Tage später stellte wan in Peking die Angriffe auf die
Gesandtschaften ein. Die Hoffnung, daß es gelingen werde,
die fremden Teufel in die See zu werfen, hatte sich als
trügerisch erwiesen; man mußte vielmehr mit einem wei-
teren Vordringen der Europäer rechnen, darum unterließ
man die weiteren Angriffe auf die Gesandtschaften.
Herr v. Below hat aber nicht nur Nachricht gegeben,
er hat auch eine solche empfangen. Welcher Art dieselbe
war, wissen wir nicht bestimmt; aber sie hat ihn und die
andern Europäer ermuthigt und gehoben; sie war ihm an-
genehm, denn er dankt für sie. Schon der Umstand, daß
überhaupt eine Nachricht zu ihnen kam, mußte auf die
Europäer belebend wirken.
Wie der deutsche Konsul in Tschifu neuerdings mit-
theilt, ist laut Meldung des Gouverneurs von Schantung
unterm 22. Juli eine weitere Depesche des Konsuls an die
deutsche Gesandtschaft befördert worden. Am Tage vorher
sei eine Depesche der Admiräle von Taku nach Peking be-
fördert worden. So ist der Nachrichtenverkehr wieder in
Gang gekommen und man darf wohl hoffen, bald Näheres
aus Peking zu hören.
Deutsches Reich
— Der Reichsanzeiger schreibt: „Der König von
Italien wurde das Opfer eines fluchwürdigen Verbrechens.
Ueberall im deutschen Reiche erweckt der neue grauenvolle
Ausbruch anarchistischer Mordsucht tiefsten Abscheu gegen
den Thäter und innigste Theilnahme für die Herrscherfamilie
und die Bevölkerung des verbündeten Königreichs Italien.
Das jähe Hinscheiden des edlen Monarchen trifft auch
unser Vaterland als großer und schmerzlicher Verlust. Der
Kaiser und König beweint in dem hohen Entschlafenen einen
treuen und unvergeßlichen Freund und mit der italienischen
Nation trauert an der Bahre ihres geliebten ritterlichen
Königs voll herzlicher Sympathie für den erlauchten Sohn
und Nachfolger das gesammte deutsche Volk".
Bremerhaven, 30. Juli. Der Dampfer der Hamburg-
Amerika-Linie „Sardinia" ging heute Vormittag aus
dem Kaiserhafen in den Vorhafen vom Kaiserhafen und
machte dort fest. Der Transport, aus der ersten Ab-
theilung des ostasiatischen Feldartillerieregiments und der
ersten leichten Munitionscolonne bestehend, traf 11V, Uhr
ein und ging alsbald mit dem Stabe des Feldartillerie-
regiments an Bord. Nachmittags 2 Uhr trat die „Sar-
dinia" die Auslandsreise an. Die Truppen
wechselten Hochrufe mit der Bevölkerung und brachten
rin dreifaches Hurrah auf den Kaiser aus. Während
die Musik die Nationalhymne und Abschiedsweisen spielte.
Baden. Im Hinblick auf die Absicht des Abg. Fieser,
auf die weitere parlamentarische Thätigkeit zu verzichten,
fordert ein badischer Mitarbeiter der Straßb. Post zu recht-
zeitiger Umschau auf, um weitere tüchtige Kräfte
der liberalen Fraktion für die nächste Kammer-
tagung zuzuführen. Er schreibt: Mit der in letzter Zeit
fast zum System erhobenen Uebung, nur Abgeordnete zu
wählen, die in dem betreffenden Wahlbezirk ihren Wohnsitz
haben, muß gebrochen werden; es handelt sich darum, aus
den tüchtigsten Männern des Landes Auswahl zu treffen,
statt bloß lokale Vertreter zu besitzen. Dann wird die
Zweite Kammer wieder wie in den 30er und 40er Jahren
eine Reihe der stolzesten Namen aufzuweisen haben. Es
ist ein alter und nur zu berechtigter Satz, daß man vom
Feinde lernen soll, und dies gilt im vorliegenden Falle
vorzüglich vom Centrum, das jenes Lokalsystem niemals
zur Regel gemacht hat. Wir könnten heute schon eine
stattliche Zahl von Namen nennen, deren Abwesenheit vom
parlamentarischen Leben nur auf's lebhafteste bedauert
werden kann; wir wollen vorerst nur einen nennen, der
gar keiner besonderen Empfehlung bedarf, weil er von so
hervorragender Bedeutung ist, daß er zur Führerschaft der
bis jetzt größten parlamentarischen Fraktion des Landes
wie geschaffen erscheint: Oberbürgermeister Dr. Winterer
in Freiburg. Die ausgesprochene klerikale Mehrheit
der Freiburger Wählerschaft macht es leider unmöglich,
daß dieser bestgeeignete Vertreter der Metropole des Ober-
landes und seiner Universität dort ein Kammermandat er-
halten könnte, um so mehr sollten es sich andere Wahl-
kreise zur Ehre anrechneu, einen solch' hochbegabten Mann
als ihren Vertreter begrüßen zu dürfen. Winterers
Wieoereintritt in die Kammer wäre grade in der gegen-
wärtigen Lage ein unschätzbarer Gewinn, weil er un-
erschütterliche Festigkeit in Behauptung der Rechte des
Staates mit einem versöhnlichen und gerechten Wesen dem
Gegner gegenüber aufs harmonischste zu vereinen weiß.
Heute, wo die Kämpfe der beiden Hauptparteien des
Landes an Heftigkeit vieles verloren haben und versöhn-
liche Naturen in beiden Lagern in größerer Zahl vor-
handen sind, würde Winterers Thätigkeit von segenbringen-
der Wirkung sein.
