Der Sadiſche Volksbote · er-
ſcheint dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung:
Beidelbers. Vahuhofſtvaße 9.
Telegramm⸗Adreſſe:
bole
Vreis vierteljährlich
durch den Briefträger frei ins
Haus gebracht Mt. 1.25, am Poſt-
ſchalter oder durch unfere Boten
in Heidelberg 1 M., von unſerer
Erpedition abgeholt SO Pfg.
— * — und des Hadiſihen Hauerubundes. Noſt deitungs· Ureislifte
Die 5gejpaltene Petitzeile 10 Pfs. ‘ . ' ‚ . Yr 355 .
N 74. Beidelherg, Ereitag, den 10. auli 1896, 7, Jahrgang. —
x Poritifßer Teil.
_ 3. Nationale Regelung der Ausmanderung.
In Deutſchland gibt es alljährlich eine große An-
abem die vielen Tauſende durch den jüdiſchen Wucher
von Haus und Hof vertriebenen Bauern. So betrug
im erſten Halbjaͤhre 1896 allein die Auswanderung
über Hamburg 26398 Perſonen.
Die Leute, die den Mut beſitzen, auszuwandern
und ſich jenſeits des Ozeans ein neues Heim zu gründen,
Kinder noch Greiſe, ſondern ſtehen meiſtens im beſten
Alter; auch ſind es nicht immer die ärmſten, ſondern
ſammenbruch gerettet haben.
liche Kapitalien verloren.
Nun iſt ja Deutſchland ein ſo reiches Land, daß
vermögen kaum in Rechnung fallen können; und das
deeutſche Volk iſt ſo lebenskräftig, daß es dieſen Ver-
luſt an nationaler Arbeitskraft durch den Ueberſchuß
an Geburten vielfach wieder ausgleicht. Iſt doch die
Bevölkerung Deutſchlands in den letzten fuͤnf Jahren
Nicht das iſt an der Auswanderung das Schlimme,
Vermögen verloren gehen, ſondern die betrübende That-
‚ Jache, daß dieſe Kräfte nur unſeren politiſchen und
wirtſchaͤftlichen Gegnern, unſeren nationalen Feinden
zugute kommen! Was wäre denn z. B. Nordamerika,
der gefährlichſte wirtſchaftliche Gegner Deutſchlands,
ohne die jahrzehntelange Zufuhr deutſcher Arbeitskraft,
deutſchen Kapitals? —
Deutſche Ackerbauer waren einſt die Pioniere
der Kultur in den Gegenden des fernen Weſtens;
deutſche Handwerker haben die Grundlagen der
größeren Anſiedelungen — heute volksreicher Städte —
gelegt; deutſcher Geiſt, deutſcher Fleiß, deutſche
Thatkraft haben die blühende amerikaniſche Induſtrie
begründet und erhalten ſie noch heute auf ihrer Höhe.
Heute wird die heimiſche Landwirtſchaft durch die
Konkurrenz der Produkte der eigenen früheren Volks-
und Berufsgenoffen in ihrer Exiſtenz bedroht — heute
muß die deutſche Induſtrie, der deutſche Gewerbfleiß
ſtaatlich geſchützt werden vor dem erdrückenden Wett-
bewerb Amerikas! —
Das ſind ſehr betrübende Verhältniſſe: die deutſchen
„über Alles in der Welt galt“, zu Grunde zu richten!
Mußte das ſo kommen?
Nein! Hätten wir eine Regierung gehabt, die
ihrer großen Aufgaben ſich bewußt wäre, und die die
rrrichtigen Zwecke auch mit den richtigen Mitteln folge-
richtig zu erreichen verſtanden hätte — wir hätten es
nicht nötig, ſo beſchämende Bilder hier zu zeichnen!
öUnd das richtigſte Mittel, einfach zugleich und
Erfolg verheißend, iſt eben die Regelung der Aus-
wanderung nach nationalen Geſichtspunkten!
Seit 10 Jahren haben wir Kolonieen, darunter
ſolche mit anerkannt vorzüglichem Klima, hervorragend
geeignet zur Siedelung durch deutſche Auswanderer.
