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Heidelberger Zeitung — 1900 (Juli bis Dezember)

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Nr. 228-254 (01. Oktober 1900 - 31. Oktober 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37614#0438

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waren die so sorgfältig verborgenen Geheimnisse längst ent-
hüllt, und dieser Prozeß des Aufklärens werde in Zukunft
noch viel rascher vor sich gehen.
— Die Plenarsitzung des Bunde sraths am 25.
d. eröffnete der Reichskanzler Graf Bülow mit einer
Ansprache, in der er die Verdienste seines Vorgängers,
des Fürsten Hohenlohe, mit herzlichen Worten gedachte
und hervorhob, er werde alle seine Kräfte daransetzen, um
im Sinne des ersten Kanzlers das gute Einvernehmen
unter den Regierungen der einzelnen Bundesstaaten unver-
mindert zu erhalten. Er entspreche damit nur den Inten-
tionen des Kaisers, der überzeugt sei, daß in dem einmüthi-
gen Zusammenwirken aller Glieder des Reiches die Stärke
unseres geliebten Vaterlands begründet liege. Schließlich
ersuchte der Reichskanzler um die Unterstützung des Bnndes-
raths. Der bayerische Gesandte Graf Lerchen feld drückte
die volle Befriedigung seiner Regierung über die Ernennung
des Grafen Bülow und ihr Vertrauen zu dessen Person
mit dem Bemerken aus, daß er auch im Sinne der übrigen
Bundesregierungen spreche.
— Eine Hamburger Staatsanleihe von
40 Millionen zum Kurse von 99^ ist 9 bis 10 mal
überzeichnet worden. Die in Amerika begebenen
4-prozentigcn Rei chsschas schei ne sollen zum größten
Theil nach Deutschland zurückgeflossen sein. Es müssen
also in Deutschland doch noch disponible Kapitalien vor-
handen sein.
Baden. Karlsruhe, 26. Oct. Im heutigen Be-
obachter findet sich folgende Erklärung: Insofern der
in Nr. 19 des Badischen Beobachters enthaltene Bericht
über die Rede des Herrn Professor Dr. Böhtlingk in
der öffentlichen Versammlung des Eisenbahnreformvereins
vom 19. Januar die Meinung erwecken konnte, als habe
Herr Böhtlingk den badischen Finanzminister oder Eisen-
bahnminister des Schwindels und der absichtlichen Täu-
schung beschuldigt, und insofern dieser Bericht Veranlassung
gegeben hat, gegen den Herrn Professor eine Strafunter-
suchung wegen Beamlenbeleidigung einzuleiten, erklären wir
den Bericht als nicht zutreffend und bedauern, denselben
in seiner vorliegenden Fassung in unser Blatt ausgenommen
zu haben. Damit ist für uns die Angelegenheit erledigt
und bleibt uns nur noch übrig, hinzuzufügen, daß wir
bereuend Alles zurücknehmen, wodurch wir im
Verlauf des nunmehr beendeten Streites wissentlich oder
unbewußt der Ehre des Herrn Professors Dr. Böhtlingk
in irgend einer Weise zu nahe getreten sind.
H. Baßler, Redakteur.
— Zwischen dem Beobachter und der Köln.
Volksztg. herrscht ein recht lebhafter Streit wegen dem
Rundschreiben des Erzbischofs. Die Volksztg. fordert den
katholischen Pfarrer des Beobachter dringend auf, sich nicht
länger als den Wortführer der „kirchentreuen Katholiken
Badens" zu betrachten rc. Dieser aber spielt den Trumpf
aus: Auf ein tzauptmoment hat die Köln. Volksztg. sich
nicht eingelassen: Freiburger Erlaß und Fuldaer
Hirtenschreiben stehen nicht im Widerspruch mit-
einander. Wenn dem so ist, dann möge sich die Köln.
Volksztg. an die Adresse des Gesammt-Episcopates von
Preußen halten, statt den Hrn. Erzbischof von Freiburg
allein herauszugreifen.