L.O. Karlsruhe, 29. Juli. Die Konst. Ztg. tritt
in mehreren Artikeln nun ebenfalls für die Einführung des
direkten Wahlrechts ohne Kautelen ein, fordert
aber gleichzeitig Verbesserungen der Wahlordnung,
als welche in Betracht kommen: die Gesammterneuerung
der 2. Kammer nach je 4 Jahren und Wegfall der Stich-
wahlen, vor allem aber die Verhältnißwahl für die fünf
größten Städte des Landes. Dringend sei auch zu wün-
schen, daß die Wahlpflicht gesetzlich festgelegt und die un-
entschuldigte Unterlassung der Stimmabgabe bestraft wird.
Von einer Umgestaltung der 1. Kammer und von einer
Aenderung der Wahlkreiseintheilung — abgesehen von der
Vermehrung der Mandate für die größten badischen Städte —
sollte man vorerst, um die ganze Wahlreform nicht allzu-
sehr zu belasten, absehen.
L.6. Karlsruhe, 29. Juli. Von den 71 Rechts-
praklikanten, welche die 2. juristische Staatsprüfung bestan-
den, haben lt. Bad. Beob. nur 4 die Note „gut", alle
übrigen die Note „genügend" erhalten.
Bayern. München, 30. Juli. Bei der gestrigen
Abs chied sfe ier für das 2. bayerische Bataillon des
4. ostasiatischen Jnfavterrieregiments verabschiedete sich
Prinz Ludwig von dem Bataillon, indem er erklärte,
er hoffe, daß das Bataillon, wenn es Gottes Wille sei, in
nicht zu ferner Zeit heimkehren werde. Es möge zeigen,
daß Bayern in keiner Weise hinter den Anderen zurücksteht.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Es wurden in gleicher Eigenschaft versetzt: Reallehrer
Karl Fath von der Höheren Mädchenschule in Heidelberg an
die Höhere Bürgerschule in Wcinheim, Reallehrer Johann
Kägy von der Höheren Bürgerschule in Weinheim an die Real-
schule in Ladenburg und Reallehrer Christian Götz an der
Realschule in Ladenburg in gleicher Eigenschaft an die Höhere
Mädchenschule in Heidelberg.
— Hauptamtsassistent Friedrich Klug in Wyhlen wurde
zum Grenzkontroleur ernannt
— Hauptamtsassistent Friedrich Weidenhammer beim
Hauptsteueramte Lahr wurde in gleicher Eigenschaft an das
Hauptsteueramt Karlsruhe versetzt.
Ausland.
Frankreich. Paris, 28. Juli. Der Schah von
Persien ist heute Nachmittag hier eingetroffen. Präsident
Loubet, die Präsidenten des Senats und der Deputirten-
kammer und sämmtltche Minister hatten sich zum Empfang
auf dem Nordbahnhofe eingefunden. Als der Schah den
Wagen verließ, wurden von einer Compagnie der Garde
Republicaine militärische Ehren erwiesen; die Musik spielte
die persische Nationalhymne und die Marseillaise. Nach
der Vorstellung des beiderseitigen Gefolges geleitete Loubet
den Schah unter lebhaftem Zurufen der Menge im Wagen,
dem eine Cavallerieabtheilung voraufritt, zum Palast der
Souveräne. Bald darauf stattete der Schah dem Präsi-
denten einen Besuch im Elysse ab.
Paris, 30. Juli. Heule Mittag verbreitete sich das
Gerücht, in der Ausstellung sei ein Mordanschlag auf
den Schah von Persien versucht worden. Die Nach-
richt erregte um so größeres Aufsehen, als eben erst die
Ermordung des Königs von Italien bekannt geworden
war. Als der Schah aus der persischen Abtheilung heraus-
lrat, bemerkte ein Beamter der Ausstellungscommission zwei
astatische Kleidung tragende Männer, die das gebildete
Spalier zu durchbrechen versuchten. Einer von ihnen hatte
einen Dolch in der Hand. Als die Polizei herantrat,
flüchtete der eine. Er wurde festgenommen und vor den
Polizeicommissär geführt, wo er erklärte, Araman Puadi
zu heißen und der persischen Theatertruppe anzugehöreu,
die auf der Ausstellung spielte. Er bestritt lebhaft, irgend
welche böse Absicht gehabt zu haben, habe vielmehr dem
Schah eine Schrift überreichen wollen, die diesen auf die
schlechte Lage seiner Theatertruppe aufmerksam mache. Der
Mann wurde in Untersuchungshaft abgeführt
Die Länge der badischen Landtagssessionen.
Es wird in den badischen Blättern jetzt ziemlich viel
über die Reform des Landtagswahlrechts gesprochen. So
wie die Dinge liegen, haben diese Erörterungen indessen wenig
Werth. Sollen die Unbequemlichkeiten, die mit der in-
direkten Wahl verbunden sind, beseitigt werden, so soll
nach dem Willen der Regierung und der ersten Kammer auch
den Schäden einigermaßen vorgebeugt werden, die aus der
allgemeinen und gleichen Wahl der Wohlfahrt des Landes
erwachsen oder erwachsen können.
Wir wollen deshalb hier von einer andern Reform
sprechen, durch die ein Uebelstanü beseitigt werden könnte,
der sich von Jahr zu Jahr unangenehmer fühlbar macht:
das ist die Länge der L a n d ta gs se s sio n e n.
Es unterliegt für den Kenner keinem Zweifel, daß die
Aufnahmsfähigkeit des Publikums für parlamentarische
Verhandlungen in den letzten Jahren sehr nachgelassen hat.
Während die Abgeordneten darüber jammern, daß ihre
Reden in den Blättern nicht ausführlich genug wieder-
gegeben werden, fangen die Leser nach und nach an, gegen-
über den Parlamentsberichten zu streiken. In der Zeit,
da Landtag und Reichstag zusammen tagen, ist die Noth
und die Klage besonders groß.
Eine Abkürzung der Landtagssession würde
überall als eine große Wohlthat empfunden werden.
Und eS wäre sehr leicht, zu kürzeren Sessionen zu gelangen,
wenn man sich in der Zweiten Kammer nur an den Geist
und den Wortlaut der Geschäftsordnung halten wollte.
