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der Inserate auf den Plakat-
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und den Plakatsäulen.
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Montag, Lkn 12. Uovembkr
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Ministerwechsel in Württemberg.
h Stuttgart, 10. Nov. Der Staaisanzeiger gibt be-
ll. an'. König enthob den Ministerpräsidenten Frhrn.
s^is lltnacht auf sein Ansuchen wegen des leidenden
^staudez seiner Augen seines Amtes gnädig unter Aner-
^ »n„g langjährigen, treuen ausgezeichneten Dienste.
^minister Frhr. Schott v. Schotten st ein wurde
ch . öem Vorsitz des Staatsministeriums betraut. Cabinets-
8rhr. v. Soden wurde zum Minister des Aeußern
"«»Nt.
I» einem sehr herzlichen Schreiben hat der König die
g.Mhijgen, treuen und ersprießlichen Dienste v. Mitt-
M anerkannt. __
8rhr. p. Mittnacht steht im 76. Lebensjahre. Am 17.
1825 zu Stuttgart geboren, studirle er in Tübingen
hji Heidelberg Rechtswissenschaft und war darauf im
gx.^wbergischen Justizdienst als Staatsanwalt, Stadt-
ga Mvorstand in Stuttgart, Obcrtribunalsrath und Mlt-
dez Oberhandelsgcrichts thätig. 1861 sin die württ.
c^?Eordnetenkammer gewählt, errang er an der Spitze der
^^öativen Partei bald eine hervorragende Stellung,
itex 1867 trat er als Justizminister in das Mini-
Varnbüler. Er führte eine neue Gerichtsorgani-
und Preßreform durch und betheiligte sich 1870 in
Diü ^ fördernder Weise an den Verhandlungen in
zachen und Versailles, die der Gründung des deutschen
b Hcs und später dem Abschluß der Friedenspräliminarien
d^Ailigen. Seit dem Rücktritt Varnbülers, des Hauptes
bxx ^merung, im August 1870, übernahm er im Novem-
ge 1.^73 auch das Ministerium der auswärtigen Angele-
hlli r E" (mit den Verkehrsanstalten) und des königlichen
hUseZ. gab ^ das Justizministerium ab. 1887
^ er in den Freiberrnstand versetzt.
I,^ls letzter der süddeutschen Staatsmänner, die im
1870/71 an der Mitbegründung des deutschen
f'ches
'enst.
des
khätig waren, scheidet v. Mittnacht aus dem activen
Der Badener Jolly, der Hesse Finger, der Bayer
. vor ihm ausgeschieden. Alles tüchtige Männer,
M den Anforderungen der damaligen großen Zeit ge-
il, ^n zeigten. Selbst die Gegner v. MittnachtS geben
ch'- Mß er ein tüchtiger, ein wirklicher Staatsmann ge-
tzr, sei. Für seinen Austritt giebt es keinen andern
H "d als sein hohes Alter und sein darauf beruhendes
H Senleiden. Der König schenkte ihm bis zuletzt volles
»i>m und die Kammern sehen ihn ungern scheiden,
dj? doch im Abgeordnetenhaus die frühere Opposition
Hx. -khrheit erhallen hat. v. Mittnacht war ein guter
tz^scher; er gab gern und willig dem Reiche was des
ist, dafür verlangte er aber auch Respektirung der
bx. . embergischen Eigenart und der berechtigten württem-
Men Interessen.
^ Der Nachfolger des Frhrn. v. Mittnacht, in dessen
d. ^schuft als Minister des Auswärtigen, Julius Frhr.
tz ^oden, ist der frühere Gouverneur von
l^krun Deutsch-Ostafrika. Am 5. Februar
bx. .. zu Ludwigsburg geboren, war er zuerst im württem-
s^schen Justizdienst thätig, nahm am Kriege gegen
i>ez Gleich theil und trat darauf in den Consulatsdienst
1tz>^eiches als Attache des Generalkonsulats Bukarest,
jy ^ wurde er Konsul in Algier, 1876 in Lanton, 1879
co„^da»a, 1881 Geschäftsträger in Lima, 1884 General-
»>id Petersburg, 1885 Gouverneur von Kamerun
^ 1890 Gouverneur von Dentsch-Ostafrika. 1892 trat
sxj °u diesem Posten zurück und lebte längere Zeit auf
t>v^ bayerischen Gute Vorra bei Hersbruck, bis er im
>»^en Jahre als Nachfolger des verstorbenen Frhrn.
v. Griesinger zum Cabinetschef des Königs ernannt wurde.
Auch Ordenskanzler ist v. Soden jetzt an Stelle v. Mitt-
nachts geworden. Die Stelle des Chefs des Kabinets des
Königs wurde dem Kabinetssekretär Geheimen Legations'
rath Frhrn. v. Gcmmingen-Guttenbe rg übertragen.
