chinesischen Wirren schon gelogen worden ist, das geht ins
Aschgraue. Wir erinnern nur an die detaillirten Nach-
richten von der Niedermetzelung sämmtlicher Gesandten und
von dem Selbstmord Li-Hnng-Tschangs.
Aus Südchina hat die Einnahme Pekings den ge-
wünschten abschreckenden Eindruck gemacht. Einer Meldung
des Expreß aus Hongkong zufolge haben die Manda-
rinen der südlichen Provinzen eine wichtige
Proklamation erlassen. Sie anerkennen darin die
Einnahme Pekings durch die Verbündeten als eine ge-
rechte Strafe für die reaktionären B eamten, die sich
mit den Boxern verbündet haben und schändliche
Pläne schmiedeten, die die nördliche Hälfte des Reiches
in einen Strudel des Unheils stürzten, wofür schwere Ver-
geltung verlangt werden sollte. Die Mandarinen erklären
ferner, ein weiterer Rachekrieg gegen die chinesische Re-
gierung und das chinesische Volk hätte keinen Sinn. Die
Mächte sollten sich darauf beschränken, die Boxer und die
verrätherischen Beamten zu bestrafen, die die gegenwärtige
Krisis herbeiführten. Wenn das geschehen sei, sollten die
Verbündeten dem Reiche den Frieden wieder geben und
ihre Operationen jedenfalls auf den Norden beschränken.
Die Macht der Verbündeten wird völlig anerkannt und
das Volk des Südens wird in feierlichen Ausdrücken da-
vor gewarnt, die Ausländer zu behelligen.
Deutsches Reich
— Graf Walderses ist mit 68 Jahren nicht nur
geistig, sondern auch körperlich außerordentlich elastisch.
So vermag er noch ohne Steigbügel in den Sattel zu
kommen, während mancher 20 Jahre jüngere Mann seinen
Gaul an einen Stein führen läßt, um in den Steigbügel
zu kommen. Neben Klugheit werden dem Grafen auch
Humor und Witz nachgerühmt. Bei den Zeitungsleuten
gilt er allgemein als ein umgänglicher Herr, der, soweit
er irgend kann, höflich und gefällig gegen Journalisten
ist, weil er die Presse als ein Instrument betrachtet, das
ein kluger Mann mit Freundlichkeit behandeln soll. —
In der Kasseler Dankrede des Marschalls ist wohl jedem
Leser aufgefallen, daß Waldersee erklärte, er werde nie
einen Befehl zum Rückzug geben. Man denkt dabei un-
willkürlich an den englischen General Buller, der auch
erklärte, „ein Zurück gibt es nicht", nachher gab es am
Spionskopf und anderwärts doch ein sehr entschiedenes
Zurück. Besser also wäre es gewesen, Waldersee hätte
dies Wort nicht gesagt. Man weiß im Felde nie, wie
es kommt.
— Aus Hamburg wird gemeldet: Am Sedantage
findet in Hamburg regelmäßig ein Festessen des Reserve-
offiziercorps statt. In diesem Jahre hat das Bezirks-
commando davon Abstand genommen, ein solches zu
veranstalten, da dies nicht zeitgemäß sei in einem
Augenblick, in dem deutsche und französische
Truppen Schulter an Schulter in Waffen-
brüderschaft gemeinsam kämpfen. Auch an an-
deren Orten sind von Kriegervereinen derartige Beschlüsse
gefaßt worden.
Baden. Die voreilige Beurtheilung, welche die Ernennung
Waldersees zum Obercommandireaden in China in einigen
linksliberalen Blättern zu einer Zeit gefunden hat, als noch
nicht feststand, von wem die Ernennung angeregt sei, ver-
anlaßt die demokratisch-freisinnige Neue Bad. Lande s-
Zeitung zu folgender Aeußerung:
Hoffentlich zieht die deutsche Presse aus der ganzen Entwick-
lung dieser Angelegenheit die gute Lehre, in Fragen der aus-
wärtigen Politik nicht zu voreilig abfällige Kritik zu
üben und nicht immer von vornherein über die Absichten und
Las Vorgehen der deutschen Regierung das Ungünstigste zu denken.
Das ist vortrefflich gesagt, wenn auch derartige Sätze
in dem demokratischen Blatt etwas ganz Neues sind. Nur
möchten wir fragen, weshalb beschränkt sich die Neue Bad.
Landesztg. in ihrer Warnung ausdrücklich auf das Gebiet
der äußeren Politik? Da die Leute, die Deutschlands
--innere Politik leiten, weder dumm noch schlecht gesinnt sind,
sollte da eine voreilige abfällige Kritik ihrer Absichten
nicht ebenso tadelnswerth sein? — In dem Leitartikel
seiner neuesten Nummer fährt das demokratische Organ dann
fort,- in der an ihm ganz ungewohnten Weise für sachliche
und ruhige und nicht voreingenommene Auffassung der
Dinge zu plaidiren. Dabei konstatirt es, daß die Stimmung
der Bevölkerung der bisherigen deutschen Chinapolitik
günstig sei, daß auch die persönliche Initiative des Kaisers,
sein rednerisches Hervortreten bei der Mehrheit der Be-
völkerung durchaus nicht etwa auf Antipathie stoße; eine starke
Persönlichkeit mache beim Volk immer Eindruck. So räth
das Blatt von einer sich häufenden spitzen, verletzenden Kritik
dieses persönlichen Moments ab, weil sie nichts fruchte,
sondern im Gegentheil schade. Wenn man sich erinnert, daß
die demokratische Presse aus einer derartigen Kritik bisher ihren
Hauptsport gemacht hat, so muß man sagen: das ist ja eine
totale Wandelung. Die Ernennung Waldersees wird auch
in diesem Artikel des Blattes ausdrücklich gebilligt und dabei
wird bemerkt, daß die voreiligen Kritiker derselben sich sehr in
Widerspruch mit dem Empfinden großer Theile der Bevölkerung
stellen, der eine Initiative an der obersten Stelle durchaus nicht
wider den Strich sei. Es scheint nach allem diesem, daß
in der linksliberalen Partei der Wunsch aufgetaucht ist,
den Anschluß an die nationale Auffassung der Dinge nicht
wieder zu versäumen. In der Frage der Sicherstellung der
deutschen Wehrkraft zu Lande haben die Linksliberalen
das leider gethan und damit sich selbst eine schwere
Wunde geschlagen und dem Liberalismus schweren Schaden
zugefügt.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr Appenweier, Privat-
mann Ignaz Werner alt in Appenweier, das Verdienstkreuz
vom Zähringer Löwen, den nachgenannten Offizieren von der
Kaiserlichen Schutztruppe für Südwestafrika, und zwar: dem
Oberleutnant Freiherrn von Schönau-Wehr, dem Ober-
leutnant Reiß und dem Leutnant Grafen von Kageneck das
Ritterkreuz zweiter Klasse mit Schwertern des Ordens vom
Zähringer Löwen, dem Oberschaffner Karl Kovv in Karlsruhe
die kleine goldene Verdienstmedaille, dem Königlich Preußischen
Oberleutnant Paul Harry Argelander im 4. Ostasiatischen
Infanterie-Regiment das Ritterkreuz zweiter Klasse des Ordens
vom Zähringer Löwen verliehen und dem K. und K. österreichisch-
ungarischen Konsul Josef Bielefeld in Karlsruhe die Erlaub-
niß zur Annahme und zum Tragen des ihm von dem Kaiser
von Oesterreich verliehenen Komthurkreuzes des Franz-Josef-
Ordens ertheilt.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Oberförster Heinrich Schwarz in Forbach das Forstaml Rhein-
bischofsheim, dem Oberförster Eduard Weismann in Epptngen
das Forstamt Huchenfeld mit dem Wohnsitze in Pforzheim, dem
Oberförster Emil Baumann in Walldürn das Forstamt Ep-
pingen, dem Oberförster Otto Autenrieth in Markdorf das
Forstamt Walldürn und dem Oberförster Karl Lits ch in Blum-
berg das Forstamt Markdorf übertragen.
