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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203-227 (01. September 1900 - 29. September 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37614#0251

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Montag, den 10. September

ISO«.

Prozeß Jsraelski.
Könitz, 8. Sept.
Um 9 Uhr begannen die Verhandlungen unter dem Vorsitz des
«andgerichtsdirektors Boehnkc. Die Staatsanwaltschaft ver-
Att Sette gast. Die Vertheidigung führen Justizrath
Kordon-Berlin und Maschke-Könitz. Der geladene
Kriminalkommissar Wehn ist nicht erschienen, dagegen liegt ein
Schreiben des Polizeipräsidenten vor, daß er noch nicht habe
schlüssig werden können, ob die Vernehmung Wehns zulässig sei-
Der Angeklagte Jsraelski — versichert wir folgen dem
Bericht der Franks. Ztg. — seineUnschuld. Er will zwar auf der
Dühlenstraße beim Landgericht gewesen sein, jedoch nicht die
Schützcnstraße zur Fundstelle entlang gegangen sein. Justizrath
Kordon legt einen Situationsplan vor, aus dem die Zickzack-
Me, auf denen Jsraelski gegangen sein soll, sichtbar sind.
Bäckermeister Lange sagt aus über das Verschwinden des Winter
*Md das Auffinden der Leichentheile im Mönchsee, Bauunter-
Uehmer Winter, der Vater des Ermordeten, bestätigt diese
Aussage und erzählt von einem ihm aus Hammersteiu zuge-
8angenen anonymen Schreiben, das ihm 50000 Mk. bietet, wenn
", in der Zeitung erklären wolle, die Juden seien nicht die
Mörder seines Sohnes. Der Brief befindet sich in den Händen
Ds Abg. Liebermann. Zeugin Frl. Lange sagt aus: Nach
Mn Herausnehmen des Rumpfes aus dem See sei blutgefärbtes
Nasser dem Packet, das den Rumpf enthielt, entflossen. Bürger-
Deister Deditius sowie zwei Knaben sagen über die Auf-
findung des Kopfes aus. Amtsrichter Gorski, der gleich nach
Auffindung des Kopfes die Erhebung an der Fundstelle geleitet
M, macht darauf aufmerksam, daß sich dort ein Stück desselben
Packpapiers, in das Rumpf und Kopf eingewickelt waren, unweit
Grabens in vollkommen trockenem Zustande gefunden hat,
Nowohl es damals jeden Tag geregnet hat. Der Kopf selbst ist
M vollständig von Moor und Wasser bedeckt gefunden worden.
Aus dem Fund des trockenen Papiers schließt Zeuge, daß der
Zopf erst unmittelbar vor dem Funde dorthin gebracht wurde.
Ms Papier ist, wie sich während der Verhandlung herausstellt,
'U der Untersuchung verschwunden. Botenmeister Fiedler hat
sfin 1»'/^ Uhr den Angeklagten gesehen, einen Sack, wahrschein-
"ch Salzsack, auf dem Rücken. Die linke Ecke sei gewölbt, die
rechte Ecke leer gewesen. Nach I V. Stunde sah er den An-
geklagten zum zweiten Mal, die Schützeustraße am Landgericht
Mückkommend, ohne Sack und mit stark beschmutzten Stiefeln.
Mfi als der Kopf, gefunden, fiel dem Zeugen diese Begegnung
?Uj. Mehrere Zeugen haben auch am Charfreitag in der Nähe
M Fundstelle einen verdächtigen Mann um 9V? Uhr gesehen,
Dr aber nicht identisch mit Jsraelski ist. Zeuge Maschewski
M den Angeklagten auch um V2I2 Uhr gesehen und konstatirt,
"aß dieser stets schmutzige Stiefel getragen hat. Einige Zeugen
haben nichts Wesentliches auszusagen, andere geben thörichte Ge-
rüchte wieder.
, . Sehr interessant gestaltete sich die Vernehmung der
beiden Sachverständigen. Sanitätsrath Müller- Könitz
berichtete über den Leichenbefund und gibt das Gutachten ab, daß
als Todesursache Verblutung in Folge eines Schnittes durch den
Hals anzusehen sei, doch seien auch Anzeichen von Erstickung
'bahrzunehmen, nämlich flohstichartige Punkte in der Lunge und
am Kopfe.
.Sachverständiger Dr. Puppe aus Berlin, au der Berliner
Universität, Dozent für gerichtliche Medizin, gibt in längerer Aus-
Anandersetzung sein Gutachten dahin ab, daß nicht Verblutung,
andern wahrscheinlich Erstickung die Todesursache sei und der
Schnitt am Halse ebenso wie alle andern Schnitte an der Leiche
»Wecks Zerstückelung vorgeuommen worden sind.
Der Vertheidiger veranlaßt zwei Thierärzte, sich über den
Halsschnitt zu äußern. Der Schlachthausdirektor Wendt findet
ben Schächtschnitt nicht vor, gibt aber die Möglichkeit zu, daß ein
Zuerst vorgenommener Schächtschnitt durch die spätere Zerstückelung
verdeckt sei. Kreisthierarzt U h l kann den Schächtschnitt nicht er-
Kvnen. Die Vertheidigung beantragt Vertagung, um den Alibi-
Zeugen, den früheren Schächter Fuchs, zu vernehmen. Das Ke-
ucht lehnt den Antrag als nicht mehr erforderlich ab.
Damit schließt das Beweisverfahren. Staatsanwalt Set be-
last hält die Anklage aufrecht und combinirt noch einmal die
Zeugenaussagen, die gegen Jsraelski sprechen. Er schließt mit
vM Anträge auf 5 Jahre Gesängniß. Vertheidiger Gordon
maidirt auf Freisprechung, da man die Thäter nicht entdeckt habe
und da außerdem die Sachverständigen über die Todesursache
uneinig seien. Es stehe juristisch nicht einmal fest, ob überhaupt
"U Mord oder nur ein Unglücksfall vorliege.
. Nach halbstündiger Berathung verkündet der Präsident
°us Urtheil. Jsraelski wird freigesroch^n, sofort
uns der Haft entlassen und die Kosten werden der Staatskasse
Verlegt. Belastend sei nur das Zeugniß Fiedler, doch stehe

