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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 31 - No. 40 (17. März - 14. April)
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7. Zahrgang.





Der — Lolkabote · er-

Beidelberg. Bahnhofkraße 5,
. Telegramim⸗Adreffe!
Volksbote Heidelberg.
‚ Amzeigenpreis: .
Die oͤgefpaltene Petitzeile 10 Big.












unfere Bo L
An Poſtſchalter oder von unjerer -
Erpedition abgeholt 80 Pfg. (

Pol-Zeitungs-Preislikte
Ar. 755 ‘












Ver Zukuuftsſtat
der Sozialdemokratie — ein Auding.
Von Dr. Friedrich Stehlich.
Bie es mit der Cebensfahigkett des Sozialiſten-


Zie Arbeit der ſozialiſtiſchẽn Staatsbetriebswaſchine
Verwickelte Geſtaltung des wirtſchaftlichen Lebens
; unſerer Fage. *
Eine Unterſuchung über die Lebensfähigkeit des
Sodialiſtenſtaates wird zunächſt die Frage aufwerfen
müfßten, ob man imſtande fein wird die für den
Arbeitsbetrieb und die Gütererzeugung notwendigen
ftatiſtiſchen Unterlagen ſo genau
man allen Bedürfniſſen der Güterverzehrung gerecht
_ werden und daß kein Mangel entſtehen kann. Wird
Tieſe Frage einfach verneint,
Sozialiſtenſtaat ohne weiteres; wird ihre Bejahung
indeß nur angezweifelt, ſo ift dies das erſte Bedenken,
welches dem Sozialiſtenftaat entgegentriit.
Man könnte ſich nun freilich vorſtellen, daß das
ſtatiſtiſche Amt des Sozialiſtenſtaats mit einer außer-


‚ werftünde und his ins Einzelſte und Kleinfte das
Zahlenmaterial bezüglich der Erzeugung und des Ver-


Aber trotzdem wird es ihm nicht gelingen, aus feinen


die man den unvorhergefehenen Zufall nennt. Dieſes
unbekannte X, das in demfelben Verhältniſſe zunimmt,

das ſtatiſtiſche Aut ſeinen
unter Umſtänden ſo groß werden,

Voxanſchlag aufſiellt, kann

*


lich verfehlte erſcheinen läßt. Ehe ein ſolcher Rechen-
jebhler entdecft werden könnle, ſind vielleicht die für das
Wohl des Volkes verhängnisvollen Folgen bereits
eingetreten.


es ſelten gelingt, ſie mit tadellofer Genauigkeit aus-
zuarbeiten. Meiſt wird das Ungefähr einen Strich
durch die Rechuung machen und die Wirklichkeit ſich
anders zeigen, als die ſorgfältig auf dem Papier aus-
geklügelte Veranlagung. Im Leben des Sozialiſten-
ſtagtes erſcheint das Ungefähr in Geftalt von unver-
hofften Mißernten, Viehfeuchen, betriebſtörenden Un-


ſchwemmungen, die weite Feld- und Wieſenſtrecken
verſchlämmen und für längere Zeit der Bewirtſchaftung
entziehen Solche Vorfälle werden das Gleichgewicht
im Soll und Haͤben der Genußmittelherſtellungs⸗ und
Bedarfsbexechnung gewaltig ſtören.
ſich einſtellen, weil die Staatsvorratshäuſer in Folge
ener unberechenbaren Vorkommniſſe und Ausfälle einer
Nachfrage nach Verbrauchsgegenſt?uden nicht mehr das
entſprechende Angebot enigegenſetzen Fönnen. -
An zweiter Stelle iſt zu unterſuchen, ob es mög-
lich iſt, jenen alle Gewerbthätigkeiten umfaſſenden, auf
das großartigſte gegliederien Staatsarbeitäbhetriebh ſo
herzuſtellen, daß er mit gleicher Sicherheit und Ge-
—__ nauigfeit arbeitet, wie ein forgfältig angefertigtes
Maſchinenwerk, daß alle arbeitleitenden Dbher- und
. Unterämter in gegenſeitiger Thätigkeit fo ohne jegliche
Störung und Hemmung ineinaͤnder eingreifen wie die
Stern- nnd Kronenrädet einer Uhr. Ohne eine folche
einheitliche Regelung, ohne folche planmäßige Zurecht-
legung des Ganzen, wobei auf das allergenaueſte
vorher beſtimmt wird, was zu dieſer oder jener Zeit,
an dieſem oder jenem Oite geſchehen muß, wird der
wirtſchaftliche Zweck des Staatsarbeitsbelriebes nicht
erreicht werden können; denn zur rechten Zeit müſſen
die Güter aus den Werkſtätten, die Lebensmittel von
den Staatsländereien, die Brennſtoffe aus den Staaͤts-
waldungen und von den Staatskohienwerken naͤch den
Vorratshäuſern abgeführt werden, daͤmit dieſe den
ihren Niederlagen entnommenen Bedarf immer wieder
‚ergänzgen und die Nachfrage befriedigen können.
Störungen des Betriebes und damit Störungen der
Fütererzeugung und Güterbeförderung würden auch
Störungen in der Befriedigung der notwendigen
Lebensbedürfniſſe in ihrem Gefolgẽ haben, Stockungen