— Als die Ursache der konfessionellen Ver-
schiebung bezw. der Verluste des Katholizismus in
Deutschland bezeichnet Pater Kr ose in den Stimmen aus
Maria-Laach die gemischten Ehen. Speziell Baden
genieße den „traurigen Ruhm", der katholischen Kirche
durch Mischehen unter allen deutschen Bundesstaaten die
schwersten Schädigungen zuzufügen. Von 6474 Ehen, die
1896 in Baden geschlossen wurden, waren 1870 gemischte
Ehen d. h. 28,88 °/« (gegen 27,59 "/, i. I. 1895 und
gegen 24,4°/, in der Pfalz, 12,5"/, in Preußen, 12,4°/,
im deutschen Reich und 6°/, in Württemberg). Im Jahre
1867 waren in Baden nur 8,74°/, Mischehen. Den Ge-
sammtverlust der kath. Kirche im deutschen Reich berechnet
Pater Krose für die jüngste Zeit auf etwa 100 000 Kinder.
Er folgert daraus, daß die Mischehen eine Gefahr für
die kathol. Kirche Deutschlands geworden sind, welche
die gesicherte Fortexistenz derselben inmitten der stets wach-
senden protestantischen Mehrheit ernstlich in Frage stellt.
L.6. Baden Weiler, 26. Octbr. Die Erbgroß-
herzoglichen Herrschaften machen täglich Ausflüge
zu Fuß und zu Wagen in die Umgebung. Den gestrigen
schönen Herbsttag benutzten sie zu einer Fußwanderung nach
dem Blauen, wo ihnen der seltene Genuß einer großartigen
Alpenaussicht zu Theil wurde. Nachdem sie im Gast-
haus auf dem Blauen das Mittagsmahl eingenommen,
wurde der Abstieg nach Badenweiler zu Fuß angetreten.
Elsaß-Lothringeu. Straßburg, 25. Okt. In einer
Versammlung von Interessenten wurde heute Nachmittag
im „Bäckerhiesl" die Gründung eines Oberrheinischen
Canalvereins beschlossen, als dessen wichtigste Aufgaben
die Erbauung eines Schifffahrtscanals auf dem
linken Rheinufer, die Förderung der Schifffahrts-
interessen sowie die Verbesserung der Wasserstraßen statuten-
gemäß festgelegt wurden. Einer Polemik gegen die Straß-
burger Handelskammer, die bisher den Plan bekämpft hatte,
folgte eine Erklärung des Sekretärs derselben, Herrn Dr.
Mang, der beauftragt sei, mitzutheilen, daß die Regierung
bestrebt sei, noch in dieser Session eine Vorlage über die
Verbesserung der Wasserstraße des Ober-
rheins im Landesausschuß einzubringen.

Airs der Karlsruher Zeitung.
— Seine König!. Hoheit der Großherzog haben dem
Kanzleidiener Jakob Breithaupt bei der Domänendirection
die kleine goldene Verdienstmedaille verliehen und dem Kaufmann
Rudolf vom Rath in Amsterdam die Erlaubniß zur Annahme
und zum Tragen des ihm verliehenen Ritterkreuzes des Nieder-
ländischen Löwen-Ordens ertheilt.
Karlsruhe, 26. October. Heute früh 9 Uhr 33
Minuten traf der Präsident des Staatsministeriums Staats-

minister Dr. Nokk in Baden ein und stieg im Großherzog-
lichen Schlosse ab. Von halb 11 Uhr an bis 1 Uhr hörte
der Großherzog den Vortrag des Staatsministers, welcher
wdann mit den Höchsten Herrschaften das Frühstück ein-
nahm. Nachmittags machte der Staatsminister verschiedene
Besuche und kehrte um 4 Uhr nach Karlsruhe zurück.
