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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 228-254 (01. Oktober 1900 - 31. Oktober 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37614#0387

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-Anschluß Nr. 82.

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tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Fcrnsprech-Anschluß Nr. 82

MiNillg, den 15. OM»

180«.

Die Vorgänge in China.
H In der in Peking am 8. ds. Mts. abgchaltenen
j,°"ferenz der diplomatischen Vertreter brachte
^ englische Gesandte die drei in dem deutschen
-?^ular vom 1. October angegebenen Gesichtspunkte
Sprache. Die Konferenz erklärte zu Punkt 1: ob die
Edikt des Kaisers von China angegebene Liste der
jg?elMhr„ genügend sei, — daß zwei der Haupt-
sj mgen jn der Liste fehlen, nämlich Tungfuh-
und Auch sing. Zu Punkt 2: ob die in dem
'' verzeichneten Strafen genügend seien, — daß das

tz/" verzeichneten Strafet
^ "Maß ungenügend wäre. Zu Punkt 3: wie die
tz, lührung der Bestrafung zu kontroliren sei, — daß die
d^icn vor den Delegirten der Gesandtschaften
i°gen werden müßten.
k^er Kaiser von Jap an antwortete auf den an ihn
lh.j,Meten Brief des Kaisers von China persönlich und
mit, daß die in China herrschende Zwietracht
k bigotten Rathgeher des Kaisers hervor-
"len sei.
b§ ^ie jüngste Meldung, daß die chinesische Zoll-
vor einigen Tagen 325 000 Taels an die Bank in
i>yMnfu gesandt habe, wird durch eine weitere ergänzt,
^ lür die nächste Zeit die Sendung fernerer 300 000
Ihxj, "ach Singanfu bevorstehe. Sollten sich diese Mit-
!>^ "vgeri bewahrheiten, so würde das eine Einmischung
^genannten Zollbank in die jetzigen chinesischen
bsti.^kn bedeuten, die unmöglich unwidersprochen
Die chinesische Zollbank hat alle diejenigen
dx^slräge einzunchmen, welche für die fremden Anleihen
n^'^udet sind. Die Einziehung solch großer Summen
hj Zollcinkünften für Zwecke, für die sie nicht un-
^hr dar bestimmt sind, vermehrt selbstverständlich die Ge-
»vh' daß eines schönen Tages oiese Zolleinkünfte nicht
Sur Bezahlung der Zinskoupons ausreichcn
!>iid ' lür die sie vorzugsweise bestimmt und verpfändet
Hrj' Während bisher der Zinsendienst trotz der unruhigen
2ibx^ keine Stockung und Unterbrechung erfahren hat.
^ ^den den ausländischen Gläubigern Chinas haben
c, . Großmächte als solche ein Interesse daran, daß
>dxj.-Hvf der Kaiscrin-Wittwe in Singan nicht durch Zu-
Il„^vg solcher beträchtlichen Summen in seinem Wider-
Kegen die berechtigten Sühncforderungen der Mächte
allem in der Weigerung der Rückkehr nach Peking
Ses^k Wird. Je mehr der kaiserliche Hof in die Lage
wirb, sich in Singan häuslich und bequem ein-
um so länger werden die bevorstehenden diplo-
^ Verhandlungen verzögert und ihr Ergebnih in's
V»Asse gerückt werden. Es erscheint angebracht, daß
X», ^"ichte baldthunlichst ausreichende Maßregeln treffen,
Erneuerung solcher Geldzahlungen an den kaiser-
^ Hof in Singan unmöglich zu machen.
bemerkenswerth sind die Vorgänge in S ü d-
wo sich eine starke aufständische Bewegung kund
Dtan weiß noch nicht recht, ob sie sich gegen die
^vregierung oder gegen die Fremden richtet. Die
^ Nachrichten darüber lauten:
sechs Bezirken der Provinz Weitschou sind die
"klicke in den Händen der Aufständischen. Ein
sicher Theil der Truppen wird von Canton nach
/rührerischen Bezirken geschickt. Wenn der Aufstand
Canton ausbräche, werde die Unterdrückung
Aufreizende Plakate werden nach wie vor in