Dahin gehört in erſter Linie Südweſt-Afrika, das nach
ülbereinſtunmenden Berichten ſachverſtändiger Reiſender
mit Leichtigkeit zu einem „Deutſchen Transvaal“ ge-
macht werden könnte. Da hat es nun die Regierung
Erleichterungen zu gewähren, z. B. Ermäßigung des
Fahrpreiſes auf die Hälfte, (die übrigens für die Aus-
wanderung nach ſämtlichen deutſchen Kolonien ſehr
angebracht ſcheinth; ferner unentgeltliche Ueberlaſſung
des Bodens in beſtimmten Grenzen; ſoweit notwendig,
Gewährung von amortiſirbaren Darlehen zu mäßigem
Zinsfuß; Beſchaffung ſämtlicher zur Anſiedelung nötigen
Materialien, Werkzeuge, Sämereien A. und Verkauf
derſelben an die Auswanderer zu den Selbſtkoſten, in
beſonderen Fällen auch vorſchußweiſe; Befreiung von
Steuern und Abgaben in den erſten Jahren; und ähn-
liches mehr.
Alle dieſe Vergünſtigungen dürfen natürlich nur
deutſchen Reichsangehörigen zuteil werden, denn darauf,
Länder in unſere Kolonien zu ziehen, wollen wir denn
doch verzichten!
Damit würde man erreichen, namentlich Hand-
Kolonien zu bewegen, die alsbald einen erfreulichen
würden ſie zu den beſten Abſatzgebieten für die Er-
zeugniſſe der deutſchen Induſtrie werden, während ſie
dem Mutterlande andrerſeits die Mehrzahl aller der-
jenigen Bodenerzeugniſſe überſeeiſcher Länder liefern
könnten, hinſichtlich deren wir heute immer noch auf
fremde Staaten angewieſen ſind und unſer Geld ins
Es iſt uns natürlich unmöglich, auf alle Einzel-
land zu ziehen und eine Kolonialpolitik zu beginnen,
deren innerſtes Weſen wäre: national,
und ehrenvoll! .
5 Ium Prozek äfithiuumn /
Der in den letzten Tagen gegen den ehemaligen
„Bankdirektor“ Hermann Friedmann verhandelte Straf-
öffentlichen Leben, von denen ſich die Zeitgenoſſen mit
Abſcheu abwenden. Der Held des gerichtlichen Dramas
iſt eine alltägliche Figur. Yn der Börſe, in den
auf den Rennplätzen und in Theatern gehören Per-
ſcheinungen.
den letztern nur noch, weil er ein naher Verwandter
und gewiſſermaßen auch die Kreatur des vielbeſprochenen
Rechtsanwalts Fritz Friedmann war, der eigentlich
neben ihm auf der Anklagebank hätte erſcheinen müſſen,
deutſchen Rechtsgefühl ein Schnippchen zu ſchlagen ims
ſtande iſt. Im übrigen iſt Hermann Friedmann Bein
und Fleiſch von jenen Geſtalten, deren Lebensaufgabe
ſich in möglichſt raſchem und müheloſem Geldgewinn
Hermann Friedmann erkor ſich wie ſo viele dunkle
Ehrenmänner das Parquet der Börſe zum Schauplatz
ſeiner Thaten. Er wurde Spieler von Beruf und
ſtellte nach landläufigen Muſtern in Ermangelung ge-
nügender eigener Mittel die Spielleidenſchaft anderer
als den allein realen Faktor in ſeinen Dienſt. Mit
bodenloſem Frevelmut ſtürzte er ſich auf Koſten ſeiner
Kunden in die tollſten Börſenſpielgeſchäfte; er ver-
traute mit fataliſtiſchem Glauben auf das ſprichwört-
liche Glück der ſittenverdorbenſten Jobber und auf
die Unverbeſſerlichkeit derer, die — „nicht alle werden.“
In der That verdiente er Millionen, die er freilich
eben ſo ſchnell wieder verlor, wie er ſie gewonnen
hatte. Und als die Verluſte die Regel zu bilden an-
fingen, da war es für den gewiſſenloſen Mann, wie
vom Spieler zum Schuldenmacher, vom Schuldenmacher
der jetzigen Geſchäftswelt durchaus alltägliches Sit-
tenbild.
In der Verderbnis, welche der Prozeß enthüllte,
iſt auch nicht ein einziger Punkt, der zur Milde ſtimmt.
