— Ein deutscher Seesoldat, der die Entsetzung der !
Seymour'schen Truppe in der Nähe von Tientsin mitge-
macht hat, erzählt:
Ich blieb mit Gottes Hilfe wieder unverwundet und wir
kamen des Nachts wieder halbtodt vor Müdigkeit in unserem
Lager an. Die g e f a n g en en Chinesen haben wir alle tobi-
ges ch offen, aber auch alle Chinesen, die wir sahen und krieg-
ten, haben wir alle niedergestochen und geschossen; die
Russen spießten kleine Kinder, Frauen und alles auf. Am andern
Tage gingen wir und holten unsere Tobten, die acht Tage vor-
her auf dem Schlachtfelde bei dem ersten Gefecht gefallen waren,
aber wie erschrocken wir, als wir sie sahen I Tie Hunde, die
Chinesen, hatten allen unseren todten Kameraden Köpfe und
Hälse abgeschlagen und ihnen Alles abgenommen, sogar diejeni-
gen, die noch reines Zeug anhatten, waren ausgezogeu und alles
war mitgenommen. Meinem Leutnant, der gefallen war, hatten
sic das Fleisch von den Rippen getrennt; es war nur
noch das Gerippe vorhanden. An den Stiefeln nur konnten wir
ihn erkennen. Meine lieben Eltern, wir haben ihnen Rache ge-
schworen und haben Alles in die Luft gesprengt, und Gott wird
uns Deutschen zu weiteren Siegen helfen.
— Die Rhederei der in der Dela goi-Bai beschlag-
nahmten Bark Hans Wagner erhielt die Nachricht, daß
die englische Regierung ihre Schadensansprüche an-
erkannte, die Beschlagnahme also unberechtigt war.
Der Schadenersatz soll 60 000 Mark betragen.
— Die Zunahme der deutschen Dampfer-
flotte hat im vorigen Jahre zum ersten Male die der
englischen geschlagen, ein Umstand, der die Aufmerksamkeit
der britischen Industrie nicht wenig erregt. Die deutsche
Dampferflotte hat im vorigen Jahre um 248 000 Brutto-
und 149 000 Nettotonnen zugenommen, die englische da-
gegen nur um 100 000 Brutto- und 20 000 Nettotonnen.
Der Abstand erscheint zu Gunsten Deutschlands außer-
ordentlich groß; an der Richtigkeit der Zahlen wird wohl
aber nicht zu zweifeln sein, da sie dem ersten englischen
Fachblatt Engineer entnommen sind.
Wilhclmshöhe, 23. Aug. Der Kaiser machte
gestern mit dem Prinzen von Wales eine Spazierfahrt im
Park und nach der Abreise des Prinzen eine Fahrt durch
das Druselthal im Automobil.
Baden. Der Kaiser hat für die Friedensgliederung
einzelner zum XIV. und XV. Armeecorps gehörigen Jn-
fanteriebrigaden vom 1. April 1901 eine umfassende
Aenderung befohlen, die sich geichzeitig auch auf die
Standorte der zugehörigen Truppentheile erstreckt. Beim
badisch en Armeecorps kommt die aus den vier Jäger-
bataillonen in Colmar und Schlettstadt gebildete besondere
Jägerbrigade in Fortfall; diese Zusammenziehung von Jäger-
bataillonen zum Brigadeverbande war wohl als ein Ver-
such zu betrachten, der sich nicht bewährt zu haben scheint.
Die 82. Jnfanteriebrigade verbleibt zwar in Colmar, aber
die Bezeichnung als Jägerbrigade hört auf und die Brigade
erhält das Infanterieregiment Nr. 171, das von Bitsch
nach Colmar verlegt wird, und das Infanterieregiment Nr.
172, das zwar in Straßburg verbleibt, aber ebenso wie
das Regiment Nr. 171 aus dem Verbände der 85. Jn-
fanteriebrigade in den der 82. Übertritt. Beim XIV. Armee-
corps verbleiben alsdann unter der Bezeichnnng »beim Armee-
corps befinden sich" die Jägerbataillone Nr. 8. in Schlett-
stadt und Nr. 14 in Colmar. An die Stelle der beiden
von der 85. Brigade in Straßburg ausscheidendcn Regi-
menter tritt das Infanterieregiment Nr. 138, das in Straß-
burg verbleibt; als zweites Regiment gehört zur Brigade
Wie bisher das königlich sächsische Regiment Nr. 105.
Das Regiment Nr. 138 scheidet aus dem Verbände der
61. Jnfanteriebrigade aus. die nur die beiden Regimenter
Nr. 132 und (württembergisches) Nr. 126 behält. Neu
hinzu treten zum XV. Armeecorps die bcidcn Jägerbataillone
Nr. 4. und 10, die nach Bitsch in Garnison verlegt werden;
bisher verfügte das elsässische Armeecorps über keine Jäger-
bataillone, wie solche auch beim XVI. lothringischen Armee-
corps nicht vorhanden sind.
Elsaß-Lothringen. Mülhausen, 23. Aug. Auf der
gestrigen Börse haben mehrere hiesige Baumwollweberei-
besitzer beschlossen, auf nächsten Mittwoch eine allgemeine
Versammlung der Besitzer von Baumwollwebereien
einzuberufen, um sich über eine eventuelle Einschränkung
der Produktion schlüssig zu machen. Es sei nämlich
Thatsache, daß trotz sehr geringer Vorräthe die Tuchpceise
nicht im Verhältnisse zu den Rohbaumwoll- und Garn-
preisen stehen. Daher scheine eine Arbeitseinschränkung
angebracht zu sein.
Preußen. Von der Eisenbahnverwaltung sind neuer-
dings wieder 4690Güterwagenin Bestellung gegeben.
Davon entfallen 870 auf den Eisenbahndireklionsbezirk
Breslau, 350 auf Bromberg, 400 auf Köln, 2000 auf
Essen a. Ruhr, 600 auf Hannover und 470 auf Magde-
burg. Von den gestimmten Wagen sollen 2150 bedeckt,
540 offen, und je 1000 Kohlen- und Kokswagen sein.
aus nicht verschlimmert. Er ist nicht bettlägerig und unternimmt
täglich außerhalb des Hauses Spaziergänge.
— Düsseldorf, 22. Aug. Einer der China-Freiwilligen fand
kaum, nachdem er die Fahrt angetreten hatte, schon ein
tragisches Ende. Ein Unteroffizier der Reserve stürzte
zwischen Calcum und Großenbanm aus dem Zage und blieb
schwer verletzt auf dem Geleise liegen. Kurz darauf wurde er
von einem Personenzuge Berlin-Köln zerstückelt. Die Leichen-
theile wurden nach Calcum geschafft.