'-»ZS- , .
^Eaßen Cantons angeschlagen.
'"p andere Ntittheilung erzählt:


^°tsen hat rn
seine Flagge

Der Reformer
der wichtigen Stadt Weitschou am
entfaltet und dadurch große Auf-

regung in den militärischen Kreisen Cantons hervorgerufen.
Es wird geglaubt, die Reformer bezweckten mit der Hissuug
der Flagge in Weitschou zu veranlassen, daß Canton von
Truppen entblößt werde, worauf die Reformer dort einen
Aufstand Hervorrufen und die Stadt besetzen wollten.
— Da der Führer der Bewegung als „Reformer" be-
zeichnet wird, so liegt die Annahme nahe, daß es sich um
eine gegen die Mandschu-Dynastie gerichtete Bewegung
handelt.

Deutsches Reich
— Dresdener Blätter klagen darüber, daß die soeben
vom Militär entlassenen Mannschaften keine Arbeit fin-
den können.
Ganze Trupps von Reservisten ziehen von Straße zu Straße
und von Ort zu Ort, um Arbeit zu erhalten, und selbst diejenigen
Mannschaften, die schon lange vor Beendigung der Dienstzeit Ge-
suche bei Behörden um Beschäftigung einreichten, können in den
meisten Fällen nicht berücksichtigt werden. Die Bauthätigkeit liegt
hier und in den großen Vororten fast gänzlich darnieder, und nur
iu seltenen Fällen gelingt es einem jungen Mann, Arbeit auf
einem Neubau zu erhalten. Ueberall hört man von einer Ein-
schränkung der Betriebe. Am meisten fühlbar ist dieser Umstand
bei dem größten Verkehrsinstitut, der Eisenbahn. Dasselbe
Bild zeigt sich auch in den privaten Betrieben — überall keine
Arbeit.
Dazu bemerkt die Tägl- Rdsch.: So allgemein kann
die Arbeitsnoth doch unmöglich sein. Es scheint also die
Organisation des Arbeitsnachweises noch nicht in der
wünschenswerthen Weise geglückt zu sein. Vielleicht trägt
aber der geschilderte Nothstand dazu bei, doch wenigstens
einen Bruchtheil der in die großen Städte strömenden Ar-
beiter auf das Land zurückznführen, wo doch thatsächlich
nicht Arbeitsnoth, sondern Arbcitcrnoth herrscht.
— Ueber das Befinden des Korvettenkapitäns Lans
wird den Bcrl. N. Nachr. aus dem Familienkreise mitge-
theilt, daß bei Abnahme des Gipsverbandcs die Knochcn-
enden noch nicht verwachsen waren. Für 2 bis 3 Monate
wurde wieder ein Gipsverband angelegt; ob mit Aussicht
auf Erfolg, sei leider fraglich.
— Ueber die Ausreise der Truppen-Transport-
Kämpfer nach China liegen folgende letzte Meldungen vor:
Halle (N.D. Lloyd) 11. Oct. von Moji.
Gera (N.D. Lloyd) 11. Oct. in Tsingtau.
Aachen (N.D. Lloyd) 10. Oct. in Shanghai.
H.H.Meier (N.D. Lloyd) 9. Oct. in Taku.
Darmstadt (N.D. Lloyd) 11. Oct. von Tsingtau.
Palatia (Hamb. A.L.) 11. Oct. in Shanghai.
Arcadia (Hamb.A.L.) 12. Oct. von Singapore.
Valdivia (Hamb.A.L.) 12. Oct. von Singapore.
— Die Krankheit der Kaiserin Friedrich hat
schon seit längerer Zeit zu Befürchtungen Veranlassung ge-
geben. Das Leiden datirt nicht erst aus neuerer Zeit.
Man erinnert sich, daß der Kaiser bei seinem Besuche des
Mausoleums am 7. Januar d. I., dem Todestage der
Kaiserin Augusta, den Professor Dr. Renvers, den ärzt-
lichen Direktor des städtischen Krankenhauses in Moabit,
zu einer Unterredung in den Schloßpark von Charlotten-
burg bestellt hatte, und daß Professor Dr. Renvers sich
bald darauf nach Schloß Friedrichshof zur Kaiserin Fried-
rich begab. Das Leiden besteht nach dem Berl. Tagebl.
in einer Erkrankung der Leber. Ein Telegramm der Bad.
Landcsztg. macht folgende Angaben über die Krankheit der
Kaiserin: Neben der allgemeinen nervösen Depression, die
bei dem Temperament der Kaiserin Wittwe zu ganz beson-
ders heftigen Anfällen führt, hat ein Nierenleiden bei
ihr immer weitere Fortschritte gemacht und nunmehr
urämische Zustände im Gefolge. Die Acrzte machen
der Kaiserin noch Hoffnung, die rauhe Jahreszeit im Sü-
den zubringen zu können; es ist aber fraglich, ob die
Acrzte eine Luftveränderung der hohen Kranken nach dem -

