werden die Angehörigen sofort benachrichtigt. Richter be-
antragte, die Linienschiffe sollten baldmöglichst aus Ost-
asien zurückbeordert werden, zog dann aber den Antrag
zurück. Auf die Frage Richters, ob die brieflich ge-
schilderten Grausamkeiten unserer Soldaten in China der
Wahrheit entsprächen, hob Kriegsminister v. Goßler
hervor, daß alle Ausschreitungen mit große Strenge be-
straft werden würden; er wisse nichts von den an-
gegebenen Einzelheiten. Die Commission erledigte
hierauf eine Reihe von Titeln und vertagte sich dann auf
Donnerstag.
Aus Baden. L. 15. Waldshut. 4. Dez. Die
gestern Abend im „Scheffelhof" abgehalten- Versammlung
des nationalliberalen Bürgervereins, die recht gut
besucht war, beschäftigte sich u. A auch mit der Wahl-
reform und erklärte sich nach einem sehr interessanten
mit vielem Beifall aufgenommenen Vortrage des Herrn Gr.
Bezirksarztes vr. Bär einstimmig für das direkte Wahl-
recht ohne Cautelen. — Eine lebhafte Diskussion rief auch
die Erörterung der städtischen Trinkwasserfrage hervor.
— Zu Rheinbischofsheim fand gestern im Gast-
haus zum „Löwen" eine Versammlung von Mitgliedern
und Freunden der nationalliberalen Partei des
Hanauerlandes zur Berathung der Wahlrechtsfrage
statt. Nachdem an Stelle des erkrankten Professors Or.
Hug Hauptlehrer Gebhard einen einleitenden Vortrag ge-
halten hatte, ergriff der Landtagsabgeordnete Hauß das
Wort. Er erklärte, nach dem Bericht der Kehler Ztg.,
daß er bei der Minderheit gewesen sei, die bei der Ver-
sammlung des engeren Ausschusses der Partei gegen Ein-
führung des direkten Wahlrechts gestimmt habe. Viele
glaubten, daß der Rückgang der Partei daher entstanden
sei, weil man nicht direkt wähle. Er glaube, das liege
an etwas anderem. Er wolle das direkte Wahlrecht, jedoch
nicht ohne Kautelen. Er habe die feste Ueberzeugung, wenn
die Gemeindeordnung so geblieben wäre, daß die Gemeinde-
Einwohner ihren Bürgermeister hätten direkt wählen dürfen,
dann wäre die Partei nicht so zurückgegangen. Reallehrer
Keller glaubte, man brauche das indirekte Wahlrecht nicht
zu halten, weil es vor den radikalen Elementen doch nicht
schütze. Er sprach sich für das schrankenlose direkte Wahl-
recht aus. Herr Sänger-Diersheim als Freund der Partei
sprach sich ebenfalls in diesem Sinne aus. Nach ver-
schiedenen weiteren Bemerkungen wurde die Abstimmung
vorgenommen, welche die nahezu einstimmige An-
nahme des Vorschlages der Landespartei ergab.
* Nunmehr hat der neue Ministerialpräsident des
Innern, Geh. Rath Schenkel, sich über die Frage der
Wahlreform ausgesprochen (siehe bad. Handelstag). Dar-
nach will die Regierung das direkte Wahlrecht nur zuge-
stehen, falls eine Anzahl Privilegirter in die Zweite Kam-
mer ausgenommen wird. Sie ist also auf ihrem bisherigen
Standpunkt stehen geblieben, während die Nationalliberalen
sich dem direkten Wahlrecht ohne diese Kautelen zugewandt
haben. Die Bevölkerung mit wenige» Ausnahmen wünscht,
soviel ist klar, die direkte Wahl. Von der Einmüthigkeit
und Einhelligkeit, womit sie diesem Wunsche in der Kam-
mer Ausdruck giebt, wird es abhängen, wie weit er auf
die Regierung Eindruck macht und sie veranlaßt, ihm Rech
nung zu tragen.
Asien. Graf Waldersee meldet vom 30. November
aus Peking, eine starke A b thei lnng regulärer chine-
sischer Truppen unter einem General stehe bei Thsang,
95 Kilometer südlich von Tientsin. Gegen dieselben gehen
zwei Kolonnen, die eine unter Oberst Rohrscheidt, die
andere unter Major Falkenhofen auf beiden Seiten
des Kaisercanals vor. — Der deutsche Gesandte in Pe-
king berichtet: Ich machte den Bischof Anzer, der zu
einer Rücksprache mit dem Generalgouverneur Juanschikai
nach Tsinanfu reisen wollte, auf die Gefahren dieser
Reise aufmerksam und ersuchte den Generalgouverneur durch
ein Telegramm um Maßnahmen zu ausreichendem Schutze
des Bischofs. Auanschikai übernahm in einem sehr
entgegenkommenden Antworttelegramm die volle Ver-
antwortung für die Sicherheit Anzers, der am 30. No-
vember von Tsingtau abznreisen beabsichtigt.
Afrika. Kapstadt, 4. Dez. Die vorhandenen Be-
weise gegen jene 11 Männer, welche in Johannesburg ver-
haftet wurden, weil sie einen Mordanschlag gegen
Lord Roberts beabsichtigt haben sollen, rechtfertigen,
wie es heißt, die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens
nicht. Bomben wurden nicht vorgefunden. Man hatte es
bei dem angeblich vorbereiteten Attentat wohl nur mit einer
englischen Stimmungsmacherei zu thun.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
den Registrator Nikolaus Schmidt beim Bezirksamt in Kehl
mit Wirkung vom 1. December d. I, an zum Registrator bei
der Generalintendanz der Großherzoglichen Civilliste ernannt
und den Notar Karl Stritt, z. Zt. Oberbürgermeister der Stadt
Bruchsal, auf sein Ansuchen zum Zwecke des Verbleibens im
Gemeindedienste aus dem Staatsdienste entlassen.
