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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 1 - No. 10 (4. Januar - 30. Januar)
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Der Zadiche Vollsbote erſcheint zmal wöchentlich
(Dienstags, Donnexstags und Samstans).

Zelegrunim-Noreffe: YBolkshote Keidelberg.




























Z reis viertelzaͤhrlich

durch den Brieftraͤger frei in's Haus gebracht Mk. 1.25, #

Darch niſern Boten ME 1.—

Am Poſtſchalter oD, unferer Gruchttion Q04eDBILSO Pfg.
o · Zeitun⸗ *

He reisfite Zın

.




















Brou arıts Altar.

























/ \‚'Ä 2 — — — — * — —
— Organ der deutfh-Fozialen Keforur-Varkei in Bnden und
— — Jannar 1896.










7. Jahrg.





_ Das Ganze — jammeln !
TDie Zeit der Feſtruhe iſt nun auch für diejenigen-
vorüber, denen länger zu feiern vergönnt war! Mit

Wit haben den Jahresbeſtand aufgenommen; das Er-
gebnis konnte beim beſten Willen nicht günſtig genannt


ein Jahr getäuſchter Hoffnungen. Wer nicht blöde ift
/ oder ſich ſelbſt belügt, der weiß oder ahnt wenigſtens,
daß noch ein Kampf durchzufechten iſt, größer als der
vor 25 Jahren. Erſpart bleibt uns der Kampf nicht,
wir mögen ihn noch zu ſehr hinauszuſchieben ſuchen,
wir mögen noch ſo ängſtlich den Kopf in den Sand
kurzſichtiger Philiſterkluͤgheit ſtecken.
Wer iſt der Gegner im Kampf? Die einen
meinen, der gefährlichſte Gegner ſei die rote Inter-
nationale, die religionsloſe, daterlandsloſe, gemütlofe
Sogialdemokratie, die mit allen Mitteln, nicht nur mit
den Waffen des Geiſtes, ſondern auch mit dem Schwerte
der Obrigkeit, bekämpft werden müſſe. Wir ſind ge-
ſchworene Gegner der Sozialdemokratie.
Aber der gefährlichſte Feind iſt die Sozialdemo-
_ Fratie nicht. Sie fanı uur gefährlich werden, wenn
— ihr der Zuzug nicht abgeſchnitien wird. Sie muß ge-
‚ Tährlich werden, wenn eine furzfichtige Politik den
Quellen immer neue Nahrung zuführt, aus denen ſie
— gefpetft wird. Werden die Quellen verſtopft, gelingt
eS, die Gruͤnde berechtigter Unzufriedenheit wegzu:
räumen ſo ſchrumpft der rote Drachen in ſich felbit
zujanımen. Die Hetzer, die aus der Volksvergiftung
ein gutbezahltes Gewerbe gemacht haben, werden dann
leicht zur Bernunſt oder zum Schweigen gebracht werden.
Andere glauben, daß der gefährlichſte Gegner die
goldene Internationale ſei. Noch andere bezeichnen das
Kapital im allgemeinen als den Gegner, der niederge-
rungen werden müſſe. Nicht uur in ſozialdemokrati-
ſchen Kreiſen, ſondern auch in ſolchen, welche innerlich
mif der Sozialdemokrgtie wenig Verwandtſchaft haben,
hat ſich die Feindſchaft gegen das Kapital tief einge-
freſſen. Es giebt neben einem volkswirtſchaftlich wert-
oſen auch ein nützliches Kapital, neben einem wuchern-
den auch ein befrachtendes, nehen einem zehrenden auch
ein nährendes. Befruchtend bleibt das Kapital, ſo
lange es ſich in den Dienſt der Arbeit ſtellt, ſo lange
es ſich mit der Arbeit organiſch verbindet. Gefährlich
und verderblich wird es, wenn es ſich zum Zwingherrn
der Arbeit aufwirft, wenn es von jedem geſchaffenen
Werke ſeinen Tribut fordert, wenn es ſeine laſtende
Hand auf den Höfen und den Häuſern häit, wenn es
die Maſſe nach Bedarf zuſammenpfercht und wieder
auf die Straße wirft, mit einem Woͤrt: wenn es
mammoniſtiſch angewendet wird. Und die Gefahr
wird unberechenbar, wenn das Großkapital geſetzgeberiſche
Bevorzugungen auf Koſten der ſchaffenden Ärbeit ſich
du ſichern weiß. Das Hapital an ſich iſt ſicher und
gefchüßt. Es hat in ſich ſelbſt eine wirtſchaftliche
Macht. Die Arheit, die werteſchaffende Arbeit hat
veder dieſe Macht noch jene Sicherheit. Sie iſt in
ſtetem Mihen, Ringen begriffen. Eine weiſe Wirt-
ſchaftsgeſehgebung wird alſo dort, wo die Intereſſen
des Kapitalismus und der ſchaffenden Arbeit ſich wider-
ſtreben, die der ſchaffenden Arbeit zu ſchützen ſuchen.


