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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 41 - No. 50 (16. April - 7. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0197

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M49.‚ |


7. Inhrgang.





Der „Eadiſche Yolkshote“ cr-
ſcheint 3mal wöchentlich (Diens-
tag, Donnerstag und Samstag).
Verlag und Leitung:
Yeidelberg, Bahuhofſtraße 9.

Telegramm⸗Adreſſe:
Yolkabote Heidelberg.
4 Anzeigenpreis:
Die 5gefpaltene Petitzeile 10 Pfg.





E
*




Haus

unfexe Boten in Heidelberg 1 M.

Am * chalter oder von unſerer
Expedition abgeholt 80 Pfg.
Pop-Zeitungs-Preislifte








Betreide⸗Terminhandels angenommen. Mehr noch das

Verbot iſt angenommen mit einer erdrückenden Mehr-
heit von 161 Stimmen. Die Konſervativen, Frei-
fonjervativen, Deutſch⸗ſozialen Reformer, die
— Bolen, die anweſenden „Wilden“, das Centrum und
die Nationalliberalen in Stärke von 200 Stimmen
. haben gefchloffen dafür geſtimmt. Dagegen waren das
Haͤuflein der Freiſinnigen und die Soͤzialdemokraten,
zuſammen nur 39 Stimmen. — €& war ja in den
Sten Tagen ſchon außer allem Zweifel, daß die
Mehrheit des Hauſes zur Einſicht der Notwendig-
keit des Verbots des börſenmäßigen Getreidetermin-
handels gefommen ſei, aber eine ſo geſchloſſene Mehr-
heit ſtand nicht zu erwarten. *

Die „Staatsbürger-Zeitung“ berichtet am Sams-

tag folgendes darüber:
Der Reichstag hat in ſeiner geſtrigen Sitzung die
zweite Leſung des Boͤrſengefetzes beendet und zugleich


gebende Verſchärfung vorgenommen. Nach 2/o-ſtuͤndiger
Beratung wurde das in letzter Zeit viel befprochene
Verbot des börſenmäßigen Getreldeterminhandels mit
200 gegen 39 Stimmen beſchloſſen, ein Ergebnis, das


Utte. Höchſt bezeichnend iſt, daß auch hier wieder


Hand in Hand gingen. Anfänglich erklärten die Re-
Zierungzvertreter, daß die Annahme des Antrages das


aber nickte Herr v. Bötticher mit dem Kopfe, als der
Abg. Bachem meinte, die Regierung ſei im Grunde
auch überzeugt von der Notwendigkeit des Verbots


Reichstag die Verantwortung übernähme.
waren die führenden Gegner der naͤtionalliberalen
Partei Feuer und Flamme gegen dieſes Verbot, und
Beſtern ſtimmte die nationalliberale Partei geſchloſſen
dafür. Dieſer ſo überraſchende Umſchwung in der
Haltung der einzelnen Parteien iſt in der Hauptfache
das Verdienſt derjenigen Parteien und Preßorgane,
die den Schutz der nationalen Arbeit auf ihre Fahne
geſchrieben und dafür unentwegt gekämpft haben. -

Tie geſtrige Sitzung begann aus Rückſicht auf die
Eröffnung der Gewerbeausſtellung erſt um 2!/2 Uhr
mit der Fortſetzung der Beratung über den Antrag
Schwaͤrze Troͤtz des ſchönen Wetters und trotz der
Treptower Feſtlichkeiten war das Haus in Erwartung
wichtiger Abſtimmungen bereits beim Beginn gut
beſetzt. Zur Abwechſelung nahm an Stelle Singer's
Berr Schönlank zuerſt das Wort, um namens der
Sozialdemokraten für die Börſenjobberei und das
ſchrankenloſe Börſenſpiel einzutreien. Er erklärte das
Termingeſchäft für das notwendige Ergebnis der
fapitaliſtiſchen Produktion — eine ſchon recht ver-
brauchte Ausrede — das gleichzeitig dem Produzenten
nd Konſumenten nütze und die Differenzen ausgieiche.


ausdrücklich feſtgeſtellt hatte, daß durch die Termin-
Zeſchäfte künſtliche Preisſchwankungen zum Schaden
der Produzenten und Konſumenten