Ausland.
Frankreich. Der französische Minister des Auswärtigen,
Delcassö, hat am Sonntag eine Rede gehalten, aus der
zwei Punkte hecvorzuheben sind. Delcassä betonte erstens,
daß, welches auch immer dw besonderen Ansichten einer
jeden Macht über die von China zu leistenden Genug-
thuungen und Bürgschaften se en, er annehme, man werde
diese Forderungen dem L e i stungsvermö gen CH in as
anpassen und sich vor allem hüten, Sonderforderungen
aufzustellen, die das Einvernehmen der Mächte stören
würden. Der zweite Punkt betrifft d e Versicherung der
Einmüthigkeit Frankreichs nick Rußland.
Serbien. Belgrad, 20. Aug. An König Milan's
Stelle ist heute der General im Ruhestand Mihailo
Sretschkovits zum Armeekommandanten ernannt worden.
Er ist jedoch einem neuen im Amtsblatt heute veröffent-
lichten Stamt zufolge dem Kriegsminister untergeordnet.
Der Hofstaat des Königs Milan ist aufgehoben;
seine Adjutanten wurden ihrer Posten enthoben.
Unsere deutschen Eisenbahnen.
(Ein Weckruf von Professor Arthur Böytlingk.)
VI
Mit Recht beklagt es der Verfasser, daß wir keine Eisenbahn-
politik von Reichswegen haben, denn die Eisenbahnpolitik sei un-
auflöslich mit der Zollpolitik verbunden, sie könne diese unter-
stützen, aber auch lahmlegen. Er erinnert an die vorübergehende
Geltung der staffelförmigen Gütertarife zur Zeit des Ansturmes
gegen die hohen Getreidezölle. Finanziell hätten diese Tarife sich
sehr bewährt und Millionen Mehreinnahmen gebracht. Leider
habe man sie zu Ungunsten des ostdeutschen und zu Gunsten des
amerikanischen Getreides wieder aufgehoben.
Wieder auf die Personentarife zurückkommend, betont der Ver-
fasser, daß der Mensch nie schnell genug befördert werden könne.
Der Reiche, der allenfalls sein Leben auf dem Faulbett zubringen
kann, bedürfe der schnellen Beförderung weniger, als der kleine
Mann, der mit der Eisenbahn seine Arbeitszeit, d. i. sein täg-
liches Brod verfährt.
Die Forderungen, die der Eisenbahn-Reformverein für den
Personenverkehr aufgestellt hat, sind bekannt. Sie sind außer-
ordentlich maßvoll gehalten, da der Reform-Verein durchaus nicht
mit dem Kopf durch die Wand will, sondern die stufenweise Er-
höhung des deutschen Eisenbahnwesens anstrebt.
Dann sagt der Verfasser weiter: Der letzte Landtag hat ein-
stimmig die Erwartung ausgesprochen, daß die Regierung ans
dem eingeschlagenen Wege der Verbilligung der Personen-
tarife fortschreiten werde. Insbesondere ist der Wunsch nach-
drücklich zum Ausdruck gebracht worden, Hefte mit 1000 Kilo-
metern dritter Klasse zu 20 Mk. und halbe zu 10 Mk. auszugeben
und das „Zauberbüchlein" solcherweise endlich weiteren Kreisen
und nicht nur den „oberen Zehntausend" zugänglich zu machen.
Minister v. Brauer hat zwar dieses damals noch nicht in nahe
Aussicht stellen können, weil mit den Bundesstaaten Verhand-
lungen schwebten, welche auf der Grundlage „thunlichster Er-
mäßigung der Tarifsätze und Vereinfachung des Systems" zu
einer gemeinsamen Tarifordnung für das ganze Reich führen
sollten, jedoch hat Se. Excellenz die Erklärung abgegeben, daß,
falls der Erwartung zuwider diese Verhandlungen nicht zu dem
gewünschten Ergebnis führen sollten, Baden auf dem eingeschlagenen
Wege selbständig weiter gehen werde.
Wie diese schon seit einem Jahrzehnt unter der Hülle tiefsten
Amtsgeheimnisses schwebenden Verhandlungen schließlich an der
Jahrhundertwende ausgegangen sind, ist seit den kürzlichen be-
züglichen Mittheilungen des Ministers v. Thielen im preußischen
Landtage weltkundig. Die denkwürdigste Phase derselben ist un-
zweifelhaft die s. g. „Süddeutsche E i s en b a h n g e m e in-
schaft" gewesen, wie Minister v. Mittnacht dieselbe vor Jahres-
frist dem Landtage in Stuttgart unterbreitet hat. Danach sollten
in den süddeutschen Staaten die Rückfahrkarten, Rundreisehefte,
Fahrscheinbücher in Wegfall kommen, ganz besonders jedoch die
württembergische Landeskarte und das badische Kilometerheft, und
dafür ein einheitlicher Kilometer-Tarifsatz von 2,3—2,5 Pfg. für
die dritte Klasse (und diese ist in jeder Hinsicht ausschlaggebend!)
eingeführt werden, zu welchem Satz dann noch ein Schnellzugs-
zuschlag von mindestens 0,5 Pfg. hinzugekommen wäre. Dieses
hätte für uns in Baden im Hinblick auf das Kilometerheft eine
Berthen er nng von vollen 25 Prozent bedeutet!
