler erhalten
Me. Die erste Nachricht davon entstammt der Köln. Ztg.
Ms ^s hierüber zugegangeue und von uns durch An-
Mag von Extrablättern hier bekannt gegebene Telegramm
^tet wie folgt:
Köln, 18. Oet. Eine Extraausgabe der
Kölnischen Zeitung meldet aus Homburg
^ d. H. vom 17. d.: Der Kaiser vollzog
feilte die Ernennung des Staatsministers
grasen Vülow zum Reichskanzler,
^venßischen Ministerpräsidenten und Mi-
^ster der auswärtigen Angelegenheiten.
2. Für st Hohenlohe scheint sich erst in verletzten
Mm Rücktritt vom Reichskanzleramt entschlossen zu
»Mn. erst in der Mittwoch-Abend nummer
der Köln. Ztg. findet sich folgende auf das Ereigniß vor-
bereitende Ausführung aus Berlin vom 16. d.:
In Kreisen, die dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe
gesellschaftlich nahestehen, mißt man der jetzigen Reise des
Fürsten nach Homburg v. d. H. die größte Bedeutung bei.
Die Einberufung des Reichstages steht vor der
Thür; der greise Kanzler hat sich wohl mehr als einmal
die Frage vorgelegt, ob er vor den Reichstag als Träger
der Reichspolitik hintreten könnte. Darüber ist wohl kein
Zweifel, daß die Mitwirkung des Fürsten an den
großen politischen Maßnahmen anläßlich der Chinapolitik
nicht sehr bedeutend gewesen ist. Von dem mehr
als 8!jährigen Fürsten war auch das nicht zu verlangen.
Wiederholentlich sind Nachrichten verbreitet worden, daß
der Fürst auf Bitten seiner Familie von seinem dornen-
vollen Amte zurücktreten wolle. Wenn aber der Reichs-
kanzler vor der Einleitung der großen Chinapolitik zurück-
getreten wäre, so wäre dies zweifellos dahin ausgelcgt
worden, daß der Kanzler mit dieser Politik nicht einver-
standen sei. Das wäre durchaus falsch gewesen, an den
Handlungen der deutschen Chinapolitik, auch wenn sie sich
zum Theil der Mitwirkung des Kanzlers entzogen, hatte
er nicht das Geringste auszusetzen. Der Reichskanzler
hätte genau so verfahren, wie es Graf v. Bülow gethan;
es gab für Deutschland keinen richtigeren Weg als den,
den der Staatssekretär mit Erfolg beschritten hat. Jetzt
vor dem Zusammentritt des Reichstages muß sich aber der
Reichskanzler sagen, daß er kaum mehr als Träger der
Reichspolttik gelten kann, und wenn er nach sechsjähriger
Amtsführung nun daran denkt, den Kaiser um seine Ent-
lassung zu bitten, so kann das nicht überraschen und darf
nimmermehr dahin ausgelegt werden, daß er die Wege des
Grafen Bülow nicht betreten hätte. Der Fürst billigt die
Chinapolitik durchaus, aber er ist Staatsmann und weiß,
daß er zurücktreten muß, wenn das Alter und die dadurch
bedingte Abnahme seiner Kräfte ihm Halt zurufen.
Offiziös wurden die Rücktrittsgedanken des Fürsten
Hohenlohe noch in den letzten Tagen abgeleugnet. Gegen-
über dem Sport, den eine Anzahl von berufsmäßigen
Witzblättern und von ebenso wenig witzigen politischen
Zeitungen machte, den Fürsten wegen seiner mangelnden
Antheilnahme an den Staatsgeschäften aufzuziehen, wurde
noch jüngst von einem süddeutschen offiziösen Organ der
Welt vorgercchnet, daß Fürst Hohenlohe weniger viel von
Berlin abwesend sei, als cs seinerzeit Bismarck war und
daß er stets in Fühlung mit den Geschäften bleibe.
