müsse, wird durch die vorliegenden, allerdings spärlichen
und nicht absolut zuverlässigen Nachrichten bestätigt. Den
Central News wird aus Shanghai vom 14. ds. gemeldet:
Eine authentische Depesche aus Peking, 7. August, ist
hier eingetroffen, welche lautet: „Die Angriffe auf die
Gesandtschaften sind erneuert, die Lieferung von
Nahrung ist eingestellt." Die Beamten in Shang-
hai fürchten, das Vorrücken der Verbündeten habe die
Fanatiker neu erregt, so daß man die Kontrole über die
Rebellen verloren hat.
Dem Bureau Dalziel wird aus Shanghai gemeldet:
Zahlreiche Berichte, welche Peking, 8. August, datirt
sind und einige Einzelheiten über die Lage dort mittheilen,
sind hier eingelaufen. Darnach hatten die Chinesen
wiederum einen verzweifelten Angriff auf die englische
Gesandtschaft unternommen und dieselbe hätte dann nur
noch wenige Vertheidiger gehabt. Prinz Tuan und un-
gefähr 100 andere hohe Beamte hätten Peking verlassen.
Auf die Nachricht vom Siege der verbündeten Trupven
am 5. August hätte am 7. August ein großerAuszug
aus Peking begonnen, der am 8. August noch im
Gange war. Die Hinrichtung von Mchang Am Huan, der
beim Diamant-Jubiläum China in London vertrat, erregte
einen weit verbreiteten Schrecken unter den Chinesen. Man
glaubt, daß Zulu, der ehemalige Vizekönig von Tschihli,
im Kampfe bei Jangtsun getödtet wurde.
Eine andere Meldung lautet: In Peking läßt Prinz
Tuan jeden hinrichten, der Lebensmittel an die
Fremden liefert oder ihnen Sympathien beweist.
Li-Hung-Tschang, Liukunyih und Tschangtschitung er-
suchten die Kaiscrin-Wittwe in einer Denkschrift, in Peking
zu bleiben und nicht vor den heranrückenden Verbündeten
zu fliehen.
Man nimmt an, daß die Verbündeten inzwischen —
etwa am Abend des 13. ds. — vor Peking an-
gelangt sind. Es wird sich nun fragen, ob die Chinesen
Peking freiwillig öffnen, oder es auf einen Kampf an-
kommen lassen.
Deutsches Reich
— Die nationalliberalen Parteigenossen
von Süddeutschland werden am 2. Sept. Nachm. 3
Uhr in der Nähe der Ludwigshöhe bei Edenkoben zum
Gedächtniß des 30. Jahrestages der Schlacht von Sedan
eine große Fe st Versammlung veranstalten. Die
Festrede wird Dr. Bürklin halten; auch Professor Dr.
Hammerschmidt von Speyer, der Vorsitzende des ersten
pfälzischen Reichstagswahlkreises, wird sich an der Feier
betheiligen, ferner haben bereits viele hervorragende Partei-
führer ihr Erscheinen zugesagt. In Edenkoben hat sich
ein Festausschuß gebildet, welcher die lokalen Arbeiten in
die Hand nimmt. Das Programm ist folgendes: Sonntag,
2. September, Vormittags 8—10 Uhr, Tagung der
nationalen Jugendvereine im „goldenen Schaf", hierauf
Festzug zum Sieges- und Friedensdenkmal auf dem Werder-
berge, daselbst um 11 Uhr Festgottesdienst. Um 12'/^ Uhr
Festessen im „goldenen Schaf" und in anderen Gasthäusern.
Um 2^ Uhr Abmarsch vom Bahnhofplatze zum königlichen
Schlosse Ludwigshöhe. Um 3 Uhr Beginn der Feier. Diese
wird keinen parteipolitischen noch konfessionellen Charakter
tragen, sondern einen allgemein patriotischen, so daß Jeder,
welcher Partei er auch angehören mag, beiwohnen kann.
— Das Militärwochenblatt veröffentlicht die Stellen-
besctzung des Armee-Oberkommandos in Ostasien:
Oberbefehlshaber: Generalfeldmarschall Graf Walders ee.
Chef des Generalstabes: Generalmajor v. Groß, gen.
v. Schwarzhoff, bisher Kommandeur der ersten ost-
astatischen Infanterie-Brigade. Oberquartiermeister: General-
major Frhr. v. Gayl. Generalstab: Oberst Graf Jork
von Wartend urg, bisher Abtheilungschef im Großen
Generalslabe; Major Frhr. v. Mar sch all, bisher im
Großen Generalstabe; Major v. Zitze Witz, bisher im
Großen Generalstabe; Major Frhr. v. Gebsattel, bisher
im königlich bayerischen Gcneralstabe; Hauptmann v. E tz el,
bisher im Generalstabe der Garde-Kavallerie-Division;
Hauptmann Frhr. v. Gemming en-Gutte nb erg,
bisher im königlich württembergischen Generalstabe; Haupt-
mann Loeffler, bisher im sächsischen Generalstabe;
Hauptmann v. d. Gröben, bisher im Gencralstabe des
14. Armeekorps. Dazu Adjutanten, Sanitätsoffiziere
u. s. w.
— Die deutsche Rhederei hat, wie dies in letzter
Zeit mehrfach und mit Recht hervorgehoben worden ist,
durch die Abfertigung des deutschen Expeditionskorps nach
China eine Leistung vollbracht, wie sie von keiner Nation
der Welt in einer gleich kurzen Spanne Zeit und in so
hervorragender Weise gelöst werden kann. Wenn man be-
denkt, daß innerhalb eines Zeitrauines von kaum 14 Tagen
14 erstklassige deutsche Passagierdampfer mit Truppen ab-
gefertigt werden konnten unter gleichzeitiger Mitnahme
aller Munition und des gewaltigen Wagenparkes, sowie
der sonstigen Ausrüstung, so rückt diese Leistung in ein
noch helleres Licht. Von den zur Verwendung gekommenen
Schiffen hat der Norddeutsche Lloyd in Bremen allein
neun Dampfer gestellt, die Hamburg-Amerika-Linie fünf.