Diese s. g. „Süddeutsche Gemeinschaft", welche via Straßburg
von Berlin aus lancirt worden zu sein scheint, ist augenscheinlich
nur der Köder gewesen, um die Verständigung mit Preußen
auf Grundlage des möglichst „rein" wieder hergestellten „Post-
kutschentarifs" nach preußischem Muster, mit seinen vier Wagen-
klassen, einzuleiten. Da es Excellenz v. Thielen, trotz dieses
diplomatischen Umweges, nicht geglückt ist, die Süddeutschen
Staaten für seine vierte Klasse und damit für die Aufrecht-
erhaltung des höheren Tarifsatzes in der dritten, zu gewinnen,
hat er sich alsbald auf sich selbst zurückgezogen, um die Verein-
fachung der Tarifsätze unter „thunlichster Erhöhung" derselben auf
seine Weise in Angriff zu nehmen.
Nun es am Tage liegt, wohin der ohnehin übermächtige
preußische Eisenbahnminister steuerte, können wir uns nicht genug
dazu beglückwünschen, daß eine Einigung nicht erzielt worden ist:
dieselbe hätte für die deutschen Eisenbahnen nur den Anbruch einer
„Eiszeit" bedeutet, deren auf die Dauer unerträglicher Druck
schließlich unabwendbar zu einer Katastrophe führen müßte, die
man sich für den gesammten Volkswohlstand und unsere Welt-
stellnng kaum zu vernichtend ausmalen kann.
Jetzt, da die süddeutschen Staaten ihre volle Freiheit wieder
haben, gilt es, diese Freiheit ohne Säumen auszunutzen. Sollen wir
uns der cndgiltigen Umklammerung und Bewältigung durch die
preußische Eisenbahnverwaltung noch erwehren und unsere Eisen-
bahnantonomie behalten, damit unsere „Straßenzüge" nicht von
Berlin aus bestimmt und verwaltet werden, so ist kein Augenblick
länger zu verlieren.
Aus Stavr und Land.
Heidelberg, 21. August.
Von der Univerststät Ein pfälzische:' Volk-schuttehrer, Herr
Kemmerer aus Neustad! a.H., promovirte dieser Tage bei der
philosophischen Fakultät der hiesigen Universität mit bestem Er-
folg aus Grund einer Dissertation über Senecrs Einfluß auf
das deutsche Drama, mit germanischer Philologie als Haupts^'
Geographie und Französisch als Nebenfächern. .
2 Vom Wetter. Die Hitze der letzten Tage, die schon wtt"
einen tropischen Charakter angenommen hatte, wurde durch ^
gestern niedergegangenes Gewitter angenehm gemildert, E-,
etwa Uhr Nachmittags an begann der Regen und hielt W
den ganzen Nachmittag an, bald stärker bald schwächer. E
ununterbrochenes Donnerrollen, zuweilen auch Blitze, kündete
Ausbruch eines heftigen Gewitters an und nach einiger Zeit E'
finsterte der Himmel sich derart, daß man, selbst in Hellen
schäftsräumen, ohne Zuhilfenahme von künstlichem Licht El
mehr arbeiten konnte. Das Gewitter war aber nicht über nistck-
Stadt ausgebrochen, hier selbst trat es nur mäßig ans, E
verspürte hier eigentlich nur die Ausläufer des Unwetter»'
Schlimme Nachrichten kommen dagegen ans der westlichen Ras»'
barschaft Heidelbergs. In Kirchheim hat ein HageltveU-
arg gehaust und an Tabak, Rüben, Kartoffeln, Kraut u. 1 A
großen Schaden angerichtet; ebenso in Wieblingen und E
auf dem westlichen Theile der Gemarkung, während der östE
nach Heidelberg zu gelegene Theil wohl von dem starken RE
etwas mitgenommen, großer Schaden hier aber nicht angerich^
wurde. Dagegen sieht es auf den Aeckern des ersterwähnt-
Gemarkungstheiles sehr schlimm aus. Vom Tabak stehen gesE
noch die Rippen, die Blätter sind abgeschlagen, die Kartoffeläae
sind abgeschwemmt und liegen blos, ebenso haben die Rüben 3-'
litten; starke Bäume wurden vom Wirbelwind nmgerissen. AE'
liches verlautet ans Eppelheim, Plankstadt, Edingen E
Friedrichsfeld. Im Orte Wieblingen gab es noch E,
Ueberschwemmung. Die Orte an der Bergstraße scheinen 38^
glimpflich davongekommen zu sein. In Rohrbach und DossenhE
hat das Wetter, das sich mehr über die Rheinebene entE'
keinen oder wenigstens keinen erheblichen Schaden angerichtet. ,
»Ist Nach China. Von hier sind 12 Reservisten für CHE
angenommen worden und nach Karlsruhe adgercist, wo aus tE
14. Armeecorps eine Compagnie des nach Ostasien
stimmten Nachschubs zusammengesetzt wird. Unter deu von iE
Abgereisten befinden sich auch einige Heidelberger. Mehrere E
Freiwilligen sind verheirathet. Bekannntlich sind an Jnfantertt
bis jetzt 4 Regimenter zu zwei Bataillonen nach China avgegaNick»
und jetzt sollen noch zwei weitere Infanterie-Regimenter naÄ'
geschickt werden. Jedes der sechs Regimenter soll als neum
Kompagnie eine Ecsatzkompagnie erhallen, die zunächst in E
ostasiatischen Häfen bleiben wird. Baden stellt die neunte CE'
paanie des 2. ostasiatischen Infanterie-Regiments. . ,
Eisenbahnunfall. Sonntag Abend fuhr in der StatE
Handschuhshcim der Nebenbahn der Zug, der um 9 Uhr hier a»
fährt, in Folge falscher Weichenstellung auf eine Güterwagen
abtheilung. Einige Güterwagen sind leicht beschädigt. Der Z "8
erhielt eine einstündige Verspätung.
Vefitzwechsel. Das Frau Friedrich Waltz Wittwe dahier 8^
hörige Haus Schiffgasse Nr. 2 ging durch Kauf um VA
Preis von 62500 Mk. in den Besitz des Hrn. Prediger Eo>'
Schilling über.