Heule Nachmittag 5 Uhr findet im Großherzoglichen Schlosse
in Baden ein großer Empfang statt, zu welchem ungefähr
100 Personen eingeladen sind. Hierzu werden auch die
Prinzessin Wilhelm, sowie Prinz Max und Gemahlin er-
scheinen und es werden die eingeladenen Gäste dem Prin-
zen Max und seiner Gemahlin vorgestellt. Der Großher-
zog und die Großherzogin beabsichtigen morgen, Samstag,
ruh nach Karlsruhe zu reisen. Der Großherzog wird
dort der Feier des Rektoratswechsel in der Technischen
Hochschule anwohnen. Prinz Karl und dessen Gemahlin,
Frau Gräfin Rhena, sind gestern Abend 9 Uhr 51 Minuten
wieder in Karlsruhe eingetroffen.
— Auf einer größeren Anzahl von Stationen der Strecken
Freibuig—Appenweier und Villingen—Offcnburg wurden Fahr-
karten K eh l—Straßburg und Schnellzugszuschlagkarten aufge.
legt, um Inhabern von Kilomeierheften bet Reisen nach Straß-
burg das Ausstetgen in Kehl zu ersparen. Auch wurden verschie-
dene Stationen der genannten Strecken mit schnellzugszuschlag-
karten Appenweier—Straßburg ausgerüstet.

Ausland.
Asien. Unter dem Wust der Nachrichten aus China
sind heute diejenigen bemerkenswerth, welche über die Ex-
pedition nach Pao-ting-fu Näheres berichten. Die
Pekinger Kolonne unter General Gaselee hat am 29. Oct.
die Stadt ohne Widerstand besetzt. Vorräthe lassen sich
beschaffen, sind aber nicht reichlich vorhanden. Ueber die
Tientsiner Kolonne ist Näheres noch nicht bekannt. Der
englische General Campbell operirt südöstlich von Pao-
ting-fu. Vor Gaselee hatte schon die mittlere französische
Kolonne die Stadt erreicht. — Eine deutsche Brigade
soll dem Vernehmen nach dort überwintern. Auch
glaubt man, daß die Feldoperationen bis Taiyuenfu in
Schanst ausgedehnt werden sollen. — Die Nachrichten,
welche über die sonstige Lage berichten, scheinen nicht
die günstigsten zu sein. Die Times meldet aus Shanghai:
In gut unterrichteten Kreisen herrscht die entschiedene Mei-
nung, daß die militärische Lage in der Jangtsegegend un-
haltbar werde. Vorräthe, Waffen und Schießbedarf, Nah-
rungsmittel und Geld werden immer noch in großen
Mengen vom Jangtse nach dem kaiserlichen Hofe gebracht.
Die chinesischen Truppen dort und im Norden China's
werden eifrig eingeübt und unter dem Oberbefehl euro-
päisch ausgebildeter Unteroffiziere im Schießen geübt. Die
Ernennung Mtschangs zum Gouverneur von Hupeh ist
eine öffentliche Beleidigung der auswärtigen Mächte. Diese
aus einem wüthend fremdenfeindlichen Sinne erfolgte Er-
nennung beweise, daß die Friedensverhandlungen in Peking
lediglich zu dem Zwecke geführt werden, um Zeit zu ge-
winnen. Die China-Association und die hiesigen fremden
Blätter haben die englische Regierung wiederholt, aber
ohne Erfolg gewarnt, daß ihre Politik der Unthätigkeit
äußerst gefährlich wäre. Wenn sie diese Politik weiter
verfolge, weiden die Vicekönige im Jangtscthale, welche
nicht immer in abwartender Stellung verharren, sich be-
wogen fühlen, auf Seite der Reaktionäre zu treten.
Um der Lage gerecht zu werden, seien noch 10000 Mann nöthig.