— Hauptamlsgehilfe Anton Rauch in Basel wurde als
Hauptamtsassistent etatmäßig angestellt.
Karlsruhe, 4. Dec. Am Sonntag den 2. ds.
Mts. fand in der Schlotzkapelle in Baden ein Gottesdienst
statt, bei welchem der Prälat a. D. v. Doll die Predigt
hielt. Abends als dem Vorabend des Geburtstags der
Großheizogin trafen die sämmtlichen Herren vom Hofstaat
in Schloß Baden ein, um ihre Glückwünsche darzubringen.
Um halb 8 Uhr fand eine größere Hoftafel statt, nach
welcher die Herren des Hofstaats nach Karlsruhe zurück-
kehrten. Unmittelbar nach der Tafel um 9 Uhr brachte
der Liederkranz Aurelia zu Ehren des Geburtstages der
Großherzogin ein Ständchen in der Vorhalle des Großher-
zoglichen Schlosses. Der Gesangverein bewährte bei diesem
Anlaß wieder seine hervorragenden Gesangsleistungen. Am
Morgen des 3. fand in den Gemächern der Grobherzogin
der Aufbau der Geschenke statt. Hierauf empfing Ihre
Königliche Hoheit die Damen und Herren des Hofstaates,
sowie den Kommandirenden General des 14. Armeecorps,
General der Kavallerie von Bülow mit Gemahlin und
den Obersten Grafen von Kanitz, Kommandeur des Königin
Augusta Garde-Grenadier-Regiments Nr. 4. Nach 11 Uhr
traf der Kaiserliche Statthalter, Fürst zu Hohenlohe-Langen-
burg, aus Straßbnrg in Baden ein und brachte der Groß-
herzogin seine Glückwünsche dar. Später kamen aus Karls-
ruhe die Prinzessin Wilhelm, der Prinz und die Prinzessin
Max, Prinz Karl, sowie die Fürstin Sophie zur Lippe.
Die sämmtlichen Herrschaften nahmen an der Frühstücks-
tafel theil und verweilten bei den Großherzoglichen Herr-
schaften bis nach 4 Uhr. Auch die Prinzessin Amelie zu
Fürstenberg nahm an der Frühstückstafel theil. Gestern
Abend besuchten die Grobherzogin, der Erbgroßherzog und
die Erbgroßherzogin das Festkonzert im großen Saal des
Konvcrsationshauses. Der Großherzog war durch eine kleine
Erkältung vom Besuch desselben abgehalten. Heute früh
traf Präsident Dr. Nicolai im Schloß Baden ein und hielt
Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog während des
Vor- und Nachmittags Vortrag.
Ausland.
Rußland. Livadia, 4. December. Der Zar ver-
bringt jetzt einen Theil des. Tages im Lehnstuhl sitzend.
Badischer Handelstag.
ö 6. Ka rlsruhe, 4. Dec. Im großen Rathhaus-
saal trat heut- der Bad. Handels tag zu einer Sitzung
zusammen, der Finanzminister Dr. Buchenberger,
Ministerialpräsident Dr. Schenkel, Zolldirektor Seu-
bert, Geh. Rath Frhr. v. Marsch all, Geh. Ober-
Reg.-Rath Braun und Ministerialrath Ballweg, so-
wie zahlreiche Vertreter der badischen Handelskammern an-
wohnten.
Nach den üblichen Begrüßungsansprachen berichtete
Dr. Emm in gh aus-Mannheim über den ersten Punkt
der Tagesordnung, „Handelsverträge", und schlug
eine Resolution vor, worin der Handelstag seine Ueber-
zeugung ausspricht, daß eine gedeihliche Entfaltung der
wirthschaftlichen Kräfte des deutschen Volkes für die Zu-
kunft nur dann zu erwarten ist, wenn die erfolgreiche
Politik langfristiger Handelsverträge mit einer
möglichst großen Zahl anderer Kulturstaaten weitergeführt
wird. Kommerzienrath Kr afft-Schopfheim betonte gegen-
über den Ausführungen des Referenten, daß durch die be-
stehenden Handelsverträge durchaus nicht alle Industrie-
zweige gleichmäßig gefördert wurden und daß insbesondere
die Landwirthschaft an dem Aufschwung keinen An-
theil genommen habe. Es sei deshalb angebracht, auch
auf die Schattenseiten der Handelsverträge hinzuweisen.
Zu diesem Zwecke schlägt Redner vor. in die Mannheimer
Resolution einen Satz aufznnehmeu, in dem der Handels-
tag die Erwartung ausspricht, daß bei den neuen Handels-
vertragsoerhandlungen die früher gemachten Fehler ver-
mieden werden und insbesondere auf enge Fühlung mit
den Interessentenkreisen Bedacht genommen wird. Auch
Handelskammersekretär Hiller-Lahr und em Vertreter
der Schwarzwälder Handelskammer waren der An-
sicht, es könne nichts schaden, wenn die Thatsache, daß
bei den letzten Handelsverträgen Fehler gemacht wurden,
in der Resolution zum Ausdruck komme, während die
Geh. Kommerzienräthe Schneider und Diffenö energisch
für den Wortlaut der Mannheimer Resolution eintraten,
die schließlich mit allen gegen drei Stimmen (Lahr, Schopf-
heim, Billingen) angenommen wurde.
Der zweite Handelskammersekretär von Mannheim,
Dr. Knirßek, begründete hierauf den zweiten Theil des
Antrags Mannheim, wonach der Handelstag die von eini-
gen Seiten empfohlene Einrichtung eines Doppeltarifs
nicht als geeignetes Mittel zu jenem Zweck anzuerkennen
vermag, sondern an der bewährten Grundlage eines e i ri-
tze itl ich en Zolltarifs sestzuhalten empfiehlt. Kommerzien-
rath Kr afft wid-rsprach auch diesem Theil des Antrags.
