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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 81 - No. 90 (26. Juli - 15. August)
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*
8— %

; Der ‚;ßuhirdn Yolksbote“ er-

Heidelberg, gahnhof ſtraße 9.
Telegramm⸗-Adreſſe:
Yolksbote Heidelberg.

‘ Anzeigenpreis:
Die oͤgeſpaltene Petitzeile 10 Pfg.






in Heidelberg 1 M., von unſerer
Expedition abgeholt SO Pfg.
Pol-Zeitungs-Preislifte
ur. 955,



M 90.


* Zahrgaus.






B. das Müärchen von Jeruſalem.

Ein wenig Geſchichtskritik“ nennt der unge-
nannte Verfaſſer der bei H Beyer in Leipzig in zweiler
Auflage erſchienenen Schrift Meiſter Jofephus und
das Märchen von Jeruſalen“ (Preis 80 Pf.) ſeine
Arbeit. Und mit Recht! Eine Geſchichtskritik iſt das
Werk im wahren Sinne des Wortes Wer aber etwa
glauben ſollte, es hier mit der nüchternen Gelehrſamkeit
irgend eines trockenen Geſchichtsforſchers nach Art


der täuſcht ſich gründlich. Wir mitffen im Gegenteil
bckennen, daß wir in der ganzen antiſemitiſchen Litteratur
jehr wenig Schriften kennen, die in gleich anmutiger
Weiſe geſchrieben ſind, und bei deren Lektüre der Lefer
zugleich ſo angenehm unterhalten und ſo ge-
diegen belehrt wird, ja einen wirklichen Genuß em:
pfindet. Darum raten wir unſern Leſern, ſoweit ſie
ſich für das wahre Weſen des Judentums inter-
eſſiren und nach deſſen Erkenntnis ſtreben, ſich das


beſtimmt, unjere Leſer mit dem Haͤuptinhalt dieſer
hervorragend intereſſanten und viele gänzlich neue


Meiſter Joſeph⸗“ war ein Jude aus der Zunft
der Phariſäer, wurde dann römiſcher Journaliſt und
nannte ſich als ſolcher Flavius Joſephus. Er war
bei der Zerſtörung Jeruſalems durch diẽ Römer unter
dem Kaiſexſohne Titus zugegen und ſchrieb ſpäter über
dieſen Feldzug ein dickleibiges Werk, das uns ohne
jede Lücke bis auf den heutigen Tag erhalten iſt und
unſern Hiſtorikern als weſentlichſte Quelle über jene
BZeitperiode dient. Dies Werk iſt durch und durch


faſſer das Märchen von Jeruſalem.

Nach der landläufigen, herkömmiichen Geſchichts-
Ueberlieferung war Jeruſalem damals die größte Stadt
der alten Welt; ſoll e& doch etwa 500000 Einwohner

habt, faſt doppelt ſo viel als Rom zu gleicher Zeit.
Von dieſer ungeheuren Zahl gehen ſe mit der Heimat
unter. Ihre Tapferkeit iſt natürlich unglaublich, bis
herab auf die patriotiſchen Judendamen, die aus ihrem
warzen Haupthaar Bogenſehnen herſtellen. Es iſt
Sagunt, Numantia, Karthago en gkos, was hier vor
unſern Augen untergeht. Selbſtverſtändlich fällt die
Bauptſchuld auf die böſen Römer. Ihre Landvögte
haben, ungefähr in der Art, wie ſpäter der grimme
Geßler an den Geſtaden des Vierwaldſtädterſees, durch
Chikanen und Grauſamkeiten das Volk zum Aufſtand
gereizgt. Drückende Steuern, Mißhandlung Einzelner,
Beſtechlichkeit und Erpreſſung, Brandſchatzung der
Tempelſchätze und Verletzung der religiöſen Gefühle
ſeien ſchließlich dem freiheitbegeiſterten Hebräervolk zu
viel geworden. ... Mitte der 60er Jahre unſerer
Zeitrechnung ſei die römiſche Beſatzung wegen ſitten-
loſer Aufführung und Räubereien aus Jeruſalem ver-
trieben. Nun hätten ſich alle national geſinnten Juden
dort konzentrirt und den Römern den Krieg bis aufs
Meſſer erklärt. In den zuſammengedrängten Maſſen
habe anfänglich viel Uneinigkeit geherrſcht, aber beim
Herannahen der Römer ſei fie geſchwunden und
patriotiſche Begeiſterung an ihre Stelle getreten. Zur


ein Heer von über achtzigtauſend Kerntruppen aufge-
boten und unter unglaublichen Kämpfen und Verluſten
zunächſt Galiläa erobert. Unter der Führung des