Außerdem wurde dem Ministerialdirektor im Ministerium
des Innern, Präsident v. Fleischhauer, die Stelle eines
wirkt. Staatsraths und ordentl. Mitglieds des Geheimen
Raths übertragen und er zugleich mit der Funktion eines
Rathes des Staatsministeriums betraut, und der Präsident
des Oberlandesgerichts, Staatsrath v. Schmidlin, unter
Belassung in seiner bisherigen dienstlichen Stellung zum
außerord. Mitglied des Geheimen Raths ernannt.
ISS Millionen für die chinesische Expedition.
Dem Bundcsrath ist der Etat für die Expedition
nach Ostasien zugegangen, und zwar in der Form eines
dritten Nachtrags zum Reichshaushaltetat für das Rech-
nungsjahr 1900. Zur Bestreitung einmaliger außer-
ordentlicher Ausgaben werden Mk. 152 770 000 ge-
fordert, die im Wege des Kredits flüssig zu machen sind.
Die gesammten Forderungen zerfallen in folgende ein-
zelne Positionen: 1. Ausgaben bei der Verwaltung des
Heeres Mark 119 800 000, 2. bei der Verwaltung der
Marine Mk. 28857 000, 3. bei der Post- und Telegraphen-
verwaltung Mk. 3 800000, 4. Pensionen, Wittwen- und
Waisengelder u. s. w. Mk. 243600, 5. Kosten einer
Medaille für die Theilnehmer an der Expedition Mk. 70000.
Die einzelnen Ansätze entsprechen dem nach über-
schläglicher Schätzung ermittelten Bedarf bis zum
31. März 1901. Für das Rechnungsjahr 1901
wird eine weitere entsprechende Vorlage ge-
macht werden, soweit sich die Verhältnisse genügend über-
sehen lassen.
Man muß also sagen: billig ist diese chinesische
Expedition nicht; allein sie war nothwendig, und die
Kriegslasten wird in einer oder der anderen Art schließlich
China zahlen müssen. _
Deutsches Reich.
— Das letzte deutsche Truppentransport-
schiff ist am 30. Oktober vor Taku eingetroffen, sodaß
nur noch einige Dampfer mit Kriegsbedürfnissen, speziell
Barackenmaterialien für die Unterkunft der Truppen im
Winter unterwegs sind. Die Ausladungen scheinen trotz
der großen Schwierigkeiten, die zu überwinden sind, bisher
befriedigend vonstatten gegangen zu sein, sodaß sogar
der größte Theil des Truppennachschubes, der die Ausreise
von Bremerhaven in der Zeit vom 31. Äug. bis 4. Sept.
angetreten hat, bereits kriegsbereit am Lande ist. Die
Witterung und der niedrige Wasserstand auf der Barre
von Taku machen sich schon sehr fühlbar, sodaß nach
Mitte November die Ausschiffung von Gütern dort wahr-
scheinlich nicht mehr möglich sein wird und dann voraus-
sichtlich über Tsingwangtau (12 Km. südwestlich von
Schanhaikwan), wo die Tiefenverhältnisse günstiger sind,
erfolgen muß.
Greifenhagen, 11. Nov. Bei der Re ichstags-
ersatzwahl im Wahlkreise Randow-Greifenhagen erhielten
nach vorläufiger Feststellung Prätorius (cont.) 14580,
Körsten (soc.-dem.) 11760 und Dohrn (liberal) 1480
Stimmen.
Baden. Der vorläufig in provisorischer Weise neu-
gebildete konservative Parteivor staud, bestehend
aus den Herren: Schlebach, 2. Vorsitzender; Baumeister,
Professor und Oberbauralh; Graf W. Douglas; Gleis,
Pfarrer; Frhr. E. A v. Gcler; Hauert, Oberlehrer;
Hoffmann, Direktor; Kern, Kaufmann und Generalagent;
Koch, Sekretär; Frhr. v. Laroche, Oberamtsrichter;
Menzer, Konsul; Mühlhäußer, Stadtpfarrer; Odenwald,
Uhrmacher; Reinmuth, Pfarrer v.; Frhr. v. Rüdt, Land-
gerichtsdirektor; Uhde, Oberamtsrichter, hielt am Freitag
Abend seine erste Sitzung ab, in der, nach der Landpost,
wichtige Fragen besonders der Agitation und Organisation
besprochen wurden.
L.O. Freiburg, 11. Novbr. Im kathol. Bürger-
Verein, der dieser Tage das Namensfest seines Ehren-
mitglieds, des Abg. Wacker, feierte, kam der Centrums-
führer u. A. auch auf die politische Lage zu sprechen
und führte nach dem Freib. Boten aus: »Er sei nie ein
Freund des Optimismus gewesen; namentlich den Gegner
dürfe man nicht zu optimistisch beurtheilen. Um za siegen,
müsse man fest zusammenstehen und viele Geduld haben.
