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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 91 - No. 100 (18. August - 8. September)
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Der „Badiſche Yolkabote“ er-
fcheint dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung:
Heidelberg, Bahuhof ſtraſte 9.
Telegramm⸗Adreſſe: *
Yolksbote Heidelberg.






- 2
** —

Vreis vierteljahrlich
durch den Briefträger frei ins
Haus gebracht Ml. 1.25, am Poſt-

ſchalter oder durch unfere Boten
in Heidelberg! M., von unſerer
Expedition abgeholt so Pfg.



Auzeigenvreis: Voſt· Zeitungs Vreisliſte
Die 5gefpaltene Petitzeile 10 Pfg. * *— Ar. 755.
M v3. Heidelberg, Samstag, den 22. Auguſt 1896. 7. Zahrgang.



* Zolitiſcher Teil.

Die Arbeiterfreundlichkeit der
* Nationalliberalen.
Die aus Mitgliedern des „Deutſchen Buchdrucker-


Buchdrucker“ (Gehilfen) zuſammengeſetzte Tarif⸗-Kom-
miſſion hat bekanntlich einen Tarif angenommen, welcher


dafuͤr ift, was für die beiderſeitigen Beziehungen und
Leiſtungen im Deutſchen Reiche aͤllgemein als gerecht
und billig feſtzuhalten iſt, und deſſen Hauptpunkt die
Herabſetzung der täglichen Arbeitszeit auf 9*/2 Stunden


in Kraft treten. Wie ſieht es aber in Wirklichkeit
aus? — Die in der Kommiſſion befindlichen Prinzipale


bewilligt haͤben, wenn dieſe nicht erfüllt werden kann;
trotzdem weigert ſich eine große Zahl von Buchdruckerei-
beſitzera, den Tarif in ihrer Offizin einzuführen. Ha-
durch werden die Buchdruckergehilfen geradezu zur Un-
zufriedenheit und zum Streik gereizt, und es iſt als
ſicher anzunehmen, daß die in ſolchen Buchdruckereien
angeſtellten Gehilfen den Lockungen der Umſtürzler ein
um ſo willigeres Ohr leihen werden.
Wenn man ſich nun in Heidelberg in dieſer
Beziehung ein wenig umſieht, ſo findet man, daß die
einzige Buchdruckerei, die die ſämtlichen Forderungen des


in Firma Schwaiger, Bauer u. Co, ift. Damit iſt


Reformpartei nicht bloß, wie es gewiſſe andere


im Munde führt, ſondern auch bemüht iſt, den ge-
rechtigten Forderungen derſelben nachzukommen. Die
— übrigen Buchdruckereibeſitzer, ſoweit ſie überhaupt Ge-

hilfen beſchäftigen — und das ſind faſt durch die Bank
Angehörige der nationalliberalen Partei, zumteil ſogar


nicht im geringften um die Abmachungen der Tarif-
komimiſſion Eine tiefe Erbitterung muß es hervorrufen,
wenn der Tarif nicht nur ſchroff abgelehnt wird und
zum Teil nicht einmal die Minimallöhne bezahlt werden,
ſondern, wie e& geſchehen iſt, Vertrauensmänner des
Buchdruckerverbandes, Familienväter, ſogar entlaſſen


auch auf politiſchem Gebiete bemerkbar.
Die Beſchlüſſe der Tarifkommiſſion ſind ja doch


Frieden zu erhalten und zu fördern; wer alfo ſich an
jene Abmachungen nicht kehrt, der ladet den Vorwurf
auf fich, gegen den wirtſchaͤftlichen Frieden zu arbeiten.
Die Äbmachungen in Berlin kümmern uns nicht
im geringſten, das war ſo ungefähr die Antwort,
die den Gehilfen auf ihre Anfrage hin zu teil wurde.
Allerdings, gezwungen können die Buchdruckexei-
beſitzer nicht werden, den Tarif, wie er von den Ver-
tretern der Prinzipal⸗ und Gehilfenſchaft vereinbart
wurde anzuerkennen, aber ſie haben dann auch
nicht das Recht, ſich als die Vertreter axbeiter-
freundlicher Anſchauungen und Liberaler Ge-
ſinnungen aufzuſpielen, wie ſie als „Nationalliberale“
e8 ſo gerne in ihren nationalliberalen Preßerzeugniſſen
zu thun pflegen. * 7
Wir foͤllten meinen, daß die obrigkeitlichen
Behörden, im Intereſſe des ſozialen Friedens, einen
gewiſſen Druck auf jene Prinzipale ausüben müßten;
aber freilich, im Muſterländle Baden iſt für die Ver-
gebung von Aufträgen zumeiſt mehr die Angehörigkeit
zur nationalliberalen,Ordnungs“-Partei maßgebend
als die Frage, ob die Betreffenden wirklich den wirt-
ſchaftlichen Frieden und damit die ſoziale Ordnung
aufrecht zu erhalten bemüht ſind.