- Ferner wird lebhaft über die schlechte Verbindung
mit Peking geklagt. Briefe erleiden eine Verzögerung von
sechs Wochen. Alle Versuche, die geschäftliche Thätigkeit
in Tientsin wiederaufzunehmen, scheitern an den Schwierig-
keiten der Leichterverhältnisse in Taku. — Interessant zur
Beleuchtung der russischen Politik ist folgende Mel-
dung: Nach einem wegen Störung der Telegraphenlinien
verspätet eingctroffenen Telegramm der Nowoje Wremja
aus Wladiwostok vom 21. d. M. hat der Direktor des
orientalischen Instituts gelegentlich eines Vortrages des
russischen Chirurgen Posdneijew im Institute die Mit-
theilung gemacht, der Kaiser von China habe die
russische Regierung gebeten, die von den Russen
eroberten Provinzen der Mandschurei, nämlich
Figun, Sachalin, Zizikar, Ninguta, Omosso, Gehrin, Mul-
den und Jnkou unter ihren Schutz zu nehmen. Die
Mittheilung sei von den Studenten mit begeisterten Hoch-
rufen begrüßt worden. — Aus dem Süden hört man
von großen Metzeleien zwischen Bauern, Rebellen
und Truppen des Admirals Ho. Ehe man über die Lage
der Dinge dort klar wird, werden Wohl noch Wochen ver-
gehen. Bedenklich ist, daß durch das Mißrathen der
Retsernte in der Provinz Kwansie dort eine Hungersnoth
in Aussicht steht.
Afrika. Colesberg, 25. Oct. Philippolis,
das von den Buren angegriffen und, nachdem es mehrere
Tage gehalten worden, genommen worden war, ist in
der letzten Nacht von der Ieomanry in Verbindung mit
zwei anderen Abtheilungen wieder genommen worden.
Es wurden daselbst Buren in erheblicher Stärke angetroffen;
sie haben schwere Verluste erlitten. (Philippolis liegt west-
lich von Springfontein, nicht weit von der Grenze der
Capcolonie entfernt. Es ist also kein Zweifel darüber
mehr möglich, daß im südwestlichen Theil des Freistaates
die Buren von neuem zu den Waffen gegriffen haben.
Inzwischen haben die Engländer das Strafgericht über
Jagersfontein verhängt, wo bekanntlich die Bewohner des
Ortes, Männer und Frauen, mit den angreisenden Buren
gemeinsame Sache gemacht hatten.) Die obige Depesche
aus Colesberg fährt fort: Eine Anzahl von Buren-
frauen aus Jagers fontein sollen, wie berichtet
wird, heute Nacht Colesberg auf der Eisenbahn passirt
haben, sie sollen von dort verschickt worden sein, weil sie
die Buren bei ihrem Angriff auf Jagersfontein unter-
stützten.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 27. October.
** Se. Majestät der König von Württemberg traf heute
früh mit dem Schnellzuge 7.66 Uhr von Potsdam hier ein und
fuhr um 8.10 Uhr nach Stuttgart weiter.
-zt- Moltkefeier in der höheren Mädchenschule. Gestern Vor-
mittag hatte die Turnhalle der Höh. Mädchenschule Fest-
schmuck angelegt. Er galt der Gedenkfeier MoltkeS. Herr
Direktor Tborbecke entwarf ein Lebensbild des großen Mannes,
der vor 100 Jahren dem deutschen Volke geschenkt worden
ist. Er sprach von den Vorfahren Moltkes, seiner harten Jugend,
von der arbeitvollen Zeit der Lehr- und Wanderjahre und seinen
glanzvollen Meisterjahren. Wahrlich keiner der Helden unserer
großen Zeit kann dem Heranwachsenden Geschlecht besser zum
Vorbild dienen als Helmuth von Mollke, der sich in dem schweren
aber sieghaften Kampf mit der Ungunst der Verhältnisse sein
reines Gcmüth und seine Begeisterung für alles Schöne und
Edle erhalten hat. Einige Schülerinnen des Seminars brachten
zum Vortrag, was die Dichter zum Preise Moltkes gesungen
haben, zwei andere trugen auf dem Klavier ein Stück von Mozart
vor, den der kunstsinnige Feldmarschall besonders geschätzt hat-
Singchöre der oberen Klassen der Schule begannen und schlossen
die Feier, an welcher außer Angehörigen der Schülerinnen auch
die Herren Bürgermeister Dr. Wilckens und Dr. Walz und die
Vertreter der Geistlichkeit theilnahmen.