» Die Abbrucharbeiten an der städtischen Turnhalle in »er
Gradengasse sowie am Faller'schen Hause, welche Gebäude E
kanntltch wegen des Neubaus der Universitätsbibliothek nieder
gelegt werden, sind dem Grabarbeiten-Unternehmer Johann Be»
der übertragen worden und haben bereits begonnen. »
— Unfall. Bet der schwancnapotheke glitt gestern durch
das Auftreten auf eine Zwetschge eine 68jährige Frau aus, E
zu Fall und brach den linken Fuß.
---- Polizeibertcht. Wegen fortgesetzter Ruhestörung wurde er»
Schieferdecker verhaftet. Drei Personen kamen wegen Unfug»
zur Anzeige. .
O Schöffengerichtssttznng vom 20. August. 1) Achilles FuUt^
geld, Kaufmann in Kttzingen, erhielt wegen fahrlässiger Körper^
Verletzung 40 Geldstrafe, 2) Philipp Knebel, CigarrenmaÄft
in St. Ilgen, wegen Körperverletzung 15 Geldstrafe, 3) Heinrich
Scheuber, Schmied in Handschuhsheim, wegen Körperverletzua»
30 Geldstrafe. 4) Marlin Köhler, Wickelmacher, und JaE
Burkhard, Taglöhner, beide in Sandhausen, wurden von der
Anklage wegen Sachbeschädigung freigesprochen. 5) Josef ».LE'
Taglöhner, Karl Jakob Sutter, Taglöhner, Johann Häufler,
Taglöhner, Emil Adolf Seng, Taglöhner, Rudolf Wilhelm D>e'
bach, Taglöhner, Karoline Kißling, Kellnerin, und Karl GulaNv,
Taglöhner, alle hier, waren angeklagt wegen Körperverletzung
Sachbeschädigung und Uebertreiung der HZ 360" und 3ov
R.St.G.B.; es erhielten v. Ow 20 Geldstcaf, Sutter 1 Wo«
Gefängniß, Häufler 4 Tage Gefängniß, Seng 1 Woche G,
fängniß, Diebach 14 Tage Haft u. Karoline Kißling 1 Woche Hack'
während Guland freigesprochen wurde. 6) Georg Honig, Ta8
löhner in Sandhaufen, erhielt wegen Sachbeschädigung 5 Ta8
Gefängniß.
Mannheim, 20. Aug. Eine blutige Messeraffair
spielte sich gestern Abend in der Neckarvorstadt bei der Wirm
schaft „Zum Floßhafen" ab. Der 25 Jahre alte TaglöhE
Nikolaus Serba von hier wurde nach vorausgegangenem WoU'.
Wechsel von dem 16jährtgen Ludwig Neidig durch M e s s e^
stiche in den Unterleib derart verletzt, daß die Gedärm
hervortraten. Der Zustand des Verletzten ist bedenklich. D-
Thäter wurde verhaftet. „
L.R. Mannheim, 20. Aug. Ein schwerer Unglücksfall koE°
in dem Stadttheil Käferthal einem jungen Mann das Lebe»'
Der ledige 21 Jahre alle Wirthschaftsarbeiter Reuter woisi,
Abends gegen 10 Uür eine Fahne vom Dach der Wirthschaft
zum „Schwarzen Adler" einziehen, verlor aber in der Dunkeln^
das Gleichgewicht, stürzte auf die Straße und blieb todt.
8.6. Karlsruhe, 19. Ang. Der hiesige Stavtrath suchte °
Großh. Ministerium des Innern um die Genehmigung nach, v-j
Hufs Aufnahme der hiesigen Wohnu ngs v erhältni ss e v
der am 1. Dezember ds. Js. statlfindenden allgemeinen Bon»,
zählung den staatlichen Zählpapieren einen städtischen Wohnung'
zählbr, ef beischließen zu dürfen. — Im Monat Juli wurde
tm Rheinhafen wieder 70000 vdm durch die Bagger ß
fördert. Die Gesammtfördermasse seit Banveginn beläuft
jetzt ans 1930 OVO obm. Gute Fortschritte haben die UferdeckuNSv,
gemacht. Der Abschlußbau an der Einfahrt in den Petroienn
Hafen isi fertig betonirt. Die Eisenbahn und die Straßen»rua„
über die verlegte Alb sind fertig montirt; die elftere ist U,
Anfang August für die Beifuhc von Baumaterialien zum Hack»
bau in Benutzung genommen.
8. 6. Karlsruhe, 20. Aug. Heute wurde hier die 9. KompaE
des 2. Ostasialischen Infanterie-Regiments aus den Regimenter
des 14. Armeekorps formirt. Sie verläßt morgen früh
Residenz. — Professor Götz, Direktor der Großh. Kunstgewer».
schule, erhielt in der Gruppe „Kunstgewerde" den Großftx
Preis auf der Pariser Weltausstellung. — Die Obstpre' V
sinken rapid. Im Bühlerthal werden gegenwärtig für gute Tack »
birnen und -Aepfel nur 3 pro Center bezahlt. Auch im AVI"
der Frühzwetschgen macht sich eine Stockung bemerkbar. ,
8. öi. Baden-Baden, 19. Aug. I. Rennen. 1. Preis
der Donau: 3000 Mk., gegeben von Fürst Fürstenberg.
liefen 6 Pferde. 1. Mr. Burles' „Doppeladler"; 2. Herr" ^
Teppers' „Alert"; 3. Graf Halen-Basedont's „Wohlfarts -, »
II. Rennen. 2. Jugend-Handicap. Preis 4000 Mk. Es lckck ,
elf Pferde. 1. Gestüt Martahall's „Ameise"; 2. Herrn A^,/,
berg's „Heimliche Liebe"; 3. Herrn U. von Oertzen's „MtlchfE g
— III. Rennen. 3. Fürstenverg-Memortal. Ehrenpreis »^
garantirte Preishöhe 58 000 Mk. Hiervon 40 000 Mk. ° ^
Sieger, 50V0 Mk. dem zweiten, 3000 Mk. dem dritten und »V,
Mark dem vierten Pferde. Es liefen 6 Pferde. 1. Herrn,.
Kühn's „Winfried"; 2. Herrn U. v. Oertzen's „Barkas"; 3-
Balduin's „Sichdichfür". — IV. Rennen. 4. Damenpck'^
Ehrenpreis. Es liefen sieben Pferde. 1. Hrn. U. v. OerE
„Lamoral"; 2. Hin. R. Böhme's „Doria"; 3. Hrn. I. Zurl"'^
„Wilhetmina". — V. Rennen. 4. Kurverwaltungspreis
Mark. Es liefen vier Pferde. 1. Fürst Hohenlohe-Oehringe»
Aschgraue. Wir erinnern nur an die detaillirten Nach-
richten von der Niedermetzelung sämmtlicher Gesandten und
von dem Selbstmord Li-Hnng-Tschangs.