Mag nun aber auch der Entschluß des Fürsten, zurück-
zutreten, erst aus der letzten Zeit datiren, so darf man
die Gründe, welche in dem vorbereitenden Artikel der
Köln. Ztg. für den Rücktritt angegeben werden, doch als
zutreffend und stichhaltig ansehen. Wenn ein Staatsmann
81 Jahre alt ist, so darf man jeden Tag seiner weitern
Amtsführung als ein Geschenk ansehen, und wenn man so
wenig Redner ist, wie Fürst Hohenlohe, dann kann Einem
der Gedanke an den Reichetag und die moralische Noth-
wendigkeit, dort vor versammelter Korona zu sprechen,
vielleicht öfters sprechen zu müssen, den Rücktritt von den
Geschäften als doppelt erwünscht erscheinen lassen.
Fürst Chlodwig Hohenlohe ist vom 29. October 1894
an — also fast genau sechs Jahre — deutscher Reichs-
kanzler gewesen. Er übernahm den Posten nach der Ent-
lassung Cavrivi's in einer Zeit starker politischer Gährung
und in euiem Alter, da Andere sich schon zur Ruhe setzen.
Er übernahm den mehr nach oben wie nach unten hin
schwieligen Posten aus patriotischer selbstloser Gesinnung.
Blickt man auf die sechs Jahre der Kanzlerschaft Hohen-
lohe's zurück, so muh man sagen, Fürst Hohenlohe hat
das Vertrauen, das man in ihn setzte, reichlich verdient.
Er war unter den gegebenen Verhältnissen vielleicht der
beste Kanzler, den man als Nachfolger Caprivi's finden
konnte. Für ein durchgreifendes Genie L I» Bismarck
war nach dem Tode des alten Kaisers Wilhelm auf dem
deutschen Kanzlcrposten kein Platz mehr, man brauchte
vielmehr eine persönlich angesehene milde Persönlichkeit,
welche die Kunst des Lavirens verstand und vom Ehrgeiz,
ganz nach dem eigenen Kopf zu regieren, frei war. Das
traf bei Hohenlohe zu. Er hat insbesondere Friktionen nach
oben vermieden. Unter seiner Kanzlerschaft hat die Schärfe
der politischen Gegensätze sich äußerlich etwas weniger be-
merkbar gemacht und Deutschland ist in aufsteigcnder
Richtung langsam weiter gekommen. Eine eingehende
Würdigung der Kanzlerschaft Hohenlohe's müssen wir uns
Vorbehalten, hervorgehoben sei nur, daß die Vollendung
des bürgerlichen Gesetzbuches, der weitere Ausbau der
Kolonialpolitik, die Durchführung zweier großen Flotten-
vorlagen in die Zeit der Kanzlerschaft Hohenlohe's fallen.
Der neue Reichskanzler Graf Bülow besitzt heute
schon beim Reichstag und beim deutschen Volk einen Schatz
von Vertrauen, den ein anderer Kanzler erst erwerben
müßte. Man darf hoffen, daß es ihm ebenso wie seinem
Vorgänger gelingen wird, Frictionen nach oben zu ver-
meiden, und daß seine Geschäftsführung eine solide und
zuverlässige sein wird.
Die Einberufung des Reichstages.
Berlin, 17. Oct. Der Reichstag wird
zum 14. November zusammenberufen.
Die künstliche Aufregung, in die sich die linksstehende
Presse wegen der Nichteinberufung des Reichstages seit
Beginn der Chinacxpedition hineingeredet hat, dürfte sich
jetzt legen, nachdem bekannt gegeben worden ist, daß der-
selbe zum 14. November einberufen werden wird.
Man sieht, die Regierung ist der künstlichen Auf-
regung gegenüber kühl bis ans Herz hinan geblieben und
hat sich die Reichsboten nicht früher und nicht später wie
sonst auch bestellt. Man wüßte auch nicht, wozu die
frühere Einberufung hätte dienen sollen; ist doch auch in
keinem andern Lande die Volksvertretung der chinesischen
Angelegenheiten wegen einberufen worden. Was die
Regierung heute sagen kann, hat sie durch den Kanal der
Presse in die Oeffentlichkeit gebracht. Und wegen der
Kosten zu reden, wäre heute noch zu früh.