Es sei nicht einzusehen, warum man sich nicht auch mit
dem Doppeltarif zufrieden geben könne. Uebrigens sei es
nicht Sache des Handeistages, sich für das eine oder
andere System auszusprecheu. Man solle das Vertrauen
zur Reichsregierung haben, daß sie in dieser Frage die
richtige Entscheidung treffen wird. Der Redner beantragt
schließlich, die Versammlung wolle beschließen, daß es der
Handelstag für nicht von erheblicher Bedeutung erachtet,
ob das angestrebte Ziel langfristiger Handelsverträge unter
Beibehaltung des Einheitstarifs oder unter Einführung des
Doppeltarifs erreicht wird. Immerhin ist er der Meinung, daß
die bisherigen Erfolge des Systems des Einheitstarifs dessen
Beib-chaltung so lange angezeigt erscheinen lassen, als nicht
von dem Doppeltarif unwiderleglich nachgcwiesen wird, daß
er vor elfterem den Vorzug verdiene. Geh. Kommerzienrats
Schneider ersucht die Versammlung unter Hinweis auf
die Gefahren des Doppeltarifs, der Mannheimer Resolution
beizurreten; in gleichem Sinn äußern sich Vertreter der
Handelskammer Lahr und Mannheim. Der Antrag Krafft
wurde schließlich mit allen gegen eine Stimme (Schopfheim)
abgelehnt.
Eine weitere Resolution, die mit dem Beschluß der
Handelskammer Karlsruhe identisch ist, wurde ohne Debatte
angenommen.
Schließlich begründete Handelskammerprästdent Stro
meyer-Konstanz folgenden Antrag: Der Handelstag er
klärt sich ganz entschieden gegen eine etwa beabsichtigte
Aufhebung des zol lfreien Grenzverkehrs, indem
diese Maßregel eine schwere Schädigung der Interessen der
Bevölkerung an der deutsch-schweizerischen Grenze mit sich
bringen würde. Kommerzienrath Krafft spricht sich im
Interesse der Kleingewerbetreibenden gegen diesen Antrag
aus. Die Detailisten in den Grcnzbezirken werden durch
den zollfreien Grenzverkehr schwer geschädigt und darum
sei dessen Aufhebung ganz gerechtfertigt. Präsident
Strome her entgegnet, daß die Vortheile für die deut-
schen Händler mindestens ebenso groß, wenn nicht größer
seien, als für die schweizerischen; auch sei zu bedenken, daß
der zollfreie Grenzverkehr hauptsächlich den armen Leuten
zu gute komme; ferner müsse man zu verhindern suchen,
daß die Arbeiterschaft das in Deutschland verdiente Geld
in der Schweiz ausgibt. Sein Antrag liege daher im
Gesammtinteresse der Bevölkerung. Kaufmann Ruef-
Freiburg betont, daß der Greuzverkehr durchaus einseitig
sei und lediglich die Schweiz den Nutzen habe. Es werden
nicht nur Lebensmittel, sondern alle möglichen Produkte von
der Schweiz auf dem Wege des zollfreien Grenzoerkehrs
eingeschmuggelt. Im Oberland schaffen z. B. die Jungen
kleinere Quantitäten Erdöl in Schmeinsblasen über die
Grenze. Geh. Kommerzienrath Schneider bittet, den
Antrag zurückzuziehen, weil die meisten Kammern über
die vorliegende Frage nicht genügend orientirt sind. Der
Antrag wurde hierauf zurückgezogen und sodann die Ver-
sammlung geschlossen.
Ein Festmahl vereinigte nachher die Teilnehmer iM
Hotel „Germania". Auf dem Mahl erklärte, einem Bericht
der Straßb. Post zufolge, Ministerialpräsident
Schenkel:
Die Regierung werde das directe Wahlrecht
nur dann einführen, wenn neben den direct gewählten
Abgeordneten auch die verschiedenen Jnteressen-
kreise durch eine besondere Vertretung in der
Kammer Ausdruck finden würden._
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, b. December.
^ II. akadem. Vortrag zu Gunsten des Frauenvereins.
Prof. Wille, der vor einigen Jahren die Gestalt der pfälzische"
Prinzessin Life Lotte in einem akad. Bortrag zu Gunsten de»
Frauenvereins einer zahlreichen Versammlung vorgeführt hau
machte gestern eine ebenfalls zahlreiche Zuhörerschaft mit der
eigenartigen und interessanten Persönlichkeit einer anderen Pri"-
zessin aus dem gleichen Hause, der Prinzessin Elisabeth, nach-
maligen Aebtissin von Herford, bekannt. Bon den 13 Kindern
des Kurfürsten Friedrich V., nachmaligen Königs von Böhmen und
seiner Gemahlin, der schönen Prinzessin Elisabeth von Stuart,
war die im Jahre 1618 geborene Elisabeth das dritte, die älteste
Tochter. Wie ihre Geschwister zeichnete sie sich durch Schönheit
und Begabung aus. Ein Jahr nach ihrr Geburt zog ihr Bus"
nach Böhmen. Die unglücklichen Folgen dieses Schrittes f"'
das kurpfälzische Haus sind bekannt. Die Familie mußte flüchten-
Elisabeth lebte zuerst in Brandenburg bei ihrer Großmutter,
später in Holland, wo die Familie sich wieder zusammengefunden
harte, und im Exil einen durch holländische Mittel gestützten
glänzenden Hoshalt führte, der die erlesensten Geister um
geistreiche schöne Königin und ihre schönen Töchter versammelte-
Die Prinzessin Elisabeth hatte von Natur Hang und Begabung
für die Philosophie mitbekommen. Mir großem Eifer und dam
ihrer starken Begabung mit bestem Erfolg bemeisterlc sie die da-
maligen Wissenschaften einschließlich der alten Sprachen. Es"
Mann wie DecarteS, der Begründer der neueren Philosoph'''
der damals in Holland lebte, trat der Prinzessin als Lehrer und
geistiger Freund näher. Er rühmte sie als eine der wenige"
Personen, die gleich gut seine mathematischen wie metaphysische"
Darlegungen begriffe. Ja, die scharfsinnige, sich in die Philo!"