tum, die vielleicht auch darauf zurückzuführen ſein
Dürfte, daß ein gewiſſer Herr bei einem Diner erklärt
habe: Verbietet doch den Terminhandel! Da Herr
Schönlank zugunſten des Terminhandels nichts zu
lagen wußte, fo legte er ſich auf die abgedroſchenſten
Redeusarten und wiederholte das, was Herr Barth in
der Sitzung vom vorhergehenden Tage bereits vorge-
bracht hatte. Es iſt Herrn Schönlank natürlich nicht
ubekaunt, daß die Börſenjobber mit Hilfe des
erminhandels aus dem Schweiße des Landmanns ihr
eld münzen, daß ſie das Nationalvermögen aufſaugen
nd in kurzer Zeit zu Millionären auffchwellen,
während das arbeitende Volk ſelbſt immer mehr ver-
armt. Dem Sozialdemokraten Schönlank iſt dieſe
Ausbeutung des aͤrbeitenden Volkes aber vollſtändig
Eichgiltig, wenn nur das Ausbeutungsgeſchäft an der
Börſe recht friſch und fröhlich weiter gedeiht; aber
erhaͤtte dazu noch die Kühnheit, die Sache einſach auf
Dden Kopf zu ſtellen und ſo zu drehen, als ob die


































an der Börfe, wie ſie notoriſch von den Cohn's,


Kornbauern an der Börſe getrieben wird, naunte er
unter ſtürmiſcher Heiterfeit des Haufes ein Sicher-


Beifall des Herrn Singer, daß ſeine Partei für das

Geſetz nur ſtimmen werde, wenn der Terminhandel

unangetaſtet bleibe. \ —
In wohlthuendem Gegenſatz zu dieſen Schaum-


Lentrumsredners Dr. Bachem, der die Wirkungen des
Hetreideterminhandels nach allen Seiten hin ſorg-
fältig prüfte und zu dem Ergebnis kam, daß im


Terminhandel beſeitigt werden müffe, weil er einen
volkswirtſchaftlich berechtigten Zweck nicht verfolgt.
Beweis für die Richtigkeit dieſer Anſicht war ihm
unter andern das in den Kreiſen der Landwirtſchaft
allgemeine Verlangen nach Beſeitigung des Termin-
handels. Aus den geſtrigen Ausführungen des
die Regierung im Grunde genommen für die Be-
ſeitigung des Terminhandels iſt, die Verantwortung


er dafür, daß der Reichstag dieſe Verautwortung ſelbſt
übernehme und das Verbot des Terminhandéls im


Unterſtagtsſekretär Rothe ünternahm es, nach
dieſer eindrucksvollen Rede, nochmals den Termin-
handel zu retten, es gelang ihm aber nicht, die Auf-


meinte, die Auswüchſe des Terminhandels ſeien zu


lage genügten vollkommen, dieſe Auswüchſe zu be-
feitigen und es ſcheine ihm notwendig, den Antrag

Graf Kanitz, der jetzt nochmals das Worie nahm, um
für das Verbot des Getreideterminhandels einzuͤtreten.
Mit gutem Humor wies er die unloͤgiſchen und wider-
Abg. Schönlank
zurück, ging im einzelnen auf die im Getreidetermin-
handel vorkommenden Börſenmanöver ein, wies daran
nach, wie durch die Börſenjobberei das arbeitende
Volk geſchädigt wird, und kam zu dem Ergebnis, daß
jeder für das Verbot des Terminhandels ſtimmen


Arbeit ſichern wolle.


den Ausführungen des Abgeordneten v. Bennigſen ent-
gegen, da über die Stellung der nationalliberalen Par-
tei zum Verbot des Terminhandels die widerſprechend-
ſten Gerüchte laut geworden waren. Man wußte nur,
daß die Fraktion am geſtrigen Vormittag eine mehr-
ſtündige Beratung abgehalten hatte, in der es ſehr leb-
haft zugegangen ſein ſoll, und man nahm an, daß die
Hälfte der Nationalliberalen für, die andere gegen das
Verbot ſein werde. Zur allgemeinen Ueberraſchung
erklärte der Abgeordnete v. Bennigſen ſofort bei dem


Furcht vor den Wählern, nicht aus Uebetzeugung. D.
Schriftl) nach eingehender Beratung einftimmig be-
ſchloſſen hahe, für das Verbot des börſenmäßigen Ge-
treideterminhandels zu ſtimmen. Lauter Beifall der
Rechten und Hört, Hört! Rufe der Linken folgten
dieſen Worten, während die Herren am Regierungs-
tiſch mit unbeweglicher Miene daſaßen. Die weiteren
begründenden Augführungen des Redners gingen unter
der allgemeinen Erregung des Hauſes verloren, man
ſtand unter dem Eindruck einer wichtigen Entſcheid-
ung und ſah mit Ungeduld der Abſtimmung entgegen.