ung des Kapitals mit der Arbeit ſein, und dieſe Ver-
ſöhnung gelingt, wenn Arbeit und Kapitalhſich organiſch
in einer Perſon vereinen, alſo im Mittelftande! Das
bloße Wettexn gegen den Kapitalismus iſt unfruchtbar
und unberechtigt. Wer das Kapital als ſolches ver-
nichten will, der muß ſich folgerichtig zum Sozial-
demokraten entwickeln. Unſer Kampf gilt nicht dem
Kapitale, ſondern dem Ueberwuchern des Kapitalismus.
Wirtſchaftsleben und Beſitz ſoll ſich wieder gründen
auf den naͤtürlichen Grund alles Beſitzes, auf den
Mutterboden, auf den Acker! Das bewegliche Kapital
joll dienen und nicht herrſchen, ſoll ſich nicht zum
Fron und zum Zinsherrn der Arbeit aufſchwingen
fönnen. Der Mammonismus muß von dem ange-
maßten Throne geſtürzt merden. Mit zielbewußler
Klarheit müſſen die Bahnen einer geſunden und ent-




Ohne Kampf iſt das unmöglich.
mus wird ſeine Macht
und Kampf. / ; *
Den Gegner klar zu erkennen und richtig zu
werten iſt die erſte Pflicht der Streiters, die notwern-

nicht aufgeben ohne Zwang


den. meiſten, zum Teil auch in den maßgebenden
Kreiſen weder den Gegner noch des Kampfes Ziel recht
durchſchaut. Wir ſind über Fragen, Raten und Tagen


wöhnt, in dem Reden und Umfragen etwas Wefjent-


glauben, wenn wir nur getagt haben. — Was thun?
Die Regierung hat vielleicht den beſten Willen, ſie ver-
mag ihn aber erſt dann in Thaten umzuſetzen, wenn


Selbſt wenn ſich die Reßierung jetzt zu der rettenden
nnd entſcheidenden That ermannen wollte, wie fie die
Not, der Zeit dringend erheiſcht, würde ſie mit diefem
Reichstage kaum zum Ziele konmen. Und wenn, was
wir nicht glauben mögen, die Regierung ihr Auge


der Reichstag mit allen verfaſſungsmäßigen Mitteln
ſie an die Pflicht gemahnen Das wird er aber nicht


Die Zahl der klarfehenden Männer ift gering, und


die die Klarheit beeinträchtigen und es micht zur Ent-
ſchiedenheit kommen laſſen.! Fraktionszwang hindert
die einen, den andern fehlt das feſte Rückgrat, daß ſie
ſich ſtemmen könnten. Was thun? fragen wir noch-
mals! Unſexe Pflicht iſt kurz und knäpp angedeutet


geben haben. Für den deutſchen Mittelſtänd gilt c8,
ſich zu ſammeln, ſich dicht zu ſcharen um das Banner
des Chriſtentums, des Königkunis, der deutſchen Arbeit!
Das Trennende muß vergeſſen, das Einende in den