A Vortrag. Auf Veranlassung des Kaufmännischen
Vereins spricht morgen Sonntag Abend 8 Uhr im großen
Harmoniesaale Herr Lr. Alexander Tille über „Die Welt-
tcllung des Deutschthums". Der Redner, der noch von seinem
geinvollen und bis in's Kleinste genau durchgearbeiteten Vortrage
im vergangenen Jahre über „die englisch-deutsche Konkurrenz auf
dem Weltmärkte" her in bester Erinnerung steht, ist im Sommer
dadurch Gegenstand der Aufmerksamkeit weitester Kreise geworden,
daß er infolge von studentischen Unruhen, die durch seine Stellung-
nahme zum Burenkriege emstanden, seinen Lehrstuhl an der
Universität Glasgow aufgeben mußte. Wir freuen uns, den
Märtyrer seiner deutschen Ucberzeugung hier begrüben zu dürfen
und wünschen seinen sicherlich geistreichen und belehrenden Aus-
führungen eine zahlreiche Zubörerschaft.
K Aus dem städt. Rechenschaftsbericht für 1899. III. Die
Restaurirung deSFrtedrtchsvaueL des Heidelberger
Schlosses, für welche seitens der Landstände ein Gcsammtbetrag
von 619000 aus Domänengrundstocksmitteln genehmigt
worden ist, hat im letzten Jahre unter der kundigen Leitung des
Großh. Herrn Oberbauraths Schäfer namhafte Fortschritte ge-
macht. Die Arbeiten sind nunmehr überhaupt so weit gefördert,
daß auf ihre Vollendung bis zum Schluffe des Jahres 1901 mit
Bestimmtheit gerechnet werden darf. Wegen NeuaufsteUung oer
städtischen Kunst- und Alterthümer-Sammlung in den rcstaurirte»
Räumen des zweiten und dritten Stockwerks des Friedrichsbaues
sind eingehende Vorbereitungen nöthig, welche die Kommission
für die Geschichte der Stadt demnächst in die Wege leiten wird.
Daß diese Räume schön ausfallen werden, ist jetzt schon außer
Frage, wie denn das ganze Restaurtrungswerk überhaupt einen
guten Eindruck macht und den Wunsch nach Fortsetzung der
Wiederherstellungsarveiten, namentlich insoweit der Otto-
Hetnrtchsbau in Betracht kommt, hervorruft. Ein auf die
Restaurirung bezüglicher Speztalpunkt, welcher im letzten Jahre
dahier zu einer lebhaften Erörterung Anlaß gab — die Aus-
stattung der Schloßkamine mit einem blcndendweißen Verputz —
ist inzwischen durch das dankenswerthe Entgegenkommen der
Bauverwaltung in befriedigender Weise erledigt worden. — Die
Nothwendigkeit einer gründlichen Umgestaltung der hiesigen
Bahnhofverhältnisse ist seitens des Stadlraths im letzten
Jahre der Großh. Regierung wiederholt nahegclegt worden. Nach
den Erklärungen, welche in der 73. Sitzung der Zweiten Kammer
vom 8. Mai d. I. von dem Herrn Generaldirektor der Großh,
Staatseisenbahncn abgegeben worden sind, wird nunmehr auch
von der Großh. Regierung anerkannt, daß der Heidelberger Bahn-
hof an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angekommen ist, baß
bezüglich desselben große Mißstände vorliegen und daß die kleinen
Hilfsmittel, welche bisher angewendet wurden, um diesen Miß-
slänüen thunlichst abzuhelfen, auf die Dauer nicht mehr ausretchen.