phische Geoankenwclt mit Zähigkeit einvohcende Prinzessin brachst
den Philosophen manchmal in Berlegenheit. Widerwärtige häu»-
liche Verhältnisse führten sie wieder nach Brandenburg zu ihr""
Vetter, dem großen Kurfürsten. Nach dem westphälischen Friede"
kam sie auch wieder für kurze Zeit nach Heidelberg. Auch ds"'
bei ihrem Bruder fand sie keinen rechten Platz. Sie verlieb
Heidelberg und kam schließlich dank der Unterstützung des Groß?"
Kurfürsten als Coadjulorin in das freie ReichSsttft Herford (West
phalen), dessen Aebtissin sie 1667 wurde. Ihre Versuche währe""
langer Jahre philosophischer Spekulation, die Wissenschaft mit de'
Allmacht Gottes, die Vernunft mit dem Glauben in Einklang ^
bringen, brachten ihr keine befriedigende Lösung des Welt- ""
Mcnschenräihscls. In Herford trat bei ihr langsam eine Wand-
lung zu religiöser Schwärmerei ein. Doch blieb sie sowohl He''.
Labadte gegenüber, dem sie mit seiner ueuchristlichen Genies""'
Gastrechte in Herford gewährt halte, als auch gegenüber Will>a">
Penn, der sie zweimal dort oesnchte, selbständig. Sie fl",,
1689 im Alter von 62 Jahren. Während in Italien zur Z"
der Renaissance an den fürstlichen Höfen und in den Republik"'
zahlreiche hochbegabte Frauen anzutreffen waren, die tiefe w
lehrte Bildung mit Anmuth verbanden und ihrer Zeit zur Zi"°
gereichten, ist Deutschland verhältnißmäßig arm an solche» N .
wesen- Umsomehr Dank verdient der Redner, der eine die>°
Frauen, eine schwer zu zergliedernde eigenartige Natur im '
tereffanlen Rahmen eines Zeitgemäldes so plastisch den Zuhör"
vorzuführen verstand. ,,
«t. Boettge-Konzert. Zu den vielen musikalischen Veranfl"
tungen der vorweihnachtlichen Zeit gesellte sich am Sou"'","
Nachmittag ein populäres Boettge-Äonzert im Sa"
bau, welches einen zahlreichen Zuspruch zu verzeichnen
Nahezu 1200 Zuhörer folgten mit Aufmerksamkeit und stchtli«'",
Interesse, zuweilen mit geradezu stürmischem Beifall den ei"? ^
nen Programmnummern. Hr. Musikdirektor Boettge bra»
wieder etwas Neues, Eigenartige« und Gediegenes. Solche
heilen wirkungsvoller Art zu bieten, ermöglicht dem ideenret«
Dirigenten die Vielseitigkeit und Tüchtigkeit seiner Kräfte, "x
sogar ihren Mann im Gesang stellen; zudem bedient sich
Boettge in seinen volksthümlichen Konzerten solcher JnstrumeNtz.
die bei nur wenig Militärkapellen gebräuchlich sind. Mü A
militärischer Straffheit, kräftig, graziös und sauber wurde" §
einzelnen Programmnummcrnausgeführt; jedesmalig folgte 'h",r
die betreffende nationale Hymne. Man muß zugestehen, oaä .
musikalischen Darbietungen des Boettge-OrchefterS hoch
schlagen sind. Wir hörten u. A. das entzückende Sullioa"'^
„Ins lost Oborä' — für vier Posaunen arrangirt —, da»
jeder Hinsicht künstlerisch wiedergegeven wurde und zu dem
Erfolge, de» die Kapelle errang, wesentlich beitrug. Fra»'''x,
war vertreten durch eine diskrete, leichtlebigen Charakter
rächende Ouvertüre von Mass«, Norwegen durch eine fli'v',,ck
an kirchliche Hymnen streifende Rhapsodie; Spaniens fl"!,-,
„Valso Castellano" mit Tambourin und Castagnetten und Gei"
wie Italiens anheimelnde Mandoltnen-Serenade und Bersag",^»
Märsche, sowie die lebhafte russische Hochzeils- und TanS'
Phantasie verfehlten ihre Wirkung nicht. Die höchst ui""" jgk"
schwerfällige Tam-Tam-Musik des Chinamann machten
eigenartigen Eindruck von der Art, wie der gelbe Man»
kalisch empfindet und sich ausdrückt. Die vielversprechend"'Ak
müthliche und herzerfrischende Wiener Volksmusik und «""-.Age"
deutsche Kciegsmusik der Alt- und Neuzeit bildeten einen
Abschluß des sorgfältigst zusammengestellten Programms. De" ^
Kriegsmusik durfte freilich im Rahmen des schönen Progr""
nicht fehlen; hier zeigte sich die Boeltge-Kapelle in rsik
vertrautesten Fahrwasser; da ist sie so ganz zu Hause, d'"
historische Musik ist ihre Specialität, Bet dieser letzten
kamen die hellschmetternden Fanfaren, die von den ge»'
Karlsruhern in strammer Haltung meisterhaft geblasen w
recht zur Geltung. Das Publikum bezeugte Hrn.