wie Schäffle ſagen würde,
„wie im menſchlichen

des fozialen Stoffwechſels',
die ebenſo gefährlich werden


zeugen der Verdauung. *
Treten wir jetzt der Frage nach Möglichkeit eines


Zunächft erweckt einen Zweifel an dieſer Mög-

lichkeit die ungeheure,

gewerblichen Thaͤtigkeiten, die mehr oder minder vor-
handenen Bedürfnifſen entgegenkommen. Inwieweit es
freilich Kunſt⸗ oder Luxusgewerbe ſind, fo würde ſich


Luxusgewerbe zur Ausſchmuͤckung der öffentlichen Ge-
bäude, zur Herſtellung von Denkmaͤlern auf freien
ja zur Anfertigung von billigen Kunſtgegen-
beibehält, die aus den Staatsmagazinen ent-
Unter ſolchen Umftänden
wirft man die Frage auf, ob die unzähligen vorhan-
denen Gewerbe alle unter einen Hut zu bringen ſind


Mit dieſer Frage
wollen wir uns das nächſte Mal beſchäftigen.

Das Feitbankett im — —








iſt wie wir bereits mitteilten,
Die von dem Kuppelbau und den
Reichstagsgebäudes wehenden

Jahren ſtattfand,
glänzend verlaufen.
vier Ecktürmen des


entariſchen Feſttag; ebenſo war das Gebäude im
Innern mit Fahnen und Lorbeerbäumen feſtlich ge-
ſchmückt. In der Ruͤtunde waren ſechs Tiſchreihen
in zehn Abteilungen gedeckt, die in Rückſicht auf die
große Zahl der zu ferwartenden Gäſte noch in die
hreiten Gänge zu beiden Seiten ausliefen. Die


zum Sitzungsſaale, an der gegenüberliegenden Wand


bäumen aufgeſtellt.
Unmittelbar nach dem erſten Gange ergriff der

Präſident Frhr. v. Buol das Wort zum erſten

offiziellen Trinkſpruch, wobei er etwa folgendes aus-


Ja allen Teilen Deutſchlands in allen Schichten der
Bevölkerung, in Schlöſfern und Hütten iſt die Er-
innerung an die große Zeit vor 25 Jahren in pa-
triotiſcher Begeiſterung degangen worden Bom Throne
herab haben wir das Gelöbnis erneuern hören: für
des Volkes und Reiches Wohl und Ehre einzuſtehen,
Ein Reich, Ein Volk und Ein Gott“. Auch der
Reichstag hat alle Urſache, ſein 25jähriges Wiegenfeſt
zu feiern. Die heutige Feier bildet nicht nur einen
würdigen Abſchluß der patriotiſchen Kundgebungen der
letzten Monate, nein, wenn einer der bei der Wieder-


Faktoren mitberufen iſt, an der nationalen Feier leil-
zunehmen, ſo iſt es das deutſche Volk, al8 deſſen
Vertreter wir uns in dieſem Heim verfammelt haben.
Oder hat Jemand mehr Verdlenſt an dem Erreichten
als das Volk in Waffen? Wo wären wir ohne die
enge Verbrüderung, ohne den unübertroffenen Helden-
mut und die ſtolz? Manneszucht unſerer Heere? Jeht
gilt es, das Erreichte zu ſchützen, zu erhalten und zu
mehren. Einen nie verſagenden Schutz für die Fürſten
und das Reich bietet nur ein in feinem geiftigen
Kampfe geſtähltes, feiner Rechte und Pflichten voll
bewußtes, in treuer Liebe zu ſeinem angeſtammten
Herrſcherhaus vexeinigtes Volk. In erfter Reihe


der an der Spitze der deutſchen Fürſten ſteht, deni
das höchſte Verdienſt zukommt an der Erhaltung und
Wahrung der übexkommenen nationalen Einheit und
Unabhängigkeit. Ihm wollen wir begeiſtert danken
für das in feierlicher Stunde gemachte Gelöbnis. In
dieſem Sinne trinke ich auf das Wohl eines mäch-
tigen und glücklichen deutſchen Volkes und rufe mit



