Der Hauptgrund für die schier unerträgliche Länge der
Session, über die jeweils geklagt wird, das ist die über-
mäßige Größe der Kommissionen, namentlich der
Budgetkommission. Nach der Geschäftsordnung sollen
die sogen, ständigen Kommissionen gebildet werden aus je
einem von den fünf Abtheilungen bezeichnten Abgeord-
neten und aus einigen vom Hause bestimmten Abgeordneten.
Wie man steht, soll das Plenum des Hauses die Kom-
mission durch Zuwahl nur in geeigneter Weise ergänzen,
statt dessen wählt das Haus eine große Kommission und
dieser treten noch jene fünf von den Abtheilungen Ge-
wählten hinzu. So zählt die Budgetkommission nicht
weniger als siebzehn Mitglieder, d. h. ungefähr ein Drittel
der Mitglieder einer gut besuchten Plenarsitzung. Die
Budgetkommisston bildet förmlich einen Nebenlandtag. Jeder
Abgeordnete möchte der Budgetkommission angehören,
weil er dadurch gleichsam erst vollwerthiger Abgeordneter
wird. Es liegt aber durchaus nicht im Interesse des
Landes, solchen kleinlichen Ehrgeiz zu unterstützen. Würde
die Budgetkommisston statt siebzehn neun Mitglieder zählen,
so würden ihre Berathungen kürzer sein und vor allem
würde man arbeitsfähige Mitglieder für besondere Kommis-
sionen disponibel haben. So lange jetzt die Budgetkommission
tagt, bleiben die eigentlichen Gesetzesvorlagen unberathen
und unerledigt. Gegen Schluß des Landtages muß das
dann im Galopp nachgeholt werden. Da gibt es dann,
wie auch dieses Mal, eine böse Ueberhastung. Wozu ist
cs überhaupt nöthig, daß das ganze Budget der Kom-
mission überwiesen wird? Daß dort solche Titel, die auf
Landesgesetz oder auf Reichsgesetz beruhen, Jahr für Jahr
wiedergekäut werden und daß darüber gar noch ein schrift-
licher Bericht erstattet wird, ist doch wirklich ein Luxus,
ist in Wahrheit eine unverantwortliche Zeitverschwsndnng.
Also, man vermindere die Zahl der Mitglieder der
Budgetkommission (und auch der anderen ständigen Kom-
missionen), man überweise der Budgetkommission nur die
wichtigeren Theile des Budgets und man wird einen
kürzeren Landtag haben.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 31. Juli.
** Se. Kgl. Hoh. Prinz Georg von Preußen mit Gefolge
ist mittelst Sonderzuges von EmS über Frankfurt vergangene
Nacht 11.6 Uhr hier eingetroffen und im Hotel Victoria ab-
gestiegen.
A Heidelberger Konservatorium, Schluhaufführung. Zum
Schluß des Sommerhalbjahrs fand letzten Freitag im kleinen
Saal des Saalbaues eine Schüleraufführung statt, die einen
höchst erfreulichen Ueberblick über die Fortschritte, welche die
junge Anstalt und ihre Schüler machen, bot. Die Orchesterklasse,
birigtrt von Hrn. Seelig, eröffncte den Reigen der Darbietungen
mit einer recht wohl gelungenen Wiedergabe der Holbergsuite
von Ed. Grieg. Sowohl hier, wie in dem zum Schluffe ge-
spielten 6-moll-Klavierkonzert von F. Mendelssohn-Bartholdy,
wo das Orchester Frl. C. v. Könitz begleitete, überraschte dessen
vorzüglich: Schulung. Die oft recht schwierigen Einsätze gelangen
tadellos und es war ein so frischer und sicherer Zug in de«
Zusammenspiel, wie man ihn bei Schülern und Dilettanten selten
findet. Die Orchesterklasse bietet für bereits vorgeschrittene Mu-
siker eine vorzügliche Gelegenheit, sich für Trio. Quartett und
ähnliches Zusammenspiel zu schulen. Fil. v. Könitz erwies sich
in dem Mendelssohn'fchen Klavierkonzert als eine tüchtige Kla-
vierspielerin von großer technischer Fertigkeit und guter musikali-
scher Auffassung. In den übrigen Nummern des Programms
kamen sämmtltche Abtheilungen der Schule zu Worte. Neben
zwei Frauenchören, von Hallen und Schubert, die von den
Schülerinnen unter der Direktion des Herrn Real recht sauber,
wenn auch etwas zaghaft, gesungen wurden — ein wenig
Lampenfieber giebt es ja immer — kam die Gesangschule in F-
Mendelssohns Rezitativ und Arie aus Paulus „Doch der Herr",
gesungen von Frl. E. Schlick, und in zwei Liedern von Jadas-
sohn und A. v. Fielitz, frisch und gefällig von Frl. E. Wolfs
vorgetragen, vortheilhaft zur Geltung. I. I. Bach's Adagio
und Allabreve aus der Sonate für zwei Violinen mit Klavier
zeigte die Ausbildung der Geiger im günstigsten Lichte, und die
Klavierstücke, Fr. Schubert, zwei Märsche für Klavier zu vier
Händen, W. A. Mozart, Fantasie 6-moll für Klavier, I. S.
Bach^l. Satz aus der O-moll-Partita für Klavier, Fr. Schubert
II. Satz aus der 4,-moll-Sonate für Klavier und endlich das
schon erwähnte Mendelssohn'sche Klavierkonzert S-moll, gaben
die Gelegenheit, dem Lehrgang der Schule im Klavierspicl von
den Anfängen bis zu den obersten Kursen zu folgen. Schöner
weicher Anschlag, saubere Ausarbeitung unter voller Berücksich-
tigung des musikalischen Inhalts, systematisches Fortschreiten an
der Hand bewährten Lehrmaterials sind die Vorzüge der von den
Direktoren Seelig und Real angewendeten Lehrmethode. Die
Schule gewinnt durch die rastlose Thätigkeit der Direktoren mehr
und mehr an Boden, so daß es wohl nicht mehr lange dauern
dürfte, daß sie auch an Schülerzahl andern Konservatorien eben-
bürtig zur Seite steht.