Der Umstand, daß unsere beiden größten Rhedereicn im
Stande gewesen sind, eine solche Menge von Schiffen aus
ihrem Betriebe herauszunehmen, ohne daß die fahrplan-
mäßigen Abfertigungen dadurch beeinträchtigt werden, legt
am besten Zeugniß ab von der Bedeutung, welche die
deutsche Handelsschifffahrt erreicht hat.
— Ein China-Freiwilliger ist auf der Fahrt
nach Ostasien gestorben. Es ist dies der Sohn der
Fehleschen Eheleute aus Mögelin, Kreis Westhavelland,
welcher mit dem ersten Truppentransport nach China ging.
Die Eltern sind jetzt von der Militärbehörde benachrichtigt
worden, daß ihr Sohn auf dem Atlantischen Ozean ver-
storben und seine Leiche nach seemännischer Art bestattet
worden sei, das heißt in's Meer versenkt wurde.
Ueber die Ausreise der Truppen-Transport-
dampser nach China liegen folgende letzte Meldungen vor:
Köln
Gera
Sardinia
Straßburg
Aachen
Rhein
Phönicia
(N.D. Lloyd)
(N.D. Lloyd)
(Hamb. A.L.)
(N.D. Lloyd)
(N.D. Lloyd)
(N.D. Lloyd)
(Hamb. A.L.)
11.
14.
14.
14.
14.
14.
10.
Aug.
von Kobe,
von Malta,
in Suez,
in Port-Said,
in Suez,
in Port-Said.
Gibraltar passirt.
Baden. L.O. Karlsruhe, 15. Aug. Die Großh.
Herrschaften treffen voraussichtlich morgen von St.
Moritz auf der Mainau zum Sommeraufenthalt ein.—
Die Bad. Landpost schreibt heute (wiederum in einer Brief-
kastenaotiz): „Lassen Sie den verschiedenen Zeitungen das
Vergnügen, uns tobt zu sagen und sogar schon Leichen-
reden zu halten. Ein Grund zur Beunruhigung besteht wirk-
lich nicht, denn die Landpost geht selbstverständ-
lich nicht ein."
— Als künftige maßgebende Persönlichkeit im nat.-
liberalen Lager, wohl auch als künftigen Führer nennt
der Ortenauer Bote den Reichstagsabgeordneten Bass er-
mann. Dem Beob. scheint diese Aussicht nicht zu be-
hagen, und er äußert sich sehr geringschätzig über den Ein-
fluß Bassermann's, der bis jetzt kein Landtagsmandat be-
itze, aber allerdings bei den nächsten Wahlen eines bekommen
könne.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königl. Hoh. der Großherzog haben den Lehr-
amtspraktikanten Hermann Rösch von Breiten, Dr. Sigmund
Reichenberger von Jöhlingen und Dr. Robert Helbing
von Neckarmühlbach unter Ernennung derselben zu Professoren
je eine etatmäßige Stelle eines wissenschaftlich gebildeten Lehrers,
und zwar elfterem an der Höheren Mädchenschule zu Heidelberg,
den beiden letzteren an der Gymnasialabtheilung der Höheren
Mädchenschule zu Karlsruhe übertragen.
Ausland.
Frankreich. Paris, 15. August. Der Gaulois meldet,
der gestrige Minister rath habe sich für die Er-
nennung des Feldmarschalls Grafen Waldersee zum
Oberbefehlshaber der verbündeten Truppen in China aus-
gesprochen und demgemäß den Wortlaut der zu erteilen-
den Antwort abgefaßt. Der Gaulois fügt hinzu, er be-
trachte diese Antwort als eine einfache Formalität, die
nicht geeignet sei, an den durch die übrigen Mächte schon
vorher getroffenen Vereinbarungen irgend etwas zu ändern.
Der Figaro nimmt Act von den Versicherungen deutscher
Blätter, daß die Autorität Waldersees auf Petschili be-
schränkt bleibe, und meint, daß nunmehr auch vom fran-
zösischen Standpunkt aus keinerlei Einwendungen zu er-
heben seien. (Die Köln. Ztg. berichtet aus Berlin: Die
Antwort der französischen Regierung in Bezug
auf den Oberbefehl des Grafen Waldersee lautet
durchaus zufriedenstellend, sodaß die Frage
des Oberbefehls nunmehr als gelöst betrachtet
werden kann.)
Unsere deutschen Eisenbahnen.
(Ein Weckruf von Professor Arthur Böhtlingk.)
III.
Die Macht der Verhältnisse ist eine so zwingende, daß das
Prinzip des P o stkutsch entartfs, das dem Personen-
tarif zu Grunde gelegt wurde, doch nicht folgerecht durchgeführt
werden konnte. Der erste Stoß wurde demselben versetzt durch
die Rückfahrtkarte. Wer der Bahnverwaltung eine Strecke zum
Voraus zweimal abnahm, also die doppelte Anzahl Kilometer,
erhielt einen so namhaften Rabatt, daß bald mehr Rückfahrt-
karten als einfache gelöst wurden. Dann kam das Rundreiseheft,
welches auch Demjenigen, der über 600 Kilometer auf einmal
kaufte und sich zugleich durch eine vorher bestimmte Route binden
ließ, ebenfalls einen namhaften Rabatt gewährte. Derartige
Rundreisehefte oder Karten sind dann auch für kleinere Touren
ausgetistelt worden. Dann kamen Sonntagskarten, welche mit
dem Kilometersystem bereits so radikal brachen, daß nur die Hin-
fahrt verrechnet wurde und die Rückfahrt nichts kostete. Dann
die Arbeiteckarten, die Fahrscheinbücher, dazu die Jayres- und
Monatsbillete, welche zu einer beliebigen Anzahl Fahrten auf
einer bestimmten Strecke berechtigten u. s. w. u. s. w. Bis end-
lich, nach dem Vorgänge von Belgien, man sich wenigstens in
Württemberg zu der 14tägigen Landeskarte aufschwang, welche
dem glücklichen Inhaber für diese Zeit das gesammte Bahnnetz
zu Verfügung stellt, ohne daß Jemand darnach fragte, ob er ein
oder zehn Tausend Kilometer abfährt unv dieses zwar, da zu-
gleich die dritte Klasse in alle Schnellzüge (mit alleiniger Aus-
nähme des Orientexpreß, der einer ausländischen Privatgesell-
schaft gehört) eingestellt worden ist, in beliebigem Zage, für
20 Mark.
Ist es zu verwundern, daß in deutschen Landen nur noch ein
verhältnißmäßig geringer Bruchtheil anders als auf Grund von
„Ausnahmetarifen" fährt?
