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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1867

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November (Nr. 131 - 143)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30181#0635

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gnädige Frau, sowie deren Nichte, das Fräulein Agathe von
Eckmühl, bis zum Erscheinen Stürmers aus dem unerschöpf-
lichen Vorne seines Geistes zu erquicken. Der Dichter war heute
bei guter Laune; er zog nach einigen Augenblicken des Nach-
denkens ein Heftchen aus der Tasche, schrieb einige Zeilen in
dasselbe und überreichte es der Frau von Eckmühl, die ihm zur
Rechten saß. „Ach, das ist herrlich," hob diese an, „ein himm-
lischer Gedanke! Hören Sie doch, meine Herren:
„Tu bist wie eine Lilie,
So schön, so fromm und rein,
Ich aber bin Dein Frechling.
Ich bin Dein Sonnenschein!
Ich breite meine Schwingen
Segnend über Dich her —
Du neigst Dein Köpfchen, sinnend,
Von süßer Liebe schwer!"
„Sehr bezüglich." sagte Steiner, als die Baronin schwieg,
„nur weiß man nicht, wem die Worte gelten!"
Pinsel warf einen flüchtigen Blick aus Agathe, di? errötheud
die Augen niederschlug, und steckte alsdann das Heftchen wieder
in die Tasche.
, »Ja, ja," verfehle der Hauptmann ironisch, „cS ist wirk-
lich schade, daß Ihr Talent so sehr verkannt wird; bei nur
geringer Aufmunterung desselben wü'we der Welt in Ihnen ein
zweiter Schiller erstehen."
„Gehen Sie mir mit Schiller," entgcgnete Pinsel lebhaft,
„ich mag mit diesem Idealisten, der Welt und Menschen nahm,
wie sie sein sollten, nicht wie sie sind, nichts zu schaffen haben."
„Schiller war ein tiefer Denker und unser erster Dichter,"
erwiderte Agathe, „das beweist die Liebe, die das Volk noch
setzt zu seinen Schriften im Herzen trägt."
„Ich bestreite dies durchaus nicht," fuhr Pinsel fort, „doch
war es damals ein Leichtes, sich einen Namen zu erwerben.
Heutzutage bei der unzähligen Menge guter, mittelmäßiger und
schlechter Dichter fällt es dem Besten unter ihnen schwer, seinem
Talents Geltung zu verschaffen."
„Na, hören Sie, man wird Ihrer Weltschmerz-Gedanken
auch einmal müde," erwiderte der Hauptmann. „Das Empfind-
same und Zerrissene will man nicht mehr. Nehmen Sie sich
einmal Körner zum Vorbild, schreiben Sie vaterländische Lieder,
Sie sollen sehen, die finden mehr Anklang!"
Pinsel zuckte die Achseln. „Der kennt auch nur, was aus
leine Epauletten Bezug hat," sagte er leise, zur Frau von
Eckmühl gewandt; „über andere Sacken darf man nicht mit
ihm sprechen."
„Leider ist es so," erwiderte diese. „WaS meinen Geschmack
betrifft, sind Heinc's Lieder der Liebe das Schönste, was ich
in der Poesie kenne."
„Nicht wahr?" fragte Pinsel erfreut. „Wie schön ist z. B.
daS kleine Gedicht, — wissen Sie jenes, in welchem der Dichter
singt: „Und mit dieser fenergetränkten Niesen-Feder schreibe ich
an die dnnkle Himmelsdecke: Agnes, ich liebe Dich!" Zehn
Jahre meines Lebens gäbe ich darum, der Schöpfer dieses Ge-
dichts zu sein," fuhr er fort, indem er die Hand der Baronin
ergriff, „o, auch ich möchte an die dunkle Himmelsdecke schrei-
ben : „Angcline, ich —"
Frau von Eckmühl legte ihre Hand auf die Lippen des
Dichters. „Wollen Sie schweigen!" flüsterte sie erschreckt, in-
dem sie einen raschen Blick auf ihre Nichte warf, die ruhig an
ihrer Stickerei arbeitete; „Sie Bösewicht!" —
„Er zählt die Häupter seiner Lieben, und sieh', ihm fehlt
kein rheures Haupt," recitirtr in diesem Augenblick der eintre-
lende Hofrath.
, Die Gesellschaft erhob sich, um Stürmer und dessen Tochter
zu begrüßen, und Pinsel drückte bei dieser Gelegenheit ein
zierlich zusammengelegtes Papierchen in Agathens Hand. „Das
ist für Die," raunte er ihr zu, „verbergen Sie eS sorgfältig
vor den Blicken Ihrer Tante." Agathe schien derartige Brieschen
schon oft^ erhalten zu haben: sie warf verstohlen einen Blick
auf ihre Tante und ließ dann das Papier in ihre Tasche gleiten.
„Da wären wir also alle wieder beisammen," Hub der
Hofralh an. als die Gesellschaft um den silbernen Thcetopf saß;
„alle, auch unser gefeierter Dichter hat sich wieder eingefunden.

