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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 51 - No. 60 (9. Mai - 6. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0233

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7, Zahrgaug.





7

*

Der Vadiſche Yolkshote“ er-
ſcheint zmal wöchentlich (Diens-
tag, Donnerstag und Samstag).

Verlag und Leitung:

Heidelbers Bahnhof ſtraſte 9.

Telegramni⸗Adreſſe:
Yolksbote Heidelberg.
Anzeigenpreis:







Vreis vierteljährlich
durch den Briefträger frei ins
Haus gebracht ME. 1.25, am Poſt-
ſchalter oder durch unfere Boten

in Heidelberg 1 M. von unſerer
Erpedition abgeholt 80 Pfg.
Voſt Zeitungs Vreisliſte
Ar. T55.



Die 5geſpaltene Petitzeile 10 Pfg.




— — — AAA

Nur 34 Pfg.

koſtet der

gadiſhht Lolhshott
pOr. Aonal Juni.
Beſtellungea können jederzeit bei den Poſtagenturen,

ſowie unſeren Agenten gemacht werden.
robenummern auf Wunſch jederzeit frauklo.











Aus dem nenen bürgerlichen
Goeſehhbuche.


Nur noch ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum
ttrennt uns vorausſichtlich von der Einführung des
neuen „bürgerlichen Geſetzbuches“, welches dazu be-
ſtimmt iſt, die außerordentlichen Verſchiedenheiten auf


in den Geſetzgebungen der einzelnen deutſchen Staaten
— 3eigen (Gemeines Recht, Preußiſches, Franzöſiſches,


Der Gedanke der Schaffung eines gemeinfamen bürger-


nicht nur in den Berhandlungen des Reichstaͤges in


Volkes mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Die Ver-
wirklichung diefes Gedankens liegt nun in dem „Ent-
wurfe eines bürgerlichen Geſetzbuchs“ greifbar vor uns.
Derſelbe iſt das Werk einer ungusgeſetzten 23jährigen
Thätigkeit verſchiedener Kommiſſionen, welche mit der

Löſung dieſer eminent ſchwierigen Aufgabe betraut
worden waren. Der Entwurf harrt nun der Durch-
beratung und Gevehmigung ſeitens des Reichtages.
Wenn man die tief einſchneidende Wirkung der Ein-
führung des neuen bürgerlichen Geſetzbuches auf alle
Verhältniſſe des praktiſchen Lebens und die außer-
ordentliche Umwälzung, welche das neue Geſetzbuch in
ſo vielen Beziehungen mit ſich bringt, in's Auge faßt,
ſo kann man ſich eines gewiſſen bangen und ängſt-
lichen Gefühls nicht erwehren, wenn man, wie jetzt ſo
oft, das Verlangen ausſprechen hört, den Entwurſ ſo
raſch wie möglich, gleichſam in fliegender Eile, noch
in dieſer Reichstagsſeſſion zu erledigen und möglichſt
große Partien des Entwurfs en bloc anzunehmen.
Wenn ein Gegenſtand der möglichſt reiflichen Erwäg-
ung, der gründlichſten Durchberatung in allen Teilen
bedarf, ſo iſt es gerade die Geſtaltung des ganzen
Civilrechts, das in alle Verhältniſſe des praktiſchen
Lebens ſo tief eingreift und nun in ſehr vielen und
wichtigen Beziehungen einer gänzlichen Umgeſtaltung
und Umwaͤlzung entgegen geführt werden ſoll. Eile
und Haſt iſt dabei weniger als irgendwo am Platze.

Hat die Herſtellung des Entwurfs 23 Jahre gedauert,
ſo kann es nicht darauf ankommen, jetzt noch einige
Monate mehr auf den vollen Abſchluß des großen
Werkes zu verwenden. Es mag allerdings maͤnchem
unſerer Reichsboten etwas ſchwül und aͤngſtlich zu


blickt, in deſſen Prüfung und Beurteilung er nun ein-
treten ſoll. Es iſt für den Rechtsgelehrten von Beruf
eine ſehr ſchwer zu bewältigende Aufgabe, mit klarem
Blick zu prüfen, ob der Entwurf das richtige ge-
troffen hat, wenn er in dieſer oder jener Materie das
eine oder das andere der ſeither in Geltung ge-
weſenen Syſteme adoptierte. Insbeſondere haben aber
die ſüddeutſchen Staaten ein Intereſſe daran, den
Entwurf des neuen bürgerlichen Gefetzbuches in der
Richtung einer genauen Prüfung zu unterziehen, ob
nicht die ſeitherige Rechtsübung der norddeutſchen
Staaten in einem allzu erdrückenden Maße in den
neuen Entwurf übergegangen iſt. Wir haben in dem



„Nachdruck nur mit Genehmigung geſtattet.