Selten seien die politischen Verhältnisse in Baden so unklar
gewesen wie gegenwärtig. Dem Bürgerverein gedenke er
in aller Zukunft seine Dienste widmen zu können; aber er
hoffe, daß die Zeit einmal komme, wo er sich vom poli-
tischen Leben mit Befriedigung (?) zurückziehen
und der Entwickelung der Dinge mit Ruhe zusehen könne.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
nachgenannten Personen den Orden vom Zähringer Löwen ver-
liehen, und zwar: a. das Kommandeurkreuz zweiter Klasse mit
Eichenlaub: dem 1. Vorsitzenden des Badischen KunstveretnS,
Gcheimerath Dr. Ernst Wagner; d. das Ritterkreuz erster
Klasse: dem Konservator des Badischen Kunstoereins, Königlich
Württembergischen Hauptmann a. D. Karl von Bayers
Ehrenberg und dem Vorsitzenden der Baukommission des
Badischen Kunstvereins, Architekten Gustav Bayer; o. das
Ritterkreuz zweiter Klasse: dem Rechner des Badischen Kunst-
vereins, Kaufmann Julius Mende, sämmtlich in Karlsruhe.
— Seine König!. Hoheit der Großherzog haben dem
Vorsitzenden Rath bet der Domänendtrcktion, Geheimen Rath
Friedrich Krutina, aus Anlaß der vorzunehmenden Neu-
katastrirung der Waldungen des Grobherzogthums die Stelle
eines außerordentlichen Mitglieds der Steuerdirektion im Neben-
amt übertragen und den Reallehrer August Adelmann an der
Höheren Mädchenschule in Mannheim auf sein Ansuchen wegen
leidender Gesundheit unter Anerkennung seiner langjährigen und
treugeletsteten Dienste auf 1. Januar 1901 in den Ruhestand
versetzt.
Karlsruhe, 10. Novbr. Der Groß Herzog und
die Großherzogin trafen heute Vormittag gegen 9
Uhr aus Schloß Baden hier ein. Seine König!. Hoheit
der Großherzog nahm alsbald die Meldung einer Anzahl
Offiziere entgegen. Hierauf ertheilte Se. Königl. Hoheit
Audienzen, darunter dem Amtsvorstand Oberamtmann Beck
in Eberbach, dem Baurath Schweinfurth in Heidelberg und
dem Oberpostsekretär Kraft in Heidelberg. Um 12 Uhr
begaben sich der Großherzog und die Großherzogin nach
dem in der Waldstraße gelegenen neuen Gebäude des Ba-
dischen Kunstvereins, um der Eröffnungsfeier derselben an-
zuwohnen. Die Höchsten Herrschaften besichtigten sodann
die neuen Ausstellungsräume, wobei die Mitglieder des
Vorstandes vorgestellt wurden. Hierauf folgten die Groß-
herzoglichen Herrschaften einer Einladung des Prinzen und
der Prinzessin Max zur Frühstückstafel. Nachmittags von
3 Uhr an empfing der Großherzog zur Vortragserstattung
den Geheimerath Dr. Wielandt, Präsidenten des Evangel.
Oberkirchcnraths, den Staatsminister Dr. Nokk, den Geh.
Rath Dr. Schenkel, den Generaladjutanten Generalleutnant
v. Müller sowie den Geh. Legationsrath Dr. Freiherr»
von Babo. Die Rückreise der Höchsten Herrschaften nach
Baden erfolgte Abends 8 Uhr 45 Minuten.
Ein Opfer.
Roman von B. Saworra.
Autorisirte Bearbeitung nach dem Englischen.
(Fortsetzung.)
dy^nd doch," fügte Georg langsam hinzu, „erscheint ihr Gesicht
Merkwürdig bekannt — fast, als wäre ich Ihnen schon
N?1 begegnet/
b>ilA° w»
sah ihn voll an, sein Blick wurde endlich etwas
iv- ist sonderbar," erwiderte sie gedankenvoll, „als Mark
. Photographie zeigte, hatte ich auch das Empfinden,
^and Sie schon einmal irgendwo gesehen hätte, oder
der Ihnen sehr gleicht."
"Darauf konnte ich mich nicht besinnen."
.. Gesicht ruft mir eine Begebenheit in das Gedächt-
Mx suck — bei der ich eine Dame — ja, das war es, ich
in der That eine Dame gesehen, die Ihnen auf-
,.Ä dhnlich war."
A'o war das?" fragte sie freundlich lächelnd.
einem kleinen Orte, in Summerton, in der Nähe von
. E^.H»>npstead."
fiiq/7.blickte Judith an — wieder kehrte sein Verdacht zu-
laß sA" verdoppelter Stärke. Sie sagte nichts, bewegungslos
^ da, das Lächeln erstarrte ihr auf den Lippen.
ÜJ» kennen den Ort? Ich meine Summerton?"
^ ^ ja — ich habe davon gehört."