Schluß in ausgiebiger Weise sein Wohlwollen und sti"s",„>,
für den genußreichen Nachmittag. Aus baldiges Wiederie»e j-
8 Ausgestellt. Im Kunst salon von Edm. von » E
ist eine interessante L-ammlung von reizvollen Lithograph" hjeff
Hans Thoma ausgestellt.j Wir möchten unsere Leier aui
antragte, die Linienschiffe sollten baldmöglichst aus Ost-
asien zurückbeordert werden, zog dann aber den Antrag
zurück. Auf die Frage Richters, ob die brieflich ge-
schilderten Grausamkeiten unserer Soldaten in China der
Wahrheit entsprächen, hob Kriegsminister v. Goßler
hervor, daß alle Ausschreitungen mit große Strenge be-
straft werden würden; er wisse nichts von den an-
gegebenen Einzelheiten. Die Commission erledigte
hierauf eine Reihe von Titeln und vertagte sich dann auf
Donnerstag.
Aus Baden. L. 15. Waldshut. 4. Dez. Die
gestern Abend im „Scheffelhof" abgehalten- Versammlung
des nationalliberalen Bürgervereins, die recht gut
besucht war, beschäftigte sich u. A auch mit der Wahl-
reform und erklärte sich nach einem sehr interessanten
mit vielem Beifall aufgenommenen Vortrage des Herrn Gr.
Bezirksarztes vr. Bär einstimmig für das direkte Wahl-
recht ohne Cautelen. — Eine lebhafte Diskussion rief auch
die Erörterung der städtischen Trinkwasserfrage hervor.
— Zu Rheinbischofsheim fand gestern im Gast-
haus zum „Löwen" eine Versammlung von Mitgliedern
und Freunden der nationalliberalen Partei des
Hanauerlandes zur Berathung der Wahlrechtsfrage
statt. Nachdem an Stelle des erkrankten Professors Or.
Hug Hauptlehrer Gebhard einen einleitenden Vortrag ge-
halten hatte, ergriff der Landtagsabgeordnete Hauß das
Wort. Er erklärte, nach dem Bericht der Kehler Ztg.,
daß er bei der Minderheit gewesen sei, die bei der Ver-
sammlung des engeren Ausschusses der Partei gegen Ein-
führung des direkten Wahlrechts gestimmt habe. Viele
glaubten, daß der Rückgang der Partei daher entstanden
sei, weil man nicht direkt wähle. Er glaube, das liege
an etwas anderem. Er wolle das direkte Wahlrecht, jedoch
nicht ohne Kautelen. Er habe die feste Ueberzeugung, wenn
die Gemeindeordnung so geblieben wäre, daß die Gemeinde-
Einwohner ihren Bürgermeister hätten direkt wählen dürfen,
dann wäre die Partei nicht so zurückgegangen. Reallehrer
Keller glaubte, man brauche das indirekte Wahlrecht nicht
zu halten, weil es vor den radikalen Elementen doch nicht
schütze. Er sprach sich für das schrankenlose direkte Wahl-
recht aus. Herr Sänger-Diersheim als Freund der Partei
sprach sich ebenfalls in diesem Sinne aus. Nach ver-
schiedenen weiteren Bemerkungen wurde die Abstimmung
vorgenommen, welche die nahezu einstimmige An-
nahme des Vorschlages der Landespartei ergab.
* Nunmehr hat der neue Ministerialpräsident des
Innern, Geh. Rath Schenkel, sich über die Frage der
Wahlreform ausgesprochen (siehe bad. Handelstag). Dar-
nach will die Regierung das direkte Wahlrecht nur zuge-
stehen, falls eine Anzahl Privilegirter in die Zweite Kam-
mer ausgenommen wird. Sie ist also auf ihrem bisherigen
Standpunkt stehen geblieben, während die Nationalliberalen
sich dem direkten Wahlrecht ohne diese Kautelen zugewandt
haben. Die Bevölkerung mit wenige» Ausnahmen wünscht,
soviel ist klar, die direkte Wahl. Von der Einmüthigkeit
und Einhelligkeit, womit sie diesem Wunsche in der Kam-
mer Ausdruck giebt, wird es abhängen, wie weit er auf
die Regierung Eindruck macht und sie veranlaßt, ihm Rech
nung zu tragen.
Asien. Graf Waldersee meldet vom 30. November
aus Peking, eine starke A b thei lnng regulärer chine-
sischer Truppen unter einem General stehe bei Thsang,
95 Kilometer südlich von Tientsin. Gegen dieselben gehen
zwei Kolonnen, die eine unter Oberst Rohrscheidt, die
andere unter Major Falkenhofen auf beiden Seiten
des Kaisercanals vor. — Der deutsche Gesandte in Pe-
king berichtet: Ich machte den Bischof Anzer, der zu
einer Rücksprache mit dem Generalgouverneur Juanschikai
nach Tsinanfu reisen wollte, auf die Gefahren dieser
Reise aufmerksam und ersuchte den Generalgouverneur durch
ein Telegramm um Maßnahmen zu ausreichendem Schutze
des Bischofs. Auanschikai übernahm in einem sehr
entgegenkommenden Antworttelegramm die volle Ver-
antwortung für die Sicherheit Anzers, der am 30. No-
vember von Tsingtau abznreisen beabsichtigt.
Afrika. Kapstadt, 4. Dez. Die vorhandenen Be-
weise gegen jene 11 Männer, welche in Johannesburg ver-
haftet wurden, weil sie einen Mordanschlag gegen
Lord Roberts beabsichtigt haben sollen, rechtfertigen,
wie es heißt, die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens
nicht. Bomben wurden nicht vorgefunden. Man hatte es
bei dem angeblich vorbereiteten Attentat wohl nur mit einer
englischen Stimmungsmacherei zu thun.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
den Registrator Nikolaus Schmidt beim Bezirksamt in Kehl
mit Wirkung vom 1. December d. I, an zum Registrator bei
der Generalintendanz der Großherzoglichen Civilliste ernannt
und den Notar Karl Stritt, z. Zt. Oberbürgermeister der Stadt
Bruchsal, auf sein Ansuchen zum Zwecke des Verbleibens im
Gemeindedienste aus dem Staatsdienste entlassen.