Aus Südchina hat die Einnahme Pekings den ge-
wünschten abschreckenden Eindruck gemacht. Einer Meldung
des Expreß aus Hongkong zufolge haben die Manda-
rinen der südlichen Provinzen eine wichtige
Proklamation erlassen. Sie anerkennen darin die
Einnahme Pekings durch die Verbündeten als eine ge-
rechte Strafe für die reaktionären B eamten, die sich
mit den Boxern verbündet haben und schändliche
Pläne schmiedeten, die die nördliche Hälfte des Reiches
in einen Strudel des Unheils stürzten, wofür schwere Ver-
geltung verlangt werden sollte. Die Mandarinen erklären
ferner, ein weiterer Rachekrieg gegen die chinesische Re-
gierung und das chinesische Volk hätte keinen Sinn. Die
Mächte sollten sich darauf beschränken, die Boxer und die
verrätherischen Beamten zu bestrafen, die die gegenwärtige
Krisis herbeiführten. Wenn das geschehen sei, sollten die
Verbündeten dem Reiche den Frieden wieder geben und
ihre Operationen jedenfalls auf den Norden beschränken.
Die Macht der Verbündeten wird völlig anerkannt und
das Volk des Südens wird in feierlichen Ausdrücken da-
vor gewarnt, die Ausländer zu behelligen.
Deutsches Reich
— Graf Walderses ist mit 68 Jahren nicht nur
geistig, sondern auch körperlich außerordentlich elastisch.
So vermag er noch ohne Steigbügel in den Sattel zu
kommen, während mancher 20 Jahre jüngere Mann seinen
Gaul an einen Stein führen läßt, um in den Steigbügel
zu kommen. Neben Klugheit werden dem Grafen auch
Humor und Witz nachgerühmt. Bei den Zeitungsleuten
gilt er allgemein als ein umgänglicher Herr, der, soweit
er irgend kann, höflich und gefällig gegen Journalisten
ist, weil er die Presse als ein Instrument betrachtet, das
ein kluger Mann mit Freundlichkeit behandeln soll. —
In der Kasseler Dankrede des Marschalls ist wohl jedem
Leser aufgefallen, daß Waldersee erklärte, er werde nie
einen Befehl zum Rückzug geben. Man denkt dabei un-
willkürlich an den englischen General Buller, der auch
erklärte, „ein Zurück gibt es nicht", nachher gab es am
Spionskopf und anderwärts doch ein sehr entschiedenes
Zurück. Besser also wäre es gewesen, Waldersee hätte
dies Wort nicht gesagt. Man weiß im Felde nie, wie
es kommt.
— Aus Hamburg wird gemeldet: Am Sedantage
findet in Hamburg regelmäßig ein Festessen des Reserve-
offiziercorps statt. In diesem Jahre hat das Bezirks-
commando davon Abstand genommen, ein solches zu
veranstalten, da dies nicht zeitgemäß sei in einem
Augenblick, in dem deutsche und französische
Truppen Schulter an Schulter in Waffen-
brüderschaft gemeinsam kämpfen. Auch an an-
deren Orten sind von Kriegervereinen derartige Beschlüsse
gefaßt worden.
Baden. Die voreilige Beurtheilung, welche die Ernennung
Waldersees zum Obercommandireaden in China in einigen
linksliberalen Blättern zu einer Zeit gefunden hat, als noch
nicht feststand, von wem die Ernennung angeregt sei, ver-
anlaßt die demokratisch-freisinnige Neue Bad. Lande s-
Zeitung zu folgender Aeußerung:
Hoffentlich zieht die deutsche Presse aus der ganzen Entwick-
lung dieser Angelegenheit die gute Lehre, in Fragen der aus-
wärtigen Politik nicht zu voreilig abfällige Kritik zu
üben und nicht immer von vornherein über die Absichten und
Las Vorgehen der deutschen Regierung das Ungünstigste zu denken.
Das ist vortrefflich gesagt, wenn auch derartige Sätze
in dem demokratischen Blatt etwas ganz Neues sind. Nur
möchten wir fragen, weshalb beschränkt sich die Neue Bad.
Landesztg. in ihrer Warnung ausdrücklich auf das Gebiet
der äußeren Politik? Da die Leute, die Deutschlands
--innere Politik leiten, weder dumm noch schlecht gesinnt sind,
sollte da eine voreilige abfällige Kritik ihrer Absichten
nicht ebenso tadelnswerth sein? — In dem Leitartikel
seiner neuesten Nummer fährt das demokratische Organ dann
fort,- in der an ihm ganz ungewohnten Weise für sachliche
und ruhige und nicht voreingenommene Auffassung der
Dinge zu plaidiren. Dabei konstatirt es, daß die Stimmung
der Bevölkerung der bisherigen deutschen Chinapolitik
günstig sei, daß auch die persönliche Initiative des Kaisers,
sein rednerisches Hervortreten bei der Mehrheit der Be-
völkerung durchaus nicht etwa auf Antipathie stoße; eine starke
Persönlichkeit mache beim Volk immer Eindruck. So räth
das Blatt von einer sich häufenden spitzen, verletzenden Kritik
dieses persönlichen Moments ab, weil sie nichts fruchte,
sondern im Gegentheil schade. Wenn man sich erinnert, daß
die demokratische Presse aus einer derartigen Kritik bisher ihren
Hauptsport gemacht hat, so muß man sagen: das ist ja eine
totale Wandelung. Die Ernennung Waldersees wird auch
in diesem Artikel des Blattes ausdrücklich gebilligt und dabei
wird bemerkt, daß die voreiligen Kritiker derselben sich sehr in
Widerspruch mit dem Empfinden großer Theile der Bevölkerung
stellen, der eine Initiative an der obersten Stelle durchaus nicht
wider den Strich sei. Es scheint nach allem diesem, daß
in der linksliberalen Partei der Wunsch aufgetaucht ist,
den Anschluß an die nationale Auffassung der Dinge nicht
wieder zu versäumen. In der Frage der Sicherstellung der
deutschen Wehrkraft zu Lande haben die Linksliberalen
das leider gethan und damit sich selbst eine schwere
Wunde geschlagen und dem Liberalismus schweren Schaden
zugefügt.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr Appenweier, Privat-
mann Ignaz Werner alt in Appenweier, das Verdienstkreuz
vom Zähringer Löwen, den nachgenannten Offizieren von der
Kaiserlichen Schutztruppe für Südwestafrika, und zwar: dem
Oberleutnant Freiherrn von Schönau-Wehr, dem Ober-
leutnant Reiß und dem Leutnant Grafen von Kageneck das
Ritterkreuz zweiter Klasse mit Schwertern des Ordens vom
Zähringer Löwen, dem Oberschaffner Karl Kovv in Karlsruhe
die kleine goldene Verdienstmedaille, dem Königlich Preußischen
Oberleutnant Paul Harry Argelander im 4. Ostasiatischen
Infanterie-Regiment das Ritterkreuz zweiter Klasse des Ordens
vom Zähringer Löwen verliehen und dem K. und K. österreichisch-
ungarischen Konsul Josef Bielefeld in Karlsruhe die Erlaub-
niß zur Annahme und zum Tragen des ihm von dem Kaiser
von Oesterreich verliehenen Komthurkreuzes des Franz-Josef-
Ordens ertheilt.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Oberförster Heinrich Schwarz in Forbach das Forstaml Rhein-
bischofsheim, dem Oberförster Eduard Weismann in Epptngen
das Forstamt Huchenfeld mit dem Wohnsitze in Pforzheim, dem
Oberförster Emil Baumann in Walldürn das Forstamt Ep-
pingen, dem Oberförster Otto Autenrieth in Markdorf das
Forstamt Walldürn und dem Oberförster Karl Lits ch in Blum-
berg das Forstamt Markdorf übertragen.