Wenn die Eisenbahnverwaltungcn, um sich den selbstverschul-
deten nachgerade schier unerträglichen Weichselzopf vom Halse zu
schaffen, seit Jahrzehnten von einer „Vereinfachung" der Personcn-
tarife träumen, so hat man bisher selbst in den ministeriellen
Bureaus an der Spree eine derartige „Reform" nicht zu planen
gewagt, ohne zugleich die schon 1866 in der Verfassung des
Norddeutschen Bundes und 1871 wieder in derjenigen des deut-
schen Reiches von Bismarck vorgesehene „Verbilligung" in
Angriff zu nehmen- Minister Maybach hat demgemäß schon vor
einem Jahrzehnt und länger, anstatt der derzeitigen 2, 4, 6 und
8 Pfennige für den Kilometer vierter, dritter, zweiter und erster
Klaffe, den Satz von 1, 2, 4, 6 Pfennigen in Vorschlag gebracht
gehabt; was für die dritte und vierte Klasse zwar eine Verbilli-
gung von SO Procent bedeuten würde, allein trotzdem, da noch
immer Kilometer für Kilometer verrechnet und der Schnellzugs-
zuschlag beibehalten werden sollte, nur einen bescheidenen Schritt
vorwärts bedeutete. Sein Nachfolger, Exccllenz v. Thielen, aber
hat es glücklich fertig gebracht, das „im Zeichen des Verkehrs"
neuaufgehende Jahrhundert damit einzuleiten, daß er selbst diesen
Schritt vorwärts im Schneckengang verpönt. Schon am 21. März
1898 hatte dieser preußische „Verkehrs"-Minister, der zweifellos
als exemplarisches Fossil auf die Nachwelt kommen wird, nicht
weniger als viermal in der nämlichen Rede verkündet, daß er
„eine erhebliche Ermäßigung der Personentarife als ein Be-
dürfniß nicht anerkennen könne". Dieser noch im vergangenen
Jahrhundert eingenommene Standpunkt dünkt Seiner Excellenz
heute, da ihm die über das neue Jahrhundert ausgehende Sonne
äuf jeder Postkarte in die Augen sticht, bereits ein veralteter.
Im Frühjahr 1900 vermag er nicht nur kein Bedürfniß nach
„erheblicher" Ermäßigung der Personentarife, sondern überhaupt
ein Bedürfniß nach irgend welcher Ermäßigung nicht anzu-
erkennen. Im Gegentheil: sollen die Tarifsätze geändert werden,
so kann, nach Exc. v. Thielen, nur noch von einer Erhöhung
derselben die Rede sein. Das Ideal, welches Seiner Excellenz
vorschwebt, ist offenbar die möglichst „ausnahmslose" Wieder-
herstellung des Postkutschentarifs, in welches Heiligthum
vor einem Menschenaltcr und länger die Rückfahrtkarien und
Rundreiseheftc so böse Bresche zu legen begonnen haben. Diese
ketzerischen Eindringlinge müssen daher beseitigt werden. Oder
vielmehr: Wer, sobald er eine Rück- oder Rundreise vorhat, der
Eisenbahnkasse die ganze Strecke voraus bezahlen will, selbst
auf die Gefahr hin, die ihm gesetzte Frist zu derselben nicht ein-
halten zu können und in Folge dessen eine bezahlte Strecke noch
einmal zu bezahlen, der soll nach wie vor Rückfahrt und Rund-
reisekarte am Schalter lösen können, nur daß der bisherige Ra-
batt in Wegfall kommt! Falls Seiner Excellenz wirklich ver-
gönnt sein sollte, diese Großthat zu begehen, wie viele derartige
„Ideal-Reisende" dürften wohl ihm dte en Gefallen erweisen?
vm Bundestag deutscher Gastwirthe.
o Heidelberg, 16 Aug.
Die Sterbe ka sse des Bundes deutscher Gastwirthe hielt
gestern im Saale des Gasthofs „Prinz Max" ihre VIII, ordentliche
Generalversammlung ab. Der Präsident der Sterbekasse, Herr
Haust- Darmstadt, eröffnete die Versammlung und erlheilte nach
Prüfung und Richtigbefinden der Vollmachten der Delegirten
der Vereine und nach Aufstellung der Präsenzliste dem Direktor
der Sterbekasse, Herrn R e i n e m e r - Darmstadt, das Wort zum
Rechenschaftsbericht. Aus demselben ging hervor, daß der gegen-
wärtige Stand der Bundes-Sterbekasse ein äußerst günstiger ist,
indem der Reservefond und die Mitgliederzahl eine starke Ver-
mehrung aufweisen, die Zahl der freiwillig Ausgeschiedenen da-
gegen nur sehr gering ist. Auf die Bestätigung des Rechen-
fchastsberichles durch die Revisoren hin wurde derselbe von der
Versammlung einstimmig genehmigt. Hierauf wurde der Neu-
druck der Statuten behandelt und dabei die Einfügung der
früher beschlossenen, sowie redaktioneller und verschiedener sonsti-
ger Aenderungen genehmigt. Nach der Erledigung einiger
interner Fragen wurde zur Ergänzungswahl des geschäftS-
führenden A u f s i ch t sr a t h e s geschritten, die zur Wiederwahl
der ausscheidenüen Herren führte, ferner wurde die vom Auf-
sichtsrath vorgenommene Wahl des Direktors und des Rendanten
bestätigt. Hieran schloß sich die W ah l der Re v isor en, die
gleichfalls als Resultat die Wiederwahl der bisherigen Inhaber
dieser Aemter ergab. Mit der Wahl des Ortes zur Abhaltung
der nächsten ordentlichen Generalversammlung, die auf München
fiel, war das Programm der Versammlung erschöpft. Auf die
Aufforderung des Herrn S ch üß le r-Hanau erhoben sich die
Anwesenden zu Ehren des Aufsichtsralhes und der Direktion von
den Sitzen. Der Vorsitzende dankte im Namen des Vor-
standes für das geschenkte Vertrauen und schloß hierauf die
Versammlung.
