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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

DOI Kapitel:
No. 101 - No. 110 (10. September - 01. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0411

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Der „Ladiſche Volksbote“ er-
ſcheint dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung:
Beidelberg Bahnhof ſtraſie 9.
Telegramm⸗Adreſſe:
Yolksbote Heidelberg.





Vreis vievteljahrlii

durch den Briefträger frei ins
Haus gebracht Mf. 1.25,am Poſt-
ſchalter oder durch unſere Boten
in Heidelberg 1 M. von unſerer

Voſt· deitungs · Lreisliſte



— Anzeigenpreis:
Die oͤgeſpaltene Betitzeile 10 Pfg. * Ar. 771.
NO 103, Beidelberg, Dienstag, den 15, September 1896, 7. Zahrgang.





— Gin neues Bierteljabr

ſteht vor der Thüre. Deshalb wollen wir nicht


Abonnement auf den
Badiſchen Volksboten

rechtzeitig zu erneuern, ſondern auch durch Ge-


weiteren Kreiſen Eingang zu verſchaffen.


Poſt und koſtet der Badiſche Volksbote“ viertel-


muir 1.253 Mls.
kltuude! Sefer! Gefinnungsgenoffen!


Curen Freundes⸗ und Bekanntenkreiſen zur Aus-
füllung zirkulieren und übergebt die Beſtellung
der nächſten Poſtanſtalt oder dem Briefträger


2 „Badiſchen Volksboten“ iſt dadurch geſichert.
Werbet für Euer Blatt und Ihr habt nicht
einen großen Dienſt erwieſen. *
* Mit deutſchem Heilgruß!
Die Geſchäfts ſtelle
des








— Die heutige lagt dtr Landwirtfhaft und

das eine „große Mittel“ zu ihrer Befferung,

| Eine ge‘meinfl%}:i%änblicbeb — E

A a 4 4 —
—E

* Durch den Handelsvertrag von 1898 ſind den Ruſſen
die Grenzen ſogar weit geöffnet. Sie zahlen ſo gut

über die


und daher führen ſie ſeit dieſem verhängnisvollen
Handelsvertrage doppelt ſo viel Getreide bei uns ein,
als ſie früher einführten, wo ſie Zoll bezahlen mußten.
Man hoffte, als man jenen Handelsvertrag abſchloß,
daß unſere Gewerbe⸗Erzeugniſſe von ihnen gekauft
werden würden, aber das iſt keineswegs, wenigſtens in
nicht in dem Maße eingetroffen, wie man gehofft hatte.
Einige Jahre vorher hat Deutſchland auch mit
Deſterreich einen Handelsvertrag abgeſchloſſen. Man
wußte, daß unſere Bauern dabei Haare laſſen würden,
aber man ſagte im Reichstage: wir müſſen „unſern
Bundesgenoffen wirtſchaftlich ſtärken!“
Uebrigens hat man nicht einmal den Freund
Oeſterreicher geſtärkt, wie man es wünſchte. Die
Oeſterreicher haben ſogar bei uns noch weniger Getreide
als früher eingeführt, aber das überſeeiſche Argentinien
hat ſeine Einfuhr bei uns um das 20jache permehrt.
Alſo unſer Bauer wurde ärmer und der Oeſterreicher
nicht „geſtärkt“, aber der Argentinier, der uns nichts
angeht, wurde um ſo viel reicher. Was unſer Bauer
verlor, flog zum Fenſter hinaus ins fernſte Ausland!
MNun, man hatte aber doch wenigſtens die biedere
Abſichi, den Freund Oeſterreicher zu „ſtärken“. Es
iſt aber ganz unbegreiflich, weshalb man kurze Zeit
nachher dieſelben Vorteile auch dem Ruſſen zuwandte,
der doch nicht unſer Freund und Bundesgenoſſe, ſondern