Ausland.
Frankreich. Der französische Minister des Auswärtigen,
Delcassö, hat am Sonntag eine Rede gehalten, aus der
zwei Punkte hecvorzuheben sind. Delcassä betonte erstens,
daß, welches auch immer dw besonderen Ansichten einer
jeden Macht über die von China zu leistenden Genug-
thuungen und Bürgschaften se en, er annehme, man werde
diese Forderungen dem L e i stungsvermö gen CH in as
anpassen und sich vor allem hüten, Sonderforderungen
aufzustellen, die das Einvernehmen der Mächte stören
würden. Der zweite Punkt betrifft d e Versicherung der
Einmüthigkeit Frankreichs nick Rußland.
Serbien. Belgrad, 20. Aug. An König Milan's
Stelle ist heute der General im Ruhestand Mihailo
Sretschkovits zum Armeekommandanten ernannt worden.
Er ist jedoch einem neuen im Amtsblatt heute veröffent-
lichten Stamt zufolge dem Kriegsminister untergeordnet.
Der Hofstaat des Königs Milan ist aufgehoben;
seine Adjutanten wurden ihrer Posten enthoben.
Unsere deutschen Eisenbahnen.
(Ein Weckruf von Professor Arthur Böytlingk.)
VI
Mit Recht beklagt es der Verfasser, daß wir keine Eisenbahn-
politik von Reichswegen haben, denn die Eisenbahnpolitik sei un-
auflöslich mit der Zollpolitik verbunden, sie könne diese unter-
stützen, aber auch lahmlegen. Er erinnert an die vorübergehende
Geltung der staffelförmigen Gütertarife zur Zeit des Ansturmes
gegen die hohen Getreidezölle. Finanziell hätten diese Tarife sich
sehr bewährt und Millionen Mehreinnahmen gebracht. Leider
habe man sie zu Ungunsten des ostdeutschen und zu Gunsten des
amerikanischen Getreides wieder aufgehoben.
Wieder auf die Personentarife zurückkommend, betont der Ver-
fasser, daß der Mensch nie schnell genug befördert werden könne.
Der Reiche, der allenfalls sein Leben auf dem Faulbett zubringen
kann, bedürfe der schnellen Beförderung weniger, als der kleine
Mann, der mit der Eisenbahn seine Arbeitszeit, d. i. sein täg-
liches Brod verfährt.
Die Forderungen, die der Eisenbahn-Reformverein für den
Personenverkehr aufgestellt hat, sind bekannt. Sie sind außer-
ordentlich maßvoll gehalten, da der Reform-Verein durchaus nicht
mit dem Kopf durch die Wand will, sondern die stufenweise Er-
höhung des deutschen Eisenbahnwesens anstrebt.
Dann sagt der Verfasser weiter: Der letzte Landtag hat ein-
stimmig die Erwartung ausgesprochen, daß die Regierung ans
dem eingeschlagenen Wege der Verbilligung der Personen-
tarife fortschreiten werde. Insbesondere ist der Wunsch nach-
drücklich zum Ausdruck gebracht worden, Hefte mit 1000 Kilo-
metern dritter Klasse zu 20 Mk. und halbe zu 10 Mk. auszugeben
und das „Zauberbüchlein" solcherweise endlich weiteren Kreisen
und nicht nur den „oberen Zehntausend" zugänglich zu machen.
Minister v. Brauer hat zwar dieses damals noch nicht in nahe
Aussicht stellen können, weil mit den Bundesstaaten Verhand-
lungen schwebten, welche auf der Grundlage „thunlichster Er-
mäßigung der Tarifsätze und Vereinfachung des Systems" zu
einer gemeinsamen Tarifordnung für das ganze Reich führen
sollten, jedoch hat Se. Excellenz die Erklärung abgegeben, daß,
falls der Erwartung zuwider diese Verhandlungen nicht zu dem
gewünschten Ergebnis führen sollten, Baden auf dem eingeschlagenen
Wege selbständig weiter gehen werde.
Wie diese schon seit einem Jahrzehnt unter der Hülle tiefsten
Amtsgeheimnisses schwebenden Verhandlungen schließlich an der
Jahrhundertwende ausgegangen sind, ist seit den kürzlichen be-
züglichen Mittheilungen des Ministers v. Thielen im preußischen
Landtage weltkundig. Die denkwürdigste Phase derselben ist un-
zweifelhaft die s. g. „Süddeutsche E i s en b a h n g e m e in-
schaft" gewesen, wie Minister v. Mittnacht dieselbe vor Jahres-
frist dem Landtage in Stuttgart unterbreitet hat. Danach sollten
in den süddeutschen Staaten die Rückfahrkarten, Rundreisehefte,
Fahrscheinbücher in Wegfall kommen, ganz besonders jedoch die
württembergische Landeskarte und das badische Kilometerheft, und
dafür ein einheitlicher Kilometer-Tarifsatz von 2,3—2,5 Pfg. für
die dritte Klasse (und diese ist in jeder Hinsicht ausschlaggebend!)
eingeführt werden, zu welchem Satz dann noch ein Schnellzugs-
zuschlag von mindestens 0,5 Pfg. hinzugekommen wäre. Dieses
hätte für uns in Baden im Hinblick auf das Kilometerheft eine
Berthen er nng von vollen 25 Prozent bedeutet!