Reichsſtrafgeſeybuch in der Reichsſtrafprozeßordnung


ziehungen die Erfahrung gemacht, daß das, was in
der Geſetzgebung für Preußen einen Fortſchritt be-


Baden ein Rückſchritt war. Man vergleiche z. B.
das Reichsſtrafgefetzbuch mit dem früheren badiſchen
Strafgeſetzbuche Die von den ſüddeutſchen Staaten
in ihrem Civilrechte bereits errungenen freiheitlichen


wahren, dies dürfte dem neuen Entwurfe gegenüber,
welcher ganz überwiegend auf das ſeitherige preußiſche
Recht rekurriert, eine erſprießliche und dankbare Auf-
gabe ſein. Dies läßt ſich aber nicht ſo in Haſt und
Eile, gleichſam im Handumdrehen prüfen und ent-
ſcheiden, möge man daher mit der hier fo notwendigen
Gründlichkeit zu Werke gehen und möge dem neuen
„Bürgerlichen Geſetzbuche“ erſpart bleiben, was in ſo


bemerkbar machte, daß neue Geſetze ſchon nach ver-
hältnismäßig kurzer Zeit durch abändernde geſetz-
geberiſche Akte in einzelnen Teilen wieder aufgehoben
und durchlöchert wurden. *

Nur auf einzelne wenige bemerkenswerte Punkte
des neuen Entwurfs zu dem Bürgerlichen Geſetzbuche“
ſoll im Folgenden befonders hingewieſen werden.

R.





Vlad, Berker, Stern.
So verſchieden dieſe drei „Lapitalfräftigen‘ Herren
auch ſein mögen, ſie haben doch einen gemeinſamen


Glauben an die Allmacht des Geldes. Sie glauͤbten,
durch ihren Beſitz über die Forderungen der allgemeinen
Sittlichkeit und des landläufigen Rechtes hinausge-
hoben zu ſein und mit klingender Münze alles de-
zahlen, erreichen, vertuſchen, Jutmachen zu können. —
Simon Blad, der geile Lüſtling, der vor Droh-
ungen und Beſtechungen nicht zurückſchreckt, will nach
einem Lotterleben durch ſeine Hinterlaſſenſchaft ſich die
Ehre monumentaler Verewigung erkaufen. — Becker,
der Titel und Beamte für käuflich hält und der un
widerſtehlichen Allgewalt ſeiner Millionen ſich rühmt,
ſucht jeden unbequemen Nebenbuhler zu beſeitigen und
ſich zum rückſichtsloſen Alleinherrſcher auf ſeinem Ge-
biete zu machen. — Laib Stern, der unangenehme
Typus eines Emporkömmlings, mißachtet die Anord-
nungen der Behörde, beleidigt pöbelhaft frech einen
vornehmen, durchaus maßvoll handelnden Beamten
und glaubt ſich mit ein paar taufend Mark aus der
unangenehm gewordenen Geſchichte ziehen zu können.

Alber die „Fälle“ der drei Helden des Geldſacks
haben noch einen gemeinſamen Grundzug. Die kapital-
kräftigen Herren haben ſich in ihrem Glauben an die
märchenhafte Macht der Millionen nicht getäuſcht. —
Simon Blad bekommt trotz ſeines Lebens und trotz
ſeinex Zuſammenſtöße mit den Mächten der Sitte und
des Rechts ſein Denkmal in der königlichen Haupt—⸗
und Reſidenzſtadt Berlin. Wenn man die Namen
der großen Männer nennt, die der Ehre eines Denk-
mals in der Reichshauptſtadt gewürdigt wurden, wird
auch der ſeine genannt. Er, der im Leben manchmal
ein unbeſtrittenes Recht darauf hatte, ausgehauen zu
werden, wird nun nach dem Tode in Erz gegoſſen.
Schade um das Erz! Hut ab vor den Milltonen!
— Dem Geh. Kommerzienrate Becker iſt es gelungen,
alle Wettbewerber zu vernichten und alle Mahner
mundtot zu machen. Er hat ſich ſogar recht hoͤher
Fürſprache erfreuen dürfen; ſeine Belriebſamkeit und
Kapitalkraft iſt in offizielen Schriftſtücken nach Gebühr
gepriejen worden. Hut ab vor der Kapitalkraft! —
Und Laib Stern hat es fertig gebracht, die höchſten
Beamten ſeiner trefflichen amerikaniſchen Regierung
für ſich ins Feuer zu ſchicken. Dem Millionär zu
Liebe, der ſich rüpelhaft benommen hatte, haben zwei
ehrenwerte Staatsmänner ſich eine diplomatiſche
Schlappe geholt, wie ſie am Ende des 19. Jahr-
hunderts ſelten iſt. Hut ab vor der Macht des
Geldſackes!

Die diplomatiſche Behandlung des Falls Stern




ſämtliche in Heidelberg.