,st sonderbar. Er ist so unbedeutend — kaum ein
„"ennen ^ es stehen nur einige zwanzig Hütten zu-
Z-
> „Ä,' .Es tst ein armseliger, kleiner Ort.
^ fr» ^ kommt cs, daß Sie von Summerton hörten,
^«en darf?-
wenn
„Bekannte von mir wohnen in der Nähe."
„In Burton Hampstead?" .
„Ja. Herr Munro; ich ging mit seinen Töchtern m Bath
zusammen zur Schule."
Obgleich sie ruhig sprach, war doch in ihrem ganzen
Wesen eine Veränderung zu merken. Die Ruhe war offen-
bar erkünstelt. Sie saß mit niedergeschlagenen Augen da und
spielte nervös mit einigen gelben Rosenblättern, die in ihren
Schooß gefallen waren.
„Wollen Sie mir gestatten, Fräulein Verrell, Ihnen die
näheren Umstünde mitzuthcilen, unter denen ich ^die lunge
Dame dort traf, der Sic so treffend ähnlich sehen.
Sie nickte zustimmend ihr Haupt.
„Vor etwa drei und einem halben Jahr reiste ich von
London nach Burton Hampstead. Dicht bei dem kleinen
Dorfe Summerton ereignete sich ein Eisenbahnunsall. Der
Schnellzug stieß mit dem Güterzug zusammen und —
,O, Herr Grävener, bitte, die Laterne dort brennt!"
Sie sagte das mit so seltsam gepreßter und doch so ruhiger
Stimme, daß, als Georg sich schnell erhob, eine Vision vor
sein inneres Auge trat. — Er iah eine kleine, wenig ein-
ladende Küche, der Regen schlug auf die Steinfliesen an der
offenen Thür: er sah ein erlöschendes Feuer, eine tropfende
Talakerze — und ein schlankes, hoch ausgerichtet stehendes
Mädchen stellte an ihn ruhig, mit blassen Lippen. d,e traurige
Frage: „Ist er schwer verletzt?" Und ohne Wanken ver-
nahm sie die Antwort. Die Vision währte nur einen Augen-
blick. Die Helle Flamme, welche unter dem Laubwerk hoch
ausloderte, bannte sie. Die Gartentbür war wohl nicht fest
geschlossen gewesen; sie hatte sich aeöffnet; durch die plötzlich
entstandene Zugluft hatte eine der farblgen Papierlaternen
^"„Komme^Sie nicht näher l" rief Georg hastig, als Judith
sich erhob.
Die Flamme versengte das Holzwerk des Daches; dann
fiel der ganze brennende Ballon zu Boden. Georg trat da-
rnnk wenigen Augenblicken war das Feuer gelocht.
Judith hatte ihn gespannt beobachtet. Hätte er sie ange-
sehen, so Kälte er bemerkt, wie sie sich mit Gewalt zu Fassung
und Selbstbeherrschung bezwang.
„Sie sehen sehr bleich aus," sagte er, als der letzte Funken
erloschen war und er sich wieder zu ihr wandte.
„Ich war ein wenig erschreckt," gab sie zu. „Feuer in
diesem übersüllten Hause wäre furchtbar gewesen."
„Die Gefahr war nicht groß."
„Auch die geringe Gefahr war schon aufregend."
„Trotzdem bewiesen Sie wunderbare Ruhe und Geistes-
gegenwart, Fräulein Verrell. Ich bezeuge Ihnen dafür meine
Anerkennung."
Sie antwortete nicht. Ihr Antlitz war so weiß wie ihr
Kleid. Mit lose ineinandergelegten Händen stand sie regungs-
los vor ihm und blickte ihn ernst und forschend an.
„Sie erzählten mir von einer Begebenheit, bitte, fahren
Sie fort," forderte sie ihn auf. „Es riecht noch so verbrannt,
es ist doch alles gelöscht?"
„Ja — ich denke doch."
„Sie sprachen von einem Eisenbahnunfall. Das muß ja
furchtbar — furchtbar aufregend gewesen seinj"
„Es hätte noch schlimmer lein können I"
„Wollen wir uns nicht setzen?" fragte sie ruhig und ging
nach der Bank, die sie vorher einaenommcn. Und während
jener Fahrt sahen Sie das junge Mädchen, das mir so
gleichen soll?" ^ ^
Er letzte sich auf einen Stuhl ihr gegenüber. Sie wandte
ihm ihr Antlitz erwartungsvoll zu. Vor ewigen Minuten
war er sicher gewesen, daß sein Verdacht ihn nicht irre ge-
führt; jetzt stiegen wieder Zweifel in ihm auf. Konnte sie so
ruhia sein, wenn sie ahme, was er vermuthete?
„Ja — es war dort —nach dem Unfall traf ich die Dame,
von der ich vorhin sprach."
„Und wer war sie?"
„Das weiß ich nicht." ^ ^
(Fortsetzung folgt.)
ausgenommen.