Der Heidelberger Ruder-Klub feiert am 4.. 5. u. 6. August
sein fünfundzwanztgjährtges Stiftungsfest. Das
Programm weist folgende Hauptpunkte auf: Samstag, 4. August,
Abends 9 Uhr: Zwanglose Zusammenkunft im Casö Wachte:.
Sonntag Vormittag: Frühschoppen-rionzert im Rodensteincr-
Nachmittags 3 Uhr: 1. Wettfahrten der Klubmitglieder. 2. Ächter-
Rennen mit ausgeloosten Mannschaften. 3. Nautische Spiele.
Der Festplatz befindet sich am Bootshaus unterhalb der neuen
Brücke. Abends: Festkommers in der Harmonie. Montag Nach-
mittag: Ausflug nach Ziegelhausen. Gemeinschaftliches Abend-
essen im „Adler" dortselbst. Abends 10 Uhr: Rückfahrt zu Schiff-
* Soiröe Niuoff. In der zweiten Hälfte des August wird
der Gedankenleser Herr Ninoff hier im Saalbau eine oder zwtt
Soiröen geben. Herr Ninoff ist der berühmteste Gedanken-
leser und in seinen Produktionen jedenfalls nicht zu übertreffen-
Von einer Privatvorstellung, die Herr Ninoff in der Redaktion
des skeptisch gesinnten Köln. Tagebl. gab, erzählt dieses: Mn
verbundenen Augen — eine Serviette war schnell herbeigeschafft
suchte und fand er ein Stück Geld, welches sich einer der An-
wesenden gedacht hatte und bezeichnet- mit absoluter Sicherheit
die Landesherkunft und Jahreszahl der Münze. Dann ersuchte
er einen Herrn, in dem Bücherschrank ein bestimmtes Buch nick'
etwa anzufassen, sondern nur zu merken; als dies geschehen, be-
durfte es für Herrn Ninoff nur eines Augenblicks, um das g^
dachte Buch aus dem Regal zu ziehen und dessen Titel nebst
Erscheinungsjahr anzugeben. Zum dritten Experiment bat et
einen der Anwesende», sich einen Herrn aus dem Geschäftsperson«
zu denken, den er denn auch sofort ausfindig machte, obschon et
einen weiten Flur zu durchmessen und mehrere Bureaus S"
passiren hatte. Wenn Herr Cumberland solche und ähnliche Ex-
perimente ausführte, so konnte dies immerhin darin seine theij-
weise Erklärung finden, daß der englische Gedankenleser stets di°
Hand seines „Mediums" festhielt; Herr Ninoff indeß arbeitet
durchaus selbständig, ihm fehlt jeder Kontakt mit der Person -
deren Gedanken er erräth und darin liegt das Geheimnißvolie
nm nicht zu sagen Unheimliche seiner Kunst.
— Unfall. Einem Bierkutscher wurde gestern durch e«
herunterfallendes Eisslück ein Fuß abgeschlagen. Er wurde ins
akadem. Krankenhaus verbracht.
— Polizeibericht. Zur Anzeige kamen zwei Taglöbner wege»
Körperverletzung und sechs andere Personen wegen groben Unfug»'
§ Wieblingen, 31. Juli. Gestern Nachmittag erhängt
sich in der Scheuer der 33jährige ledige Landwirth Wilh. Wackel-
Motiv der That unbekannt.
— Weinheim, 29. Juli. Die hiesige Höhere Bürger-
schule und Bender'sche Anstalt veröffentlicht ihren
Jahresbericht für das Schuljahr 1899/1900. Aus demselben st'
mitgetheilt, daß die Schülerzahl mit den Vorschülern am Schluß'
des Schuljahres 144 beträgt, hiesige 87, auswärtige Badische 3b,
Außerbadische 2S. Die öffentliche Schlußprüfung mit Schluß«'
findet nächsten Dienstag von 8—11 Uhr statt, das neue Sch«'
jahr beginnt am 11. September und zwar wird von da ab d«
Unterricht in das neue Volksschulgebäude bis zur FertigstelluNS
des neuen Realgymnasiums verlegt werden. Zugleich bringt der
Schluß des Schuljahres auch eine Aenderung der bisherige''
Schulverhältnisse insofern, als im kommenden Schuljahr in e>"
anderes Schulsystem übergegangen wird, zunächst mit der Text«
während die übrigen Klassen noch im bisherigen Lehrplan de»
Realgymnasiums weiter geführt werden. Der Vorstand dieser
neuen Schule ist noch nicht ernannt; die Ernennung desselben
sowie weiterer Professoren steht bevor. Ob der bisherige V«
stand, Herr Direktor Bender, seine Privatschule fortbestehen lätzst
darüber hört man immer noch nichts Gewisses. — Der grv.o
Wasserverbrauch in den letzten Tagen hatte zur Folge, daß unst'
Wasserpumpwerk kaum mehr den nöthigen Bedarf liefern könnt-'
trotzdem es Tag und Nacht in Thätigkeit war. — Die Traube
entwickeln sich zusehends, sind bis jetzt gesund und lassen ei»^
vorzüglichen „Neuen" erhoffen. Die Preise früherer Jahrgang
sind daher auch, wie wir hören, jetzt schon zurückgegaugen. ^
Aus der Zahl der Lehrer der hiesigen Volksschule ist ein lie»
werthes Mitglied, Hauptlehrer Reinhard, durch die kalte H"N
des Todes seinem Wirkungskreis entrissen worden; er wur»
diese Woche zu Grabe gebracht. Wie anderwärts, so ko«ü"
auch hier vielfache Kinderkrankheiten und Todesfälle vor.