ſeine Forderungen zur Geltung zu bringen verſteht.
Dex Mittelſtand iſt der Fruchtkern des Völkes. Sein
Gedeihen verbürgt unſere Zukunft. Er allein iſt im


Boden zu ringen. Solange er kampfkräftig und lebens-
fähig iſt, iſt der Thron geſtützt und die Grenze ge-
ſchirmt. Aber alles wankt und ſchwankt, wenn er
fällt und verfällt. Er muß ſich ſeiner Maͤcht wieder
bewußt werden, damit er dieſe feine Macht recht aus-
nütze. Getrennt ſind die Mächtigſten ohnmächtig, ver-
eint werden die Schwachen ftark. Deshalb haben wir
für nötig gehalten, jetzt an der Schwelle des neuen
Jahres, zum Beginn der neuen politiſchen Thätigkeit


das Ganze — ſammeln!



einmal den Ruf zu richten:

— — —





Tagesfragen.

SS Herr Or. Lange und die „Lägl. Aundſchau“.
Nach dem „Hann. Kour.“ iſt der verantwortliche
Herausgeber der „Tägl. Rundſchau“ Herr Dr. Lange,
mit dem 1. Januar 1896 von der Leitung diefes
Blattes zurückgetreten. Die Perſönlichkeiten, welche
die politiſche Richtung der „Tägl. Rundſchau“ zu be-
ſtimmen haben, ſind zu der Anſicht gelangt, daß ihr
Organ das jüngſte Arbeitsprogramm des Deutſch-
bunds nicht vertreten könne, und da Herr Dr. Lange
dieſe Anſicht nicht teilte, mußte die Konſeqnenz hieraus
gezogen werden. Die „Tägl. Rundſchau“ ſoll zwar
im antiſemitiſchen Fahrwaſſer weiterſegeln, aber in
einem etwas gemäßigteren Tentpo. — Auf den Rück-
tritt des Herrn Dr. Lange bereitete ſchon Mitte
Dezember ein von dem Verlegen der „Tägl. Rund-
ſchau“, Hru. Dr. Hempel, verfandtes Schreiben vor,
in dem angekündigt wurde, daß Herr Hempel ſelbſt
die Leitung übernehmen werde. In dieſem Schreiben
heißt es u. A.: ... eine Zeit lang hat eine Art in
der Tägl. Rundſchau vorgeherrſcht, die ſich von der
einer extrempolitiſchen Partei nicht unterſchied. Sie

®

fübrte auch zu den Grundzügen einer deutſchen Wirt-
ſchaftsreform und Mittelſtandspolitik, einem Partei-
programm, deſſen Unausführbarkeit und Schädlichkeit
mir, beiläufig geſagt, unzweifelhaft iſt“ — Wir be-
merken Dierzu, daß ſeitens hieſiger Geſinnungsgenoſfen
infolge des Austritts des Srn. Dr. Lange die tägliche
Rundſchau abbeſtellt worden iſt. Die,/Volks.
vundfchau“ iſt bekanntlich ein Ableger der „Täglichen
Kundfehau“, Unfere Geſinnungsgenoſſen werden ſich
eine derartige Schwenkung nichk gefallen laffen, denn
die Volksruͤndſchau verſprach bet ihrem Erſcheinen
ausdrücklich, ſtramm im antiſemitiſchen Sinne zu
wirken. Für jeden Antiſemiten iſt e8 eine Pflicht,