«.it ^P"i«
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^?,die Post bezogen
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der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
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>. 264.
Montag, Lkn 12. Uovembkr
ISVÜ.
Ministerwechsel in Württemberg.
h Stuttgart, 10. Nov. Der Staaisanzeiger gibt be-
ll. an'. König enthob den Ministerpräsidenten Frhrn.
s^is lltnacht auf sein Ansuchen wegen des leidenden
^staudez seiner Augen seines Amtes gnädig unter Aner-
^ »n„g langjährigen, treuen ausgezeichneten Dienste.
^minister Frhr. Schott v. Schotten st ein wurde
ch . öem Vorsitz des Staatsministeriums betraut. Cabinets-
8rhr. v. Soden wurde zum Minister des Aeußern
"«»Nt.
I» einem sehr herzlichen Schreiben hat der König die
g.Mhijgen, treuen und ersprießlichen Dienste v. Mitt-
M anerkannt. __
8rhr. p. Mittnacht steht im 76. Lebensjahre. Am 17.
1825 zu Stuttgart geboren, studirle er in Tübingen
hji Heidelberg Rechtswissenschaft und war darauf im
gx.^wbergischen Justizdienst als Staatsanwalt, Stadt-
ga Mvorstand in Stuttgart, Obcrtribunalsrath und Mlt-
dez Oberhandelsgcrichts thätig. 1861 sin die württ.
c^?Eordnetenkammer gewählt, errang er an der Spitze der
^^öativen Partei bald eine hervorragende Stellung,
itex 1867 trat er als Justizminister in das Mini-
Varnbüler. Er führte eine neue Gerichtsorgani-
und Preßreform durch und betheiligte sich 1870 in
Diü ^ fördernder Weise an den Verhandlungen in
zachen und Versailles, die der Gründung des deutschen
b Hcs und später dem Abschluß der Friedenspräliminarien
d^Ailigen. Seit dem Rücktritt Varnbülers, des Hauptes
bxx ^merung, im August 1870, übernahm er im Novem-
ge 1.^73 auch das Ministerium der auswärtigen Angele-
hlli r E" (mit den Verkehrsanstalten) und des königlichen
hUseZ. gab ^ das Justizministerium ab. 1887
^ er in den Freiberrnstand versetzt.
I,^ls letzter der süddeutschen Staatsmänner, die im
1870/71 an der Mitbegründung des deutschen
f'ches
'enst.
des
khätig waren, scheidet v. Mittnacht aus dem activen
Der Badener Jolly, der Hesse Finger, der Bayer
. vor ihm ausgeschieden. Alles tüchtige Männer,
M den Anforderungen der damaligen großen Zeit ge-
il, ^n zeigten. Selbst die Gegner v. MittnachtS geben
ch'- Mß er ein tüchtiger, ein wirklicher Staatsmann ge-
tzr, sei. Für seinen Austritt giebt es keinen andern
H "d als sein hohes Alter und sein darauf beruhendes
H Senleiden. Der König schenkte ihm bis zuletzt volles
»i>m und die Kammern sehen ihn ungern scheiden,
dj? doch im Abgeordnetenhaus die frühere Opposition
Hx. -khrheit erhallen hat. v. Mittnacht war ein guter
tz^scher; er gab gern und willig dem Reiche was des
ist, dafür verlangte er aber auch Respektirung der
bx. . embergischen Eigenart und der berechtigten württem-
Men Interessen.
^ Der Nachfolger des Frhrn. v. Mittnacht, in dessen
d. ^schuft als Minister des Auswärtigen, Julius Frhr.
tz ^oden, ist der frühere Gouverneur von
l^krun Deutsch-Ostafrika. Am 5. Februar
bx. .. zu Ludwigsburg geboren, war er zuerst im württem-
s^schen Justizdienst thätig, nahm am Kriege gegen
i>ez Gleich theil und trat darauf in den Consulatsdienst
1tz>^eiches als Attache des Generalkonsulats Bukarest,
jy ^ wurde er Konsul in Algier, 1876 in Lanton, 1879
co„^da»a, 1881 Geschäftsträger in Lima, 1884 General-
»>id Petersburg, 1885 Gouverneur von Kamerun
^ 1890 Gouverneur von Dentsch-Ostafrika. 1892 trat
sxj °u diesem Posten zurück und lebte längere Zeit auf
t>v^ bayerischen Gute Vorra bei Hersbruck, bis er im
>»^en Jahre als Nachfolger des verstorbenen Frhrn.
v. Griesinger zum Cabinetschef des Königs ernannt wurde.
Auch Ordenskanzler ist v. Soden jetzt an Stelle v. Mitt-
nachts geworden. Die Stelle des Chefs des Kabinets des
Königs wurde dem Kabinetssekretär Geheimen Legations'
rath Frhrn. v. Gcmmingen-Guttenbe rg übertragen.