Deutsches Reich
— Die Konfirmation des Prinzen Adalbert
(geb. 14. Juli 1884), des dritten Sohnes des Kaiser-
paares, die sonst in Berlin stattgefunden hätte, wird heute,
am 18. Oct., zu Homburg im engsten Familienkreise ao-
gehalten. Zu diesem Bchufe haben sich die kaiserlichen
Prinzen bereits nach Homburg begeben.
— Die Stichwahl im Kreise Rinteln-Hof-
geismar zwischen dem Konservativen und dem Antisemiten
findet am 23. October statt. Herr Bürgermeister Wittje,
der für die nationalliberale Partei kandidirt hat,
erläßt eine Erklärung, welche befriedigt darauf hinweist,
daß noch ein fester Stamm von Freunden der national-
liberalen Partei im Wahlkreis vorhanden ist. Aufgabe der
nächsten Zeit müsse es sein, mir Hilfe dieser thatbereiten
Freunde die große Mehrheit der Wähler, die von ihrem
Wahlrecht keinen Gebrauch mehr machen, aufzurütteln
und sie um die Fahne der liberalen Mittelpartei zu sam-
meln, damit der Wahlkreis bei nächster Gelegenheit für oie
Partei wieder gewonnen werde. In der jetzt bevorsteheu-
4)
Ein Opfer.
Roman von B. Saworra.
Autorisirte Bearbeitung nach dem Englischen.
(Fortsetzung.)
A ''8ch muß sofort telegraphiren," sagte Grävener. .Sein
"5? wuß so schnell als möglich kommen."
dann —* beginnt das Mädchen mit bangem,
sin,dann wird es zu spät sein," ergänzt er ernst die
L'ae Frage.
ijb,^whrend er spricht, wird die Thür nach dem Nebcn-
kvw^r geöffnet, und die Alte bittet ihn hastig, bineinzu-
hj^kn. Er folgt sofort dem Rufe. Als die Thür sich
bxhA ihm schließt und das junge Mädchen allein bleibt,
Uch k Augen und Stirn mit den Händen, als wenn sie
" aller Welt abschließen, jeden Gedanken zurückdrängen
Ivz Eine Minute etwa bleibt sie so still und regungs-
ttvl, Dann erbebt sie das Haupt. Ihre Augen sind noch
tz^rn, kein Laut, kein erlösender Thränenstrom lindert ihre
fix JAung. Sie erhebt sich hastig, als wenn eine neue Furcht
Mit schnellen Schritten eilt sie durch die
swch der offenen Thür. Der Regen fällt noch in
^geminderter Beständigkeit aus die Steinstufen. Einen
fix Üblich zögert sie, aber nur einen Augenblick, — dann sieht
>.ewll Angst um und verschwindet im Regen, in der
' "wlhxii.
^ 1. Kapitel.
^tsxx^ei Zwanzig Minuten von dem kleinen Dorse Krofton
MeriÜl, lührt eine herrliche, alte Buchenallee zu einem
sag.»"ch gelegenen Landhause. Einiam und verlassen
^chan ein verzaubertes Schloß. Schon der Weg im
dichtbelaubten Bäume zeigte, daß weder Wagen
t>e, weder Menschen noch Thiere ihn seit Jahren
en-Er ist dicht mit Gras bewachsen, Nesseln und riesige
«standen bilden an beiden Seiten eine lebende
Hecke. Am Ende der Allee liegt das Schlößchen in seiner
Märchenpracht, lieblich und schön, wie die Phantasie es
gern malt.
In dichten Büscheln umwuchern Kletterrosen den zier-
lichen Söller, in üppigem Gcranke steigt der Epheu bis zu
den schlanken Thürmchen empor, bedeckt mitleidig abgestoßene
Mauerecken, schadhaftes Holzwerk. Gitterfenster lugen aus
dichtem Grün, eine kunstvolle Gallerte umgiebt den seitlich
stehenden Thurm und Verheißt eine herrliche Fernsicht. „Und
rings von duft'gen Gärten ein blüthenreicher Kranz!" Auch
hier fehlt, wie es in einem verzauberten Schlosse ja sein muß,
die ordnende Hand des Gärtners. In üppiger llngezwun»
»enheit schießen Gras und Unkraut auf den Gängen, zwilchen
und auf den Beeten in die Höhe. Das Recht gehört dem
Stärkeren! Die zarten Blumen sind erstickt, aber siegreich
behaupten die härteren das Feld. Stolz erheben sich die
Stiele der weißen Lilien, kräftig stehen süß duftende Nelken,
Äkeley, Nachtschatten, Glockenblumen da. Zarte Fliederdolden
bedecken die Sträuche und senden berauschenden Woblgeruch.