— Hauptamlsgehilfe Anton Rauch in Basel wurde als
Hauptamtsassistent etatmäßig angestellt.
Karlsruhe, 4. Dec. Am Sonntag den 2. ds.
Mts. fand in der Schlotzkapelle in Baden ein Gottesdienst
statt, bei welchem der Prälat a. D. v. Doll die Predigt
hielt. Abends als dem Vorabend des Geburtstags der
Großheizogin trafen die sämmtlichen Herren vom Hofstaat
in Schloß Baden ein, um ihre Glückwünsche darzubringen.
Um halb 8 Uhr fand eine größere Hoftafel statt, nach
welcher die Herren des Hofstaats nach Karlsruhe zurück-
kehrten. Unmittelbar nach der Tafel um 9 Uhr brachte
der Liederkranz Aurelia zu Ehren des Geburtstages der
Großherzogin ein Ständchen in der Vorhalle des Großher-
zoglichen Schlosses. Der Gesangverein bewährte bei diesem
Anlaß wieder seine hervorragenden Gesangsleistungen. Am
Morgen des 3. fand in den Gemächern der Grobherzogin
der Aufbau der Geschenke statt. Hierauf empfing Ihre
Königliche Hoheit die Damen und Herren des Hofstaates,
sowie den Kommandirenden General des 14. Armeecorps,
General der Kavallerie von Bülow mit Gemahlin und
den Obersten Grafen von Kanitz, Kommandeur des Königin
Augusta Garde-Grenadier-Regiments Nr. 4. Nach 11 Uhr
traf der Kaiserliche Statthalter, Fürst zu Hohenlohe-Langen-
burg, aus Straßbnrg in Baden ein und brachte der Groß-
herzogin seine Glückwünsche dar. Später kamen aus Karls-
ruhe die Prinzessin Wilhelm, der Prinz und die Prinzessin
Max, Prinz Karl, sowie die Fürstin Sophie zur Lippe.
Die sämmtlichen Herrschaften nahmen an der Frühstücks-
tafel theil und verweilten bei den Großherzoglichen Herr-
schaften bis nach 4 Uhr. Auch die Prinzessin Amelie zu
Fürstenberg nahm an der Frühstückstafel theil. Gestern
Abend besuchten die Grobherzogin, der Erbgroßherzog und
die Erbgroßherzogin das Festkonzert im großen Saal des
Konvcrsationshauses. Der Großherzog war durch eine kleine
Erkältung vom Besuch desselben abgehalten. Heute früh
traf Präsident Dr. Nicolai im Schloß Baden ein und hielt
Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog während des
Vor- und Nachmittags Vortrag.
Ausland.
Rußland. Livadia, 4. December. Der Zar ver-
bringt jetzt einen Theil des. Tages im Lehnstuhl sitzend.
Badischer Handelstag.
ö 6. Ka rlsruhe, 4. Dec. Im großen Rathhaus-
saal trat heut- der Bad. Handels tag zu einer Sitzung
zusammen, der Finanzminister Dr. Buchenberger,
Ministerialpräsident Dr. Schenkel, Zolldirektor Seu-
bert, Geh. Rath Frhr. v. Marsch all, Geh. Ober-
Reg.-Rath Braun und Ministerialrath Ballweg, so-
wie zahlreiche Vertreter der badischen Handelskammern an-
wohnten.
Nach den üblichen Begrüßungsansprachen berichtete
Dr. Emm in gh aus-Mannheim über den ersten Punkt
der Tagesordnung, „Handelsverträge", und schlug
eine Resolution vor, worin der Handelstag seine Ueber-
zeugung ausspricht, daß eine gedeihliche Entfaltung der
wirthschaftlichen Kräfte des deutschen Volkes für die Zu-
kunft nur dann zu erwarten ist, wenn die erfolgreiche
Politik langfristiger Handelsverträge mit einer
möglichst großen Zahl anderer Kulturstaaten weitergeführt
wird. Kommerzienrath Kr afft-Schopfheim betonte gegen-
über den Ausführungen des Referenten, daß durch die be-
stehenden Handelsverträge durchaus nicht alle Industrie-
zweige gleichmäßig gefördert wurden und daß insbesondere
die Landwirthschaft an dem Aufschwung keinen An-
theil genommen habe. Es sei deshalb angebracht, auch
auf die Schattenseiten der Handelsverträge hinzuweisen.
Zu diesem Zwecke schlägt Redner vor. in die Mannheimer
Resolution einen Satz aufznnehmeu, in dem der Handels-
tag die Erwartung ausspricht, daß bei den neuen Handels-
vertragsoerhandlungen die früher gemachten Fehler ver-
mieden werden und insbesondere auf enge Fühlung mit
den Interessentenkreisen Bedacht genommen wird. Auch
Handelskammersekretär Hiller-Lahr und em Vertreter
der Schwarzwälder Handelskammer waren der An-
sicht, es könne nichts schaden, wenn die Thatsache, daß
bei den letzten Handelsverträgen Fehler gemacht wurden,
in der Resolution zum Ausdruck komme, während die
Geh. Kommerzienräthe Schneider und Diffenö energisch
für den Wortlaut der Mannheimer Resolution eintraten,
die schließlich mit allen gegen drei Stimmen (Lahr, Schopf-
heim, Billingen) angenommen wurde.
Der zweite Handelskammersekretär von Mannheim,
Dr. Knirßek, begründete hierauf den zweiten Theil des
Antrags Mannheim, wonach der Handelstag die von eini-
gen Seiten empfohlene Einrichtung eines Doppeltarifs
nicht als geeignetes Mittel zu jenem Zweck anzuerkennen
vermag, sondern an der bewährten Grundlage eines e i ri-
tze itl ich en Zolltarifs sestzuhalten empfiehlt. Kommerzien-
rath Kr afft wid-rsprach auch diesem Theil des Antrags.