Diese s. g. „Süddeutsche Gemeinschaft", welche via Straßburg
von Berlin aus lancirt worden zu sein scheint, ist augenscheinlich
nur der Köder gewesen, um die Verständigung mit Preußen
auf Grundlage des möglichst „rein" wieder hergestellten „Post-
kutschentarifs" nach preußischem Muster, mit seinen vier Wagen-
klassen, einzuleiten. Da es Excellenz v. Thielen, trotz dieses
diplomatischen Umweges, nicht geglückt ist, die Süddeutschen
Staaten für seine vierte Klasse und damit für die Aufrecht-
erhaltung des höheren Tarifsatzes in der dritten, zu gewinnen,
hat er sich alsbald auf sich selbst zurückgezogen, um die Verein-
fachung der Tarifsätze unter „thunlichster Erhöhung" derselben auf
seine Weise in Angriff zu nehmen.
Nun es am Tage liegt, wohin der ohnehin übermächtige
preußische Eisenbahnminister steuerte, können wir uns nicht genug
dazu beglückwünschen, daß eine Einigung nicht erzielt worden ist:
dieselbe hätte für die deutschen Eisenbahnen nur den Anbruch einer
„Eiszeit" bedeutet, deren auf die Dauer unerträglicher Druck
schließlich unabwendbar zu einer Katastrophe führen müßte, die
man sich für den gesammten Volkswohlstand und unsere Welt-
stellnng kaum zu vernichtend ausmalen kann.
Jetzt, da die süddeutschen Staaten ihre volle Freiheit wieder
haben, gilt es, diese Freiheit ohne Säumen auszunutzen. Sollen wir
uns der cndgiltigen Umklammerung und Bewältigung durch die
preußische Eisenbahnverwaltung noch erwehren und unsere Eisen-
bahnantonomie behalten, damit unsere „Straßenzüge" nicht von
Berlin aus bestimmt und verwaltet werden, so ist kein Augenblick
länger zu verlieren.
Aus Stavr und Land.
Heidelberg, 21. August.
Von der Univerststät Ein pfälzische:' Volk-schuttehrer, Herr
Kemmerer aus Neustad! a.H., promovirte dieser Tage bei der
philosophischen Fakultät der hiesigen Universität mit bestem Er-
folg aus Grund einer Dissertation über Senecrs Einfluß auf
das deutsche Drama, mit germanischer Philologie als Haupts^'
Geographie und Französisch als Nebenfächern. .
2 Vom Wetter. Die Hitze der letzten Tage, die schon wtt"
einen tropischen Charakter angenommen hatte, wurde durch ^
gestern niedergegangenes Gewitter angenehm gemildert, E-,
etwa Uhr Nachmittags an begann der Regen und hielt W
den ganzen Nachmittag an, bald stärker bald schwächer. E
ununterbrochenes Donnerrollen, zuweilen auch Blitze, kündete
Ausbruch eines heftigen Gewitters an und nach einiger Zeit E'
finsterte der Himmel sich derart, daß man, selbst in Hellen
schäftsräumen, ohne Zuhilfenahme von künstlichem Licht El
mehr arbeiten konnte. Das Gewitter war aber nicht über nistck-
Stadt ausgebrochen, hier selbst trat es nur mäßig ans, E
verspürte hier eigentlich nur die Ausläufer des Unwetter»'
Schlimme Nachrichten kommen dagegen ans der westlichen Ras»'
barschaft Heidelbergs. In Kirchheim hat ein HageltveU-
arg gehaust und an Tabak, Rüben, Kartoffeln, Kraut u. 1 A
großen Schaden angerichtet; ebenso in Wieblingen und E
auf dem westlichen Theile der Gemarkung, während der östE
nach Heidelberg zu gelegene Theil wohl von dem starken RE
etwas mitgenommen, großer Schaden hier aber nicht angerich^
wurde. Dagegen sieht es auf den Aeckern des ersterwähnt-
Gemarkungstheiles sehr schlimm aus. Vom Tabak stehen gesE
noch die Rippen, die Blätter sind abgeschlagen, die Kartoffeläae
sind abgeschwemmt und liegen blos, ebenso haben die Rüben 3-'
litten; starke Bäume wurden vom Wirbelwind nmgerissen. AE'
liches verlautet ans Eppelheim, Plankstadt, Edingen E
Friedrichsfeld. Im Orte Wieblingen gab es noch E,
Ueberschwemmung. Die Orte an der Bergstraße scheinen 38^
glimpflich davongekommen zu sein. In Rohrbach und DossenhE
hat das Wetter, das sich mehr über die Rheinebene entE'
keinen oder wenigstens keinen erheblichen Schaden angerichtet. ,
»Ist Nach China. Von hier sind 12 Reservisten für CHE
angenommen worden und nach Karlsruhe adgercist, wo aus tE
14. Armeecorps eine Compagnie des nach Ostasien
stimmten Nachschubs zusammengesetzt wird. Unter deu von iE
Abgereisten befinden sich auch einige Heidelberger. Mehrere E
Freiwilligen sind verheirathet. Bekannntlich sind an Jnfantertt
bis jetzt 4 Regimenter zu zwei Bataillonen nach China avgegaNick»
und jetzt sollen noch zwei weitere Infanterie-Regimenter naÄ'
geschickt werden. Jedes der sechs Regimenter soll als neum
Kompagnie eine Ecsatzkompagnie erhallen, die zunächst in E
ostasiatischen Häfen bleiben wird. Baden stellt die neunte CE'
paanie des 2. ostasiatischen Infanterie-Regiments. . ,
Eisenbahnunfall. Sonntag Abend fuhr in der StatE
Handschuhshcim der Nebenbahn der Zug, der um 9 Uhr hier a»
fährt, in Folge falscher Weichenstellung auf eine Güterwagen
abtheilung. Einige Güterwagen sind leicht beschädigt. Der Z "8
erhielt eine einstündige Verspätung.
Vefitzwechsel. Das Frau Friedrich Waltz Wittwe dahier 8^
hörige Haus Schiffgasse Nr. 2 ging durch Kauf um VA
Preis von 62500 Mk. in den Besitz des Hrn. Prediger Eo>'
Schilling über.