Die Belagerung habe von

Jeruſalem angegriffen.
Titus

Mitte April bis Mitte September gedauert.
habe ſich als Held und Feldherr erſten Ranges be-
wieſen, aber lange nicht gegen den Todesmut der
Juden aufkommen können. Zwar gelingt den Römern
die erſten zwei Verteidigungslinien zu nehmen, aber
von der dritten werden ſie trotz Aufgebot aller Kräfte
zurückgeſchlagen und müſſen für längere Zeit ſich mit
Einſchließung begnügen. Hierdurch entſteht Hungers-
not unter den Belagerten mit Seuchen im Gefolge.
Von Mai bis Juni ſtarben ſo viele Perſonen in der
Stadt, daß allein 115000 Leichen — oder ſogar
115880, man hat es mit der Zählung ganz beſonders
genau genommen — vor die Thore geworfen werden.
Schließlich gelingt der Sturm. Der Tempel geht in
Flammen auf, nachdem ein römiſcher Soldal Feuer
hineingeſchleudert hatte. Bei der Eroberung der inneren




Tod fürs Vaterland, der Reſt, weitere Hunderttauſende,

wird zu Gefangenen gemaͤcht und in die Sklaverei
verkauft, nur Vierzigtauſend ſchenkt Titus die Freiheit.
Eine erſchütternde Kataftrophe. . *


hat's ihm die Menſchheit bis heute geglaubt, Fritiklos
wie wohl ſelten wieder. Ift’8 wohl wahr geweſen,


Jeruſalem ſteht heute noch und zwar auf dem
Grunde des Antiken. Heute haͤt e& etwa 48000 Ein-
wohner, folglich dürfte das Arcal des jetzigen Jeruſalem
nur ein kleiner Teil des früheren ſein! Das iſt aber
keineswegs der Fall! Vieimehr beweiſen die Mauer-


kleiner geweſen iſt als das heutige.

Joſephus' Ziffern gerechtfertigt, und wir legen daher,
um endgültige Gewißheit zu haben, einfach an die
heilige Stadt die Meßkette des Geometers an. Das


Geviert, ca. 600000 Quadratmeter oder 60 Hektar.“


„Unfer Reſultat iſt alfo, daß fich Herrn Joſephus


In ähnlicher, ungemein anziehender und geiſtreicher


nahmen, die jedenfalls weit mehr Waͤhrſcheinlichkeit


In Judäa herrſchten die aus den Evangelien


und trieben ſchließlich das Volk zur Verzweiflung und
Empörung. Sie wurden aus Jeruſalem vertrieben und
verlangten nun Hilfe von Rom. Da dieſe aber aus-
zubleiben ſchien, fo verſuchten ſie e& mit der Diplomatie.


ſich ſcheinbar bereit, im Freiheilskampfe, der ganz unter
der Hand zu einem Kampfe gegen das römiſche Joch


erteilten den Aufſtändiſchen Ratſchläge, die Sache weiter-
zubetreiben. Dadurch gewannen fie eine Art leitende
Stellung. Die Führer der Aufſtändiſchen wurden ge-


Indeſſen dringen die Enipörer bald wieder mit Liſt
in die Stadt, wo es nun hergeht wie in der Pariſer
Kommune. Zwei Jahre hauften ſie hier fürchterlich,
dann wendete ſich das Blatt.
Etines ſchönen Tages — es war im Frühling 70
— ſchimmerten vom Oelberg die römiſchen Feldzeichen.


einigten ſich untereinander und beſchloſſen, mit Ehren
unterzugehen.
Was der Verfaſſer unſerer Broſchüre in An-


für hochintereſſante Gedanken über den heutigen Anti-
ſemitismus entwickelt, das möge der freundliche Leſer
in der Schrift ſelbſt ſuchen. Die Quinteſſenz ſeiner
Ausführungen liegt in dem Verlangen, die chriſtliche
Keligion von den jüdiſchen Beimiſchungen zu reinigen.

„Wir europäiſchen Völker beſitzen einen Talisman


einen Talisman von noch ungeſchwächter Heilswirkung.
Aber allerhand Unbefugte haben mit unſauberen Händen
an den Talisman taſten können und ſeinen Glaͤnz er-


wirft hat man ihn überhaupt als unecht, brüchig, aus
der Mode gekommen hinzuſtellen gewagt. Den größten
Schaden fügte man dem Chriſtenglauben daduͤrch zu,
daß man die Meinung verbreitete, er habe ſeine Wurzel
im Judentum, ſei eigentlich nur ein verwäſſerter
Moſaismus, — eine Auffaſſung, die ein vielfach noch
als groß geltender deutſcher Dichter in die frevlen
Worte zuſammenfaßt:

„Daß unſer Heiland ſelbſt ein Jude war“.