Außerdem wurde dem Ministerialdirektor im Ministerium
des Innern, Präsident v. Fleischhauer, die Stelle eines
wirkt. Staatsraths und ordentl. Mitglieds des Geheimen
Raths übertragen und er zugleich mit der Funktion eines
Rathes des Staatsministeriums betraut, und der Präsident
des Oberlandesgerichts, Staatsrath v. Schmidlin, unter
Belassung in seiner bisherigen dienstlichen Stellung zum
außerord. Mitglied des Geheimen Raths ernannt.
ISS Millionen für die chinesische Expedition.
Dem Bundcsrath ist der Etat für die Expedition
nach Ostasien zugegangen, und zwar in der Form eines
dritten Nachtrags zum Reichshaushaltetat für das Rech-
nungsjahr 1900. Zur Bestreitung einmaliger außer-
ordentlicher Ausgaben werden Mk. 152 770 000 ge-
fordert, die im Wege des Kredits flüssig zu machen sind.
Die gesammten Forderungen zerfallen in folgende ein-
zelne Positionen: 1. Ausgaben bei der Verwaltung des
Heeres Mark 119 800 000, 2. bei der Verwaltung der
Marine Mk. 28857 000, 3. bei der Post- und Telegraphen-
verwaltung Mk. 3 800000, 4. Pensionen, Wittwen- und
Waisengelder u. s. w. Mk. 243600, 5. Kosten einer
Medaille für die Theilnehmer an der Expedition Mk. 70000.
Die einzelnen Ansätze entsprechen dem nach über-
schläglicher Schätzung ermittelten Bedarf bis zum
31. März 1901. Für das Rechnungsjahr 1901
wird eine weitere entsprechende Vorlage ge-
macht werden, soweit sich die Verhältnisse genügend über-
sehen lassen.
Man muß also sagen: billig ist diese chinesische
Expedition nicht; allein sie war nothwendig, und die
Kriegslasten wird in einer oder der anderen Art schließlich
China zahlen müssen. _
Deutsches Reich.
— Das letzte deutsche Truppentransport-
schiff ist am 30. Oktober vor Taku eingetroffen, sodaß
nur noch einige Dampfer mit Kriegsbedürfnissen, speziell
Barackenmaterialien für die Unterkunft der Truppen im
Winter unterwegs sind. Die Ausladungen scheinen trotz
der großen Schwierigkeiten, die zu überwinden sind, bisher
befriedigend vonstatten gegangen zu sein, sodaß sogar
der größte Theil des Truppennachschubes, der die Ausreise
von Bremerhaven in der Zeit vom 31. Äug. bis 4. Sept.
angetreten hat, bereits kriegsbereit am Lande ist. Die
Witterung und der niedrige Wasserstand auf der Barre
von Taku machen sich schon sehr fühlbar, sodaß nach
Mitte November die Ausschiffung von Gütern dort wahr-
scheinlich nicht mehr möglich sein wird und dann voraus-
sichtlich über Tsingwangtau (12 Km. südwestlich von
Schanhaikwan), wo die Tiefenverhältnisse günstiger sind,
erfolgen muß.
Greifenhagen, 11. Nov. Bei der Re ichstags-
ersatzwahl im Wahlkreise Randow-Greifenhagen erhielten
nach vorläufiger Feststellung Prätorius (cont.) 14580,
Körsten (soc.-dem.) 11760 und Dohrn (liberal) 1480
Stimmen.
Baden. Der vorläufig in provisorischer Weise neu-
gebildete konservative Parteivor staud, bestehend
aus den Herren: Schlebach, 2. Vorsitzender; Baumeister,
Professor und Oberbauralh; Graf W. Douglas; Gleis,
Pfarrer; Frhr. E. A v. Gcler; Hauert, Oberlehrer;
Hoffmann, Direktor; Kern, Kaufmann und Generalagent;
Koch, Sekretär; Frhr. v. Laroche, Oberamtsrichter;
Menzer, Konsul; Mühlhäußer, Stadtpfarrer; Odenwald,
Uhrmacher; Reinmuth, Pfarrer v.; Frhr. v. Rüdt, Land-
gerichtsdirektor; Uhde, Oberamtsrichter, hielt am Freitag
Abend seine erste Sitzung ab, in der, nach der Landpost,
wichtige Fragen besonders der Agitation und Organisation
besprochen wurden.
L.O. Freiburg, 11. Novbr. Im kathol. Bürger-
Verein, der dieser Tage das Namensfest seines Ehren-
mitglieds, des Abg. Wacker, feierte, kam der Centrums-
führer u. A. auch auf die politische Lage zu sprechen
und führte nach dem Freib. Boten aus: »Er sei nie ein
Freund des Optimismus gewesen; namentlich den Gegner
dürfe man nicht zu optimistisch beurtheilen. Um za siegen,
müsse man fest zusammenstehen und viele Geduld haben.
