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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1867

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Juli (Nr. 78 - 90)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30181#0361

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WochenMlt
für die Bezirke
Schwetzingen und Philippsburg.
ssv. 84. Dienstag, 16. Juli 1867.

Erscheint D i e n st a g, D o n n e r st a g und Samstag. — Preis: vierteljährlich 45 kr., unter Vorauszahlung. —
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Alle Postanstalten nehmen Bestellungen an. Die Boten erhalten 2 kr. monatlich.

Der Sturz -es rnex. Kaiserreichs.
(Schluß.)
Ms der Zug die große Spitalpforte erreichte, zogen die
Franziskaner vorüber; die beiden ersten trugen das Kreuz und
das geweihte Wasser, die übrigen hielten Kerzen. Jeder von
den drei Särgen ward von einer Gruppe von vier Indianern
getragen; hinterher folgten die drei schwarzen Hinrichtungskreuze
nebst den Bänken. Kapitän Gonzalez gab nun Maximilian
ein Zeichen, auszusteigen. Der Kaiser näherte sich muthig mit
den zu den zwei Generälen gesprochenen Worten: „Varnosnos
a 1a. lidsiäaä!" (Gehen wir der Freiheit entgegen.) Die
Prozession bewegte sich langsam die Straße nach dem Kirchhofe
hinan, hinten an der Kirche vorbei. Voran schritt der Kaiser,
zu seiner Rechten der Pater Fischer, zu seiner Linken der Bi-
schof. Hintendrein folgte, unterstützt von zwei Franziskanern,
die ihm den Arm gaben, Miramon, und Mejia zwischen den
beiden Priestern von Santa-Cruz. Als man den Gipfel des
Hügels erreicht hatte, sah Maximilian starr die aufgehende
Sonne an. Dann zog er seine Uhr und ließ eine Feder spielen,
welche das Portrait der Kaiserin Charlotte verbarg. Er drückte
es an die Lippen und sagte, indem er dem Pater Fischer die
Kette reichte: „Ueberbringen Sie dieses Andenken meiner viel-
geliebten Gattin in Europa, und sollte dieselbe Sie jemals
verstehen können, so sagen Sie ihr, daß meine Augen sich
schließen mit ihrem Bildnisse, das ich mit nach oben nehme."
Man hatte eine Stelle unweit der dicken äußeren Kirchhofsmauer
erreicht; dumpf zusammen hallten die Sterbeglocken. Nur die
Personen vom Zuge waren zugegen, da man der Menge den
Weg vertreten hatte. Die drei Bänke mit den Plankenkreuzen
wurden gegen die Mauer gestellt; die drei herankommandirten
Pelotons, je aus fünf Mann nebst zwei Reserve-Unteroffizieren
bestehend, näherten sich den Verurteilten bis auf drei Schritte.
Als der Kaiser die Bewegung der Gewehre bemerkte, meinte
er, man stehe im Begriff zu feuern, und näherte sich lebhaft
seinen beiden Gefährten, die er mit Inbrunst umarmte. Mi-
ramon sank überwältigt auf die Bank nieder; die Franziskaner
legten seine Arme kreuzweise über einander. Mejia erwiederte
die Umarmung Maximilian's schluchzend, dann kreuzte er die
Arme über die Brust und blieb aufrecht stehen. Der Bischof
sagte im Nähertreten zu Maximilian: „Sire, geben Sie ganz
Mexiko in meiner Person den Kuß der Versöhnung; möge Eure
Majestät im letzten Augenblicke Alles verzeihen!" Der Kaiser,
sichtbar erregt, ließ sich umarmen und schwieg. Dann rief er
mit starker Stimme: „Sagen Sie Lopez, daß ich ihm seinen
Verrath verzeihe!" Hierauf drückte Seine Majestät dem
Pater Fischer die Hand, und dieser, dem die Stimme den
Dienst versagte, fiel dem Kaiser zu Füßen und benetzte dessen
Hände mit seinen Thränen. Viele von den Umstehenden
weinten; Maximilian machte leise seine Hände los und sagte,
indem er einen Schritt vorwärts machte, ironisch mit einem
schwermüthigen Lächeln zu dem Offizier, der die Hinrichtung
kommandirte: 1a ckisposieion äe rwteä." (Zu ihrer Ver-