12)

Der Wurzelaraber.
Eine Hochlandsgeschichte von Friedrich Dolch.
(Fortsetzung.)

n, Eine halbe Stunde später stand Domini auch schon vor der
zDonkei-Hödle und machte sich mit fieberhafter Eile an sein
ZMreiungswerk. Er arbeitete, daß ihm der schweiß in
Flomen über den Körper niederfloß und das Blut fast
fiuiec den Fingernägeln hervortrai; doch der schwere Stein
Astete lange aller Bemühungen. Allein Domini ließ den
ü, uih nicht sinken; immer wieder aufs neue ging er zum
Abgriff über und, seine Ausdauer wurde auch zuletzt wirklich
on Erfolg gekrönt. Langsam setzte sich der Stein in Be-
Mgung und als Domini sein ganzes Gewicht an den Stangen,
A ihm als Hebel dienten, hing, rollte der Felsblock endlich
v>n Eingang der Höhle fori und schlug schwerfällig nieder
" die nabe Klamm.
d Na hfinnend blieb Domini noch ein paar Augenblicke vor
djbi Eingang der Höble stehen, dann aber ließ ec sich auf
s ^ Knie nieder und lauschte vorgestreckten Halses, während
- 've Blicke das Dunkel, das im Innern der Höhle herrschte,

b durchdrinaen suchten.
sfs..«Nix z'ikh'n und nix z'bör'n," murmelte er dann kopf-
AEtelnd. „Er muß doch den Lärm a'hört hab'n, den ich
ghvneh mit dem Stoan gemacht Hab'. G'vört hat er's g'wiß.
ob'« " b-fibv halt Mißtrauisch sein, weil er ja net wissen kann,
ho: a Freund oder a Feind is, der sich da z'schaffen g'macht
d>/' Gleich so vorschnell in d' Höhl'n hineinschliesen, könnt'
o>bm auch g'sährlich sein. Da werd ich mich schon vorher
dieM müssen. — »Herr Jagdg'hilf," ries er laut durch
D». Evung, „wenn's imch höil'S gcvl's, mir Antwort!
knni' kJvr) habt's nix z'sürchten und könnt's ruhig heraus-
srdtt-hb"- Der Enk «Euch) da eing'werrt har, is un-
^uoiich g'macht; es find fürchterliche sach'n passirt —

weder fest, daß Jsraelski nach der Fundstelle gegangen sei, noch
was er im Sack gehabt habe. Die Todesursache sei mit Sicherheit
nicht festgestellt. Ein Schächtschnitt liege nicht vor und die anderen
Momente seien unerheblich.