Die namentliche Abſtimmung ergab denn auch,
wie ſchon erwähnt, 200 Stimmen für und nur 39
Stimmen gegen den Antrag auf Verbot des Getreide-
terminhandels. Dieſe bedeutende Mehrheit läßt mit
Sicherheit darauf rechnen, daß das Verbot des börſen-
mäßigen Getreideterminhandels zum Geſetz erhoben
werden wird. — Ein Umfall der einzelnen Fraktionen
iſt ausgeſchloſſen, andererſeits kann der Bundesrat bei









gnnfxöglid) an eine Zurückziehung des ganzen Geſetzes
enfen. ; *
Das Verbot des börſenmäßigen Terminhandels
iſt zwar die einzige in der zweiten Lefung vorgenonımene -
Verſchärfung des Geſetzes, aber ſie iſt dafür auch von
um ſo, größerer Bedeutung. Wir wollen Hoffen, daß
dex Getreidehandel in geſundere Bahnen ge-







Tagesfragen.

Dex Fchutzverband gegen die Aebergriffe der
„Agrarier“ hat einen mit 300 Namèn bedeckten Wufe
ruf erlaffen, ‚
man ſagt, daß „Agrarier” und Autiſemiten nicht8
zwecmäßigeres thun könnten, als ihn in Geſtalt eines
Vahlflugblattes Lerauszugeben. So vortrefflich Jaffen
ſich die vorgebrachten Gründe geg.n die Urheber felbſt
‚ Unter den 300 Namen befinden ſich
mindeſtens 50 jüdiſche, von denen der des Dr. Banı-
berger, der ja auch der Vater des Ganzen iſt, als
der hervorragendſte erſcheint. Gut nimmt ſich aber
auch ſonſt noch der eine und der ander uns, 8 Ba
der des Herrn E. Landau in Berlin. Von „Chriften“


der Spitze, der ſich von den Juden einſt feine vers
brannte Bücherſamnilung hat erfegen laſſen, und über-
dies vergeſſen zu haben ſcheint, daß er fie vor „grauen
Jahren? . eiu „Clement der Dekompoſition? genannt.


ig _ Die große
Naſſe der „Noiabeln“ aber dürfte in den weiteſten


ſich deshalb kein großer Eindruck machen laſſen,
während es doch offenbar gerade darauf abgeſehen fein
muß. Wozu denn fonft dieſer „Mufruf“, der nur


ſeit Jagren ſchon unzählige Male geſagt? Neu ift
iſt allenfalls, daß hier alles, was den Börfenmächten
nicht gefällt, den „Agrariern“ zugeſchoben wird, ſo
daß dieſe ſich mit der Regierung geradezu identifizieren
vorhandenen Gegenſätze in
Wirklichkeit ſcharf genug hervortreten, und ſich gerade
jetzt auf verſchiedenen Gebieten neue Meinungs-
Lerſchiedenheiten zeigen. So z. B. auf dem der
Arbeiterſchutzgeſetzgebung, indenı die Regierung darauf
beſteht, im Bäckereigewerhe eine Maximalarbeits!
zeit von zwölf Stunden einzuführen, was dieAgrarier“
und Antiſemiten für unzweckmäßig halten, weil ſich
wohl kein Gewerbe zu dem Probeverſuch weniger
eignet, als gerade dieſes, und überdies, weil e&
thnen nicht einleuchtet, weshalb nicht bei
dein Großgewerbe angefaugen wird, wo ſich
die Beſchränkung der Arbeitszeit viel leichter durch.
führen ließe, als beim Handwerk, das ohnedies ſchon


bisher nichts erfreuliches geſehen. / *
AKeichstag und Zudeupreſſe. Mit nicht geringer
Sorge bliden ſtarke Schichten des Volkes naͤch dem
ſtolzen Reichspalaſt aus dem gar ſo wenig Segen und
Freude ſich in die Nation ergießen will.“ So ſſchreibt
jetzt eine größere Zeitung und unſere Leſer werden
denken: „das Blatt hat Recht; natürlich wird es ein
agrariſches Organ ſein, das ſo ſpricht“. Allein dieſe
Rechuung iſt falſch; es iſt die freiſinnige „Berl. Ztg.“
des Milionenjuden Ullſtein, in der ſein Raffengenoffe
der Stadtverordnete Arnold Perls (Aron Pereles) jo
leitartikelt. Und mancher wird erſtaunt fragen: wie
kommt ein Organ der freiſinnigen Volksparkei dazu,
die trotz ihrer traurigen numeriſchen Schwäche deia
Reichstag einen erſten Vigepräſienten geſtellt hat, allo
gewiſſermaßen mit zu den „Herren vom Hauſe“
gehört?! Trotzdem iſt das Blatt in der That aͤußerſt
mißgeſtimmt. Es blickt finſteren Auges „nach dem
Reichstagshauſe voll Glanz und Licht, in dem doch
die finſteren Geiſter der Klaſſeneigenſucht und der
Freiheitsfeindſchaft umgehen“, und ſchildect dann die
Stimmung des Volkes“, — inſonderheit wohl des
„auserwählien“ — mit folgenden dumpfgrollenden
Worten:

„Es verbreitet ſich mehr und mehr eine
Stimmung dumpfer und zugleich erbitterter Ent-
 
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