Gesandtschaften ein. Die Hoffnung, daß es gelingen werde,
die fremden Teufel in die See zu werfen, hatte sich als
trügerisch erwiesen; man mußte vielmehr mit einem wei-
teren Vordringen der Europäer rechnen, darum unterließ
man die weiteren Angriffe auf die Gesandtschaften.
Herr v. Below hat aber nicht nur Nachricht gegeben,
er hat auch eine solche empfangen. Welcher Art dieselbe
war, wissen wir nicht bestimmt; aber sie hat ihn und die
andern Europäer ermuthigt und gehoben; sie war ihm an-
genehm, denn er dankt für sie. Schon der Umstand, daß
überhaupt eine Nachricht zu ihnen kam, mußte auf die
Europäer belebend wirken.
Wie der deutsche Konsul in Tschifu neuerdings mit-
theilt, ist laut Meldung des Gouverneurs von Schantung
unterm 22. Juli eine weitere Depesche des Konsuls an die
deutsche Gesandtschaft befördert worden. Am Tage vorher
sei eine Depesche der Admiräle von Taku nach Peking be-
fördert worden. So ist der Nachrichtenverkehr wieder in
Gang gekommen und man darf wohl hoffen, bald Näheres
aus Peking zu hören.
Deutsches Reich
— Der Reichsanzeiger schreibt: „Der König von
Italien wurde das Opfer eines fluchwürdigen Verbrechens.
Ueberall im deutschen Reiche erweckt der neue grauenvolle
Ausbruch anarchistischer Mordsucht tiefsten Abscheu gegen
den Thäter und innigste Theilnahme für die Herrscherfamilie
und die Bevölkerung des verbündeten Königreichs Italien.
Das jähe Hinscheiden des edlen Monarchen trifft auch
unser Vaterland als großer und schmerzlicher Verlust. Der
Kaiser und König beweint in dem hohen Entschlafenen einen
treuen und unvergeßlichen Freund und mit der italienischen
Nation trauert an der Bahre ihres geliebten ritterlichen
Königs voll herzlicher Sympathie für den erlauchten Sohn
und Nachfolger das gesammte deutsche Volk".
Bremerhaven, 30. Juli. Der Dampfer der Hamburg-
Amerika-Linie „Sardinia" ging heute Vormittag aus
dem Kaiserhafen in den Vorhafen vom Kaiserhafen und
machte dort fest. Der Transport, aus der ersten Ab-
theilung des ostasiatischen Feldartillerieregiments und der
ersten leichten Munitionscolonne bestehend, traf 11V, Uhr
ein und ging alsbald mit dem Stabe des Feldartillerie-
regiments an Bord. Nachmittags 2 Uhr trat die „Sar-
dinia" die Auslandsreise an. Die Truppen
wechselten Hochrufe mit der Bevölkerung und brachten
rin dreifaches Hurrah auf den Kaiser aus. Während
die Musik die Nationalhymne und Abschiedsweisen spielte.
Baden. Im Hinblick auf die Absicht des Abg. Fieser,
auf die weitere parlamentarische Thätigkeit zu verzichten,
fordert ein badischer Mitarbeiter der Straßb. Post zu recht-
zeitiger Umschau auf, um weitere tüchtige Kräfte
der liberalen Fraktion für die nächste Kammer-
tagung zuzuführen. Er schreibt: Mit der in letzter Zeit
fast zum System erhobenen Uebung, nur Abgeordnete zu
wählen, die in dem betreffenden Wahlbezirk ihren Wohnsitz
haben, muß gebrochen werden; es handelt sich darum, aus
den tüchtigsten Männern des Landes Auswahl zu treffen,
statt bloß lokale Vertreter zu besitzen. Dann wird die
Zweite Kammer wieder wie in den 30er und 40er Jahren
eine Reihe der stolzesten Namen aufzuweisen haben. Es
ist ein alter und nur zu berechtigter Satz, daß man vom
Feinde lernen soll, und dies gilt im vorliegenden Falle
vorzüglich vom Centrum, das jenes Lokalsystem niemals
zur Regel gemacht hat. Wir könnten heute schon eine
stattliche Zahl von Namen nennen, deren Abwesenheit vom
parlamentarischen Leben nur auf's lebhafteste bedauert
werden kann; wir wollen vorerst nur einen nennen, der
gar keiner besonderen Empfehlung bedarf, weil er von so
hervorragender Bedeutung ist, daß er zur Führerschaft der
bis jetzt größten parlamentarischen Fraktion des Landes
wie geschaffen erscheint: Oberbürgermeister Dr. Winterer
in Freiburg. Die ausgesprochene klerikale Mehrheit
der Freiburger Wählerschaft macht es leider unmöglich,
daß dieser bestgeeignete Vertreter der Metropole des Ober-
landes und seiner Universität dort ein Kammermandat er-
halten könnte, um so mehr sollten es sich andere Wahl-
kreise zur Ehre anrechneu, einen solch' hochbegabten Mann
als ihren Vertreter begrüßen zu dürfen. Winterers
Wieoereintritt in die Kammer wäre grade in der gegen-
wärtigen Lage ein unschätzbarer Gewinn, weil er un-
erschütterliche Festigkeit in Behauptung der Rechte des
Staates mit einem versöhnlichen und gerechten Wesen dem
Gegner gegenüber aufs harmonischste zu vereinen weiß.
Heute, wo die Kämpfe der beiden Hauptparteien des
Landes an Heftigkeit vieles verloren haben und versöhn-
liche Naturen in beiden Lagern in größerer Zahl vor-
handen sind, würde Winterers Thätigkeit von segenbringen-
der Wirkung sein.