Krone auf durch eine widerliche Szene, die er im
Gerichtsſaal hervorrief, ehe die Geſchworexen ſich zur
Beratung zurückzogen. Er bat nämlich den Präſidenten,
den Anklageraum verlaſſen und vor die Geſchworenen
treten zu dürfen. Als ihm dies gewährt wurde, kam
es zu kinem merkwürdigen Auftritt. Friedmann tritt
vor die Geſchworenen, ringt die Hände und ruft
„Gnade! Gnade!“ — Dann ſinkt er auf Ddie Kniee
nieder, von neuem um Gnade flehend. Der Präſident
heißt ihn ſich erheben. Der Angeklagte fährt fort um
Gnade zu flehen. „Ich will Tag und Nacht arbeiten,
um den angerichteten Schaden wieder gut zu machen,
ich will ein anderex Menſch werden, nur nicht ins
Zuchthaus! Nur nicht ins Zuchthaus!“
Man ſieht, Hermann Friedmann giebt ſeinem
ehrenwerten Vetter in Schauſpielerkunſt nichts nach.
Aber dieſes Winſeln, dieſe Thränen wurden ſehr richtig
vom Staatsanwalt dahin geſchätzt, daß ſie nicht durch
Reue,
Furcht vor dem Zuchthauſe hatte ihn gepackt und er-
* ihm die Angſtrufe: „Nur niht ins Zuͤcht-
aus!“
konnte dadurch ſein Schickſal nicht abwenden: die 6
Jahre Zuchthaus ſind der wohlverdiente Lohn jeiner.
Schandthaten! Das neue Börſengeſetz, das hefonders
den Bemühungen der ‚deutfeh-fozialen Reformpartei zu
danken iſt,
Beſtimmungen. Die letztern werden freilich den Typus
Friedmann nicht ohne weiteres aus dem Leben bannen.
von jüdiſchen Einflüſſen durchſetzten Boͤden des Ges
ſchäftslebens unſerer Zeit. Aber immerhin wird das
entnimmt, werden jene Exiſtenzen nicht nur in der
im Leben allmählich unmöglich werden.
SS Aebex das Schidfal des vom Aeichstage
ſich in den Zeitungen noch immer den Kopf. G
leſen in einem Blatte, ein einflußreicher Zentrumsmann
Thatbeſtaad rückhaltlos zu offenbaren. Der Präfident,
v. Bölticher geſagt: „Excellenz, geben Sie nur raſch
dieſer Anxegung und, wie uns aus Berlin gefchrieben
wird, das Gegenteil der Buolſchen Voraͤusfagung
traf ein. So mar der thatſächliche Hergang. Eine
authentiſche Erklärung desſelben vermoͤgen wir aller-
Entweder der Praͤſident von Buol hatte die ihm von
das Zentrum beabſichtigte, der Regierung nach dem
Zuckerbrot des Bürgerlichen Geſetzbuches auch ein wenig
die Peitſche koſten zu lafſen, oder endlich, e& lag einẽ
Margarinegeſetz überhaupt herumzukommen, weil der
Margarine-Fabrikant Mohr den Herren v. Hammer-
ſtein und v. Bötticher den Segen der Maͤrgarine-
Fabrikation in ſeiner Fabrik bei dem bekannten Beſuch
überzeugend nachgewiefen hat. * *
Das Eiſerue Kreuz in der Handelsflagge. Den
Kapitänen der Handelsſchiffe, welche zugleich Offiziere
des Beurlaubtenſtandes ſind, hat der Kaiſer durch
Telegramm aus Wilhelmshaven die Berechtigung ver-
liehen, das Eiſerne Kreuz in der deutſchen Handels-
flagge zu führen. Es wird in Hamburger Blaͤttern
die Frage aufgeworfen, ob dieſe Maßnahme eine Re-
In Intereſfentenkreiſen findet
Es
werden dadurch zwei Klaſſen von Seekapitänen ge-
ſchaffen. Im Auslande wird man die Kapitäne ohne
Kreuz auf der Flagge bald für minderwertig halten,
kanzlers erhalten hat.
der anderen Seite befürchtet man, daß im Anſchluß
an dieſe Aeußerlichkeit der Ton des Reſerveoffiziers
in die Handelsflotte Eingang finden könne. Gerade
die alten, tüchtigen Kapitäne ſind nur ſehr ſelten
Offiziere des Beurlaubtenſtandes. So iſt z. B, der
Direktor der Deutſchen Seewarte in Hamburg, Wirkl.
Geh. Admiralitätsrat Neumayer, einer jener alten
Handelskapitäne, die nicht als Offiziere des Beurlaubten-
ſtandes auf der Marine gedient haben. Erſt in neuerer
iſt es etwas mehr Sitte geworden, daß Steuerleute
und Kapitäne der Handelsmarine gleichzeitig Offiziere
der Kriegsmarine ſind.
Zur Frage der Fozialreform. Die /Nord-
deutſche Allgemeine Zeitung“ tritt der Annahme einiger