— Die Aeubeſetzung des Ariegsminiſteriums
war auf große Schwierigkeiten geſtoßen. Wie die
„National-Zeitung“ hört, ift das Kriegsminifterium,
nachdem die Annahme des Entlaſſungsgeſuches des
Generals v. Bronfart beſchloſſen war, mehreren hohen
Offizieren angeboten worden, die es abgelehnt haben,
bis Generallieutenant v. Goßler ſich zur Uehernahme
bereit erflärte. Alles, was über die Vorgänge vor
und nach dem Entlaſſungsgeſuch des Generals von
Bronſart verlautet, beſtätigt nur immer mehr die Auf-
faſſung, daß man es mit dem Siege einer namentlich



im Militärkabinett verkörperten Nebenregierung zu thun


form des Militaͤr⸗Strafverfahrens abgeſehen hat. Die
Nebenregierung erſtreckt ſich nicht nur auf die mili-
läriſchen Angelegenheiten, aber betreffs dieſer hat ſich
am ſtärkſten das Beſtreben herausgebildet, den vor dem
Laͤnde und der Volkstretung verantwortlichen Miniſter
möglichſt zum Werkzeug der nicht verantwortlichen
Raigeber herabzudrücken. Es ſei abzuwarten, ob der
neue Minifter die Erwartungen rechtfertigen wird,
welche hinſichtlich der Unſelbſtändigkeit auf ihn doch


Wechſel hingearbeitet hat! Auf das in einigen Blättern
hervorgetretene Beſtreden, das Militärkabinett einiger-
maßen aus der Schußlinie zu ziehen, indem man aus-


Die Entſcheidungen werden ſelbſtverſtändlich vom Kaiſer
getroffen; aber es fragt ſich, von wem und wie auf


Anzeichen dafür, daß die verſchiedenenKabinette“ mit
Erfolg bemüht ſind, im Gegenſatz zu der verantwort-
lichen Regierung Einfluß zu gewinnen und auzzuüben.
Auch der Reichsanzeiger ſucht in ſeinem nichtamt-
lichen Teile darzuthun, daß das Militärkabinert nicht


zwiſchen die Beine zu werfen, doch ſtimmen alle Blätter


daß dieſe im nichtamtlichen Teile des Regierungsblattes
gebrachte Darlegung ohne jeden Wert ſei, da Niemand
wiſſe,
zeiger veranlaßt habe. ——
Eine bewmerkenswerle Aeußerung unſeres
Laiſers über die Reform des Militärgexichts will die
„Köln. Bolksztg.“ mitzuteilen in der Lage ſein. Danach ſoll


mit der Hoͤhenloheſchen Auffaſſung von der Reform-
geſtaltung einverſtanden; nur fürchte er die Ausſchlachtung
von Mituaͤrgerichtsverhandlungen durch die Senfations-
preffe, die oft „jüdifchen Berichterſtatter“ verltänden


zuſchmücken. Durch etwaige Skandalberichte müſſe aber
das feſte Gefüge der Armee erſchüttert werden. Die


der Kaifer dies geäußert, werde nicht erwähnt, ihr
Gewaͤhrsmann glaube aber, mit Rückſicht auf die hohe
ſoziale Stellung der Kreiſe, in welcher das Gerücht
kolportiert werde, Mitteilung davon machen zu müſſen.