Süden überhaupt noch werden gestatten können. — Professor
Renvers ist wieder nach Berlin zurückg'kehrt.
Homburg v. d. H., 13. Okt. Heute Vormittag
9'/, Uhr fuhr ver Kaiser in Begleitung des Bau.aths
Jacobi nach der Saalburg. Nachmittags machte das
Kaiserpaar einen Besuch in Cronberg. Um 6 Uhr kehrte
cs hierher zurück.
Baden. Die Gesammtsumme der im Jahre 1900 im
Großherzogthum Baden festgestellten Kapitalrenten-
steuerkapitalien beträgt, wie der Südd. Reichskorr.
von zuständiger Seite mitgetheilt wird, 1 663 803 180 Mk.;
gegenüber den Rentensteuerkapitalien von 1899 im Betrage
von 1567 739 840 Mk. hat sich mithin eine Zunahme
von 96 063 340 Mk. ergeben. Die Gesammtzahl der
Steuerpflichtigen ist von 66 753 im Vorjahre auf 69 135,
also um 2382 gestiegen. Auf die 24 größeren Städte
des Landes mit über 4000 Einwohnern entfallen
1 182 483 980 Mk. Rentensteuerkapitalien oder 71,07
Prozent obiger Gesammtsumme und 23 735 Steuerpflichtige.
Die Vermehrung der Steuerkapitalien gegenüber dem Vor-
jahre beläuft sich in diesen 24 Städten im Ganzen auf
77 457160 Mk.
— Die Aktiendruckerei in Karlsruhe, welche das
konservative Organ, die Landpost, druckt, hat den Druck
für eigene Rechnung am 30. September eingestellt, so daß
die konservative Partei ihn von da ab auf ihre Rechnung
fortführen ließ. Das Unternehmen soll nun auf eine neue
Grundlage gestellt werden. Die Mittel dafür seien ge-
sichert. Auch eine Neuorganisirung der Partei soll
demnächst erfolgen.
* Es liegt zwar noch keine authentische Mittheilung
darüber vor, ob der engere Ausschuß der national-
liberalen Partei sich in der That für das direkte
Wahlrecht ohne Kautelen entschieden hat, allein
man darf das wohl als richtig anuehmen, denn die Köln.
Ztg. steht es als Thatsache an, daß eine solche Ent-
scheidung erfolgt ist und wendet sich dagegen mit einer
langen und lebhaften Warnung. Das rheinische Blatt
übersieht dabei aber den wahren Thatbestand, oder es
verschleiert ihn, indem es nicht bloß von der direkten oder
indirekten Wahl, sondern auch immer von dem allgemeinen
und gleichen Wahlrecht spricht. Das allgemeine und gleiche
Wahlrecht haben wir; unter solchen Umständen ist es
eigentlich nur eine Formsache, ob wir es direkt oder
indirekt ausüben. Die Frage: „direkt oder indirekt" hat
keine eigentliche sachliche Bedeutung, man sollte also gar
nicht so viel Gewicht darauf legen. Viel wichtiger wäre
es, zu einem Fortschritt in der Ausgestaltung des Wahl-
rechts zu gelangen, indem man, der modernen Auffassung
entsprechend, ihm die Wahlpflicht zur Seite stellte.
Bayern. Tegernsee, 13. Okt. Prinz und Prin-
zessin Ruprecht von Bayern sind heute Vormittag
hier eingetroffen, um den deutschen Kronprinzen in
Bad Kreuth zu besuchen, der dort zur Jagd weilt. Die
Abreise des Kronprinzen ist auf heute Nachmittag fest-
gesetzt.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Revisor bei der Katasterkontrole Philipp Schuhmann zum
Stcuerkommissär ernannt.
— Dem Großh. Steuerkommissär Hermann Hog in Pforz-
heim wurde der Steuerkommissärdtenst Heidelberg-Stadt und
dem Großh. Steuerkommissär Philipp Schuhmann der Steuer-
kommissärdienst Pforzheim-Stadl übertragen.
— Regierungsbaumetster Josef Schwehr in Lörrach ist
zur Wasser-und Straßenbauinspektion Waldshut und Regierungs-
baumeister Theodor Bär in Waldshut zur Wasser- und Straßen-
bauinspektion Lörrach versetzt worden.