— Berlin, 23. Aug. In der Wah nv o r st ellu n g, Anarchist
und polizeilich verfolgt zu sein, hat sich ein italienisch er
Arbeiter aus Turin, der seit anderthalb Jahren in einer
Berliner Fabrik beschäftigt war, durch einen Sprung aus dem
Fenster seiner Wohnung das Leben genommen. Er soll ein
ruhiger Arbeiter gewesen sein, der keine Versammlungen besucht
hatte^ Er ist anscheinend durch das Lesen von Nachrichten über
den Königsmord zu Monza um seinen Verstand gekommen.
— Die Gräfin Waldersee ist bekanntlich von Geburt Ameri-
kanerin. Am 3. October 1837 wurde sie in Newyork als Tochter
Marie Esther des Rentners Lee geboren. Sie vermählte sich
1864 in Paris mit dem Großvaterbruder der deutschen Kaiserin,
Prinz Friedrich von Schleswig-Holstein, der im September 1864
nach Verzichtleistung auf seinen Namen und Stand vom Kaiser
von Oesterreich nach dem Namen eines Dorfes im Regierungs-
bezirk Schleswig den Titel eines Fürsten von Noer erhalten
hatte, aber schon im Jahre darauf starb. Am 14. April 1874
vermählte sich Graf Waldersee in Lautenbach (Württemberg) mit
der Fürstin Noer.
Sachsen. Dresden, 22. August. Mehrere Blätter
bringen die Nachricht, Or. zur. st tstsol. Prinz Max von
Sachsen werde die Berufung als Professor des kanonischen
Rechts an die katholische Universität zu Freiburg in der
Schweiz annchmen oder habe sie bereits angenommen.
Prinz Max, der 1870 geborene zweitjüngste Sohn des
Prinzen Georg, Bruders des Königs, ist seit dem 26. Juli
1896 Priester und zur Zeit Curatpriester an der St.
Elisabethkirche zu Nürnberg.
Aus der Karlsruher Zeituug.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Rechnungsrath Ludwig W i t tm a u u beim Evaugel. Oberkirchen-
rath zum Oberrechnungsrath, den der Revision des Evangelischen
Oberkirchenraths beigegebenen Geistlichen Verwalter Adolf Fell-
meth unter Belastung seines Dienstcharakters zum Revisions-
vorstand und den Registrator Karl Robert Brecht bei dem
Evangelischen Oberkirchenrath zum Revisor bei dieser Behörde
ernannt.
— Betriebsassistent Karl Etienne in Bühl wurde nach
Emmendingen versetzt.
Ausland.
Schwede». Stockholm, 23. Aug. König Oskar
hat das Schiedsrichteramt in Sachen der Entschädi-
gung deutscher, englischer und amerikanischer Staatsangehö-
riger bei den letzten Unruhen auf Samoa angenommen.
Afrika. Daily Telegraph meldet, die Buren hätten
in der Nähe von Jngogo den „langen Tom" in Stellung
gebracht. Sein Feuer sei auf die Eisenbahnbrücke von
Jngogo gerichtet. Nach einer Meldung des Standard soll
die Eisenbahn nach Ladysmith in der Nähe von Hetting-
spruit in der Nacht zum 22. beschädigt und infolgedessen
ein Güterzug entgleist sein. Nach weiteren Meldungen
Londoner Blätter haben die Buren thatsächlich die Eisen-
bahn bei Dann hau sei in einer Ausdehnung von 100
Aards zerstört. Ein Zug mit Reisenden und Gütern
sei entgleist.
Pretoria, 23. Aug. Lord Roberts meldet: Gene-
ral Buller berichtet, daß seine Division gestern nach
Vanopksleg, 15 Meilen südlich von Belfast, marschirte;
er verlor beim Vormarsch etwa 20 Mann. General Paget
berichtet, daß Oberst Baden-Powell gestern den ganzen Lag
mit der Nachhut des Commandanten Grobler im Gefecht
war. Grobler wurde zurückgetrieben. Während des Ge-
fechtes kam Baden-Powell und die berittene Vorhut des
Feindes in ein Handgemenge, wobei das Rhodcsia-Regi-
ment große Verluste erlitt. Oberst Speckler und vier
Mann sind getödtet, ein Leutnant und sechs Mann ver-
wundet. Der Feind wird verfolgt. Es scheint ziemlich
sicher, daß De Wet es für hoffnungslos hält, mit Ge-
schützen und Wagen nach Osten zu marschiren und daß er
deshalb mit wenigen berittenen Leuten die Magalisberge
wieder überschritt, um in die Oranjeflußkolonie zurückzu-
kehren. Er wird dort unter ganz anderen Verhältnissen
eintreffen, als unter denen er Bethlehem verlassen hat.
Eine Burenabtheilung sprengte gestern einen Brückentheil,
8 Meilen nördlich von Newcastle, und zerstörte die Eisen-
bahnlinie 30 Meilen südlich von Newcastle. General
Carrington meldet, daß seine Vorposten gestern wiederum
mit dem Feind in ein Gefecht verwickelt waren.
Unsere deutschen Eisenbahnen.
(Ein Weckruf von Professor Arthur Böhtlingk.)
IL.
Nichts scheint zur Zeit nothwendiger, als maßgebenden Orts
daran zu erinnern, daß die „Staats"-Bahn Gemeingut ist
und also auch im Interesse Aller verwaltet werden will. Die
volle Konsequenz aus vem Staatsbahnsystem ist selbst für die
Militärverwaltung bisher nur für den Kriegsfall gezogen worden,
indem es für selbstverständlich gilt, daß die Bahnen ihr in die-
sem Falle für ihre sämmtlichen Transporte vorbehaltlos zur Ver-
fügung stehen.
Wie allenthalben in der Staatsverwaltung haben natürlich
die „Juristen", die „Herren" vom Hause, auch bezüglich der
Eisenbahn für sich am ausgiebigsten vorgesorgt. Daß ein Ver-
waltungsbeamter innerhalb seines Berufes, für jede Reise im
Interesse seines Dienstes, die Eisenbahn benutzt und die Fahrt
voll vergütet erhält, ist selbstverständlich. Es wird ihm aber
meist nicht das nackte Fahrgeld vergütet, sondern ein Tagegeld
bezahlt, welches ihm nicht selten eine „Ersparntß" ermöglicht, so
daß eine derartige Reise, wenn er Haus zu halten weiß, weniger
dazu angethan ist, ein Loch in seine Tasche zu reißen, als ein
solches zu — stopfen, was ihm übrigens bei dem meist mehr
als karg bemessenen „Gehalt", zumal wenn er ein solches noch
gar nicht beziehen sollte, nicht nur in seinem eigenen, sondern
wohl auch im öffentlichen Interesse von Herzen zu gönnen ist.