fügung.) In dem Augenblicke, wo auf ein Zeichen die Gewehre
auf seine Brust angelegt wurden, murmelte er einige Worte
auf Deutsch, und die krachenden Schüsse hüllten die Zuschauer
in eine Rauchwolke. Miramon rollte schwerfällig wie vom
Blitz getroffen nieder. Mejia blieb stehen und fuchtelte mit
den Armen in der Luft umher; ein Schuß aus nächster Nähe
ins Ohr machte seinem Leben ein Ende. Der Kaiser fiel auf
das Kreuz, an welches er sich angelehnt; man hob ihn sofort
auf und legte ihn mit den beiden Generalen in den Sarg.
Das Vegräbniß fand sofort in dem Kirchhofe statt und der
Bischof ertheilte die Absolution. Der General Corona ließ den
Bischof rufen und forderte von ihm, daß er ihm die Briefe
zustelle. Der an die Erzherzogin Sophie wurde nicht eröffnet,
er war an die Mutter des Verurteilten und konnte nichts
Gefährliches enthalten. Der an die Kaiserin Charlotte wurde
aus politischen Gründen aufgebrochen und dem Sekretär ge-
stattet, Abschrift davon zu nehmen. Derselbe (französisch ge-
schrieben) lautet: „Meine vielgeliebte Carlotta! Wenn Gott es
zuläßt, daß Du eines Tages genesest und diese Zeilen liesest,
so wirst Du die ganze Grausamkeit des Schicksals kennen lernen,
welches mich ohne Unterbrechung schlägt seit Deiner Abreise
nach Europa. Du hast mit Dir mein Glück und meine Seele
fortgeführt. Warum habe ich Deine Stimme nicht gehört!
So viele plötzliche Schläge haben die Fülle meiner Hoffnungen
zerstört, so daß der Tod für mich eine glückliche Befreiung und
keine Agonie ist. Ich werde glorreich fallen, wie ein Soldat
wie ein besiegter König, nicht entehrt. Wenn Deine Leiden
zu heftig sind, wenn Gott Dich bald mit mir vereinigt, so
werde ich seine göttliche Hand segnen, welche uns schwer getroffen
hat. Lebwohl! Lebwohl! Dein armer Max."
Merkwürdigerweise muß erwähnt werden, wie General
Ramon Mendez, welcher ebenfalls als Verräther erschossen
wurde, seinen Tod erhielt. Mendez war bekanntlich Mexikaner
also gleich Juarez Indianer, aber seinem Kaiser treu bis in
den Tod. Nach Landessitte wurde er. wie alle Diejenigen,
welche man als „Verräther" bezeichnet, von rückwärts erschossen.
Dagegen protestirte er mit der Bemerkung, er sei wohl im
Stand, dem Tod ins Antlitz zu sehen. Auf die Entgegnung
des Offiziers, daß er seinen Befehlen zu gehorchen habe, er-
wiederte Mendez: „Nun, wohlan, ans Werk," und kniete ruhig
nieder, den Rücken dem Regiment, welches mit der Exekution
betraut war, zuwendend. Vier Mann traten aus den Reihen
vor und gaben Feuer. Der Verurtheilte ward aber nicht tödt-
lich getroffen; er erhob sich und gab den Soldaten ein Zeichen,
sie mögen nach dem Kopf schießen; ein Korporal setzte ihm die
Gewehrmündung hinter das eine Ohr und zerschmetterte den
Schädel.
Fast zu gleicher Zeit hat in Mexiko das Verhängniß
zwei Prätendenten ereilt, Maximilian und Santa Anna,
den ältesten und den jüngsten der Männer, die mit dem
Schwerte um die Herrschaft des Landes gekämpft. Seit
dem mexikanischen Unabhängigkeitskrieg im Jahre 1821 haben
in Mexiko nur zwei Regierungen bestanden, gegen die Santa
 
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