Franzoſen ım engſten Bunde ſteht. Weshalb hat man








geſchloſſen, der ihn ſtärkt und unſern Bauern bis zum

Umfallen Jhwächt? 2
Seit 1808 ſind nur Maßregeln getroffen worden,

die den Handel und die Geldmacht kraͤſtigen, aber den

Und wenn nun der Reichstag verlangt, daß endlich


wirtſchaftsminiſtex/ Herr von Hammerſtein⸗Loxten, „der


einſeitige Intereſſen zu vertreten, ſondern die Intereſſen
der Geſamtheit“ (17. Jan 1896). Als ob die Ge-
ſamtheit dadurch leiden wird, daß man ſeinen größten
Teil, die Ackerbauer vor dem Untergange bewahrt!
Einen andern Troſt hat Herr von Hammerſtein


(17. Januar 1896). Ein ſchöner Troſt, für den jeder
Bauer ſich bedanken wird, denn er weiß, daß bei einer
Mißernte zwar die Preiſe ſteigen, daß dies aber aus


hohen Preiſen zu verkaufen! Das iſt der Troſt, den
für Landwirtſchaft dem verſinkenden

Bauern nur zu geben vermag! —
nnd ein preußiſcher Oberpräſident, Herr von
Bennigſen, ſagte in derſelben Sitzung des Reichstags:


beamten für unſere Lage! — —
Wenn aber die Not an den Mann kommt, da


den Bauer braucht, wie 1808. Damals frug Seine


wortete Stein: „kein anderer, Majeſtät, wie der Bauer!“


geſchaffen, die den Bauer wieder unabhängig machten, es kam


Arme und ſtellte ihn auf die eigenen Füße. Und der
Als der

da griff der Bauer zum Schwert, ſchlug Napoleon aus
dem Lande und führte den König wieder nach Berlin.


nicht allein zu Wege gebracht. Der Bauer hatte etwas
Greifbares erhalten, die Staatshilfe. Und dazu kam
der Groll gegen Napoleon, der dem Bauer unerhörte




Gerichtoͤleute empfingen pflichtſchuldig die Excellenz.
Dieſer aber ſagte: „Nun, Leute, jetzt haben wie die
Franzoſen aus dem Lande gejagt, jetzt könnt ihr leben,
wie die Engel im Himmel!“ Der Schulze aber hatte
den Kopf und Mund auf dem rechten Fleck und ſagte:
„Ja, ja Excellenz! da haben Sie recht, jetzt können wir
leben, wie die Engel im Himmel, denn nackig ſein mer
bereits! Jetzt iſt der Bauer beinahe wieder eben ſo
weit. Aber vielleicht iſt die Zeit, wo man an den
Bauer wieder denkt, näher als man glaubt!

Damals galt es einen Kampf gegen einen kriege-
riſchen Eroberer.

gegen die Geldmacht. Die iſt übermächtig. Sie herrſcht
im Zeitungsweſen, im Reichstag, im Rat der Krone,
in der löffentlichen Meinung. Ihre Heeresmacht ſetzt


Leuten und Beamten, kurz aus allen, die vom Gelde
leben, mit ihren Händen aber weder Waren noch Ge-
treide erzeugen. Am mächtigſten ſind die Geldleute in


Von dort iſt nichts zu erwarten. Vertraue, Bauer,
auf Niemanden als auf Gott und dein gutes Recht,
ſchare dich mit deines Gleichen zuſammen und tritt in
einen alle Berufsgenoſſen umfaſſenden Verband, der
deine Intereſſen wirkſam vertritt. Die Einigkeit macht
ſtark, und einſt wird doch deine Stunde ſchlagen. In
den Reichstag aber und in den Landtag wähle keinen
Vertreter, der nicht verſpricht, daß er für alle deine
gerechten Forderungen und ſomit auch für die Doppel-
währung ſtimmt. Das iſt die Kern⸗- und Lebensfrage
in deinem Kampf ums Daſein.

Man erhebt gegen die Doppelwährung auch den


ſteigen, wird dem armen Manne das Brot verteuert.“
Durchaus nicht! Denn die Fabrikherren müſſen dann










Alſo man ſchont nur die reichen Schornſteinbarone auf
Koſten des Bauern, wenn man das Getreide im Preiſe
niedrig erhält durch Goldwährung und offene Grenzen.