Es sei nicht einzusehen, warum man sich nicht auch mit
dem Doppeltarif zufrieden geben könne. Uebrigens sei es
nicht Sache des Handeistages, sich für das eine oder
andere System auszusprecheu. Man solle das Vertrauen
zur Reichsregierung haben, daß sie in dieser Frage die
richtige Entscheidung treffen wird. Der Redner beantragt
schließlich, die Versammlung wolle beschließen, daß es der
Handelstag für nicht von erheblicher Bedeutung erachtet,
ob das angestrebte Ziel langfristiger Handelsverträge unter
Beibehaltung des Einheitstarifs oder unter Einführung des
Doppeltarifs erreicht wird. Immerhin ist er der Meinung, daß
die bisherigen Erfolge des Systems des Einheitstarifs dessen
Beib-chaltung so lange angezeigt erscheinen lassen, als nicht
von dem Doppeltarif unwiderleglich nachgcwiesen wird, daß
er vor elfterem den Vorzug verdiene. Geh. Kommerzienrats
Schneider ersucht die Versammlung unter Hinweis auf
die Gefahren des Doppeltarifs, der Mannheimer Resolution
beizurreten; in gleichem Sinn äußern sich Vertreter der
Handelskammer Lahr und Mannheim. Der Antrag Krafft
wurde schließlich mit allen gegen eine Stimme (Schopfheim)
abgelehnt.
Eine weitere Resolution, die mit dem Beschluß der
Handelskammer Karlsruhe identisch ist, wurde ohne Debatte
angenommen.
Schließlich begründete Handelskammerprästdent Stro
meyer-Konstanz folgenden Antrag: Der Handelstag er
klärt sich ganz entschieden gegen eine etwa beabsichtigte
Aufhebung des zol lfreien Grenzverkehrs, indem
diese Maßregel eine schwere Schädigung der Interessen der
Bevölkerung an der deutsch-schweizerischen Grenze mit sich
bringen würde. Kommerzienrath Krafft spricht sich im
Interesse der Kleingewerbetreibenden gegen diesen Antrag
aus. Die Detailisten in den Grcnzbezirken werden durch
den zollfreien Grenzverkehr schwer geschädigt und darum
sei dessen Aufhebung ganz gerechtfertigt. Präsident
Strome her entgegnet, daß die Vortheile für die deut-
schen Händler mindestens ebenso groß, wenn nicht größer
seien, als für die schweizerischen; auch sei zu bedenken, daß
der zollfreie Grenzverkehr hauptsächlich den armen Leuten
zu gute komme; ferner müsse man zu verhindern suchen,
daß die Arbeiterschaft das in Deutschland verdiente Geld
in der Schweiz ausgibt. Sein Antrag liege daher im
Gesammtinteresse der Bevölkerung. Kaufmann Ruef-
Freiburg betont, daß der Greuzverkehr durchaus einseitig
sei und lediglich die Schweiz den Nutzen habe. Es werden
nicht nur Lebensmittel, sondern alle möglichen Produkte von
der Schweiz auf dem Wege des zollfreien Grenzoerkehrs
eingeschmuggelt. Im Oberland schaffen z. B. die Jungen
kleinere Quantitäten Erdöl in Schmeinsblasen über die
Grenze. Geh. Kommerzienrath Schneider bittet, den
Antrag zurückzuziehen, weil die meisten Kammern über
die vorliegende Frage nicht genügend orientirt sind. Der
Antrag wurde hierauf zurückgezogen und sodann die Ver-
sammlung geschlossen.
Ein Festmahl vereinigte nachher die Teilnehmer iM
Hotel „Germania". Auf dem Mahl erklärte, einem Bericht
der Straßb. Post zufolge, Ministerialpräsident
Schenkel:
Die Regierung werde das directe Wahlrecht
nur dann einführen, wenn neben den direct gewählten
Abgeordneten auch die verschiedenen Jnteressen-
kreise durch eine besondere Vertretung in der
Kammer Ausdruck finden würden._
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, b. December.
^ II. akadem. Vortrag zu Gunsten des Frauenvereins.
Prof. Wille, der vor einigen Jahren die Gestalt der pfälzische"
Prinzessin Life Lotte in einem akad. Bortrag zu Gunsten de»
Frauenvereins einer zahlreichen Versammlung vorgeführt hau
machte gestern eine ebenfalls zahlreiche Zuhörerschaft mit der
eigenartigen und interessanten Persönlichkeit einer anderen Pri"-
zessin aus dem gleichen Hause, der Prinzessin Elisabeth, nach-
maligen Aebtissin von Herford, bekannt. Bon den 13 Kindern
des Kurfürsten Friedrich V., nachmaligen Königs von Böhmen und
seiner Gemahlin, der schönen Prinzessin Elisabeth von Stuart,
war die im Jahre 1618 geborene Elisabeth das dritte, die älteste
Tochter. Wie ihre Geschwister zeichnete sie sich durch Schönheit
und Begabung aus. Ein Jahr nach ihrr Geburt zog ihr Bus"
nach Böhmen. Die unglücklichen Folgen dieses Schrittes f"'
das kurpfälzische Haus sind bekannt. Die Familie mußte flüchten-
Elisabeth lebte zuerst in Brandenburg bei ihrer Großmutter,
später in Holland, wo die Familie sich wieder zusammengefunden
harte, und im Exil einen durch holländische Mittel gestützten
glänzenden Hoshalt führte, der die erlesensten Geister um
geistreiche schöne Königin und ihre schönen Töchter versammelte-
Die Prinzessin Elisabeth hatte von Natur Hang und Begabung
für die Philosophie mitbekommen. Mir großem Eifer und dam
ihrer starken Begabung mit bestem Erfolg bemeisterlc sie die da-
maligen Wissenschaften einschließlich der alten Sprachen. Es"
Mann wie DecarteS, der Begründer der neueren Philosoph'''
der damals in Holland lebte, trat der Prinzessin als Lehrer und
geistiger Freund näher. Er rühmte sie als eine der wenige"
Personen, die gleich gut seine mathematischen wie metaphysische"
Darlegungen begriffe. Ja, die scharfsinnige, sich in die Philo!"