L.O. Karlsruhe, 29. Juli. Die Konst. Ztg. tritt
in mehreren Artikeln nun ebenfalls für die Einführung des
direkten Wahlrechts ohne Kautelen ein, fordert
aber gleichzeitig Verbesserungen der Wahlordnung,
als welche in Betracht kommen: die Gesammterneuerung
der 2. Kammer nach je 4 Jahren und Wegfall der Stich-
wahlen, vor allem aber die Verhältnißwahl für die fünf
größten Städte des Landes. Dringend sei auch zu wün-
schen, daß die Wahlpflicht gesetzlich festgelegt und die un-
entschuldigte Unterlassung der Stimmabgabe bestraft wird.
Von einer Umgestaltung der 1. Kammer und von einer
Aenderung der Wahlkreiseintheilung — abgesehen von der
Vermehrung der Mandate für die größten badischen Städte —
sollte man vorerst, um die ganze Wahlreform nicht allzu-
sehr zu belasten, absehen.
L.6. Karlsruhe, 29. Juli. Von den 71 Rechts-
praklikanten, welche die 2. juristische Staatsprüfung bestan-
den, haben lt. Bad. Beob. nur 4 die Note „gut", alle
übrigen die Note „genügend" erhalten.
Bayern. München, 30. Juli. Bei der gestrigen
Abs chied sfe ier für das 2. bayerische Bataillon des
4. ostasiatischen Jnfavterrieregiments verabschiedete sich
Prinz Ludwig von dem Bataillon, indem er erklärte,
er hoffe, daß das Bataillon, wenn es Gottes Wille sei, in
nicht zu ferner Zeit heimkehren werde. Es möge zeigen,
daß Bayern in keiner Weise hinter den Anderen zurücksteht.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Es wurden in gleicher Eigenschaft versetzt: Reallehrer
Karl Fath von der Höheren Mädchenschule in Heidelberg an
die Höhere Bürgerschule in Wcinheim, Reallehrer Johann
Kägy von der Höheren Bürgerschule in Weinheim an die Real-
schule in Ladenburg und Reallehrer Christian Götz an der
Realschule in Ladenburg in gleicher Eigenschaft an die Höhere
Mädchenschule in Heidelberg.
— Hauptamtsassistent Friedrich Klug in Wyhlen wurde
zum Grenzkontroleur ernannt
— Hauptamtsassistent Friedrich Weidenhammer beim
Hauptsteueramte Lahr wurde in gleicher Eigenschaft an das
Hauptsteueramt Karlsruhe versetzt.
Ausland.
Frankreich. Paris, 28. Juli. Der Schah von
Persien ist heute Nachmittag hier eingetroffen. Präsident
Loubet, die Präsidenten des Senats und der Deputirten-
kammer und sämmtltche Minister hatten sich zum Empfang
auf dem Nordbahnhofe eingefunden. Als der Schah den
Wagen verließ, wurden von einer Compagnie der Garde
Republicaine militärische Ehren erwiesen; die Musik spielte
die persische Nationalhymne und die Marseillaise. Nach
der Vorstellung des beiderseitigen Gefolges geleitete Loubet
den Schah unter lebhaftem Zurufen der Menge im Wagen,
dem eine Cavallerieabtheilung voraufritt, zum Palast der
Souveräne. Bald darauf stattete der Schah dem Präsi-
denten einen Besuch im Elysse ab.
Paris, 30. Juli. Heule Mittag verbreitete sich das
Gerücht, in der Ausstellung sei ein Mordanschlag auf
den Schah von Persien versucht worden. Die Nach-
richt erregte um so größeres Aufsehen, als eben erst die
Ermordung des Königs von Italien bekannt geworden
war. Als der Schah aus der persischen Abtheilung heraus-
lrat, bemerkte ein Beamter der Ausstellungscommission zwei
astatische Kleidung tragende Männer, die das gebildete
Spalier zu durchbrechen versuchten. Einer von ihnen hatte
einen Dolch in der Hand. Als die Polizei herantrat,
flüchtete der eine. Er wurde festgenommen und vor den
Polizeicommissär geführt, wo er erklärte, Araman Puadi
zu heißen und der persischen Theatertruppe anzugehöreu,
die auf der Ausstellung spielte. Er bestritt lebhaft, irgend
welche böse Absicht gehabt zu haben, habe vielmehr dem
Schah eine Schrift überreichen wollen, die diesen auf die
schlechte Lage seiner Theatertruppe aufmerksam mache. Der
Mann wurde in Untersuchungshaft abgeführt
Die Länge der badischen Landtagssessionen.
Es wird in den badischen Blättern jetzt ziemlich viel
über die Reform des Landtagswahlrechts gesprochen. So
wie die Dinge liegen, haben diese Erörterungen indessen wenig
Werth. Sollen die Unbequemlichkeiten, die mit der in-
direkten Wahl verbunden sind, beseitigt werden, so soll
nach dem Willen der Regierung und der ersten Kammer auch
den Schäden einigermaßen vorgebeugt werden, die aus der
allgemeinen und gleichen Wahl der Wohlfahrt des Landes
erwachsen oder erwachsen können.
Wir wollen deshalb hier von einer andern Reform
sprechen, durch die ein Uebelstanü beseitigt werden könnte,
der sich von Jahr zu Jahr unangenehmer fühlbar macht:
das ist die Länge der L a n d ta gs se s sio n e n.
Es unterliegt für den Kenner keinem Zweifel, daß die
Aufnahmsfähigkeit des Publikums für parlamentarische
Verhandlungen in den letzten Jahren sehr nachgelassen hat.
Während die Abgeordneten darüber jammern, daß ihre
Reden in den Blättern nicht ausführlich genug wieder-
gegeben werden, fangen die Leser nach und nach an, gegen-
über den Parlamentsberichten zu streiken. In der Zeit,
da Landtag und Reichstag zusammen tagen, ist die Noth
und die Klage besonders groß.
Eine Abkürzung der Landtagssession würde
überall als eine große Wohlthat empfunden werden.
Und eS wäre sehr leicht, zu kürzeren Sessionen zu gelangen,
wenn man sich in der Zweiten Kammer nur an den Geist
und den Wortlaut der Geschäftsordnung halten wollte.