» Die Abbrucharbeiten an der städtischen Turnhalle in »er
Gradengasse sowie am Faller'schen Hause, welche Gebäude E
kanntltch wegen des Neubaus der Universitätsbibliothek nieder
gelegt werden, sind dem Grabarbeiten-Unternehmer Johann Be»
der übertragen worden und haben bereits begonnen. »
— Unfall. Bet der schwancnapotheke glitt gestern durch
das Auftreten auf eine Zwetschge eine 68jährige Frau aus, E
zu Fall und brach den linken Fuß.
---- Polizeibertcht. Wegen fortgesetzter Ruhestörung wurde er»
Schieferdecker verhaftet. Drei Personen kamen wegen Unfug»
zur Anzeige. .
O Schöffengerichtssttznng vom 20. August. 1) Achilles FuUt^
geld, Kaufmann in Kttzingen, erhielt wegen fahrlässiger Körper^
Verletzung 40 Geldstrafe, 2) Philipp Knebel, CigarrenmaÄft
in St. Ilgen, wegen Körperverletzung 15 Geldstrafe, 3) Heinrich
Scheuber, Schmied in Handschuhsheim, wegen Körperverletzua»
30 Geldstrafe. 4) Marlin Köhler, Wickelmacher, und JaE
Burkhard, Taglöhner, beide in Sandhausen, wurden von der
Anklage wegen Sachbeschädigung freigesprochen. 5) Josef ».LE'
Taglöhner, Karl Jakob Sutter, Taglöhner, Johann Häufler,
Taglöhner, Emil Adolf Seng, Taglöhner, Rudolf Wilhelm D>e'
bach, Taglöhner, Karoline Kißling, Kellnerin, und Karl GulaNv,
Taglöhner, alle hier, waren angeklagt wegen Körperverletzung
Sachbeschädigung und Uebertreiung der HZ 360" und 3ov
R.St.G.B.; es erhielten v. Ow 20 Geldstcaf, Sutter 1 Wo«
Gefängniß, Häufler 4 Tage Gefängniß, Seng 1 Woche G,
fängniß, Diebach 14 Tage Haft u. Karoline Kißling 1 Woche Hack'
während Guland freigesprochen wurde. 6) Georg Honig, Ta8
löhner in Sandhaufen, erhielt wegen Sachbeschädigung 5 Ta8
Gefängniß.
Mannheim, 20. Aug. Eine blutige Messeraffair
spielte sich gestern Abend in der Neckarvorstadt bei der Wirm
schaft „Zum Floßhafen" ab. Der 25 Jahre alte TaglöhE
Nikolaus Serba von hier wurde nach vorausgegangenem WoU'.
Wechsel von dem 16jährtgen Ludwig Neidig durch M e s s e^
stiche in den Unterleib derart verletzt, daß die Gedärm
hervortraten. Der Zustand des Verletzten ist bedenklich. D-
Thäter wurde verhaftet. „
L.R. Mannheim, 20. Aug. Ein schwerer Unglücksfall koE°
in dem Stadttheil Käferthal einem jungen Mann das Lebe»'
Der ledige 21 Jahre alle Wirthschaftsarbeiter Reuter woisi,
Abends gegen 10 Uür eine Fahne vom Dach der Wirthschaft
zum „Schwarzen Adler" einziehen, verlor aber in der Dunkeln^
das Gleichgewicht, stürzte auf die Straße und blieb todt.
8.6. Karlsruhe, 19. Ang. Der hiesige Stavtrath suchte °
Großh. Ministerium des Innern um die Genehmigung nach, v-j
Hufs Aufnahme der hiesigen Wohnu ngs v erhältni ss e v
der am 1. Dezember ds. Js. statlfindenden allgemeinen Bon»,
zählung den staatlichen Zählpapieren einen städtischen Wohnung'
zählbr, ef beischließen zu dürfen. — Im Monat Juli wurde
tm Rheinhafen wieder 70000 vdm durch die Bagger ß
fördert. Die Gesammtfördermasse seit Banveginn beläuft
jetzt ans 1930 OVO obm. Gute Fortschritte haben die UferdeckuNSv,
gemacht. Der Abschlußbau an der Einfahrt in den Petroienn
Hafen isi fertig betonirt. Die Eisenbahn und die Straßen»rua„
über die verlegte Alb sind fertig montirt; die elftere ist U,
Anfang August für die Beifuhc von Baumaterialien zum Hack»
bau in Benutzung genommen.
8. 6. Karlsruhe, 20. Aug. Heute wurde hier die 9. KompaE
des 2. Ostasialischen Infanterie-Regiments aus den Regimenter
des 14. Armeekorps formirt. Sie verläßt morgen früh
Residenz. — Professor Götz, Direktor der Großh. Kunstgewer».
schule, erhielt in der Gruppe „Kunstgewerde" den Großftx
Preis auf der Pariser Weltausstellung. — Die Obstpre' V
sinken rapid. Im Bühlerthal werden gegenwärtig für gute Tack »
birnen und -Aepfel nur 3 pro Center bezahlt. Auch im AVI"
der Frühzwetschgen macht sich eine Stockung bemerkbar. ,
8. öi. Baden-Baden, 19. Aug. I. Rennen. 1. Preis
der Donau: 3000 Mk., gegeben von Fürst Fürstenberg.
liefen 6 Pferde. 1. Mr. Burles' „Doppeladler"; 2. Herr" ^
Teppers' „Alert"; 3. Graf Halen-Basedont's „Wohlfarts -, »
II. Rennen. 2. Jugend-Handicap. Preis 4000 Mk. Es lckck ,
elf Pferde. 1. Gestüt Martahall's „Ameise"; 2. Herrn A^,/,
berg's „Heimliche Liebe"; 3. Herrn U. von Oertzen's „MtlchfE g
— III. Rennen. 3. Fürstenverg-Memortal. Ehrenpreis »^
garantirte Preishöhe 58 000 Mk. Hiervon 40 000 Mk. ° ^
Sieger, 50V0 Mk. dem zweiten, 3000 Mk. dem dritten und »V,
Mark dem vierten Pferde. Es liefen 6 Pferde. 1. Herrn,.
Kühn's „Winfried"; 2. Herrn U. v. Oertzen's „Barkas"; 3-
Balduin's „Sichdichfür". — IV. Rennen. 4. Damenpck'^
Ehrenpreis. Es liefen sieben Pferde. 1. Hrn. U. v. OerE
„Lamoral"; 2. Hin. R. Böhme's „Doria"; 3. Hrn. I. Zurl"'^
„Wilhetmina". — V. Rennen. 4. Kurverwaltungspreis
Mark. Es liefen vier Pferde. 1. Fürst Hohenlohe-Oehringe»