Das Vergnügungsprogramm wies gestern Nachm, ein Concert
im Schiff in Neuenheim und Abends ein Concert mit ita-
lienischer Nacht im Bremeneck auf. Die auswärtigen Gast-
wirlhe lernten hierbei zwei Heidelberger WirthschaftSgärten kennen,
deren Größe und günstige Lage allgemein anerkannt wurde.
Bei dem Abendfest im Bremeneck wirkten der Orchesterverein
und unter Leitung des Herrn Mann die drei Gesangvereine
Liederhalle, Eintracht-Heidelberg und Eintrachl-Neuenheim mit.
Die Temperatur am Abend war sehr angenehm, sodaß das Fest
den schönsten Verlauf nahm, was durch mehrere answärtige De-
legirte in Ansprachen vom Musikpavillon aus gerühmt und mit
Hochs auf Heidelberg bekräftigt wurde.
Das Programm für heute weist auf: Schloßbesichtigung, Be-
such der Kellereien von Ueberle Ritzhaupt und Wilh. Geiger;
Nachmittags Fahrt in's Neckarthal mit Endziel Stiftsmühle und
Abends Schloßbcleuchtung.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 16. August.
X Gewerbegerichtsfitzung vom 10. August.
1. I. S. des Schriftsetzers Hermann Köcke gegen Buch-
druckereibesitzer I. Hörning dahier wegen Zahlung einer Ent-
schädigung von 62 Mk. 38 Pfg. in Folge kündigungsloser Ent-
lassung wurde der Kläger mit der erhobenen Klage abgewiesen.
2. I. S. des Schreinergehilfen Karl Heger dahier gegen
Schreinermeister Adolf Bußemer dahier wegen einer Lohnforde-
rung von 17 Mk. 65 Pfg. wurde der Beklagte auf Anerkenntniß
für schuldig erklärt, an den Kläger 12 Mk. 35 Pfg zu bezahlen-
Mit der Mehrforderung wurde der Kläger abgewiesen unter Ver-
füllung in die Kosten,
3. I. S- des Milchkutschers Hermann Fasold gegen Milch-
händler Karl Horch dahier wegen Auflösung des Arbeitsverhält-
nisses wurde der Kläger auf Ausbleiben im Termin mit der
erhobenen Klage abgewieseu.
4. I. S. des Postillon Friedrich Nething gegen K. ManN-
hart Wtw. Lohnkutscherei und Posthalterei wegen Zahlung einer
Entschädigung von 30 Mk. infolge kündigungsloser Entlassung
nahm der Kläger seinen Antrag im Laufe der Verhandlung
wieder zurück.
Ohne Zuzug von Beisitzern wurden vom 1. bis 15. August
l. I. noch folgende Streitfälle erledigt:
5. I. S. des Konditorgehilfen Victor Bürger gegen Konditor
Christian Häberlein dahier wegen Zahlung einer Entschädigung
von 20 Mk. infolge Entlassung ohne Einhaltung der gesetzlichen
Kündigungsfrist bezahlte der Beklagte an den Kläger sofort
6 Mk-, worauf dieser auf die Weiterführung der Klage verzichtete.
6. I. S. des Maurer Richard Kronig gegen Baumeister Martin
Funk dahier wegen einer Lohnforderung von 1 Mk. 41 Pfg. nnd
Zahlung der gesetzlichen Entschädigung von 13 Mk. 20 Pfg. in Folge
kündigungsloser Entlassung einigten sich die Parteien dahin, daß der
Beklagte dem Kläger 2 Mk. bezahlt und dieser auf seine Mehrforde-
rung verzichtet.
7. I. S. des Metzgergehilfen Karl Walch gegen Metzgermeister
Heinrich Hamberger dahier wegen Zahlung der gesetzlichen Entschädi-
gung von 13 Mk. 20 Pfg. wegen kündigungsloser Entlassung bezahlte
der Beklagte an den Kläger sofort 1 Mk., womit dieser sich begnügte-
8. I. S. des Maschinisten Friedr- Wilhelm Schellenberger gegen
die Firma H. Fuchs Waggonfabrik wegen Zahlung einer Ent-
schädigung von 30 Mk. infolge kündigungsloser Entlassung nahnr
der Kläger seinen Antrag im Laufe der Verhandlung zurück.
)?( Abendverbindung mit dem Oberland. Einer Mittheilung
der Gr. Generaldirekrion zuiolge wird im kommenden Winler-
fahrplan eine späte Abendverbindung von Heidelberg
und Karlsruhe nach dem Oberlande durch Fortsetzung des
Schnellzuges 13 vis Offeuburg helgestellt werden. Dieser Zug
soll von Heideideig wie bisher um 9.00 N.. von Karlsruhe stM
9.56, von Baden 10.10 ab abgehen nnd in Offenburg um 11.04 cin-
treffen. woselbst er an den Personenzug 83 anschließt. ,
ö Ausgestellt. Das Hochzeitsgeschenk der Stadt Kulmba«
für den Prinzen Ruvprecht von Bayern, welcher sich vor kurzem
mit der Tochter des Herzogs Carl Theodor vermählte, bestem
aus einer großen ovalen in silber-getriebeneu Platt-
mit der Ansicht der Stadt Kulmbach. Der Entwurf und dst
Ausführung ist im neuesten Style behandelt, und geht aus dem
Atelier des Hofgoldschmidts Nikolaus Trübner dahier hervor-
Ein silber-get-iebener Humpen soll demnächst diesem Gescheut
folgen. Die Platte ist für einige Tage im Schaufenster oben-
genannter Firma ausgestellt. „
ff Sterblichkeits-Bericht. Nach den unterm 10. ds. M»-
herausgegebeuen Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundhests
amtes zu Berlin über die Gesammtsterblichkeit in den 2^
deutschen Städten und Orten mit 15000 und mehr Einwohnern
während des Monats Juni d. I. hat dieselbe — auf st
1000 Einwohner auf den Zeitraum eines Jahres berechnet
betragen: s. weniger als 15,0 in 47, b. zwischen 15,0 und 20,
in 102, o. zwischen 20,1 und 25,0 in 73, ck. zwischen 25,1 E
30,0 in 39, s. zwischen 30,1 und 35,0 in 7 und k. mehr al»
35,0 in 10 Orten. Die geringste Sterblichkeitsziffer hatte in dem
gedachten Monate der Ort Wald in der Rheinprovinz mit
und die höchste die Stadl Duisburg in derselben Provinz
und nicht absolut zuverlässigen Nachrichten bestätigt. Den
Central News wird aus Shanghai vom 14. ds. gemeldet:
Eine authentische Depesche aus Peking, 7. August, ist
hier eingetroffen, welche lautet: „Die Angriffe auf die
Gesandtschaften sind erneuert, die Lieferung von
Nahrung ist eingestellt." Die Beamten in Shang-
hai fürchten, das Vorrücken der Verbündeten habe die
Fanatiker neu erregt, so daß man die Kontrole über die
Rebellen verloren hat.