Der Hauptgrund für die schier unerträgliche Länge der
Session, über die jeweils geklagt wird, das ist die über-
mäßige Größe der Kommissionen, namentlich der
Budgetkommission. Nach der Geschäftsordnung sollen
die sogen, ständigen Kommissionen gebildet werden aus je
einem von den fünf Abtheilungen bezeichnten Abgeord-
neten und aus einigen vom Hause bestimmten Abgeordneten.
Wie man steht, soll das Plenum des Hauses die Kom-
mission durch Zuwahl nur in geeigneter Weise ergänzen,
statt dessen wählt das Haus eine große Kommission und
dieser treten noch jene fünf von den Abtheilungen Ge-
wählten hinzu. So zählt die Budgetkommission nicht
weniger als siebzehn Mitglieder, d. h. ungefähr ein Drittel
der Mitglieder einer gut besuchten Plenarsitzung. Die
Budgetkommisston bildet förmlich einen Nebenlandtag. Jeder
Abgeordnete möchte der Budgetkommission angehören,
weil er dadurch gleichsam erst vollwerthiger Abgeordneter
wird. Es liegt aber durchaus nicht im Interesse des
Landes, solchen kleinlichen Ehrgeiz zu unterstützen. Würde
die Budgetkommisston statt siebzehn neun Mitglieder zählen,
so würden ihre Berathungen kürzer sein und vor allem
würde man arbeitsfähige Mitglieder für besondere Kommis-
sionen disponibel haben. So lange jetzt die Budgetkommission
tagt, bleiben die eigentlichen Gesetzesvorlagen unberathen
und unerledigt. Gegen Schluß des Landtages muß das
dann im Galopp nachgeholt werden. Da gibt es dann,
wie auch dieses Mal, eine böse Ueberhastung. Wozu ist
cs überhaupt nöthig, daß das ganze Budget der Kom-
mission überwiesen wird? Daß dort solche Titel, die auf
Landesgesetz oder auf Reichsgesetz beruhen, Jahr für Jahr
wiedergekäut werden und daß darüber gar noch ein schrift-
licher Bericht erstattet wird, ist doch wirklich ein Luxus,
ist in Wahrheit eine unverantwortliche Zeitverschwsndnng.
Also, man vermindere die Zahl der Mitglieder der
Budgetkommission (und auch der anderen ständigen Kom-
missionen), man überweise der Budgetkommission nur die
wichtigeren Theile des Budgets und man wird einen
kürzeren Landtag haben.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 31. Juli.
** Se. Kgl. Hoh. Prinz Georg von Preußen mit Gefolge
ist mittelst Sonderzuges von EmS über Frankfurt vergangene
Nacht 11.6 Uhr hier eingetroffen und im Hotel Victoria ab-
gestiegen.
A Heidelberger Konservatorium, Schluhaufführung. Zum
Schluß des Sommerhalbjahrs fand letzten Freitag im kleinen
Saal des Saalbaues eine Schüleraufführung statt, die einen
höchst erfreulichen Ueberblick über die Fortschritte, welche die
junge Anstalt und ihre Schüler machen, bot. Die Orchesterklasse,
birigtrt von Hrn. Seelig, eröffncte den Reigen der Darbietungen
mit einer recht wohl gelungenen Wiedergabe der Holbergsuite
von Ed. Grieg. Sowohl hier, wie in dem zum Schluffe ge-
spielten 6-moll-Klavierkonzert von F. Mendelssohn-Bartholdy,
wo das Orchester Frl. C. v. Könitz begleitete, überraschte dessen
vorzüglich: Schulung. Die oft recht schwierigen Einsätze gelangen
tadellos und es war ein so frischer und sicherer Zug in de«
Zusammenspiel, wie man ihn bei Schülern und Dilettanten selten
findet. Die Orchesterklasse bietet für bereits vorgeschrittene Mu-
siker eine vorzügliche Gelegenheit, sich für Trio. Quartett und
ähnliches Zusammenspiel zu schulen. Fil. v. Könitz erwies sich
in dem Mendelssohn'fchen Klavierkonzert als eine tüchtige Kla-
vierspielerin von großer technischer Fertigkeit und guter musikali-
scher Auffassung. In den übrigen Nummern des Programms
kamen sämmtltche Abtheilungen der Schule zu Worte. Neben
zwei Frauenchören, von Hallen und Schubert, die von den
Schülerinnen unter der Direktion des Herrn Real recht sauber,
wenn auch etwas zaghaft, gesungen wurden — ein wenig
Lampenfieber giebt es ja immer — kam die Gesangschule in F-
Mendelssohns Rezitativ und Arie aus Paulus „Doch der Herr",
gesungen von Frl. E. Schlick, und in zwei Liedern von Jadas-
sohn und A. v. Fielitz, frisch und gefällig von Frl. E. Wolfs
vorgetragen, vortheilhaft zur Geltung. I. I. Bach's Adagio
und Allabreve aus der Sonate für zwei Violinen mit Klavier
zeigte die Ausbildung der Geiger im günstigsten Lichte, und die
Klavierstücke, Fr. Schubert, zwei Märsche für Klavier zu vier
Händen, W. A. Mozart, Fantasie 6-moll für Klavier, I. S.
Bach^l. Satz aus der O-moll-Partita für Klavier, Fr. Schubert
II. Satz aus der 4,-moll-Sonate für Klavier und endlich das
schon erwähnte Mendelssohn'sche Klavierkonzert S-moll, gaben
die Gelegenheit, dem Lehrgang der Schule im Klavierspicl von
den Anfängen bis zu den obersten Kursen zu folgen. Schöner
weicher Anschlag, saubere Ausarbeitung unter voller Berücksich-
tigung des musikalischen Inhalts, systematisches Fortschreiten an
der Hand bewährten Lehrmaterials sind die Vorzüge der von den
Direktoren Seelig und Real angewendeten Lehrmethode. Die
Schule gewinnt durch die rastlose Thätigkeit der Direktoren mehr
und mehr an Boden, so daß es wohl nicht mehr lange dauern
dürfte, daß sie auch an Schülerzahl andern Konservatorien eben-
bürtig zur Seite steht.