phische Geoankenwclt mit Zähigkeit einvohcende Prinzessin brachst
den Philosophen manchmal in Berlegenheit. Widerwärtige häu»-
liche Verhältnisse führten sie wieder nach Brandenburg zu ihr""
Vetter, dem großen Kurfürsten. Nach dem westphälischen Friede"
kam sie auch wieder für kurze Zeit nach Heidelberg. Auch ds"'
bei ihrem Bruder fand sie keinen rechten Platz. Sie verlieb
Heidelberg und kam schließlich dank der Unterstützung des Groß?"
Kurfürsten als Coadjulorin in das freie ReichSsttft Herford (West
phalen), dessen Aebtissin sie 1667 wurde. Ihre Versuche währe""
langer Jahre philosophischer Spekulation, die Wissenschaft mit de'
Allmacht Gottes, die Vernunft mit dem Glauben in Einklang ^
bringen, brachten ihr keine befriedigende Lösung des Welt- ""
Mcnschenräihscls. In Herford trat bei ihr langsam eine Wand-
lung zu religiöser Schwärmerei ein. Doch blieb sie sowohl He''.
Labadte gegenüber, dem sie mit seiner ueuchristlichen Genies""'
Gastrechte in Herford gewährt halte, als auch gegenüber Will>a">
Penn, der sie zweimal dort oesnchte, selbständig. Sie fl",,
1689 im Alter von 62 Jahren. Während in Italien zur Z"
der Renaissance an den fürstlichen Höfen und in den Republik"'
zahlreiche hochbegabte Frauen anzutreffen waren, die tiefe w
lehrte Bildung mit Anmuth verbanden und ihrer Zeit zur Zi"°
gereichten, ist Deutschland verhältnißmäßig arm an solche» N .
wesen- Umsomehr Dank verdient der Redner, der eine die>°
Frauen, eine schwer zu zergliedernde eigenartige Natur im '
tereffanlen Rahmen eines Zeitgemäldes so plastisch den Zuhör"
vorzuführen verstand. ,,
«t. Boettge-Konzert. Zu den vielen musikalischen Veranfl"
tungen der vorweihnachtlichen Zeit gesellte sich am Sou"'","
Nachmittag ein populäres Boettge-Äonzert im Sa"
bau, welches einen zahlreichen Zuspruch zu verzeichnen
Nahezu 1200 Zuhörer folgten mit Aufmerksamkeit und stchtli«'",
Interesse, zuweilen mit geradezu stürmischem Beifall den ei"? ^
nen Programmnummern. Hr. Musikdirektor Boettge bra»
wieder etwas Neues, Eigenartige« und Gediegenes. Solche
heilen wirkungsvoller Art zu bieten, ermöglicht dem ideenret«
Dirigenten die Vielseitigkeit und Tüchtigkeit seiner Kräfte, "x
sogar ihren Mann im Gesang stellen; zudem bedient sich
Boettge in seinen volksthümlichen Konzerten solcher JnstrumeNtz.
die bei nur wenig Militärkapellen gebräuchlich sind. Mü A
militärischer Straffheit, kräftig, graziös und sauber wurde" §
einzelnen Programmnummcrnausgeführt; jedesmalig folgte 'h",r
die betreffende nationale Hymne. Man muß zugestehen, oaä .
musikalischen Darbietungen des Boettge-OrchefterS hoch
schlagen sind. Wir hörten u. A. das entzückende Sullioa"'^
„Ins lost Oborä' — für vier Posaunen arrangirt —, da»
jeder Hinsicht künstlerisch wiedergegeven wurde und zu dem
Erfolge, de» die Kapelle errang, wesentlich beitrug. Fra»'''x,
war vertreten durch eine diskrete, leichtlebigen Charakter
rächende Ouvertüre von Mass«, Norwegen durch eine fli'v',,ck
an kirchliche Hymnen streifende Rhapsodie; Spaniens fl"!,-,
„Valso Castellano" mit Tambourin und Castagnetten und Gei"
wie Italiens anheimelnde Mandoltnen-Serenade und Bersag",^»
Märsche, sowie die lebhafte russische Hochzeils- und TanS'
Phantasie verfehlten ihre Wirkung nicht. Die höchst ui""" jgk"
schwerfällige Tam-Tam-Musik des Chinamann machten
eigenartigen Eindruck von der Art, wie der gelbe Man»
kalisch empfindet und sich ausdrückt. Die vielversprechend"'Ak
müthliche und herzerfrischende Wiener Volksmusik und «""-.Age"
deutsche Kciegsmusik der Alt- und Neuzeit bildeten einen
Abschluß des sorgfältigst zusammengestellten Programms. De" ^
Kriegsmusik durfte freilich im Rahmen des schönen Progr""
nicht fehlen; hier zeigte sich die Boeltge-Kapelle in rsik
vertrautesten Fahrwasser; da ist sie so ganz zu Hause, d'"
historische Musik ist ihre Specialität, Bet dieser letzten
kamen die hellschmetternden Fanfaren, die von den ge»'
Karlsruhern in strammer Haltung meisterhaft geblasen w
recht zur Geltung. Das Publikum bezeugte Hrn.
Schluß in ausgiebiger Weise sein Wohlwollen und sti"s",„>,
für den genußreichen Nachmittag. Aus baldiges Wiederie»e j-
8 Ausgestellt. Im Kunst salon von Edm. von » E
ist eine interessante L-ammlung von reizvollen Lithograph" hjeff
Hans Thoma ausgestellt.j Wir möchten unsere Leier aui