Verhängnißvoll wirkt, daß die Eisenbahnminister, die General-
direktoren und noch so manche andere Spitzen der Eisenbahn-
verwaltung, sogar Betriebsdirektoren, „Juristen" und als solche
„Formalisten" zu sein pflegen, welche für die Erfassung der
„Wirklichkeit", gar des flüssigen Lebens, wie es ein Bahnbetrieb
zur Voraussetzung hat, die denkbar ungeeignetsten Köpfe zu sein
pflegen. Ueber die „juristischen" sind nicht nur die technischen
— Auf dem Ortler Hochjoch (Tyrol) in einer Höhe von
3500 Metern findet am 30. August die Eröffnung der von der
Sektion „Berlin" des D.-Oesterr. Alpenoeretns erbauten Touristen-
hütte statt. Es wird dies das höchstgelegene Schutzhaus in den
österreichischen Alpen sein. Die Erzherzog Johann-Hütte auf
der Adlerruhe, welche bisher den ersten Rang einnahm, liegt
um 100 Meter tiefer. Die Hütte wird von Sulden aus in 6'/z
Stunden zu erreichen sein.
— Durch das große Loos zum armen Mann geworden ist
ein Schiffer in Fraulautern bei Saarbrücken. Der Mann, der
in ziemlich guten Verhältnissen lebte, hatte das Loos Nummer
18 427 der Pirmasenser Kirchenbaulotterie erworben. Auf dieses
Loos fiel der erste Hauptgewinn von 40 000 Mark. Als dies der
Schiffer, der mit seinem Fahrzeug zur Zeit gerade in Saar-
brücken lag, erfuhr, sandte er das Loos in einem mit drei Zehn-
pfennigmarken beklebten Briefkouvert an das Münchener Bank-
haus, das die Gewinne auszuzahlen hatte. Als der Schiffer
hierauf keine Nachricht erhielt, fragte er einige Zeit später noch-
mals an, worauf das Bankhaus erklärte, den Brief mit dem
Loose nicht erhalten zu haben. Der Schiffer erhob nun Klage,
es folgte ein langwieriger Prozeß, dessen Kosten zu solcher Höhe
aufliefen, daß er nicht nur Haus und Hof, sondern auch sein
Schiff verkaufen mußte. Der Prozeß ging für ihn verloren und
damit auch der hohe Gewinn. Jetzt muß der „glückliche" Ge-
winner, nachdem er von längerer Krankheit genesen ist, wieder
als einfacher Taglöhner arbeiten, um sich und seine aus sieben
Personen bestehende Familie zu ernähren.
und kaufmännischen, die volkswirthschaftlichen, 1»"^
auch die „v o l k st h ü m l i ch e n" Gesichtspunkte mehr und ">
verloren gegangen. -jx
Nach der Meinung der Herren von der Verwaltung st"» -
Tarife ja so — billig! Man bedenke: von Karlsruhe ,
allerdings dritter Klasse und bloß hin, nach Berlin, „
Mk. 31.30, nach Königsberg freilich Mk. 60. nach
Mk. 15.50, nach Stuttgart Mk 4.45 ; gar innerhalb der badp«
Grenzen, nach Alt-Heidelberg nur: Mk. 2.55, nach FreF" -
freilich Mk. 6.20, nach Basel Mk. 9, nach Konstanz allerd'"^
über Mk. 10. Wer aber fährt gleich an das Schwäbische M""
Haben wir Karlsruher doch das unverg leichliche Baden-B»»,,
nur 38 Kilometer weit von uns entfernt! Eine Rückfahrt"",
dritter Klasse von Karlsruhe nach Baden aber kostet im s«""?,
zuge nur Mk. 3 und im „Personenzuge" gar die Kleinigkeit.»»
Mk. 2.20; das macht zwar für eine vierköpfige Familie für"'» -
Ausflug in dieses nächste Schwarzwald-Paradies ein erklecklich",
Sümmchen aus. nämlich im Bummelzug Mk. 8.80 — es bra»«
indeß nicht gleich Jeder nach Baden- Baden zu fahren, haben w,
Residenzler doch den nie genug zu genießenden Hardwald dl«
an der Stadt! Und dann! Ob viel Geld oder wenig Geld
— in Deutschland sind die Tarife jedenfalls „verhältnismäßig "fl
billiger, als in den meisten anderen Ländern". So gl""»
es wenigstens Excellenz v. Thielen und der preußische Eisenbau"
minister muß es doch wissen! In ganz Norddeutschland koste"
zwar 20 Kilometer dritter Klasse im „gewöhnlichen" Zuge 80 M"
im Schnellzuge ohne Platzkarte 91, in Belgien dagegen nur 6»?'
in Rußland 60,5, in Dänemark 56,25, in Oesterreich 46 und'"
Ungarn 34 Pf. und dieses in allen Schnellzügen, welche dritte'
Klasse führen, ohne Zuschlag und ohne Platzkarte. Dabei st""'
Excellenz von Thielen seinem Fahrgast Kilometer für KiloM""'
all inünitrun, bis zur letzten Grenzstation, in Rechnung; währet«
in mehreren der oben genannten Länder billige Zeitkarten
stehen, wobei die Länge der Strecke überhaupt nicht in Netra«'
kommt, und zudem in den meisten derseiben weitgehende E"'
fernungs- oder Zonentarife mit fallender Skala eingeführt st""'
fodaß, wenn man 1000 Kilometer auswirft, der Abstand zu u"
grinsten unserer deutschen Bahnen seit Jahr und Tag ein de«
maßen „beschämender" ist, daß wir besser thun, den Vorh»"°
darüber fallen zu lassen. Excellenz von Thielen aber hat es »«
15. Februar 1900 fertig gebracht, von der Rednerbühne im offen"?
Reichstage aus zu erklären, daß die Tarife bei uns in Deuts«
land verhältnißmäßig billiger sind, als in den meisten ander""
Ländern! Ohne daß ihm von den Volksboten auf der Sie""
gebührend heimgeleuchtet worden wäre. .