Die Vorgänge in China.
Die Washingtoner Nachricht, Deutschland habe als
Kompromiß die Verminderung der Besatzung Pekings
vorgeschlagen, erweist sich als falsch, so bestimmt sie auch
auftritt. Die Lügen, die ft conto der Vorgänge in China
schon in die Welt gesetzt wurden, haben sich also um eine
weitere vermehrt. Von Berlin aus wird auf's bestimmteste
versichert, Deutschland habe keinen Compromißvorschlag ge-
macht, sondern nur die Bedenken gegen die russischen Vor-
schläge hervorgehoben und von dem Inhalt seiner Antwort
auch den anderen Mächten Kenntniß gegeben. Ob von
anderer Seite solche Compromißvorschläge gemacht worden
sind, ist nicht bekannt. Ihre Lancirnng kann als ein Be-
weis mehr dafür gelten, daß die Antworten auf die russische
Anregung ziemlich übereinstimmend ablehnend lauten.
Ob Rußland sich dem Schwergewicht der gegen eine Räu-
mung sprechenden Gründe beugen und nunmehr auch seiner-
seits seine Truppen in Peking belassen wird, bleibt abzn-
warten, man darf aber annehmen, daß es geschehen wird.
Der Pariser Temps, der den russischen Vorschlag lange
in äußerst zarter Weise unpraktisch nannte, sagt in seinem
Leitartikel vom 8. ds>, es wäre im höchsten Grade un-
geschickt, sich des Pfandes von Peking zu entledigen,
bevor selbst die Basis der Verhandlungen festgelegt sei.
Aus Peking wird berichtet, daß von dem deutschen
Gesandtschaftsarzt Stabsarzt Dr. Velde als Todes-
ursache im Falle des ermordeten Gesandten v.Ketteler
Schuß in den Hals festgestellt wurde, der unmittel-
bar darauf den Tod herbeigeführt haben muß. Der
Mord wurde gegen 9 Uhr Vormittags ausgeführt. Die
Gesandten hatten für 9 Uhr um eine Unterredung im
Tsungli-Aamen nachgesucht, um gegen die von der chine-
sischen Regierung über das diplomatische Corps verhängte
Ausweisung Einspruch zu erheben. Sie bekamen aber
auf das Audienzgesuch keinen Bescheid und unterließen
lediglich deshalb, nicht aus Besorgniß von den Umständen
nach nicht zu erwartenden Angriffen, den Besuch. Sie
hatten auch Ketteler nicht gewarnt, als dieser infolge
anderweitiger Verabredung das Tsungli-Aamen allein auf-
suchen sollte. Prinz Tschings Truppen kämpften an-
fänglich gegen die Boxer. Junglus Haltung
war zweideutig. Seine Truppen kämpften gegen die
Gesandtschaften. Bekanntlich ist eben dieser Aunglu als
einer der Friedenkommissare von der kaiserlicher Regierung
bestimmt worden. Welcher Hohn!
Daily Telegraph meldet aus Kanton vom 5.: Der
stellvertretende Vicekönig Tacksu erhielt heute
ein kaiserliches Edikt, in welchem sich der Kaiser
selbst beschuldigt, daß sich die Wirren zu der jetzigen ver-
zweifelten Krisis entwickelt haben. Das Edikt weist die
Vizekönige und Gouverneure au, den Frieden aufrecht
zu erhalten, die Aufrührer zu bestrafen und die Ausländer,
sowie die christlichen Chinesen vor allen Gefahren zu
schützen. — Die Chinesen haben, wie gewöhnlich, wieder
zwei Eisen im Feuer. Der Kaiser erläßt friedfertige
Edikte, die Kaiserin aber fordert die Gouverneure zur
Zusammenziehung der Truppen und ihre Entsendung gegen
die Feinde auf. Bei solchen Zweideutigkeiten hilft nur
ein festes Zugreifen der Mächte.