Dem Hebräer dient dieſe ungeheure Lüge, um ſich
bequem hinter demſelben Kreuz vor ſeinen Feinden ver-
bergen zu können, das er ſchamlos anſpeit, wenn die
Gelegenheit günſtig iſt. Kommt die Menſchheit einmal




zum Bewußtſein, daß nichts einander ferner fteht als
Chriſtentum und Judentum, daß die Veranlaffung zur


den Juden zu Tode gemarterten Volkes waren, aus


denen man uns Kirche und Religion beſchmutzt hat,


_ Und der Tag wird kommen. Immer lauter tont
der Ruf durch die Herzen der Völker: „Chriſtus wird


Flickarheit. — „Selig die, denen es beſchieden, die
wiederkehrende Herrlichkeit mit eigenen Augen zu ſehen!“

— Zum Jal Zesko von uttkamer. Der
„Fraukf Zig‘“ wird aus Bayreuth am 12. Auguſt
gemeldet: Gouyerneur von Puttkamer, der zum Befuch


rufen Man darf die plötzliche Abberufung wohl mit


beſter Quelle erfährt, iſt Herr von Stetten ſeilens des


ſierten, zu äußern. 74
— Der Staatsſekretar des Aeichspoſtamts,

dem Gouverneur von Puͤttkamer in der Preſfe kur-


gegenüber zu ſtehen, als fruͤher. Es iſt nämlich, wie
berichtet wird, den Prüflingen für die höhere Poſt-


worden: „Von Seiten der Zeitungsverleger wird viel-
fach eine Ermäßung der Zeitungs Telegrammgebühren
angeſtrebt. Es kommt in Frage, ob ſolches gerecht-
fertigt iſt. Die Frage iſt ſowohl nach den in Betracht


Je nach Umſtänden würden begründete Vorſchläge


geben ſein.“ *8 *
—Cebens Berſicherungen ſind eine ſchwere
Sünde!“ Das iſt die neueſte Erfindung des Kaffeler


leſen da: „Daß Verſicherungen Sünde ſind, glauben
wir kaum (). Wer allerdings glaubt, durch Ver-


rechtem Wege. Wohl ſind Hagel und allerlei ſonſtiges
Unwetter nur eine Strafe für unſere Sünden. Denn
wäre keine Sünde da, dann würde auch kein Hagel
da ſein. Aber die Sünde wird nichı aufhören. Und
alles Predigen und Belehren wird die Gottloſigkeit
der Menſchen auch nicht viel aufhalten. Nur die
furchtharen Strafgerichte Gottes, die wirken am meiſten,
die Menſchen in ihrer Gottloſigkeit aufzurütteln, und
dazu gehören auch die Hagelwetter. Wenn nun hier

und da ein frommer Mann unter den Gottloſen wohnt,
ſo kann man nun doch nicht von Gott verlangen, daß
er gerade des Frommen Acker verſchonen foll. Und
dann haben wir ſeit Jahren die Enideckung gemacht,
daß an den Frommen auch viele Sünde ift, die ſich
in allerlei unchriſtlichen Reden und Thaten äußert.
Wer alſo verſichert, thut nach unſerer Meinung keine
Sünde. Iſt er aber anderer Meinung, ſo halte er
dieſelbe feſt. Wenn er aber mit Anderen vom Hagel


iſt eine Strafe für meine Sünde und weiter nichts.


aber ebenfalls für ſchwere Simden und weiter nichts,
und wenn auch hundert halbe Chriſten dagegen ſprechen.“


kann dem gegenüber die Bemerkung nicht unterdrücken:
Auf die Gefahr hin, nun auch als halbe Chriſten dem
Herrn Paſtor Föbus zu gelten, glauben wir trotzdem
wie bisher unſer Wort für Lebensverſicherungen ein-
legen zu dürfen. Ernſt wird den Herrn Paſtor doch





wohl Niemand nehmen nach einer ſo — komiſchen
E 4
Zeitgeſchichte.

Deutſchland. Berlin. Der Juſtizminiſter hat eine Ver-
fügung erlaſſen, worin er allen Amtsgerichten anempfiehlt,
den Bauhandwerkern Einſicht in dle Grundbücher der
Grundſtücke zu geſtatten, zn denen ſie Material oder Arbeit
 
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