Selten seien die politischen Verhältnisse in Baden so unklar
gewesen wie gegenwärtig. Dem Bürgerverein gedenke er
in aller Zukunft seine Dienste widmen zu können; aber er
hoffe, daß die Zeit einmal komme, wo er sich vom poli-
tischen Leben mit Befriedigung (?) zurückziehen
und der Entwickelung der Dinge mit Ruhe zusehen könne.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
nachgenannten Personen den Orden vom Zähringer Löwen ver-
liehen, und zwar: a. das Kommandeurkreuz zweiter Klasse mit
Eichenlaub: dem 1. Vorsitzenden des Badischen KunstveretnS,
Gcheimerath Dr. Ernst Wagner; d. das Ritterkreuz erster
Klasse: dem Konservator des Badischen Kunstoereins, Königlich
Württembergischen Hauptmann a. D. Karl von Bayers
Ehrenberg und dem Vorsitzenden der Baukommission des
Badischen Kunstvereins, Architekten Gustav Bayer; o. das
Ritterkreuz zweiter Klasse: dem Rechner des Badischen Kunst-
vereins, Kaufmann Julius Mende, sämmtlich in Karlsruhe.
— Seine König!. Hoheit der Großherzog haben dem
Vorsitzenden Rath bet der Domänendtrcktion, Geheimen Rath
Friedrich Krutina, aus Anlaß der vorzunehmenden Neu-
katastrirung der Waldungen des Grobherzogthums die Stelle
eines außerordentlichen Mitglieds der Steuerdirektion im Neben-
amt übertragen und den Reallehrer August Adelmann an der
Höheren Mädchenschule in Mannheim auf sein Ansuchen wegen
leidender Gesundheit unter Anerkennung seiner langjährigen und
treugeletsteten Dienste auf 1. Januar 1901 in den Ruhestand
versetzt.
Karlsruhe, 10. Novbr. Der Groß Herzog und
die Großherzogin trafen heute Vormittag gegen 9
Uhr aus Schloß Baden hier ein. Seine König!. Hoheit
der Großherzog nahm alsbald die Meldung einer Anzahl
Offiziere entgegen. Hierauf ertheilte Se. Königl. Hoheit
Audienzen, darunter dem Amtsvorstand Oberamtmann Beck
in Eberbach, dem Baurath Schweinfurth in Heidelberg und
dem Oberpostsekretär Kraft in Heidelberg. Um 12 Uhr
begaben sich der Großherzog und die Großherzogin nach
dem in der Waldstraße gelegenen neuen Gebäude des Ba-
dischen Kunstvereins, um der Eröffnungsfeier derselben an-
zuwohnen. Die Höchsten Herrschaften besichtigten sodann
die neuen Ausstellungsräume, wobei die Mitglieder des
Vorstandes vorgestellt wurden. Hierauf folgten die Groß-
herzoglichen Herrschaften einer Einladung des Prinzen und
der Prinzessin Max zur Frühstückstafel. Nachmittags von
3 Uhr an empfing der Großherzog zur Vortragserstattung
den Geheimerath Dr. Wielandt, Präsidenten des Evangel.
Oberkirchcnraths, den Staatsminister Dr. Nokk, den Geh.
Rath Dr. Schenkel, den Generaladjutanten Generalleutnant
v. Müller sowie den Geh. Legationsrath Dr. Freiherr»
von Babo. Die Rückreise der Höchsten Herrschaften nach
Baden erfolgte Abends 8 Uhr 45 Minuten.
Ein Opfer.
Roman von B. Saworra.
Autorisirte Bearbeitung nach dem Englischen.
(Fortsetzung.)
dy^nd doch," fügte Georg langsam hinzu, „erscheint ihr Gesicht
Merkwürdig bekannt — fast, als wäre ich Ihnen schon
N?1 begegnet/
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sah ihn voll an, sein Blick wurde endlich etwas
iv- ist sonderbar," erwiderte sie gedankenvoll, „als Mark
. Photographie zeigte, hatte ich auch das Empfinden,
^and Sie schon einmal irgendwo gesehen hätte, oder
der Ihnen sehr gleicht."
"Darauf konnte ich mich nicht besinnen."
.. Gesicht ruft mir eine Begebenheit in das Gedächt-
Mx suck — bei der ich eine Dame — ja, das war es, ich
in der That eine Dame gesehen, die Ihnen auf-
,.Ä dhnlich war."
A'o war das?" fragte sie freundlich lächelnd.
einem kleinen Orte, in Summerton, in der Nähe von
. E^.H»>npstead."
fiiq/7.blickte Judith an — wieder kehrte sein Verdacht zu-
laß sA" verdoppelter Stärke. Sie sagte nichts, bewegungslos
^ da, das Lächeln erstarrte ihr auf den Lippen.
ÜJ» kennen den Ort? Ich meine Summerton?"
^ ^ ja — ich habe davon gehört."