Dem Bureau Dalziel wird aus Shanghai gemeldet:
Zahlreiche Berichte, welche Peking, 8. August, datirt
sind und einige Einzelheiten über die Lage dort mittheilen,
sind hier eingelaufen. Darnach hatten die Chinesen
wiederum einen verzweifelten Angriff auf die englische
Gesandtschaft unternommen und dieselbe hätte dann nur
noch wenige Vertheidiger gehabt. Prinz Tuan und un-
gefähr 100 andere hohe Beamte hätten Peking verlassen.
Auf die Nachricht vom Siege der verbündeten Trupven
am 5. August hätte am 7. August ein großerAuszug
aus Peking begonnen, der am 8. August noch im
Gange war. Die Hinrichtung von Mchang Am Huan, der
beim Diamant-Jubiläum China in London vertrat, erregte
einen weit verbreiteten Schrecken unter den Chinesen. Man
glaubt, daß Zulu, der ehemalige Vizekönig von Tschihli,
im Kampfe bei Jangtsun getödtet wurde.
Eine andere Meldung lautet: In Peking läßt Prinz
Tuan jeden hinrichten, der Lebensmittel an die
Fremden liefert oder ihnen Sympathien beweist.
Li-Hung-Tschang, Liukunyih und Tschangtschitung er-
suchten die Kaiscrin-Wittwe in einer Denkschrift, in Peking
zu bleiben und nicht vor den heranrückenden Verbündeten
zu fliehen.
Man nimmt an, daß die Verbündeten inzwischen —
etwa am Abend des 13. ds. — vor Peking an-
gelangt sind. Es wird sich nun fragen, ob die Chinesen
Peking freiwillig öffnen, oder es auf einen Kampf an-
kommen lassen.
Deutsches Reich
— Die nationalliberalen Parteigenossen
von Süddeutschland werden am 2. Sept. Nachm. 3
Uhr in der Nähe der Ludwigshöhe bei Edenkoben zum
Gedächtniß des 30. Jahrestages der Schlacht von Sedan
eine große Fe st Versammlung veranstalten. Die
Festrede wird Dr. Bürklin halten; auch Professor Dr.
Hammerschmidt von Speyer, der Vorsitzende des ersten
pfälzischen Reichstagswahlkreises, wird sich an der Feier
betheiligen, ferner haben bereits viele hervorragende Partei-
führer ihr Erscheinen zugesagt. In Edenkoben hat sich
ein Festausschuß gebildet, welcher die lokalen Arbeiten in
die Hand nimmt. Das Programm ist folgendes: Sonntag,
2. September, Vormittags 8—10 Uhr, Tagung der
nationalen Jugendvereine im „goldenen Schaf", hierauf
Festzug zum Sieges- und Friedensdenkmal auf dem Werder-
berge, daselbst um 11 Uhr Festgottesdienst. Um 12'/^ Uhr
Festessen im „goldenen Schaf" und in anderen Gasthäusern.
Um 2^ Uhr Abmarsch vom Bahnhofplatze zum königlichen
Schlosse Ludwigshöhe. Um 3 Uhr Beginn der Feier. Diese
wird keinen parteipolitischen noch konfessionellen Charakter
tragen, sondern einen allgemein patriotischen, so daß Jeder,
welcher Partei er auch angehören mag, beiwohnen kann.
— Das Militärwochenblatt veröffentlicht die Stellen-
besctzung des Armee-Oberkommandos in Ostasien:
Oberbefehlshaber: Generalfeldmarschall Graf Walders ee.
Chef des Generalstabes: Generalmajor v. Groß, gen.
v. Schwarzhoff, bisher Kommandeur der ersten ost-
astatischen Infanterie-Brigade. Oberquartiermeister: General-
major Frhr. v. Gayl. Generalstab: Oberst Graf Jork
von Wartend urg, bisher Abtheilungschef im Großen
Generalslabe; Major Frhr. v. Mar sch all, bisher im
Großen Generalstabe; Major v. Zitze Witz, bisher im
Großen Generalstabe; Major Frhr. v. Gebsattel, bisher
im königlich bayerischen Gcneralstabe; Hauptmann v. E tz el,
bisher im Generalstabe der Garde-Kavallerie-Division;
Hauptmann Frhr. v. Gemming en-Gutte nb erg,
bisher im königlich württembergischen Generalstabe; Haupt-
mann Loeffler, bisher im sächsischen Generalstabe;
Hauptmann v. d. Gröben, bisher im Gencralstabe des
14. Armeekorps. Dazu Adjutanten, Sanitätsoffiziere
u. s. w.
— Die deutsche Rhederei hat, wie dies in letzter
Zeit mehrfach und mit Recht hervorgehoben worden ist,
durch die Abfertigung des deutschen Expeditionskorps nach
China eine Leistung vollbracht, wie sie von keiner Nation
der Welt in einer gleich kurzen Spanne Zeit und in so
hervorragender Weise gelöst werden kann. Wenn man be-
denkt, daß innerhalb eines Zeitrauines von kaum 14 Tagen
14 erstklassige deutsche Passagierdampfer mit Truppen ab-
gefertigt werden konnten unter gleichzeitiger Mitnahme
aller Munition und des gewaltigen Wagenparkes, sowie
der sonstigen Ausrüstung, so rückt diese Leistung in ein
noch helleres Licht. Von den zur Verwendung gekommenen
Schiffen hat der Norddeutsche Lloyd in Bremen allein
neun Dampfer gestellt, die Hamburg-Amerika-Linie fünf.
Der Umstand, daß unsere beiden größten Rhedereicn im
Stande gewesen sind, eine solche Menge von Schiffen aus
ihrem Betriebe herauszunehmen, ohne daß die fahrplan-
mäßigen Abfertigungen dadurch beeinträchtigt werden, legt
am besten Zeugniß ab von der Bedeutung, welche die
deutsche Handelsschifffahrt erreicht hat.