Deutsches Reich.
— Es ist schon früher davon die Rede gewesen, daß
die Königin Victoria zu Anfang nächsten Monats
nach Deutschland kommen werde, um ihre Tochter, die
Kaiserin Friedrich, zu besuchen. Wie der Nat.-Ztg. ge-
schrieben wird, werden in Friedrichshof schon Vorbereitungen
für den Empfang getroffen. Die Königin Victoria beab-
sichtige, zwei bis drei Wochen Lei ihrer Tochter zu ver-
bringen und dann einen kurzen Besuch in Coburg zu machen,
um die Grabstätte ihres verstorbenen Sohnes, des Herzogs
Alfred, zu besuchen. Die Reise werde nur unterbleiben,
wenn das Befinden der Kaiserin Friedrich sich derartig
bessere, daß die Königin Victoria, die mit ganz besonderer
Liebe an ihrer ältesten Tochter hängt, sich keiner Besorg-
niß mehr hinzugeben brauche.
— Wie die Tägl. Rundschau von sonst zuverlässiger
Seite erfährt, soll die Einberufung des Reichstags auf
den 16. October bevorstehen.
— Ueber die Ausreise der Truppen-Transport-
dampfer nach China liegen folgende letzte.Meldungen vor:
Frankfurt (N.D. Lloyd) 5. Sept. von Moji nach San Francisco.
Wirtekind (N.D. Lloyd) 2. Sept. von Tsingtau.
Batavia (Hamb.A.L.) 6. Sept. von Shanghai.
Gera (N.D.Lloyd) 6. Sept. in Colombo.
Sardinia (Hamb.A.L.) 3. Sept. von Singapore.
Straßburg (N.D. Lloyd! 4. Sept. in Singapore.
Aachen (N.D. Lloyd) 6. Sept. in Hongkong.
Adria (Hamb.A.L.) K.Sept. von Singapore.
Phönicia (Hamb.A.L.) 7. Sept. von Singapore.
Darmstadt (N.D. Lloyd) 5. Sept. Gibraltar passirt.
Polatia (Hamb.A.L.) 6,Sept. Gibraltar passirt.
Andalufia (Hamb.A.L.) 6, Sept. Gibraltar passirt.
Hannover (N.D. Lloyd) 7. Sept. Ouessant passirt.
Arcadia (Hamb. A.L.) 6. Sept. Grisnez passirt.
— Ueber der Wiedergabe kaiserlicher Reden
waltet ein Unstern; oft muß eine Richtigstellung oder eine
Ergänzung erfolgen. So wird jetzt festgestellt, daß in der
Stettiner Rede des Kaisers auf die Ansprache des Ober-
bürgermeisters der Schluß nach dem authentischen Texte
lautet: „Ich habe gar keine Besorgnisse für die Zukunft,
denn mit uns ist Gott, er wird uns durchhelfen."
Es ist klar, daß durch den Hinweis auf Gott d ie Aussage:
„ich habe keine Besorgniß", erheblich eingeschränkt wird.
Stettin, 8. Sept. Heute fand die Parade des 2.
Armeecorps statt. Nach der Parade nahm der Kaiser
militärische Meldungen entgegen. Abends 6'/, Uhr fand
im Schlosse Paradetafel statt, an der die Prinzen Albrecht
und Friedrich Wilhelm von Preußen, Prinz Max von
Baden, Prinz Karl vom Hohenzollern, der Herzog von
Württemberg, die Generalität, die selbstständigen Komman-
deure der heutigen Parade, die Attaches u. s. W. theil-
nahmen. Der Kaiser brachte bei der Paradetafel einen
Trinkspruch aus, der lautete:
Euerer Excellenz spreche ich meine Freude därnber
aus, daß Sie das zweite Armeecorps, meine Pommern,
in so hervorragenden Verfassung heute vorgeführt haben.
Ich ersehe daraus, daß das Corps sich auf der Höhe
befindet, wie es einem Armeecorps geziemt, das eine
große Tradition und eine schöne Geschichte in seinen
Fahnen verkörpert. Ich spreche zugleich den Wunsch
aus, daß das Armeecorps immer so bleiben möge, umso
mehr, als cs dasjenige Armeecops ist, das mein Vater
dereinst geführt, und auf dem die Augen meines seligen
Großvaters zuletzt geruht haben! Das 2. Armeccorps
hurrah! hurrah l hurrah!
Baden. Die Badische Landeszeitung, Badische Presse,
Badischer Landesbote und Volksfreund veröffentlichen an
der Spitze ihrer Blätter eine gleichlautende Erklärung des
Inhalts, daß sie infolge der Erhöhung der Papierpreise,
des vertheuerten Post-Zeitungstarifs und der sonstigen er-