Der Heidelberger Ruder-Klub feiert am 4.. 5. u. 6. August
sein fünfundzwanztgjährtges Stiftungsfest. Das
Programm weist folgende Hauptpunkte auf: Samstag, 4. August,
Abends 9 Uhr: Zwanglose Zusammenkunft im Casö Wachte:.
Sonntag Vormittag: Frühschoppen-rionzert im Rodensteincr-
Nachmittags 3 Uhr: 1. Wettfahrten der Klubmitglieder. 2. Ächter-
Rennen mit ausgeloosten Mannschaften. 3. Nautische Spiele.
Der Festplatz befindet sich am Bootshaus unterhalb der neuen
Brücke. Abends: Festkommers in der Harmonie. Montag Nach-
mittag: Ausflug nach Ziegelhausen. Gemeinschaftliches Abend-
essen im „Adler" dortselbst. Abends 10 Uhr: Rückfahrt zu Schiff-
* Soiröe Niuoff. In der zweiten Hälfte des August wird
der Gedankenleser Herr Ninoff hier im Saalbau eine oder zwtt
Soiröen geben. Herr Ninoff ist der berühmteste Gedanken-
leser und in seinen Produktionen jedenfalls nicht zu übertreffen-
Von einer Privatvorstellung, die Herr Ninoff in der Redaktion
des skeptisch gesinnten Köln. Tagebl. gab, erzählt dieses: Mn
verbundenen Augen — eine Serviette war schnell herbeigeschafft
suchte und fand er ein Stück Geld, welches sich einer der An-
wesenden gedacht hatte und bezeichnet- mit absoluter Sicherheit
die Landesherkunft und Jahreszahl der Münze. Dann ersuchte
er einen Herrn, in dem Bücherschrank ein bestimmtes Buch nick'
etwa anzufassen, sondern nur zu merken; als dies geschehen, be-
durfte es für Herrn Ninoff nur eines Augenblicks, um das g^
dachte Buch aus dem Regal zu ziehen und dessen Titel nebst
Erscheinungsjahr anzugeben. Zum dritten Experiment bat et
einen der Anwesende», sich einen Herrn aus dem Geschäftsperson«
zu denken, den er denn auch sofort ausfindig machte, obschon et
einen weiten Flur zu durchmessen und mehrere Bureaus S"
passiren hatte. Wenn Herr Cumberland solche und ähnliche Ex-
perimente ausführte, so konnte dies immerhin darin seine theij-
weise Erklärung finden, daß der englische Gedankenleser stets di°
Hand seines „Mediums" festhielt; Herr Ninoff indeß arbeitet
durchaus selbständig, ihm fehlt jeder Kontakt mit der Person -
deren Gedanken er erräth und darin liegt das Geheimnißvolie
nm nicht zu sagen Unheimliche seiner Kunst.
— Unfall. Einem Bierkutscher wurde gestern durch e«
herunterfallendes Eisslück ein Fuß abgeschlagen. Er wurde ins
akadem. Krankenhaus verbracht.
— Polizeibericht. Zur Anzeige kamen zwei Taglöbner wege»
Körperverletzung und sechs andere Personen wegen groben Unfug»'
§ Wieblingen, 31. Juli. Gestern Nachmittag erhängt
sich in der Scheuer der 33jährige ledige Landwirth Wilh. Wackel-
Motiv der That unbekannt.
— Weinheim, 29. Juli. Die hiesige Höhere Bürger-
schule und Bender'sche Anstalt veröffentlicht ihren
Jahresbericht für das Schuljahr 1899/1900. Aus demselben st'
mitgetheilt, daß die Schülerzahl mit den Vorschülern am Schluß'
des Schuljahres 144 beträgt, hiesige 87, auswärtige Badische 3b,
Außerbadische 2S. Die öffentliche Schlußprüfung mit Schluß«'
findet nächsten Dienstag von 8—11 Uhr statt, das neue Sch«'
jahr beginnt am 11. September und zwar wird von da ab d«
Unterricht in das neue Volksschulgebäude bis zur FertigstelluNS
des neuen Realgymnasiums verlegt werden. Zugleich bringt der
Schluß des Schuljahres auch eine Aenderung der bisherige''
Schulverhältnisse insofern, als im kommenden Schuljahr in e>"
anderes Schulsystem übergegangen wird, zunächst mit der Text«
während die übrigen Klassen noch im bisherigen Lehrplan de»
Realgymnasiums weiter geführt werden. Der Vorstand dieser
neuen Schule ist noch nicht ernannt; die Ernennung desselben
sowie weiterer Professoren steht bevor. Ob der bisherige V«
stand, Herr Direktor Bender, seine Privatschule fortbestehen lätzst
darüber hört man immer noch nichts Gewisses. — Der grv.o
Wasserverbrauch in den letzten Tagen hatte zur Folge, daß unst'
Wasserpumpwerk kaum mehr den nöthigen Bedarf liefern könnt-'
trotzdem es Tag und Nacht in Thätigkeit war. — Die Traube
entwickeln sich zusehends, sind bis jetzt gesund und lassen ei»^
vorzüglichen „Neuen" erhoffen. Die Preise früherer Jahrgang
sind daher auch, wie wir hören, jetzt schon zurückgegaugen. ^
Aus der Zahl der Lehrer der hiesigen Volksschule ist ein lie»
werthes Mitglied, Hauptlehrer Reinhard, durch die kalte H"N
des Todes seinem Wirkungskreis entrissen worden; er wur»
diese Woche zu Grabe gebracht. Wie anderwärts, so ko«ü"
auch hier vielfache Kinderkrankheiten und Todesfälle vor.