Apropos, Pinsel, haben Sie einen Verleger für ihre Gedicht?
gefunden?"
Der Angeredete schüttelte wehmüthig sein Haupt.
„Es ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie ewig neu,"
fuhr der Hosrath fort ; „Sie sind aber Ihrem Ziele jetzt näher
als Sie glauben. Se. Excellenz der Ministerpräsident werden
erster Tage hier eintrefsen; ich gebe Ihnen den guten Rath,
suchen Sic eine Audienz bei ihm zu erhalten, und bitten Sie
ihn in derselben um die Erlaubnis, ihm Ihre Gedichte zneignen
zu dürfen. Er wird es Ihnen nicht abschlagen, und die Ver-
leger werden sich alsdann um die Ehre streiten, Ihr Buch thcucr
bezahlen zu dürfen."
„Se. Excellenz der Ministerpräsident?" fragte Pinsel über-
rascht; „er kommt hi eher?"
„Ja, ja, ganz gewiß; übrigens," fuhr der Hosrath zur
Gesellschaft gewendet fort, „muß das unter uns bleiben; ich
vermuthe, Se. Excellenz will unter einem fremden Namen hier
die Kur gebrauchen; -- Sie verstehen mich doch?"
(Forts, folgt.)

Verschiedenes.
— Mannheim, 24. Nov. Herr Professor Cantor von Heidelberg
hielt gestern vor einem gewählten Hörerkreis seinen zweiten Vortrag über
das alte Assyrien. „Ucber den Islam" wird der Gegenstand des nächsten
Vortrags des verdienstlichen Orientalisten Dr. Steiner sein.
— Waghäusel, 25. Nov. Iy der heutigen Generalversammlung
der Aktionäre der hiesigen Zuckerfabrik wurde die Neuwahl des Verwal-
tungsraths vorgenommen und besteht nach derselben die Direktion aus
den HH. Achenbach, Vorstand, Dr. Ladenburg und Fr. Lauer jr., sämmt-
lich von Mannheim, der Ausschuß aus den HH. Karl Frh. von Rothschild
von Frankfurt a. M., Hugo Haniel von Ruhrort, Karl Joest von Köln,
Joseph Hohcnemser und Fr. Engclhorn von Mannheim. Nach den An-
trägen der Direktion wurde beschlossen, in der Fabrikation das grüne Ver-
fahren auszudchncn, damit jährlich 500,000 Ctr. Rüben verarbeitet wer-
den können. Der Kostenaufwand beträgt 110,000 st., welchen Betrag die
HH. Ladenburg, Haniel und Jörgcr vorzuschicßcn sich bereit erklärt haben,
unter der Bedingung, daß Dividenden nicht bezahlt werden, bis dieser
Vorschuß zurückbezahlt ist. Das abgelaufcnc Geschäftsjahr war kein gün-
stiges, indem die Zuckerprcise beiläufig 14/, fl. per Zntr. niedriger wäre»
als voriges Jahr, und dadurch über 100,000 fl. weniger eingenommen
wurden. Der Geschäftsverlust beläuft sich dessenungeachtet nur auf ungefähr
19,000 st.
— Speyer, 27. Nov. Eine furchtbare Schandthat hat sich hier
ereignet: der Taglöhncr Hcrrmann, in Verbindung niit seiner Ehefrau,
schlugen gestern Abend ihr einziges, 3 — 4 Jahre altes Kind todt. Mit
einer Hacke hieben diese Scheusale dem armen Kleinen die Nase weg, dann
die vordern Kiefern mit den Zähnen ein und zuletzt den Rückgrat entzwei.
Diesen Morgen war das Kriminalgcricht von Frankenthal zur Aufnahme
des Thatbestandcs hier.
— In der Grube Kronprinz beim Dorfe Griesborn (in
der Nähe von Saarlouis) sind durch ein schlagendes Wetter
13 Menschen getödtet worden, darunter der Bcrgdirektor Bauer,
ein Obersteiger und 2 Steiger.
— lieber einen neuen Ansbruch des Vesuv wird der
Allg. Ztg. geschrieben: Der gegenwärtige Ausbruch hat eine
unerwartete Ausdehnung angenommen und gewährt seit dem
16. d. M. eine Reihe großartiger Naturerscheinungen. Der
alte Krater ist ganz mit Lava erfüllt, und sie strömt in meh-
ren Richtungen den Berg herab. Ein Strom hat die Rich-
tung der Lava von 1355 eingenommen, der andere bewegt
sich gegen Norden, nach der Straße zu, welche gewöhnlich von
den Besuchern des Vesuv betreten wird. Es ist ein Haupt-
kegel mit mehreren Nebenkegeln entstanden, aus welchen Lava
ausströmt. Aus dem Krater werden von Zeit zu Zeit mit
Getöse SLeimuassen emporgeschleudert. Die Eremitage ist von
zahlreichen Fremden besetzt, welche das interessante Schauspiel
betrachten, und die jetzigen Eisenbahnverbindungen gestatten
auch Besuchern aus größerer Entfernung noch rechtzeitig ein-
zutreffen.
— (Tabakbesteucrnng in Amerika.) Tie Tabakfabrikanten
P. und G. Lorillard in New-Port haben während des am
30. Sept. beendeten Jahres 1,300,000 Dollars Vundessteucr
bezahlt, so berichtet die New-Porker Handelszeitung.
— (Geschwindigkeit.) Dampfschiffe zur See machen in der Stunde
höchstens 4 deutsche Meilen, Flußdampser 8, Rennpferde 9 — 10, Vögel
10—20, der Wind 12, der Sturm 25, Töne 250, die Erde um die Sonne
20,000, das Licht 120,000,000, die Elektricität 240,000,000 M.
 
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