— Nachahmenswert. Das banriſche Kriegs-


bilait' erfahren haben will, Inſtruktionen für die
Kompagnie-, Batterie und Eskadronschefs über die


Unteroffizieren und Mannſchaften bei ihrer Entlaſſung
zu erteilen iſt. „Es wird darin, wie das genannte
Blatt mitteilt, den Hauptleuten und Rittmeiſtern em-
pfohlen, die zu beurlaubenden Mannſchaften auch
darüber aufzuklären, daß ſie bei Beſchaffung ihrer
Zivilkleidung Anzüge, Stiefel) die deutſchen und chriſt-
ſichen Geſchaͤftsleuͤte berückfichtigen ſollen, wodurch ſie
auch in den meiſten Fällen die Garantie für ſolide,
preiswürdige Ware erhielten. Ganz beſonders aber
fei dor den jüdiſchen Kieider- und Stiefeibazaren und
ähnlichen Schleudergeſchäften zu warnen.“ Dieſe
Mieldung erregt hie und da Aufehen. Das „Berliner
Tageblalt“ vermutet, der bayriſche Kriegsminiſter habe
vor Schleudergeſchäften ſchlechthin gewarnt, und das
Wörtchen „jüdifh“ in dem Erlaß fei eine Erfindung
des „Deutfchen Volksblattes“, und der „Vorwärts legt
ſein Wort dafür ein, daß Jedermann beim Militär
doch Wenigſtens von „konfeſſioneller Hetze“ verſchont


daß das bayriſche Kriegsminſſterium ſo für das wirt-
ſchaͤftliche Wohl ſeiner Schutzbefohlenen zu ſorgen verſteht.

Der 14. Bereinstag des ereins für chriſt-
liche Volksbildung in Köln faßte u. a. folgende Be-
ſchlüſſe: 1. Die Ausſetzung von 2 Preiſen à 50 Mk.
für Ausarbeitung von zwei Flugblättern zur Bekämpfung
des elenden Maͤchwerkes: „Die Bibel in dex Weſten-
taſche“, eines Buches von erbärmlichſtem Charakter.
2, Die an die Polizeibehörden zu richtende Bitte um
Berordnungen, nach welchen die Virtshäuſer für die
Dauer der vormittägigen Sonntagskirchzeit zu ſchließen
ſeien. 3. Den Beſchluß, die Kaufmannſchaft ſchriftlich
und mündlih zu veranlaffen, der Fürſorge für die







2

ihres Berufes in umfangreicherer Weiſe als bisher,
namentlich betreffs einer würdigen Sonntagsfeier, näher
zu treten. * —
8 Beteiligung der Zuden an der Tandwirtſchaft.
Der deulſchAfraelitifche Gemeindebund ſoll beabſichtigen,


jür Preußen, das ?/s der in Deutſchland lebenden
Juden beherbergt, die in Frage kommenden Zahlen.
Die Berufszählung von 1882 hat ergeben, daß dem


ſchaft, Gärtnerei und Züchterei“ beſchäftigt waren
812 Perſonen (636 maͤnnliche und 176 weibliche) als
„Selbftäudige und Gejchäftsleiter“, 831 Perſonen (589
maͤnnliche und 242 weibliche als Verwaltungs⸗ und
Arbeitsperſonal. Entſprechend der wachſenden Be-
deutung der Judenfrage darf wohl mit Zuverſicht er-
wartet werden, daß bei Bearbeitung der Berufszählung


das yanze Reich ermittelt und veröffentlicht werden
wird nicht nur der jüdiſchen Landwirte, ſondern auch
der Wechsler, Rentner, Aerzte, Rechtsanwälte u. |. w.
— —

Zeitgeſchichte.

Deutfchlaud. Berlin, 18. Aug. Vie die „Nordd.




von Sr. Majejtät dem Kaiſer vollzogen worden. ;
— Berlin, 20. Aug. Der Kaiſer empfing heute
u. A. den Staatsfekretär des Reichsmarineamts, Holl-


Vortrag. Beide Herren wurden guch zur Mittagslafel
befohlen. Die Angabe der „Bolfsztg.“, daß der Ritt-
meilter rhr v. Stetten, bisheriger Kommandeur der
Schutztruppe von Kamerun, von dem auswärtigen Amte