Rothdorn, Goldregen, die zarte Spiräa blühen in herrlicher
Pracht.
Sechs Sommer hindurch batte es so um das verlassene
Schlößchen geblüht und geduftet; sechs Jahre lang lag es
in ungestörter Ruhe „wie verzaubert" da. Im Volksmunde
hieß eS sogar, nn Thurmzimmer ginge es nächtlicher Weile
um, mit Krachen und Knuspern, mit Rascheln und Pfeifen.
Der glückliche Besitzer des malerischen Landhauses hatte es
verlassen und sich nickt fern davon mitten in seinem schönen
Parke ein größeres Palais erbaut.
In diesem Frühjahr endlich war neues blühendes Leben
in das öde, einsame Schlößchen gezogen. Weit wurden die
erblindeten Fenster geöffnet; die strahlende Frühlingssonne
durchleuchtete die lange verschlossenen Räume, würzig strömte
die frische, reine Luit hinein. Mit Sang und Klang, mit
fröhlichem Lachen ging es tue Treppen hinauf und hinab.
Herzerfrischend klangen die munteren Stimmen selbst in dem
gefürchteten Thurmzimmer. Besen und Scheuerbürste machten
ihr Recht geltend, und bald erglänzte alles in fleckenloser
^ Sauberkeit.
, Für einen sehr billigen Preis batte Herr Verrell das
i Schlößchen pemiethet, und mit Entzücken hatte seine Familie
^ davon Besitz genommen. Es waren glückliche Menschen, die
hier ihren Einzug hielten. Frohsinn und Zufriedenheit
leuchteten aus ihren Augen. Sie hatten die beneidenswerthe
Gabe, über alles Widrige, Trübe im Leben leicht hinweg-
zusehen, an allem Schönen, Heiteren fick zu erfreuen. So
ließen sie sich nicht dadurch Niederdrücken, daß ihre be-
i schränkten Mittel es ihnen nicht gestatteten, das Schlößchen
j auch von innen gleich in ein Schmuckkästchen zu verwandeln.
Hier und da schadhafte Tapeten, beriebener Oelanstrich
machten ihnen keine Sorgen, mit geschickter Land verdeckten
sie die Schäden, soviel es anging und fanden ein Genügen
an der Sauberkeit. Ebensowenig ließen sie sich ihre gute
Laune durch die Wildniß nn Garten trüben. Mit der Zeit
würden sie wohl im Kampfe mit Gras und Unkraut, mit
wilden Schößlingen und unnützem Gesträuch den Sieg davon-
tragen, vorläufig mochte alles grünen und blühen, wachsen
und gedeihen nach Herzenslust. Es war ein herrlicher Juni-
z nachmittag. Die Vögel zwitscherten in den hohen schattigen
Bäumen, Bienen und Insekten aller Art summten, anmutbig
gaukelten die Schmetterlinge von Blume zu Blume. Ein
leichter Windhauch belebte das Laub und die Blüthenzweige
! und erfüllte die Luft mit süßem Duft. Unter einer brcir-
ästiaen Buche war eine sehr träge, sehr vergnügte Gesellschaft
versammelt. Vier junge Mädchen saßen behaglich zwischen
hohem Grase und Butterblumen, die Mutier, die den Mittel-
punkt der Gruppe bildete, lehnte gemächlich an dem stamm
der hohen Buche. _ (Fortsetzung folgt.)
Erstes Symphonie-Concert des städtischen Orchesters.
Heidelberg, 18. October.
Dem Schicksal vorgreifend, haben die von Direktor Radig
geleiteten Concerte sich bei ihrem Entstehen „populäre" Concerte