——







iſt zu lehrreich, als daß wir ſie mit den ſchon ge-
machten kurzen Mitteilungen erledigen könnten. Be-
kanntlich war Laib Stern wegen Beamtenbeleidigung
zu Gefängnis verurteilt worden. Gegen Zahlunß
einer Kaution von 80,000 Mark war ihm Tufſchub
des Strafantritts bewilligt worden. Wenn ſonach
Stern keine Luſt zu brummen verſpürte, ſo konnte er
die Kaution ſchwimmen laſſen. Das behagte ihm aber
nicht. Die Kautionsſumme war ihm zu hoch. So
beauftragte er denn den Staatsſekrelär Olney und den
Botſchafter Mr. Nunyon, in ſeinem Namen etwas
„herunter zu handeln.“ Das ift der ſpringende Punkt.
„Herr Stern“, ſo ſchreibt der Staatsſekretär Olney,
„ſtellt ſich nicht auf den Rechtsſtandpunkt, ſondern
bittet um Milde.“ Am allerdeutlichſten aber geht aus
der Unterredung des amerikaniſchen Botſchafters
Runyon mit Frhrn p. Marſchall hervor, daß es dem
Laib Stern lediglich darauf ankam, von ſeiner
Kautionsſumme etwas abzuhandeln. Frhr. von Mar-
ſchall ſchreibt iiber dieſe Unterredung an den deutſchen
Botſchafter Frhrn. v. Thielmann folgendes:

Vor einigen Tagen hat mir Mr. Runyon erſt-

mals über den Fall Stern geſprochen und iſt vor-
geſtern nochmals darauf zurückgekommen. Er wünſchte
unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Inſtruktion
ſeiner Regierung meine eruſte Aufmerkſamkeit auf
dieſen Fall zu lenken. Was das gerichtliche Urteil


ſache an, die nicht mehr zu ändern ſei, und wolle des-
halh auch keine Kritik daran üben. Dagegen könne
er ſich nicht enthalten zu erwähnen, daß Herr Stern
ungewöhnlich hart behandelt worden zu ſein ſcheine,
einmal durch Ablehnung der dem Baron Ihüngen
am folgenden Tage gemachten Entſchuldigung, ver-
bunden mit dem Angebot, den Armen 5000 Mark zu
zahlen, ſodann durch die Forderung einer ungeheuer
hohen Bürgſchaft und endlich die neben der Geldſtrafe
erkannte Gefängnisſtrafe. In den Vereinigten Staaten
ſei Stern ein ſehr angeſehener und auch einflußreicher
Die ihm in Deutſchland widerfahrene ſchlechte
Behandlung habe nicht verfehlt, einen peinlichen Ein-
druck zu machen, wovon die Preſſe Zeugnis ablege;
im Intereſſe der freundſchaftlichen Beziehungen beider
Länder ſei es deshalb dringend angezeigt, daß die
Gefängnisſtrafe Stern erlaſſen werde! Ich erwiderte
dem Botſchafter, daß ich jeden Verſuch, das einem
deutſchen Souverän zuſtehende Begnadigungsrecht zum
Gegenſtand einer Reklamation zu machen, ſowie jede
Kritik eines von einem deutſchen Gericht erlaſſenen
Straſurteils prinzipiell zurückweiſen müſſe; thatſäch-
liche Mitteilungen aber, die mir dec Boͤtſchafter im
Intereſſe eines verurteilten amerikaniſchen Staatsan-
gegörigen zu machen habe, ſei ich ſelbſtverſtändlich
gerne bereit, zur Kenntnis und Entſcheidung der ver-
faſſungsgemäß zuſtändigen Behörden zu bringen; irr-
tümliche Vorſtellungen, welche die öffentliche Meinung
eines befreundeten Landes beeinfluſſen könnten, würde
ich gerne richtig ſtellen. Was die Höhe der Bürg-
ſchaft anlange, ſo werde dieſe von dem Gerichte nach
freiem Ermeſſen, den Vermögensverhältniſſen ves


Verfolgung ſtrafbarer Handlungen könne aber bei uns
durch Geſchenke, auch an Arme, nicht beeinflußt
werden; die Gefängnisſtrafe endlich ſei durch das
Strafgeſetz vorgeſehen. In Deutſchland ſei vor Ge-
richt ‚edermann gleich; die Rechtſprechung liege in den
Händen unabhängiger Gerichte; Amerikaner würden
genau wie Deutſche behandelt. Wenn Herr Stern
auf dieſelbe Achtung in Deutſchland Anſpruch mache,
deren er ſich in Amerika erfreut, ſo möge er auch, ſo
lange er in Deutſchland iſt, ſich ſo benehmen, wie
man es von einem gebildeten und anſtändigen Mann
erwarte. Herr Stern habe dies nicht gethan. Be-
züglich des Schutzes, den Beamte im Dienſt gegen
Drohungen und Beleidigungen zu beanſpruchen haben,
ſchienen in den Vereinigten Staaten mildere Anſchau-
ungen als hier vorzuyerrſchen; wo aber deutſche Ge-
ſetze und ihre Anwendung in Frage ſtänden, ſeien
lediglich deutſche Anſchauungen maßgebend und be-
ſtimmend.“

Nun, es iſt dem „angeſehenen“ und „einfluß-
reichen“ Laib Stern und ſeinem Advokaten Simon
Stern nicht gelungen, etwas abzuſchachern. Laib hat
 
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