F. Z nicht. 2
Darmſtadt, 20. Aug. Der —2— verlieh dem
Kriegsminiſter von Goßler, dem ſeitherigen ommandeur


Philipps des Großmütigen. *
— Qeipzig, 21. Aug. Die Leipziger Neueſte Nachr.“
halten allen Ableugnungen gegenüber die Behauptung auf-
recht, daß Fürſt zohenlohe 44 Entlaſſung bereits ein-
gereicht habe. Auf Wunſch des Monarchen ſei die Kriſis
über den Zarenbeſuch vertagt. Die Kanzlerkriſis ſei ver-
ſchoben aber nicht erledigt; der Gedanke an einen allge-
meinen Verjfüngungsprozeß beſteht fort und wird noch zu
anz anderen Folgen führen, als zu dem iuzwiſchen er-

„Wir ſtehen am Anfang, nicht am Ende!“ ;

deſterreich· Angarn. Wien, 20. Aug. Abg. Prinz
Friedrich Schwarzenberg ſell nach t{che iſchen Blättern
geäußert haben, der Kaiſer habe den Wunich ausgedrückt,
man möge mit Feſtivitäten anläßzlich des Regierungs-


die folche Feſte mehr aus Sucht nach Auszeichnungen-
ais von aufrichtigen Gefühlen geleitet proponieren und
folchermaßen oft den Gemeinden, Geſellſchaften und Ver-
einen Lajten aufbürden, welche zu tragen dieſe außer
Stande ſeien.

Zetgien Dem Pariſer /Figaro. zufolge verlautet,
daß demnächft die Verlobung des Prinzen Albert von
Belgien mit der Prinzeſſion Ilabella, der Schweſtex des
Herzogs von Orleans geſchloſſen werden dürfte. (Prinz
Aiberkiſt der am 8. April 1875 geborene Sohn des Grafen
von Flondern, künftigen Thronfolgers; er ſteht à la suite
des 2. hannoverichen Dragonerxegiments Nr. 16 und iſt
Schwager des Prinzen Karl Anton von Hohenzollern.
Prinzeffin Iſabella iſt *8 am 7. Mai 1878.) *

Spanten. Madrid, 20. Aus Soehen wird hier
ein Brief bekannt, den der Führer der kubaniſchen Auf-
flandifchen Joje Maceo, an die Leiter der kubaniſchen
Zunta in den Vereinigten Staaten von Nordamerika ge-
richtet hat. In dieſem Schreiben ſchildert Moceo die
gegenwürtige ſehr prekäre Lage der Aufſtandiſchen die
feil8 duͤrch die Verfolgungen der ſpaniſchen Truppen,
teil8 durch die Ungunit der Witterung ſehr zu leiden
haben. Maceo bittet daher It. B. T. um baldige und
nachdrückliche. unterftützung durch Ueberſendung von Le-
benämitteln, Geld und beſonders Dynamit,

Zürßei. Wie „Daily Chronicle“ aus Konſtantinopel
unter dem 18. d. Mts. meldet, beſchloß der Sultan, den
früheren armenifchen Patriarchen Ismirkian nach Tripolis
zu berbannen, was ſeinen ſicheren Tod hedeute.

— Sn den diplomatiſchen Kreiſen Wiens wird die
Kreta-⸗Fkage, wie der „Boll. Ztg.“ ein eigener Drabt-
bericht von beſonderer Seite aus. der öſterreichiſchen
Haußtſtadt meldet, ſehr trübe beurteiſt. Ein hervorragen-
Ser Staatsmann äuberte, es ſei nicht zu erwarten, daß
Curopa in nächſter Zeit irgendwie wirkſam werde ein-
reifen können; die Megeleien würden fortdauern. Eine
locfade ohne Teilnahine der bedeutendſten Seemacht
Europas ſei den Mächten lächerlich erſchienen. Vor dem
diplomatijchen Empfang bei Dem Grafen SGoluchowsfi
beratichlagten der italieniſche Botſchafter und der engliſche
Gefchäftsträger mit einander. Yan meint, es habe jich
um Kreta gehandelt. *

— @onitantinopel, 20. Aug. Die Pfoxte hat den
Botfchaftern dex Wächte die Mitteilung zugehen laſſen,
daß 28 griechiſche Offiziere in Uniform mit drei Gebirgs-

*
 
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