Ein Opfer.
Roman von B. Laworra.
Autorisirte Bearbeitung nach dem Englischen.

(Nachdruck verboten.)


Handlung: Die

Einleitung.

dkj>,

^ar'i«r Hütte am Wege.
"'>» Ld,

unsaubere, wenig einladende
Zeit: Acbt Uhr Abends, im

Undurchdringliches Dunkel; unangenehm kalter Regen
chen.ff Stunden in beharrlicher Ausdauer hernieder: fuß-
lj^ie x^r «schmutz aui der Landstraße.

kein Sternenschein — dichter Nebel hüllt

Hatte steht an dem Kreuzungspunkte zweier Bahn-
Kaum einen Steinwurf weit entfernt, gerade dem
^»dx^kenüber, h^ heute Abend ein Eisenbahnunsall statt-
M dx- ,^ Irgend ein Signal war unrichtig gestellt worden,
^riiüchncllzug London war in den Gülcrzug
Hampstead gefahren.
kon','^<len des Zusammenstoßes Hütten noch unheilvoller
, Fast wie ein Wunder erjcheinr es, daß die

^ >n den gefährdeten Wagen größtentbeüs mit so
E>e Verletzungen davon gekommen sind; hier und da
fdk, Quetschungen, Schrammen, ein verstauchtes Hand-

^ Beinbruch. — Die nächste Morgenzeftung, die
> I» über den Unfall bringt, wird nur einen Todes-
^>e 4^6neu haben.
'>>, "i-nTl'Ur der Hütte ist weit geöffnet; ungehindert fällt
Äsi den Fußboden der Küche. Draußen herrscht
^>,1 der u> urcheinonder. Laternen und Fackeln bewegen sich
«hMsx. Bahnlinie hin und her; schrill ertönt die Lokomo-
!?ute Befehle werden von Beamten ertheilt; da-
uorc man ungeduldige Fragen, Klagetöne, eilige