Das System der Staatsbahn wird erst dann wirkst«
durchgeführt sein, wenn die Bahn, die jedem Staats
bürger gehört, auch jedem Staatsbürger se in"«
Verkehrsbedürfniß entsprechend zur Verfügung
steh t. Derjenige Staat, welcher dieses Staatsbahn-Jdeal zuerst
verwirklicht, wird nicht nur in seiner inneren Organisati»"'
sondern damit zugleich auf dem Weltmärkte einen Vorsprung S",
wonnen haben, um den ihn alle andern zu beneiden Ursa«:
haben werden. Sollten wir in Deutschland, nachdem wir, Da»"
Bismarck, das Staatsbahnsystem in sämmtlichen Bundesstaat"»
eingeführt haben und solcherweise die Ersten gewesen sind, dies"»"
Ideal zuzusteuern, auf halbem Wege erlahmen? Sich darauf s"
besinnen, thut um so mehr Noth, als Staatsbahnen, welche, ««
unsere heutigen, mehr dazu dienen, den Verkehr im Keime zu
sticken und gewaltsam zurückzuhalten, als denselben zu wecken »"»
zu entwickeln, nur zu sehr einer eisernen Zwangsjacke gleich""'
welche, wenn dieselbe nicht noch rechtzeitig gesprengt wird,
natürliche Wachsthum unserer Volkskraft unwiderruflich zu »"fl
kümmern droht, eben da dieselbe infolge der Begründung d"»
Reiches eine ungeahnte Blüthe zu zeitigen verspricht.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 24. August- „
n Zopf! Zuweilen geht es bei der großen Verkchrsansta"
P o st doch rechr bureaukratisch und zopfig zu. Kamen da jüng"
einige nach Cüstrin bestimmte Zeitungen zurück und zwar a»°
keinem andern Grunde, als weil der Name Cüstrin nicht
dem vorschriftsmäßigen E, sondern mit K, also Küstrin geschrieb"'
war. Mau sollte doch woyl aunehmen, daß die Post die Zeitung""
ruhig hätte an ihren Bestimmungsort gelangen lassen kön»""
und, wenn ihr gar so viel daran lag, daß der Ortsname i« »fl
o f fi z i e l l e n Schreibweise geschrieben werde, dann hätte»"
ja den Herausgeber des Blattes auffordern können, sich diel""
für die Folge zu bedienen. Die Blätter aus angeführtem GrU»»"
aber einfach znrückgehe» zu lassen, erinnert doch sehr an ^
Schilda. Daß Cüstrin mit dem C geschrieben eigentlich Züstfl"
auszusprechen wäre und somit falsch ist, sei nur nebenbei bew""'"
— Polizetbericht. Verhaftet wurden ein Fuhrknechl weg""
Unterschlagung, ein Malergehilfe wegen Sittlichkeitsvergehe'«'
ein von einer auswärtigen Behörde verfolgter Goldarbeiter weg""
Diebstahls, ein Dreher wegen Bettelns und zwei Kellnerin»"'
wegen Umherziehens. Wegen Unfugs kamen fünf Personen
Anzeige. ..
Malsch. 22. August. Mit dem Ruse: „Die Räuber, " ,
Räuber!" stürmten am letzten Montag ein Theil der Scb"fl
kruder, die kurz vorher mit ihrem Lehrer in den W»'
spazieren gegangen waren, in das Dorf zurück, um zu »"'
künden, daß im Walde zwei Räuber ihr Lager aufgeschla""'
hätten. Nicht weniger als 150 Einwohner, die hier stationl«
Gendarmecie an der Spitze, zogen hierauf, wie man d""
Pfälzer Boren berichtet, aus. um die Räuber zu fang""'
Doch sollte die Räubergeschichte eine ungeahnte Anskläru»"
finden. Zwei! „Maler" halten nämlich mit ihren Utensil«,
an einer Stelle des Waldes Aukstellirna qenommen, um :d- '
Kunst zu obliegen. Ein ^Tveit der Schulkinder war ve"
Beereniuchen an dieser Stelle vorübergekommen und
deren Malslöcke als Gewehre und die Schuvhauben, we»«
die Maler als Abwehr gegen die lästigen Insekten auf hatl"A
als Räuberausrüstnng angesehen und alsbald das Heimat
dors gegen die vermeintlichen Briganten allarmirt. , .
X Wertheim, 23. Aug. Gegenwärtig vergeht fast kein
der uns nicht ein oder mehrere Gewitter bringt, die gr»"--
Schaden anrichten. Ein Glück ist. daß die Ernte vollstäl« ,
eingebracht ist. Doch ist der Schaden an den mit überaus reiaM
Früchten behangenen Obstbäumen ein sehr bedeutender. Au« ».§
Oehmdernte wird durch das Wetter sehr verzögert. Borgest"',
schlug der Blitz in Niklashausen in die Scheuer des dortw"^
Polizeidieners Arnold und tödtete eine Kuh auf der Stelle. A"
in den umliegenden Wäldern hat der Blitz mehrmals eingeschlE'fl
Im Spessart ist die Verheerung am stärksten. So sah Einst"",,
dieses bei einem «paziergange von ca. 2 Stunden 145 ZwetschS"?,
10 Aepfel- und 6 Birnbäume, die ganz oder theilweise ""
gerissen waren.
8.17. Karlsruhe, 23. August. Gestern Abend überfuhr " K
Kuticker aus Herrenalb den Fuhrmann Lampertsdörfer
Ettlingen, der in der Brauerei Sckrempp Bier und
geholt hatte. Das Eis war vom Wagen gefallen
Lampertsdörfer bückte sich gerade danach, als das
alber Gefährt heransnhr» den Lampertsdörfer streifte, tvod"M
er zu Falle kam und sein eigenes Fuhrwerk über ihn hi""°pe
fuhr, schwerverletzt blieb er aus der Straße in der NM,
von Rüppur liegen, erst ein später vorbeifahrender Albt» H
zug dielt an und nahm den Schwerverletzten mit "Ms
Ettlingen. Der Herrenalber Kutscher, welcher unbeküMwM
weitergefahren war, wurde von 2 Radfahrern verfolgt; >"
Personalien wurden teitgestelll.
L. 6. Karlsruhe, 23. Aug. Den großen Preis MH
Baden (Goldpokat des Großherzogs und 60000 Mk.)h»st" xs
diesmal bei den Jffezheimer Rennen ein deul!« ».