Sach'n, daß 's Enk kalt überlaufen wird, wenn ich'S Enk
erzähl'."
Es erfolgte nicht gleich eine Antwort. Drinnen regte
sich zwar etwas, aber das Geräusch erstarb alsbald wieder.
„Und wer is 's. der mich anruft," ließ sich jetzt die Stimme
des Jägers aus der Höhle vernehmen. „Die Stimm' sollt'
ich kennen — die gehört dem Domini, net wahr? Ihr
Mordbub'n, ihr habt im Sinn', mich meuchelmörderisch auf
die Seit' zu schaffen, aber ich will mein Leben so theuer als
möglich verkaufen —"
„Kein Mensch trachtet Enk mehr nach'm Leben," versicherte
aber Domini. „Ich bin ganz allein, Hab' auch keine Büchs'
bei mir — Oes (Ihr) könnt's Enk selber überzeug'n davon.
Ich will hineinkriech'n in die Höhl'n nachher bin ich ganz in
Enkerer G'walt und Oes kennl's mich niederscbieß'n wie
ein' Hund, wenn ich 'was wie Falschheit oder Verrath im
Sinn Hab'. Der Kasper hat Enk ans Leben woll'n, aber
der liegt jetzt drunt' im Abgrund — er hat sein' wohlver-
dienten Lohn."
„Der Kasper? Todt?"
„Wie ich sag'. Aber Oes sollc's alles erfahr'», laßt's
mich nur erst einmal hinein in die Höhl'n —"
„Gut, so zeig' Dich am Eingang," erwiderte der
Jäger nach einigem Besinnen. „Aber laß Dir's g'sagt sein
— wenn ich das Geringste merk' von einer Verrätherei, schieß
ich Dich nieder ohne Gnad' und Barmherzigkeit."
„Ich Hab' sie net zu fürchten, Deine Kugel." erwiderte
aber Domini und ließ sich aufs Neue dicht vor dem Höhlen-
eingang auf die Kniee nieder. Wenige Augenblicke später
stand auch schon der Jäger, die gespannte Büchse in den
Händen, tiefaufathmend unter freiem Himmel.
„Und jetzt red'," drängte Cyrill. „Der Kasper todt, sagst?
Is er verunglückt, oder hast Du ihn am End' hinunter-
g'stoßen in den Abarund?"
„Ich bin net schuld an seinem Tod," rief aber Domini
hastia- „Laß Dir nur sag'n, wie das so zu'gaügen is." Und
mit fieberhafter Eile erzählte er jetzt dem erst erstaunt und

dann entsetzt Zuhorchenden, wie der Wurzelgraber ihn
während der mittägigen Arbeitspause aufgeiuchk, welche
Geständnisse und Enthüllungen der Alte ihm gemacht» und
welches Ende schließlich diese verhängnißvolle Begegnung
genommen.
Erschüttert faltete der Jäger, els Domini schwieg, die
Hände. „Ein solches End, z' nehmen, so hinüber z'müssen
vor Gottes Richterstuhl," sagte er leise: „Und das arme
Regerl! Aber die volle Wahrheit darf sie net ersahr'n, es
thät ihr's Herz brech'n —"
„Und das brauchi's auch net," erwiderte Domini. Kein
Mensch weiß 'was von der ganzen G'schicht', laß 's ein ewiges
G'heimniß bleid'n zwischen uns zwei."
„Ja, so woll'n wir's halten," nickte der Jäger. „Wir
können ja 'm Regerl und die Leut' erzähl'n. dag er sich beim
Wurzelgrab'n an ein' «'jährlichen Platz zu weit hinausg'wagt
hat und abg'stürzt is. Wir hätt'n ihn g'seh'n dabei und
hätten ihm z' Hilf kommen woll'n, aber alle Müh' sei um-
sonst g'wesen. Die Nachricht will ich 'm Regerl bringen,
wenn's mich gleich hart ankommt. Ihr Jammer wird freilich
groß sein, aber er wird sich wieder geb'n mit der Zeit;
wollt ich ihr aber von die Schandthaten erzähl'n, die ihr
Vater begangen und im Sinn' g'habt hat, thät ich's g'wiß
in Verzweiflung und Wahnsinn stürzen."
„Das glaub' ich wohl," sagte der Bursche düster. „Hat's
doch mich auch erschüttert in tiefster Seel'. Ich Hab' 's jetzt
g'seh'n, wie weit der Mensch, wenn er ganz von Gott ver-
lassen is, kommen und was sür ein End' er nehmen kann. Ich
will urnkehr'n und ein anderer, ein besserer Mensch werd'n.
Heut' noch geh' ich heim zu meinem Vater und bitl' ihn um
Verzeihung wie der verlorene Sohn im Evangelium. Und
Dich bitl' ich auch, Jager, daß Du mir verzeihen möcht'st,
was ich Dir alles an'than Hab."
(Schluß folgt)
 
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