,st sonderbar. Er ist so unbedeutend — kaum ein
„"ennen ^ es stehen nur einige zwanzig Hütten zu-
Z-
> „Ä,' .Es tst ein armseliger, kleiner Ort.
^ fr» ^ kommt cs, daß Sie von Summerton hörten,
^«en darf?-
wenn
„Bekannte von mir wohnen in der Nähe."
„In Burton Hampstead?" .
„Ja. Herr Munro; ich ging mit seinen Töchtern m Bath
zusammen zur Schule."
Obgleich sie ruhig sprach, war doch in ihrem ganzen
Wesen eine Veränderung zu merken. Die Ruhe war offen-
bar erkünstelt. Sie saß mit niedergeschlagenen Augen da und
spielte nervös mit einigen gelben Rosenblättern, die in ihren
Schooß gefallen waren.
„Wollen Sie mir gestatten, Fräulein Verrell, Ihnen die
näheren Umstünde mitzuthcilen, unter denen ich ^die lunge
Dame dort traf, der Sic so treffend ähnlich sehen.
Sie nickte zustimmend ihr Haupt.
„Vor etwa drei und einem halben Jahr reiste ich von
London nach Burton Hampstead. Dicht bei dem kleinen
Dorfe Summerton ereignete sich ein Eisenbahnunsall. Der
Schnellzug stieß mit dem Güterzug zusammen und —
,O, Herr Grävener, bitte, die Laterne dort brennt!"
Sie sagte das mit so seltsam gepreßter und doch so ruhiger
Stimme, daß, als Georg sich schnell erhob, eine Vision vor
sein inneres Auge trat. — Er iah eine kleine, wenig ein-
ladende Küche, der Regen schlug auf die Steinfliesen an der
offenen Thür: er sah ein erlöschendes Feuer, eine tropfende
Talakerze — und ein schlankes, hoch ausgerichtet stehendes
Mädchen stellte an ihn ruhig, mit blassen Lippen. d,e traurige
Frage: „Ist er schwer verletzt?" Und ohne Wanken ver-
nahm sie die Antwort. Die Vision währte nur einen Augen-
blick. Die Helle Flamme, welche unter dem Laubwerk hoch
ausloderte, bannte sie. Die Gartentbür war wohl nicht fest
geschlossen gewesen; sie hatte sich aeöffnet; durch die plötzlich
entstandene Zugluft hatte eine der farblgen Papierlaternen
^"„Komme^Sie nicht näher l" rief Georg hastig, als Judith
sich erhob.
Die Flamme versengte das Holzwerk des Daches; dann
fiel der ganze brennende Ballon zu Boden. Georg trat da-
rnnk wenigen Augenblicken war das Feuer gelocht.
Judith hatte ihn gespannt beobachtet. Hätte er sie ange-
sehen, so Kälte er bemerkt, wie sie sich mit Gewalt zu Fassung
und Selbstbeherrschung bezwang.
„Sie sehen sehr bleich aus," sagte er, als der letzte Funken
erloschen war und er sich wieder zu ihr wandte.
„Ich war ein wenig erschreckt," gab sie zu. „Feuer in
diesem übersüllten Hause wäre furchtbar gewesen."
„Die Gefahr war nicht groß."
„Auch die geringe Gefahr war schon aufregend."
„Trotzdem bewiesen Sie wunderbare Ruhe und Geistes-
gegenwart, Fräulein Verrell. Ich bezeuge Ihnen dafür meine
Anerkennung."
Sie antwortete nicht. Ihr Antlitz war so weiß wie ihr
Kleid. Mit lose ineinandergelegten Händen stand sie regungs-
los vor ihm und blickte ihn ernst und forschend an.
„Sie erzählten mir von einer Begebenheit, bitte, fahren
Sie fort," forderte sie ihn auf. „Es riecht noch so verbrannt,
es ist doch alles gelöscht?"
„Ja — ich denke doch."
„Sie sprachen von einem Eisenbahnunfall. Das muß ja
furchtbar — furchtbar aufregend gewesen seinj"
„Es hätte noch schlimmer lein können I"
„Wollen wir uns nicht setzen?" fragte sie ruhig und ging
nach der Bank, die sie vorher einaenommcn. Und während
jener Fahrt sahen Sie das junge Mädchen, das mir so
gleichen soll?" ^ ^
Er letzte sich auf einen Stuhl ihr gegenüber. Sie wandte
ihm ihr Antlitz erwartungsvoll zu. Vor ewigen Minuten
war er sicher gewesen, daß sein Verdacht ihn nicht irre ge-
führt; jetzt stiegen wieder Zweifel in ihm auf. Konnte sie so
ruhia sein, wenn sie ahme, was er vermuthete?
„Ja — es war dort —nach dem Unfall traf ich die Dame,
von der ich vorhin sprach."
„Und wer war sie?"
„Das weiß ich nicht." ^ ^
(Fortsetzung folgt.)