l Fußtritte, ein unaufhörliches hastiges Gehen und Kommen
an der offenen Thür vorüber.
Einige hundert Schritte weiter sieben mehrere kleine
Häuser nebeneinander. Dorthin haben sich die meisten Rei-
senden voll Angst und Aufregung einstweilen geflüchtet.
Hierher in diese armselige Hütte, den nächsten Zufluchts-
ort, hat man nur einen stillen Mann getragen. Ihn stört
nicht die Unsauberkeit der Küche, nicht die dürftige Aus-
stattung des düstern Zimmers, in das man ihn gelegt. Be-
wußtlosigkeit bat barmherzig seine Sinne umschleiert.
Prüfend beugt der junge Arzt, Georg Grävener, sich über
den etwa dreißigjährigen, schwer Verletzten. Er weiß es,
bald, vielleicht in einer Stunde schon, wird er für immer
allem Irdischen entrückt sein.
Jetzt öffnet er die Augen, verwirrt blickt er um sich.
Allmählich weicht die Betäubung, die seine Sinne gefangen
hält, der Blick wird klarer, das Bewußtsein kehrt wieder.
Gespannt schaut er zu dem Arzt auf:
„Gebt es mit mir zu Ende, Doktor?" fragt er.
Jn des jungen Mannes ernstem Gesicht liest er die Ant-
wort. Für einen Augenblick schließt er die Augen, dann
athmet er tief mit hörbarem Röcheln und fragt: .Wie lange
wird es noch dauern?" Während er spricht zieht kein Ge-
sicht sich krampfhaft zusammen, in Schmerz und Todespein,
er vergißt die bange Frage — vergißt für Augenblicke alles
um sich her-
Als er wieder zu sich kommt, beschäftigt ein anderer Ge-
danke seinen Geist.
„Wo ist sie?" fragt er. „Ist sie auch verletzt?"
„War jemand mit Ihnen?"
„I—a! Jetzt erinnere ich mich. — Ich sah sie —
nachher — als sie mich hierher trugen. O. wie ungeschickt
sie waren! Wie sie mich quälten! — Lassen Sie cs nicht zu,
Doktor, daß sie mich wieder berühren! — Ich will nicht
mehr weitergetragen werden."
Wieder schweigt er eine Weile erschöpft von Schmerzen
gepeinigt.

„Ich Hörle sagen, daß sie nur ohnmächtig wäre — nicht
verletzt," beginnt er von neuem. „Wo ist sie? Ich muß
sie sehen."
„Ich will es versuchen, sie herauszufinden. Nennen Sie
mir ihren Namen."
Augenscheinlich ist diese Frage dem Verletzten peinlich, er
stockt; nach einer kleinen Pause antwortet er:
„llrau Lewis."
„Ist sie Ihre Frau?"
Wieder zögert er einen Augenblick mit der Antwort.
„Ja — meine Frau. Fragen Sie nur nach Frau Lewis
— sie wird es schon verstehen. Sagen Sie ihr, daß ich hier
bin, sie möchte zu mir kommen."
Georg Grävener wendet sich um und schreitet nach der
Thür. —
Mit schwacher, heiserer Stimme ruft der Kranke ihn
zurück. „Sagen Sie der armen Kleinen nicht, daß es so
schlecht mit mir steht."
Der Doktor öffnet und schließt dann wieder leise die
Thür und befindet sich nun in der Küche. Auf dem schmalen
Kaminsims steht eine Talgkerze; sie flackert hin und her und
verrinnt in der Zugluft, die durch die offene Thür herein-
strömt. Jn ihrem schwachen, unsichern Scheine kann man
zwei Gestalten erkennen! — die eine, schlank, hoch aufge-
richtet, scheint ein junges Mädchen, die andere, größer, statt-
licher, scheint eine etwas ältere Dame zu sein.
Grävener wirft schnelle, forschende Blicke von der einen
zur anderen und entscheidet, daß keine von ihnen „Frau
Lewis" sein kann. Er durchschreitet den Raum nach der
offenen Thür zu und ist im Begriff in den Regen und die
Dunkelheit hinauszutreten, als eine Stimme ihn veranlaßt,
stehen zu bleiben.
Der Ton, in dem die Worte erklingen, ist ruhig — fast
zu ruhia. Jn einem Augenblick, wie der gegenwärtige, ist
solche Ruhe unnatürlich. Grävener wendet sich schnell um/
Es ist die jüngere Dame, welche zu ihm gesprochen hat.
Seine grauen Äugen beobachteten sie scharf und forschend
 
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