Pferd, Fürst von Hohenlohe-Oehringens „T a w
Das Rennen war heute wieder (im Gegensatz zu früheren I"". Ml
auffallend schwach besucht. Auf dem Rennplatz treiben ""
Seymour'schen Truppe in der Nähe von Tientsin mitge-
macht hat, erzählt:
Ich blieb mit Gottes Hilfe wieder unverwundet und wir
kamen des Nachts wieder halbtodt vor Müdigkeit in unserem
Lager an. Die g e f a n g en en Chinesen haben wir alle tobi-
ges ch offen, aber auch alle Chinesen, die wir sahen und krieg-
ten, haben wir alle niedergestochen und geschossen; die
Russen spießten kleine Kinder, Frauen und alles auf. Am andern
Tage gingen wir und holten unsere Tobten, die acht Tage vor-
her auf dem Schlachtfelde bei dem ersten Gefecht gefallen waren,
aber wie erschrocken wir, als wir sie sahen I Tie Hunde, die
Chinesen, hatten allen unseren todten Kameraden Köpfe und
Hälse abgeschlagen und ihnen Alles abgenommen, sogar diejeni-
gen, die noch reines Zeug anhatten, waren ausgezogeu und alles
war mitgenommen. Meinem Leutnant, der gefallen war, hatten
sic das Fleisch von den Rippen getrennt; es war nur
noch das Gerippe vorhanden. An den Stiefeln nur konnten wir
ihn erkennen. Meine lieben Eltern, wir haben ihnen Rache ge-
schworen und haben Alles in die Luft gesprengt, und Gott wird
uns Deutschen zu weiteren Siegen helfen.
— Die Rhederei der in der Dela goi-Bai beschlag-
nahmten Bark Hans Wagner erhielt die Nachricht, daß
die englische Regierung ihre Schadensansprüche an-
erkannte, die Beschlagnahme also unberechtigt war.
Der Schadenersatz soll 60 000 Mark betragen.
— Die Zunahme der deutschen Dampfer-
flotte hat im vorigen Jahre zum ersten Male die der
englischen geschlagen, ein Umstand, der die Aufmerksamkeit
der britischen Industrie nicht wenig erregt. Die deutsche
Dampferflotte hat im vorigen Jahre um 248 000 Brutto-
und 149 000 Nettotonnen zugenommen, die englische da-
gegen nur um 100 000 Brutto- und 20 000 Nettotonnen.
Der Abstand erscheint zu Gunsten Deutschlands außer-
ordentlich groß; an der Richtigkeit der Zahlen wird wohl
aber nicht zu zweifeln sein, da sie dem ersten englischen
Fachblatt Engineer entnommen sind.
Wilhclmshöhe, 23. Aug. Der Kaiser machte
gestern mit dem Prinzen von Wales eine Spazierfahrt im
Park und nach der Abreise des Prinzen eine Fahrt durch
das Druselthal im Automobil.
Baden. Der Kaiser hat für die Friedensgliederung
einzelner zum XIV. und XV. Armeecorps gehörigen Jn-
fanteriebrigaden vom 1. April 1901 eine umfassende
Aenderung befohlen, die sich geichzeitig auch auf die
Standorte der zugehörigen Truppentheile erstreckt. Beim
badisch en Armeecorps kommt die aus den vier Jäger-
bataillonen in Colmar und Schlettstadt gebildete besondere
Jägerbrigade in Fortfall; diese Zusammenziehung von Jäger-
bataillonen zum Brigadeverbande war wohl als ein Ver-
such zu betrachten, der sich nicht bewährt zu haben scheint.
Die 82. Jnfanteriebrigade verbleibt zwar in Colmar, aber
die Bezeichnung als Jägerbrigade hört auf und die Brigade
erhält das Infanterieregiment Nr. 171, das von Bitsch
nach Colmar verlegt wird, und das Infanterieregiment Nr.
172, das zwar in Straßburg verbleibt, aber ebenso wie
das Regiment Nr. 171 aus dem Verbände der 85. Jn-
fanteriebrigade in den der 82. Übertritt. Beim XIV. Armee-
corps verbleiben alsdann unter der Bezeichnnng »beim Armee-
corps befinden sich" die Jägerbataillone Nr. 8. in Schlett-
stadt und Nr. 14 in Colmar. An die Stelle der beiden
von der 85. Brigade in Straßburg ausscheidendcn Regi-
menter tritt das Infanterieregiment Nr. 138, das in Straß-
burg verbleibt; als zweites Regiment gehört zur Brigade
Wie bisher das königlich sächsische Regiment Nr. 105.
Das Regiment Nr. 138 scheidet aus dem Verbände der
61. Jnfanteriebrigade aus. die nur die beiden Regimenter
Nr. 132 und (württembergisches) Nr. 126 behält. Neu
hinzu treten zum XV. Armeecorps die bcidcn Jägerbataillone
Nr. 4. und 10, die nach Bitsch in Garnison verlegt werden;
bisher verfügte das elsässische Armeecorps über keine Jäger-
bataillone, wie solche auch beim XVI. lothringischen Armee-
corps nicht vorhanden sind.
Elsaß-Lothringen. Mülhausen, 23. Aug. Auf der
gestrigen Börse haben mehrere hiesige Baumwollweberei-
besitzer beschlossen, auf nächsten Mittwoch eine allgemeine
Versammlung der Besitzer von Baumwollwebereien
einzuberufen, um sich über eine eventuelle Einschränkung
der Produktion schlüssig zu machen. Es sei nämlich
Thatsache, daß trotz sehr geringer Vorräthe die Tuchpceise
nicht im Verhältnisse zu den Rohbaumwoll- und Garn-
preisen stehen. Daher scheine eine Arbeitseinschränkung
angebracht zu sein.
Preußen. Von der Eisenbahnverwaltung sind neuer-
dings wieder 4690Güterwagenin Bestellung gegeben.
Davon entfallen 870 auf den Eisenbahndireklionsbezirk
Breslau, 350 auf Bromberg, 400 auf Köln, 2000 auf
Essen a. Ruhr, 600 auf Hannover und 470 auf Magde-
burg. Von den gestimmten Wagen sollen 2150 bedeckt,
540 offen, und je 1000 Kohlen- und Kokswagen sein.
aus nicht verschlimmert. Er ist nicht bettlägerig und unternimmt
täglich außerhalb des Hauses Spaziergänge.
— Düsseldorf, 22. Aug. Einer der China-Freiwilligen fand
kaum, nachdem er die Fahrt angetreten hatte, schon ein
tragisches Ende. Ein Unteroffizier der Reserve stürzte
zwischen Calcum und Großenbanm aus dem Zage und blieb
schwer verletzt auf dem Geleise liegen. Kurz darauf wurde er
von einem Personenzuge Berlin-Köln zerstückelt. Die Leichen-
theile wurden nach Calcum geschafft.