— Ein China-Freiwilliger ist auf der Fahrt
nach Ostasien gestorben. Es ist dies der Sohn der
Fehleschen Eheleute aus Mögelin, Kreis Westhavelland,
welcher mit dem ersten Truppentransport nach China ging.
Die Eltern sind jetzt von der Militärbehörde benachrichtigt
worden, daß ihr Sohn auf dem Atlantischen Ozean ver-
storben und seine Leiche nach seemännischer Art bestattet
worden sei, das heißt in's Meer versenkt wurde.
Ueber die Ausreise der Truppen-Transport-
dampser nach China liegen folgende letzte Meldungen vor:
Köln
Gera
Sardinia
Straßburg
Aachen
Rhein
Phönicia
(N.D. Lloyd)
(N.D. Lloyd)
(Hamb. A.L.)
(N.D. Lloyd)
(N.D. Lloyd)
(N.D. Lloyd)
(Hamb. A.L.)
11.
14.
14.
14.
14.
14.
10.
Aug.
von Kobe,
von Malta,
in Suez,
in Port-Said,
in Suez,
in Port-Said.
Gibraltar passirt.
Baden. L.O. Karlsruhe, 15. Aug. Die Großh.
Herrschaften treffen voraussichtlich morgen von St.
Moritz auf der Mainau zum Sommeraufenthalt ein.—
Die Bad. Landpost schreibt heute (wiederum in einer Brief-
kastenaotiz): „Lassen Sie den verschiedenen Zeitungen das
Vergnügen, uns tobt zu sagen und sogar schon Leichen-
reden zu halten. Ein Grund zur Beunruhigung besteht wirk-
lich nicht, denn die Landpost geht selbstverständ-
lich nicht ein."
— Als künftige maßgebende Persönlichkeit im nat.-
liberalen Lager, wohl auch als künftigen Führer nennt
der Ortenauer Bote den Reichstagsabgeordneten Bass er-
mann. Dem Beob. scheint diese Aussicht nicht zu be-
hagen, und er äußert sich sehr geringschätzig über den Ein-
fluß Bassermann's, der bis jetzt kein Landtagsmandat be-
itze, aber allerdings bei den nächsten Wahlen eines bekommen
könne.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königl. Hoh. der Großherzog haben den Lehr-
amtspraktikanten Hermann Rösch von Breiten, Dr. Sigmund
Reichenberger von Jöhlingen und Dr. Robert Helbing
von Neckarmühlbach unter Ernennung derselben zu Professoren
je eine etatmäßige Stelle eines wissenschaftlich gebildeten Lehrers,
und zwar elfterem an der Höheren Mädchenschule zu Heidelberg,
den beiden letzteren an der Gymnasialabtheilung der Höheren
Mädchenschule zu Karlsruhe übertragen.
Ausland.
Frankreich. Paris, 15. August. Der Gaulois meldet,
der gestrige Minister rath habe sich für die Er-
nennung des Feldmarschalls Grafen Waldersee zum
Oberbefehlshaber der verbündeten Truppen in China aus-
gesprochen und demgemäß den Wortlaut der zu erteilen-
den Antwort abgefaßt. Der Gaulois fügt hinzu, er be-
trachte diese Antwort als eine einfache Formalität, die
nicht geeignet sei, an den durch die übrigen Mächte schon
vorher getroffenen Vereinbarungen irgend etwas zu ändern.
Der Figaro nimmt Act von den Versicherungen deutscher
Blätter, daß die Autorität Waldersees auf Petschili be-
schränkt bleibe, und meint, daß nunmehr auch vom fran-
zösischen Standpunkt aus keinerlei Einwendungen zu er-
heben seien. (Die Köln. Ztg. berichtet aus Berlin: Die
Antwort der französischen Regierung in Bezug
auf den Oberbefehl des Grafen Waldersee lautet
durchaus zufriedenstellend, sodaß die Frage
des Oberbefehls nunmehr als gelöst betrachtet
werden kann.)
Unsere deutschen Eisenbahnen.
(Ein Weckruf von Professor Arthur Böhtlingk.)
III.
Die Macht der Verhältnisse ist eine so zwingende, daß das
Prinzip des P o stkutsch entartfs, das dem Personen-
tarif zu Grunde gelegt wurde, doch nicht folgerecht durchgeführt
werden konnte. Der erste Stoß wurde demselben versetzt durch
die Rückfahrtkarte. Wer der Bahnverwaltung eine Strecke zum
Voraus zweimal abnahm, also die doppelte Anzahl Kilometer,
erhielt einen so namhaften Rabatt, daß bald mehr Rückfahrt-
karten als einfache gelöst wurden. Dann kam das Rundreiseheft,
welches auch Demjenigen, der über 600 Kilometer auf einmal
kaufte und sich zugleich durch eine vorher bestimmte Route binden
ließ, ebenfalls einen namhaften Rabatt gewährte. Derartige
Rundreisehefte oder Karten sind dann auch für kleinere Touren
ausgetistelt worden. Dann kamen Sonntagskarten, welche mit
dem Kilometersystem bereits so radikal brachen, daß nur die Hin-
fahrt verrechnet wurde und die Rückfahrt nichts kostete. Dann
die Arbeiteckarten, die Fahrscheinbücher, dazu die Jayres- und
Monatsbillete, welche zu einer beliebigen Anzahl Fahrten auf
einer bestimmten Strecke berechtigten u. s. w. u. s. w. Bis end-
lich, nach dem Vorgänge von Belgien, man sich wenigstens in
Württemberg zu der 14tägigen Landeskarte aufschwang, welche
dem glücklichen Inhaber für diese Zeit das gesammte Bahnnetz
zu Verfügung stellt, ohne daß Jemand darnach fragte, ob er ein
oder zehn Tausend Kilometer abfährt unv dieses zwar, da zu-
gleich die dritte Klasse in alle Schnellzüge (mit alleiniger Aus-
nähme des Orientexpreß, der einer ausländischen Privatgesell-
schaft gehört) eingestellt worden ist, in beliebigem Zage, für
20 Mark.
Ist es zu verwundern, daß in deutschen Landen nur noch ein
verhältnißmäßig geringer Bruchtheil anders als auf Grund von
„Ausnahmetarifen" fährt?