Allein es iſt nicht einmal wahr, daß höhere Ge-
Beim Bund der

zehnten auf- und niedergehen, durch eine Wellenlinie
dargeſtellt worden, und ebenſo die auf- und nieder-
gehenden Brotpreiſe in einer anderen Wellenlinie.


den Tiſch des Reichstages niedergelegt worden, damit
Jedermann die Richtigkeit derſelben prüfen kann. Und
was ſtellt ſich dabei augenſchenlich heraus?
keineswegs die eine Linie auf⸗ und niedergeht, wenn
es die andere thut. Es zeigt ſich, daß ſie in gar
keinem Zuſammenhange ſtehen.
Aber wie kommt denn das?
hauptſächlich daher, daß mit Getreide und mit Mehl
die künſtlichſten Preistreibereien auf und nieder an der
Boͤrſe ins Werk geſetzt werdeu. Die Müller und
Bäcker tragen in Folge deſſen ein großes Riſiko und


Brotpreiſe im Ganzen keinen weſentlichen Eintrag!
Alſo durch die Goldwährung niedrige Getreide-
preiſe künſtlich zu Wege bringen, das heißt: den




Im SGegenteil! Wenn Getreide und die anderen
Waren für wahre Spottpreiſe mit wenigem Gelde zu


Arbeitslöhne fallen. Mit anderen Worten: gehts dem


eben ſo ſchlecht. Oder mit anderen Worten: die
Holdwährung bewirkt eine allgemeine Verarmung, die
Geldmänner werden immer reicher, das Volk aber
immer ärmer. Denn woher kommen denn die unge-


Vor 50 Jahren gab es in Berlin nur einige

tauſenden im Volke und größtenteils aus den Folgen
der Goldwährung. Man glaube aber nicht, daß der
Bauernſtand ſo ſtill für ſich zu Grunde geht. Er
reißt das Handwerk und Gewerbe mit hernieder, ja
ſelbſt den kleinen Kaufmann. Sind doch 1893 in
Deutſchland 7500 Kaufleute zu Grunde gegangen. Die
weiteren Folgen ſind: unerhoͤrte Ueppigkeit und Gott-
loſigkeit bei den 10000 Reichen, und tiefe Erbitterung
und allgemeinſte Unzufriedenheit bei den 50 Millionen
Dieſe alle ſagen: anders
muß es werden, ſo oder ſo. Sie ſind aber zu un-


Verhältniſſe erlaubte Wege zu finden und einzuſchlagen,
ſie folgen den Umſturzmännern in Schaaren, die ſie
auf unerlaubte und daher ſtets erfolgloſe Wege ver-
Ja, anders muß es wieder werden! Aber
nur erlaubte Wege führen zum Ziel. Zu allererſt fort
mit der Goldwährung, diefer Haupturfache der allge-

meinen Verarmung! *

Die Aationalliberalen und der Aund der
andwirte. Der nationalliberale Heidelberger Amts-
verkündiger giebt in Geſtalt eines Leitartikels mit un-
verhohlener Schadenfreude einen Bericht wieder über
eine Bauernverſammlung in Köslin, in der weidlich
auf den Großgrundbeſitz und Bund der Landwirte ge-
ſchimpft und ein im Gegenſatze zu demſelben ſtehender
„unabhängiger Bauernbund“ gegründet wurde.
Das iſt der Dank dafür, daß der Bund der Landwirte
ſo oft bei den Wahlen den Nationalliberalen aus der
Patſche geholfen hat! Die Deutſchſoziale Reform-
partei in Baden ſteht, obwohl ſie ſelbſt in Baden einen
beſonderen Bauernbund ins Leben gerufen hat, dem
Bunde der Landwirte doch viel ſympathiſcher gegen-
über, ja es darf behauptet werden, weil die Partei-
leitung in Baden die Beſtrebungen des Bundes der
Landwirte für richtig hält, hat ſie ſich genötigt ge-
ſehen, deſſen Prinzipien unter anderem Namen zu ver-
breiten, da ihr der „Bund der Landwirte' in Baden,
welcher zu ſehr unter dem politiſch unzuverläſſigen
Einfluß des Nationalliveraliemus ſteht, keine Sicher-
 
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