— Berlin, 23. Aug. In der Wah nv o r st ellu n g, Anarchist
und polizeilich verfolgt zu sein, hat sich ein italienisch er
Arbeiter aus Turin, der seit anderthalb Jahren in einer
Berliner Fabrik beschäftigt war, durch einen Sprung aus dem
Fenster seiner Wohnung das Leben genommen. Er soll ein
ruhiger Arbeiter gewesen sein, der keine Versammlungen besucht
hatte^ Er ist anscheinend durch das Lesen von Nachrichten über
den Königsmord zu Monza um seinen Verstand gekommen.
— Die Gräfin Waldersee ist bekanntlich von Geburt Ameri-
kanerin. Am 3. October 1837 wurde sie in Newyork als Tochter
Marie Esther des Rentners Lee geboren. Sie vermählte sich
1864 in Paris mit dem Großvaterbruder der deutschen Kaiserin,
Prinz Friedrich von Schleswig-Holstein, der im September 1864
nach Verzichtleistung auf seinen Namen und Stand vom Kaiser
von Oesterreich nach dem Namen eines Dorfes im Regierungs-
bezirk Schleswig den Titel eines Fürsten von Noer erhalten
hatte, aber schon im Jahre darauf starb. Am 14. April 1874
vermählte sich Graf Waldersee in Lautenbach (Württemberg) mit
der Fürstin Noer.
Sachsen. Dresden, 22. August. Mehrere Blätter
bringen die Nachricht, Or. zur. st tstsol. Prinz Max von
Sachsen werde die Berufung als Professor des kanonischen
Rechts an die katholische Universität zu Freiburg in der
Schweiz annchmen oder habe sie bereits angenommen.
Prinz Max, der 1870 geborene zweitjüngste Sohn des
Prinzen Georg, Bruders des Königs, ist seit dem 26. Juli
1896 Priester und zur Zeit Curatpriester an der St.
Elisabethkirche zu Nürnberg.
Aus der Karlsruher Zeituug.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Rechnungsrath Ludwig W i t tm a u u beim Evaugel. Oberkirchen-
rath zum Oberrechnungsrath, den der Revision des Evangelischen
Oberkirchenraths beigegebenen Geistlichen Verwalter Adolf Fell-
meth unter Belastung seines Dienstcharakters zum Revisions-
vorstand und den Registrator Karl Robert Brecht bei dem
Evangelischen Oberkirchenrath zum Revisor bei dieser Behörde
ernannt.
— Betriebsassistent Karl Etienne in Bühl wurde nach
Emmendingen versetzt.
Ausland.
Schwede». Stockholm, 23. Aug. König Oskar
hat das Schiedsrichteramt in Sachen der Entschädi-
gung deutscher, englischer und amerikanischer Staatsangehö-
riger bei den letzten Unruhen auf Samoa angenommen.
Afrika. Daily Telegraph meldet, die Buren hätten
in der Nähe von Jngogo den „langen Tom" in Stellung
gebracht. Sein Feuer sei auf die Eisenbahnbrücke von
Jngogo gerichtet. Nach einer Meldung des Standard soll
die Eisenbahn nach Ladysmith in der Nähe von Hetting-
spruit in der Nacht zum 22. beschädigt und infolgedessen
ein Güterzug entgleist sein. Nach weiteren Meldungen
Londoner Blätter haben die Buren thatsächlich die Eisen-
bahn bei Dann hau sei in einer Ausdehnung von 100
Aards zerstört. Ein Zug mit Reisenden und Gütern
sei entgleist.
Pretoria, 23. Aug. Lord Roberts meldet: Gene-
ral Buller berichtet, daß seine Division gestern nach
Vanopksleg, 15 Meilen südlich von Belfast, marschirte;
er verlor beim Vormarsch etwa 20 Mann. General Paget
berichtet, daß Oberst Baden-Powell gestern den ganzen Lag
mit der Nachhut des Commandanten Grobler im Gefecht
war. Grobler wurde zurückgetrieben. Während des Ge-
fechtes kam Baden-Powell und die berittene Vorhut des
Feindes in ein Handgemenge, wobei das Rhodcsia-Regi-
ment große Verluste erlitt. Oberst Speckler und vier
Mann sind getödtet, ein Leutnant und sechs Mann ver-
wundet. Der Feind wird verfolgt. Es scheint ziemlich
sicher, daß De Wet es für hoffnungslos hält, mit Ge-
schützen und Wagen nach Osten zu marschiren und daß er
deshalb mit wenigen berittenen Leuten die Magalisberge
wieder überschritt, um in die Oranjeflußkolonie zurückzu-
kehren. Er wird dort unter ganz anderen Verhältnissen
eintreffen, als unter denen er Bethlehem verlassen hat.
Eine Burenabtheilung sprengte gestern einen Brückentheil,
8 Meilen nördlich von Newcastle, und zerstörte die Eisen-
bahnlinie 30 Meilen südlich von Newcastle. General
Carrington meldet, daß seine Vorposten gestern wiederum
mit dem Feind in ein Gefecht verwickelt waren.
Unsere deutschen Eisenbahnen.
(Ein Weckruf von Professor Arthur Böhtlingk.)
IL.
Nichts scheint zur Zeit nothwendiger, als maßgebenden Orts
daran zu erinnern, daß die „Staats"-Bahn Gemeingut ist
und also auch im Interesse Aller verwaltet werden will. Die
volle Konsequenz aus vem Staatsbahnsystem ist selbst für die
Militärverwaltung bisher nur für den Kriegsfall gezogen worden,
indem es für selbstverständlich gilt, daß die Bahnen ihr in die-
sem Falle für ihre sämmtlichen Transporte vorbehaltlos zur Ver-
fügung stehen.
Wie allenthalben in der Staatsverwaltung haben natürlich
die „Juristen", die „Herren" vom Hause, auch bezüglich der
Eisenbahn für sich am ausgiebigsten vorgesorgt. Daß ein Ver-
waltungsbeamter innerhalb seines Berufes, für jede Reise im
Interesse seines Dienstes, die Eisenbahn benutzt und die Fahrt
voll vergütet erhält, ist selbstverständlich. Es wird ihm aber
meist nicht das nackte Fahrgeld vergütet, sondern ein Tagegeld
bezahlt, welches ihm nicht selten eine „Ersparntß" ermöglicht, so
daß eine derartige Reise, wenn er Haus zu halten weiß, weniger
dazu angethan ist, ein Loch in seine Tasche zu reißen, als ein
solches zu — stopfen, was ihm übrigens bei dem meist mehr
als karg bemessenen „Gehalt", zumal wenn er ein solches noch
gar nicht beziehen sollte, nicht nur in seinem eigenen, sondern
wohl auch im öffentlichen Interesse von Herzen zu gönnen ist.