Wenn die Eisenbahnverwaltungcn, um sich den selbstverschul-
deten nachgerade schier unerträglichen Weichselzopf vom Halse zu
schaffen, seit Jahrzehnten von einer „Vereinfachung" der Personcn-
tarife träumen, so hat man bisher selbst in den ministeriellen
Bureaus an der Spree eine derartige „Reform" nicht zu planen
gewagt, ohne zugleich die schon 1866 in der Verfassung des
Norddeutschen Bundes und 1871 wieder in derjenigen des deut-
schen Reiches von Bismarck vorgesehene „Verbilligung" in
Angriff zu nehmen- Minister Maybach hat demgemäß schon vor
einem Jahrzehnt und länger, anstatt der derzeitigen 2, 4, 6 und
8 Pfennige für den Kilometer vierter, dritter, zweiter und erster
Klaffe, den Satz von 1, 2, 4, 6 Pfennigen in Vorschlag gebracht
gehabt; was für die dritte und vierte Klasse zwar eine Verbilli-
gung von SO Procent bedeuten würde, allein trotzdem, da noch
immer Kilometer für Kilometer verrechnet und der Schnellzugs-
zuschlag beibehalten werden sollte, nur einen bescheidenen Schritt
vorwärts bedeutete. Sein Nachfolger, Exccllenz v. Thielen, aber
hat es glücklich fertig gebracht, das „im Zeichen des Verkehrs"
neuaufgehende Jahrhundert damit einzuleiten, daß er selbst diesen
Schritt vorwärts im Schneckengang verpönt. Schon am 21. März
1898 hatte dieser preußische „Verkehrs"-Minister, der zweifellos
als exemplarisches Fossil auf die Nachwelt kommen wird, nicht
weniger als viermal in der nämlichen Rede verkündet, daß er
„eine erhebliche Ermäßigung der Personentarife als ein Be-
dürfniß nicht anerkennen könne". Dieser noch im vergangenen
Jahrhundert eingenommene Standpunkt dünkt Seiner Excellenz
heute, da ihm die über das neue Jahrhundert ausgehende Sonne
äuf jeder Postkarte in die Augen sticht, bereits ein veralteter.
Im Frühjahr 1900 vermag er nicht nur kein Bedürfniß nach
„erheblicher" Ermäßigung der Personentarife, sondern überhaupt
ein Bedürfniß nach irgend welcher Ermäßigung nicht anzu-
erkennen. Im Gegentheil: sollen die Tarifsätze geändert werden,
so kann, nach Exc. v. Thielen, nur noch von einer Erhöhung
derselben die Rede sein. Das Ideal, welches Seiner Excellenz
vorschwebt, ist offenbar die möglichst „ausnahmslose" Wieder-
herstellung des Postkutschentarifs, in welches Heiligthum
vor einem Menschenaltcr und länger die Rückfahrtkarien und
Rundreiseheftc so böse Bresche zu legen begonnen haben. Diese
ketzerischen Eindringlinge müssen daher beseitigt werden. Oder
vielmehr: Wer, sobald er eine Rück- oder Rundreise vorhat, der
Eisenbahnkasse die ganze Strecke voraus bezahlen will, selbst
auf die Gefahr hin, die ihm gesetzte Frist zu derselben nicht ein-
halten zu können und in Folge dessen eine bezahlte Strecke noch
einmal zu bezahlen, der soll nach wie vor Rückfahrt und Rund-
reisekarte am Schalter lösen können, nur daß der bisherige Ra-
batt in Wegfall kommt! Falls Seiner Excellenz wirklich ver-
gönnt sein sollte, diese Großthat zu begehen, wie viele derartige
„Ideal-Reisende" dürften wohl ihm dte en Gefallen erweisen?
vm Bundestag deutscher Gastwirthe.
o Heidelberg, 16 Aug.
Die Sterbe ka sse des Bundes deutscher Gastwirthe hielt
gestern im Saale des Gasthofs „Prinz Max" ihre VIII, ordentliche
Generalversammlung ab. Der Präsident der Sterbekasse, Herr
Haust- Darmstadt, eröffnete die Versammlung und erlheilte nach
Prüfung und Richtigbefinden der Vollmachten der Delegirten
der Vereine und nach Aufstellung der Präsenzliste dem Direktor
der Sterbekasse, Herrn R e i n e m e r - Darmstadt, das Wort zum
Rechenschaftsbericht. Aus demselben ging hervor, daß der gegen-
wärtige Stand der Bundes-Sterbekasse ein äußerst günstiger ist,
indem der Reservefond und die Mitgliederzahl eine starke Ver-
mehrung aufweisen, die Zahl der freiwillig Ausgeschiedenen da-
gegen nur sehr gering ist. Auf die Bestätigung des Rechen-
fchastsberichles durch die Revisoren hin wurde derselbe von der
Versammlung einstimmig genehmigt. Hierauf wurde der Neu-
druck der Statuten behandelt und dabei die Einfügung der
früher beschlossenen, sowie redaktioneller und verschiedener sonsti-
ger Aenderungen genehmigt. Nach der Erledigung einiger
interner Fragen wurde zur Ergänzungswahl des geschäftS-
führenden A u f s i ch t sr a t h e s geschritten, die zur Wiederwahl
der ausscheidenüen Herren führte, ferner wurde die vom Auf-
sichtsrath vorgenommene Wahl des Direktors und des Rendanten
bestätigt. Hieran schloß sich die W ah l der Re v isor en, die
gleichfalls als Resultat die Wiederwahl der bisherigen Inhaber
dieser Aemter ergab. Mit der Wahl des Ortes zur Abhaltung
der nächsten ordentlichen Generalversammlung, die auf München
fiel, war das Programm der Versammlung erschöpft. Auf die
Aufforderung des Herrn S ch üß le r-Hanau erhoben sich die
Anwesenden zu Ehren des Aufsichtsralhes und der Direktion von
den Sitzen. Der Vorsitzende dankte im Namen des Vor-
standes für das geschenkte Vertrauen und schloß hierauf die
Versammlung.