die Seele genannter Blätter , mit ſeinem Austritt
wird zweifelles die von Dr. Hempel gebotene „ge-
mäßigt! antiſemitiſche Koſt ungenießbar. *
Zur Abänderung der Stkrafprozehordnung.
Man ſchreibt der „Deutichen Tageszeilung“ : Der
geflügelten Wort geworden. Demgegenüber muß es
wunder nehmen, daß in Ausfertigungen ſchöffengericht-
licher Urteile wegen geringer Vergehen 3. Bbei
Wald Kontraventionen Uebertretung des (GWald)Ge-
ſetzes ſehr häufig die Berufungsklauſel fehlt. &8
wird Ddiefe Praxis offenbar aus dem Grunde befolgt,
um die Berufungsfammern zu entlaſten! Steht _ in-
deſſen dem Beklagten das Recht der Berufung zu,
ſormuß er im Urteil auf dieſes Recht unbediugk Hin
gewieſen werden, wenn auch der Thatbeſtand nach
Lage der Verhandlungen vollkommen geflärt erfcheint.
Die Gexichte weiſen aͤlljährlich zahlreiche Berufungen
als verfpätet zurück; die Urſache der Verfpätung iſt


— In ähnlicher Weiſe haben in den erſten Jahren
des Beſtehens der Unfollverſicherungsgeſetzgebunß viele.
Berufsgenoſſenſchaften verfahren. Das Reichsverſicher-
ungsanıf, welches auch den Charakter einer richterlichen
Behörde trägt, hat in ſtändiger Rechtſprechung daran
feſtgehalten, daß ſolche Fälle ſtets diẽ Wiedereinſetzung
in den vorigen Stand rechtfertigen.
— Auswauderungsgeſetz Auf Anregung des
Kolonialrats, welcher im November in einer Reſolution
die Begutachtung eines etwaigen Auswanderungs-
geſetzes vor Einbringung in die geſetzgebenden Körper-
ſchaften des Reichs verlaugt hatté, ift der ausgear-
heitete Entwurf eines Auswanderungsgefetzes dem
Kolonjalrat nunmehr zugegangen. Der Kölonialrat
hatte für dieſen Fall bereits einen aus ſteben Mit-
gliedern beſtehenden Ausſchuß eingeſetzt! Derſelbe
war bereits im Dezember zu dem angegebenen Zweck
zuſammengetreten und hatte in mehreren Sitzungen die
Angelegenheit beraten, ſich aber dann vertagt. Der
Ausſchuß iſt wieder zufammengetreten, um die be-
gonnene Sache zu Ende zu führen.

— Zuütdiſcher Ton. In der „Berliner Börſen-
Zeitung!, einem ſich oft nationalliberal-bismarckfreund-
lich, häufiger rein jüdiſch-demokratiſch gebärdenden
Börſenorgan, findet ſich ein Neujahrsleitärtikel, auf
den wir heute unſere Lefer aufmerkſam machen woͤllen.
Neben anderen ſchönen Bildern bringt diefer Artikel
folgendes Bild:

„Mit Korybanten-Lärm (orybanten ſind: mit
rauſchender Muſik und Waffentänzen ihren Dienſt
verrichtende Prieſter) ſpringen Ploetz und Kanitz,
Mirbach und Manteuffel auf die Bühne. Sie
wollen ihr Korn in Gold verwandeln, und die
andern ſollen Häckſel eſſen; ſie planen, ihre Butter
teuer zu verkaufen und wohlſeil für ihr Arbeits-
perſonal Margarine einzukaufen. Sie kämpfen für
Heimſtätten und fügen das letzte Arbeitergärtchen
ihrem Großbeſitze an. „Landwirte, vereinigt Euch
und ſtellt unſere alten Privilegien wieder her!“
Gegen dieſe Dränger ſich zu vereinigen, haben die
Deutſchen ſtärkeren Anlaß, als gegen Chineſen und
Mongolen.“

Hier iſt die jüdiſche Pöbelſeele der „Berliner
Börſenzeitung“ zum unverfälſchten Ausdruck gekommen.
Wir haben es daher für nützlich gehalten, dieſe Lügen-



leiſtung wörtlich anzunageln. Sie ſtrotzt ja förmlich
 
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