Verhängnißvoll wirkt, daß die Eisenbahnminister, die General-
direktoren und noch so manche andere Spitzen der Eisenbahn-
verwaltung, sogar Betriebsdirektoren, „Juristen" und als solche
„Formalisten" zu sein pflegen, welche für die Erfassung der
„Wirklichkeit", gar des flüssigen Lebens, wie es ein Bahnbetrieb
zur Voraussetzung hat, die denkbar ungeeignetsten Köpfe zu sein
pflegen. Ueber die „juristischen" sind nicht nur die technischen
— Auf dem Ortler Hochjoch (Tyrol) in einer Höhe von
3500 Metern findet am 30. August die Eröffnung der von der
Sektion „Berlin" des D.-Oesterr. Alpenoeretns erbauten Touristen-
hütte statt. Es wird dies das höchstgelegene Schutzhaus in den
österreichischen Alpen sein. Die Erzherzog Johann-Hütte auf
der Adlerruhe, welche bisher den ersten Rang einnahm, liegt
um 100 Meter tiefer. Die Hütte wird von Sulden aus in 6'/z
Stunden zu erreichen sein.
— Durch das große Loos zum armen Mann geworden ist
ein Schiffer in Fraulautern bei Saarbrücken. Der Mann, der
in ziemlich guten Verhältnissen lebte, hatte das Loos Nummer
18 427 der Pirmasenser Kirchenbaulotterie erworben. Auf dieses
Loos fiel der erste Hauptgewinn von 40 000 Mark. Als dies der
Schiffer, der mit seinem Fahrzeug zur Zeit gerade in Saar-
brücken lag, erfuhr, sandte er das Loos in einem mit drei Zehn-
pfennigmarken beklebten Briefkouvert an das Münchener Bank-
haus, das die Gewinne auszuzahlen hatte. Als der Schiffer
hierauf keine Nachricht erhielt, fragte er einige Zeit später noch-
mals an, worauf das Bankhaus erklärte, den Brief mit dem
Loose nicht erhalten zu haben. Der Schiffer erhob nun Klage,
es folgte ein langwieriger Prozeß, dessen Kosten zu solcher Höhe
aufliefen, daß er nicht nur Haus und Hof, sondern auch sein
Schiff verkaufen mußte. Der Prozeß ging für ihn verloren und
damit auch der hohe Gewinn. Jetzt muß der „glückliche" Ge-
winner, nachdem er von längerer Krankheit genesen ist, wieder
als einfacher Taglöhner arbeiten, um sich und seine aus sieben
Personen bestehende Familie zu ernähren.
und kaufmännischen, die volkswirthschaftlichen, 1»"^
auch die „v o l k st h ü m l i ch e n" Gesichtspunkte mehr und ">
verloren gegangen. -jx
Nach der Meinung der Herren von der Verwaltung st"» -
Tarife ja so — billig! Man bedenke: von Karlsruhe ,
allerdings dritter Klasse und bloß hin, nach Berlin, „
Mk. 31.30, nach Königsberg freilich Mk. 60. nach
Mk. 15.50, nach Stuttgart Mk 4.45 ; gar innerhalb der badp«
Grenzen, nach Alt-Heidelberg nur: Mk. 2.55, nach FreF" -
freilich Mk. 6.20, nach Basel Mk. 9, nach Konstanz allerd'"^
über Mk. 10. Wer aber fährt gleich an das Schwäbische M""
Haben wir Karlsruher doch das unverg leichliche Baden-B»»,,
nur 38 Kilometer weit von uns entfernt! Eine Rückfahrt"",
dritter Klasse von Karlsruhe nach Baden aber kostet im s«""?,
zuge nur Mk. 3 und im „Personenzuge" gar die Kleinigkeit.»»
Mk. 2.20; das macht zwar für eine vierköpfige Familie für"'» -
Ausflug in dieses nächste Schwarzwald-Paradies ein erklecklich",
Sümmchen aus. nämlich im Bummelzug Mk. 8.80 — es bra»«
indeß nicht gleich Jeder nach Baden- Baden zu fahren, haben w,
Residenzler doch den nie genug zu genießenden Hardwald dl«
an der Stadt! Und dann! Ob viel Geld oder wenig Geld
— in Deutschland sind die Tarife jedenfalls „verhältnismäßig "fl
billiger, als in den meisten anderen Ländern". So gl""»
es wenigstens Excellenz v. Thielen und der preußische Eisenbau"
minister muß es doch wissen! In ganz Norddeutschland koste"
zwar 20 Kilometer dritter Klasse im „gewöhnlichen" Zuge 80 M"
im Schnellzuge ohne Platzkarte 91, in Belgien dagegen nur 6»?'
in Rußland 60,5, in Dänemark 56,25, in Oesterreich 46 und'"
Ungarn 34 Pf. und dieses in allen Schnellzügen, welche dritte'
Klasse führen, ohne Zuschlag und ohne Platzkarte. Dabei st""'
Excellenz von Thielen seinem Fahrgast Kilometer für KiloM""'
all inünitrun, bis zur letzten Grenzstation, in Rechnung; währet«
in mehreren der oben genannten Länder billige Zeitkarten
stehen, wobei die Länge der Strecke überhaupt nicht in Netra«'
kommt, und zudem in den meisten derseiben weitgehende E"'
fernungs- oder Zonentarife mit fallender Skala eingeführt st""'
fodaß, wenn man 1000 Kilometer auswirft, der Abstand zu u"
grinsten unserer deutschen Bahnen seit Jahr und Tag ein de«
maßen „beschämender" ist, daß wir besser thun, den Vorh»"°
darüber fallen zu lassen. Excellenz von Thielen aber hat es »«
15. Februar 1900 fertig gebracht, von der Rednerbühne im offen"?
Reichstage aus zu erklären, daß die Tarife bei uns in Deuts«
land verhältnißmäßig billiger sind, als in den meisten ander""
Ländern! Ohne daß ihm von den Volksboten auf der Sie""
gebührend heimgeleuchtet worden wäre. .