Die Großh. Regierung hält deshalb auch ihrerseits den Zeitpunkt
für gekommen, in welchem an eine gründliche Verbesserung der
Heidelberger Bahnhofverhältnisse heranzulreten sein wird, und
hat durch ihren Vertreter in jener Kammersitzung die Hoffnung
aussprechen lassen, daß es ihr möglich sein werde, auf dem nächsten
Landtage eine Vorlage wegen des Heidelberger Bahnhofs an die
Stände gelangen zu lassen. Sie hat dabet zugleich ihre Bereit-
willigkeit zu erkennen gegeben, sich in der Sache mit der Stadt-
verwaltung in's Benehmen zu setzen, die ja das hervorragendste
Interesse an einer befriedigenden Lösung dieser Frage habe. Wir
hoffen hiernach zu der Annahme berechtigt zu sein, daß eine
definitive Lösung der hiesigen Bahnhoffrage in Bälde be-
vorsieht. Der Stadtrath kann dies vom Standpunkte der Stadt
aus, deren weitere gedeihliche Entwicklung eine Umgestaltung
unserer Bahnhofverhältnisse dringend erfordert, nur begrüßen, ver-
kennt indeß nicht, daß die Regelung der Frage im Einzelnen schwierig
ist und namentlich dann Interessengegensätze wachrufen dürfte,
wenn, wie dies seitens der Großh. Regierung angedeutet wurde,
mit der Möglichkeit zu rechnen sein wird, daß bei einem Neubau
des Bahnhofs die jetzige Lage desselben etwas verschoben werden
muß. Es wird aber hoffentlich doch gelingen, eine Lösung zu finden,
welche den verschiedenartigen Interessen thunlichst gerecht wird.
— Auch in Sachen des Wiederaufbaues des abgebrannten
Märst allgebäudes ist der Stadtrath 1899 bei der Großh-
Regierung wiederholt vorstellig geworden. Nach der Erklärung
des Herrn Staatsministers in der 61. Sitzung der Zweiten
Kammer vom 24. April d. I. ist, wenn seither in dieser An-
gelegenheit nichts geschehen, dies darauf zurückzuführen, daß in
Bezug auf das Marstallgebäude Pläne wegen Gewinnung ge-
eigneter Räume für den Hochschulunterricht in der Archäologie
und in der n eueren Kunst bestehen, deren Realistrung bis
jetzt nicht zu ereichen war, aber im Schooße der Großh. Regie-
rung auch noch nicht aufgegeben ist. Da vom Standpunkt des
städtischen Interesses aus die Erstellung eines neuen archäologi-
schen Instituts der Wiedererrichtung eines Slallgebäades ant
dem Platze, auf dem sich jetzt die Brandruine befindet, vorzu-
ziehen wäre, hat der Stadtrath seither von einem starken Drängen
hinsichtlich des Wiederaufbaus Umgang genommen, a^t
dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß wenigstens der nordöstliche
Marstallthurm, sowie die auf der Westseite desselben sich an-
schließende Dachpartie derart in Stand gesetzt werden möchten,
daß die Marstallfront nach dem Neckar zu wieder ein Normale»
Aussehen bekommt. Die Berechtigung dieses Wunsches ist von
der Großh. Regierung anerkannt und demgemäß dessen Erfüllung
in Aussicht gestellt worden. Im Uebrigen hofft er, daß dis zuw
nächsten Landtag die ganze Frage so weit geklärt sein wir»'
daß dann endlich über das Schicksal des 1896 abgebrannten Theo-*
des Marstallgebäudes eine definitive Entschließung getroffen wer-
den kann. Es dürfte zweckmäßig sein, vis dahin auch die Ent-
scheidung darüber, welche eudgtltige Verwendung den im Iaht'
1898 seitens der Stadt angekauften Liegenschaften Nr. 1 und o
der Marstallstraße und Nr. 2 der Großen Mantelgasse (Heu
scheuer) zu geben sein wird, auszusetzen. „ ^
8 Dankschreiben der Generaldirektion. Möbelpacker Leon-
hard Wolf in Schlierbach hat von der Generaldirektton ve
Eisenbahnen ein «schreiben erhalten, worin ihm und seinen Has»
genossen für Hilfeleistung bei dem Eisenbahnunglück wärmfie
Dank ausgesprochen wird.
O Knnstverein. Zu den am letzten Samstag angezeigten ne
ausgestellten Gemälden sind noch ca. 20 Stück hinzugekomwen,
über die eine kurze Besprechung erwünscht sein dürfte. Ew
interessante Sammlung bilden die 6 Oelgemälde und 60 Oe -
studten von Prof. E. v. Eschwege-Wcimar, welche zumeist lano
schaftltch, theils in Genre und in 7 Vorarbeiten zu Schlachte"
 
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