Das Vergnügungsprogramm wies gestern Nachm, ein Concert
im Schiff in Neuenheim und Abends ein Concert mit ita-
lienischer Nacht im Bremeneck auf. Die auswärtigen Gast-
wirlhe lernten hierbei zwei Heidelberger WirthschaftSgärten kennen,
deren Größe und günstige Lage allgemein anerkannt wurde.
Bei dem Abendfest im Bremeneck wirkten der Orchesterverein
und unter Leitung des Herrn Mann die drei Gesangvereine
Liederhalle, Eintracht-Heidelberg und Eintrachl-Neuenheim mit.
Die Temperatur am Abend war sehr angenehm, sodaß das Fest
den schönsten Verlauf nahm, was durch mehrere answärtige De-
legirte in Ansprachen vom Musikpavillon aus gerühmt und mit
Hochs auf Heidelberg bekräftigt wurde.
Das Programm für heute weist auf: Schloßbesichtigung, Be-
such der Kellereien von Ueberle Ritzhaupt und Wilh. Geiger;
Nachmittags Fahrt in's Neckarthal mit Endziel Stiftsmühle und
Abends Schloßbcleuchtung.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 16. August.
X Gewerbegerichtsfitzung vom 10. August.
1. I. S. des Schriftsetzers Hermann Köcke gegen Buch-
druckereibesitzer I. Hörning dahier wegen Zahlung einer Ent-
schädigung von 62 Mk. 38 Pfg. in Folge kündigungsloser Ent-
lassung wurde der Kläger mit der erhobenen Klage abgewiesen.
2. I. S. des Schreinergehilfen Karl Heger dahier gegen
Schreinermeister Adolf Bußemer dahier wegen einer Lohnforde-
rung von 17 Mk. 65 Pfg. wurde der Beklagte auf Anerkenntniß
für schuldig erklärt, an den Kläger 12 Mk. 35 Pfg zu bezahlen-
Mit der Mehrforderung wurde der Kläger abgewiesen unter Ver-
füllung in die Kosten,
3. I. S- des Milchkutschers Hermann Fasold gegen Milch-
händler Karl Horch dahier wegen Auflösung des Arbeitsverhält-
nisses wurde der Kläger auf Ausbleiben im Termin mit der
erhobenen Klage abgewieseu.
4. I. S. des Postillon Friedrich Nething gegen K. ManN-
hart Wtw. Lohnkutscherei und Posthalterei wegen Zahlung einer
Entschädigung von 30 Mk. infolge kündigungsloser Entlassung
nahm der Kläger seinen Antrag im Laufe der Verhandlung
wieder zurück.
Ohne Zuzug von Beisitzern wurden vom 1. bis 15. August
l. I. noch folgende Streitfälle erledigt:
5. I. S. des Konditorgehilfen Victor Bürger gegen Konditor
Christian Häberlein dahier wegen Zahlung einer Entschädigung
von 20 Mk. infolge Entlassung ohne Einhaltung der gesetzlichen
Kündigungsfrist bezahlte der Beklagte an den Kläger sofort
6 Mk-, worauf dieser auf die Weiterführung der Klage verzichtete.
6. I. S. des Maurer Richard Kronig gegen Baumeister Martin
Funk dahier wegen einer Lohnforderung von 1 Mk. 41 Pfg. nnd
Zahlung der gesetzlichen Entschädigung von 13 Mk. 20 Pfg. in Folge
kündigungsloser Entlassung einigten sich die Parteien dahin, daß der
Beklagte dem Kläger 2 Mk. bezahlt und dieser auf seine Mehrforde-
rung verzichtet.
7. I. S. des Metzgergehilfen Karl Walch gegen Metzgermeister
Heinrich Hamberger dahier wegen Zahlung der gesetzlichen Entschädi-
gung von 13 Mk. 20 Pfg. wegen kündigungsloser Entlassung bezahlte
der Beklagte an den Kläger sofort 1 Mk., womit dieser sich begnügte-
8. I. S. des Maschinisten Friedr- Wilhelm Schellenberger gegen
die Firma H. Fuchs Waggonfabrik wegen Zahlung einer Ent-
schädigung von 30 Mk. infolge kündigungsloser Entlassung nahnr
der Kläger seinen Antrag im Laufe der Verhandlung zurück.
)?( Abendverbindung mit dem Oberland. Einer Mittheilung
der Gr. Generaldirekrion zuiolge wird im kommenden Winler-
fahrplan eine späte Abendverbindung von Heidelberg
und Karlsruhe nach dem Oberlande durch Fortsetzung des
Schnellzuges 13 vis Offeuburg helgestellt werden. Dieser Zug
soll von Heideideig wie bisher um 9.00 N.. von Karlsruhe stM
9.56, von Baden 10.10 ab abgehen nnd in Offenburg um 11.04 cin-
treffen. woselbst er an den Personenzug 83 anschließt. ,
ö Ausgestellt. Das Hochzeitsgeschenk der Stadt Kulmba«
für den Prinzen Ruvprecht von Bayern, welcher sich vor kurzem
mit der Tochter des Herzogs Carl Theodor vermählte, bestem
aus einer großen ovalen in silber-getriebeneu Platt-
mit der Ansicht der Stadt Kulmbach. Der Entwurf und dst
Ausführung ist im neuesten Style behandelt, und geht aus dem
Atelier des Hofgoldschmidts Nikolaus Trübner dahier hervor-
Ein silber-get-iebener Humpen soll demnächst diesem Gescheut
folgen. Die Platte ist für einige Tage im Schaufenster oben-
genannter Firma ausgestellt. „
ff Sterblichkeits-Bericht. Nach den unterm 10. ds. M»-
herausgegebeuen Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundhests
amtes zu Berlin über die Gesammtsterblichkeit in den 2^
deutschen Städten und Orten mit 15000 und mehr Einwohnern
während des Monats Juni d. I. hat dieselbe — auf st
1000 Einwohner auf den Zeitraum eines Jahres berechnet
betragen: s. weniger als 15,0 in 47, b. zwischen 15,0 und 20,
in 102, o. zwischen 20,1 und 25,0 in 73, ck. zwischen 25,1 E
30,0 in 39, s. zwischen 30,1 und 35,0 in 7 und k. mehr al»
35,0 in 10 Orten. Die geringste Sterblichkeitsziffer hatte in dem
gedachten Monate der Ort Wald in der Rheinprovinz mit
und die höchste die Stadl Duisburg in derselben Provinz