Das System der Staatsbahn wird erst dann wirkst«
durchgeführt sein, wenn die Bahn, die jedem Staats
bürger gehört, auch jedem Staatsbürger se in"«
Verkehrsbedürfniß entsprechend zur Verfügung
steh t. Derjenige Staat, welcher dieses Staatsbahn-Jdeal zuerst
verwirklicht, wird nicht nur in seiner inneren Organisati»"'
sondern damit zugleich auf dem Weltmärkte einen Vorsprung S",
wonnen haben, um den ihn alle andern zu beneiden Ursa«:
haben werden. Sollten wir in Deutschland, nachdem wir, Da»"
Bismarck, das Staatsbahnsystem in sämmtlichen Bundesstaat"»
eingeführt haben und solcherweise die Ersten gewesen sind, dies"»"
Ideal zuzusteuern, auf halbem Wege erlahmen? Sich darauf s"
besinnen, thut um so mehr Noth, als Staatsbahnen, welche, ««
unsere heutigen, mehr dazu dienen, den Verkehr im Keime zu
sticken und gewaltsam zurückzuhalten, als denselben zu wecken »"»
zu entwickeln, nur zu sehr einer eisernen Zwangsjacke gleich""'
welche, wenn dieselbe nicht noch rechtzeitig gesprengt wird,
natürliche Wachsthum unserer Volkskraft unwiderruflich zu »"fl
kümmern droht, eben da dieselbe infolge der Begründung d"»
Reiches eine ungeahnte Blüthe zu zeitigen verspricht.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 24. August- „
n Zopf! Zuweilen geht es bei der großen Verkchrsansta"
P o st doch rechr bureaukratisch und zopfig zu. Kamen da jüng"
einige nach Cüstrin bestimmte Zeitungen zurück und zwar a»°
keinem andern Grunde, als weil der Name Cüstrin nicht
dem vorschriftsmäßigen E, sondern mit K, also Küstrin geschrieb"'
war. Mau sollte doch woyl aunehmen, daß die Post die Zeitung""
ruhig hätte an ihren Bestimmungsort gelangen lassen kön»""
und, wenn ihr gar so viel daran lag, daß der Ortsname i« »fl
o f fi z i e l l e n Schreibweise geschrieben werde, dann hätte»"
ja den Herausgeber des Blattes auffordern können, sich diel""
für die Folge zu bedienen. Die Blätter aus angeführtem GrU»»"
aber einfach znrückgehe» zu lassen, erinnert doch sehr an ^
Schilda. Daß Cüstrin mit dem C geschrieben eigentlich Züstfl"
auszusprechen wäre und somit falsch ist, sei nur nebenbei bew""'"
— Polizetbericht. Verhaftet wurden ein Fuhrknechl weg""
Unterschlagung, ein Malergehilfe wegen Sittlichkeitsvergehe'«'
ein von einer auswärtigen Behörde verfolgter Goldarbeiter weg""
Diebstahls, ein Dreher wegen Bettelns und zwei Kellnerin»"'
wegen Umherziehens. Wegen Unfugs kamen fünf Personen
Anzeige. ..
Malsch. 22. August. Mit dem Ruse: „Die Räuber, " ,
Räuber!" stürmten am letzten Montag ein Theil der Scb"fl
kruder, die kurz vorher mit ihrem Lehrer in den W»'
spazieren gegangen waren, in das Dorf zurück, um zu »"'
künden, daß im Walde zwei Räuber ihr Lager aufgeschla""'
hätten. Nicht weniger als 150 Einwohner, die hier stationl«
Gendarmecie an der Spitze, zogen hierauf, wie man d""
Pfälzer Boren berichtet, aus. um die Räuber zu fang""'
Doch sollte die Räubergeschichte eine ungeahnte Anskläru»"
finden. Zwei! „Maler" halten nämlich mit ihren Utensil«,
an einer Stelle des Waldes Aukstellirna qenommen, um :d- '
Kunst zu obliegen. Ein ^Tveit der Schulkinder war ve"
Beereniuchen an dieser Stelle vorübergekommen und
deren Malslöcke als Gewehre und die Schuvhauben, we»«
die Maler als Abwehr gegen die lästigen Insekten auf hatl"A
als Räuberausrüstnng angesehen und alsbald das Heimat
dors gegen die vermeintlichen Briganten allarmirt. , .
X Wertheim, 23. Aug. Gegenwärtig vergeht fast kein
der uns nicht ein oder mehrere Gewitter bringt, die gr»"--
Schaden anrichten. Ein Glück ist. daß die Ernte vollstäl« ,
eingebracht ist. Doch ist der Schaden an den mit überaus reiaM
Früchten behangenen Obstbäumen ein sehr bedeutender. Au« ».§
Oehmdernte wird durch das Wetter sehr verzögert. Borgest"',
schlug der Blitz in Niklashausen in die Scheuer des dortw"^
Polizeidieners Arnold und tödtete eine Kuh auf der Stelle. A"
in den umliegenden Wäldern hat der Blitz mehrmals eingeschlE'fl
Im Spessart ist die Verheerung am stärksten. So sah Einst"",,
dieses bei einem «paziergange von ca. 2 Stunden 145 ZwetschS"?,
10 Aepfel- und 6 Birnbäume, die ganz oder theilweise ""
gerissen waren.
8.17. Karlsruhe, 23. August. Gestern Abend überfuhr " K
Kuticker aus Herrenalb den Fuhrmann Lampertsdörfer
Ettlingen, der in der Brauerei Sckrempp Bier und
geholt hatte. Das Eis war vom Wagen gefallen
Lampertsdörfer bückte sich gerade danach, als das
alber Gefährt heransnhr» den Lampertsdörfer streifte, tvod"M
er zu Falle kam und sein eigenes Fuhrwerk über ihn hi""°pe
fuhr, schwerverletzt blieb er aus der Straße in der NM,
von Rüppur liegen, erst ein später vorbeifahrender Albt» H
zug dielt an und nahm den Schwerverletzten mit "Ms
Ettlingen. Der Herrenalber Kutscher, welcher unbeküMwM
weitergefahren war, wurde von 2 Radfahrern verfolgt; >"
Personalien wurden teitgestelll.
L. 6. Karlsruhe, 23. Aug. Den großen Preis MH
Baden (Goldpokat des Großherzogs und 60000 Mk.)h»st" xs
diesmal bei den Jffezheimer Rennen ein deul!« ».
Pferd, Fürst von Hohenlohe-Oehringens „T a w
Das Rennen war heute wieder (im Gegensatz zu früheren I"". Ml
auffallend schwach besucht. Auf dem Rennplatz treiben ""