Ihnen aus voller Bruſt: „Se. Majeſtät, unſer all-


Städte, ſie leben hoch!“ Jubelnd ſtimmte die Feſt-
perſammlung, die ſich bei den letzten Worten erhoben
hatte, dreimal ein. *
Nach dem zweiten Gange erhob ſich der Reichs-
kanzler Fürſt v. Hohenlohe zu einem Trinkſpruche auf
die Männer jener großen Zeit vor 25 Jahren: „Wir,
die ehemaligen Mitglieder des Zollparlaments und
des erſten Keichstages,“ ſo führte er aus, „und Sie
alle haben dem Herrn Präſidenten begeiſtert zugeſtimmt


Reiche anzugehören, in der berechtigten Freude über


baren Erinnerung an die Männer, die unter der
weiſen und kraftoͤollen Leitung des großen Kaiſers
Wilhelm Deutſchland zum Siege und- durch den Sieg
Nur wenige diefer Helden
ſind noch am Leben, darunter zu unſerer Freude der


zählen, iſt nicht meine Aufgabe, wohl aber will ich
unter den Geſchiedenen dichenigen nennen, die den
Herzen des deutſchen Volkes anı nächſten ſtehen.
.. Da erhebt ſich denn vor un& die Heldengeſtalt
Kaiſer Friedrich's, des „Kronprinzen“, der durch die


und Nord, zu erwerben wußte, das erſte Band ge-
ſchlungen hat, das die deutſchen Stämme zum gemein-
Geifall) Ich nenne fodann
die Feldmarſchälle Roon und Moltke, von denen der
eine in langjähriger erganiſatoriſcher Thätigkeit das
Werkzeug ſchärfte, mit dem unſere Schlachten geſchlagen
wurden, während der andere, der unvergleichliche Heer-
zu gebrauchen
verſtand. So leben ſie fort im Gedächtnis, in der
dankbaren Erinnerung des deutſchen Voltes. *
Einer aber, der größte unter den Männern jener
Zeit, ſteht noch aufrecht da, wie eine der Eichen des
Sachſenwaldes: Fürſt Bismaͤrck, der mit ſorgendem
Blick den Geſchicken des Reiches folgt und manch
mahnendes Wort an die Epigonen der großen Zeit
richtet (Jubelnder Beifall) Der Mann, der, als wir
nach den erſten geſcheiterten Einigungsverfuchen an
der Zukunft Deutfchlands verzweifeln wollten, ſeiner-
ſeits weder die Hoffnung, noch den Mut ſinken ließ,
der in langer, mühevollẽr diplomatiſcher Arbeit die
die zu der einheitlichen Geſtaltung des
Reiches führten, und der, als dex Augenblick gekonimen,
als die Saat gereift war, den Augenblick erfaßte und
mit der ihm eigenen Kraͤft die Schwierigkriten über-
von alleu Seiten enigegenſtellten.
Geifall) So iſt der treue Diener jeiner kaiſerlichen
Herren der eigentliche Schaffer des Reichs geworden.
Geifall) Es ift ein ſchönet Zug in dem Tharakter
des deutſchen Volkes, daß es den Manne treue Vers
ehrung unentwegt entgegenbringt, der ſein Leben ein-
gefeßt hat, um die feit Jahrhuͤnderten unbefriedigte
Sehnſucht der deutſchen Nation zu erfüllen. Geifall)
Das deutſche Volk weiß es als eine köſtliche Gabe der
Vorſehung zu ſchätzen, daß in dieſer Zeit gerade dieſer
Mann mit den Geſchicken des Vaterlandes betraut war.
Eebhafte Zuſtimmung) Laſſen Sie uns — und hier
preche ich zu den politiſchen Gegnern des Erſten
Kanzlers laſſen Sie uns heute den Tag des Kam-
pfes und Streites vergeffen, und vereinigen wir un&
alle zu dem Ruf: „Fürft Bismarck lebe hoch!“
Mit Begeiſterung ſtimmte die Verſammlung drei-
mal in das Hoch auf den Fürſten Bismaͤrck ein.
An den Fürſten Bismarck iſt auf dem Feſtbankett
ein Begrüßungs Telegramm gerichtet worden. Hier-
auf hat Fürſt Bismarck an den Reichstagsabgeord-


gerichtet des Inhalts: „Ich jage Ihnen 1nd den
Herren Mituntexzeichnern meinen beſten Dank für

Ihre Liebenswürdigkeit.“



——







Tagesfragen.

*. „Der Autiſemitismus ſtirbt ab.“ Die Juden
gehören bekanntlich nicht zu jenen Leuten, die gerne
Geld hergeben, ohne dafür einen Vorteil einzu-
heimſen. Das ſagen ſich auch die Führer der
Judenſchutztruppe, die ihre „Lait“ ja ſehr gut
 
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