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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 81 - No. 90 (26. Juli - 15. August)
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Der „ßuhird;z Volkabote · er-
ſcheint dreimal wöchentlich.

_ .. Verlag und Leitung:
flühzlkng\‚ Vahuhofſtraße 9,

Telegramm⸗Adreſſe:
Yolksbote Heidelberg,

— Anzeigenpreis: —
Die 5gefpaltene Petitzeile 10 Pfg.





nreis vierteljährlidg
durch den Briefträger frei in's
Haus gebracht Mf. 1.25,am Boft= _
ſchalter oder durch unfere Boten
in Heidelberg 1 M., von 7*
Erpedition abgeholt 80 Pfs.
Popft-Zeitungs-Preisliftke
Vr. 755,



A 83,
Zolitiſcher Teil.

. Singer und Genoſſen in Fraukreich.
Ecine wohlverdiente Lektion iſt vor einigen Tagen
dden Führern der deutſchen

dem Londoner internationalen Sozialiſtenkongreß nach
London reiſten, unterwegs in der franzöſiſchen Stadt


Kongreſſes der franzöſiſchen Sozialdemokraten hatten


lich den drei Führern Singer, Bebel und Liebknecht
einen „warmen“ Empfang zu bereiten. In einem
Maueranſchlage hieß es: „Kameraden, ihr werdet euch
zahlreich einfinden, um eure Brüder von draußen zu
begrüßen, die, Proletarier und Sozialiften wie ihr,
gleich euch und mit euch für die Befreiung der Arbeit
und der Menſchheit kämpfen. Unter dieſen Gäſten
nſeres nationalen Kongreſfes werdet ihr Liebknecht
doppelt willkommen heißen, den Mann, der im Jahre




eigenen Regierenden verlaffen war, ſich mit den deutſchen
Sozialdemokraten der Einverleibung Elfaß⸗Lothringens
widerſetzte , und die Einſprache, die er gegen die
Zerſtückelung des franzöſiſchen Vaterlandes erhob, mit
zwei Jahren Gefänguis büßen mußte. Hoch lebe das


Arheit und des Friedens! Mußerdem ließ die Liller
Sektion der ſozialiſtiſchen Partei den Dankesbrief affi-
hieren. den der franzöſiſche Konſul in Wien, Lefebre,
namen8 Dder franzöſiſchen Patrioten 1871 an Bebel
und Liebknecht gerichtet hatte.


die Ailler Bevölkerung wurde fofort von der Stadt-
bevölferung in feindfeligem Sinne beantwortet. Das
Nationalgefühl des Volkes regte ſich gegen den
Beſuch der Singex, Bebel und Liebknecht, denen ſich
Auch noch der Jude Adler aus Wien zugeſellt hatte.


bahen, daß Juden als Vertreter deutſcher Arbeiter
_ entjandt worden ſind, denn gerade die Arbeiterſchaft


_ nämlich den Weg, bereit, ſie der Lynchjuſtiz zu über-

antworten. Dazu kam es allerdings nicht. Singer
und Genoſſen, die immer ſo große Worte im Munde
führen, zogen es vor, ihre Haut nicht zu Markte zu


in das Stadthaus, wo die gleichgefinnten, über die
vatexländiſchen „Vorurteile“ erhabenen Genoſſen ſie
emyfingen und mit Sekt begoſſen, und wo Bebel und
Liebfnecht ſich ihrer Verdienſte um die franzoͤſiſche
Natien und ihrer Proteſte gegen die Einverleibung
von Elſaß Lothringen rühmten: auch eine Illuſtration


im Reichstage als polternder Sittenrichter ſo laut ent-
rüſtete. Und heimlich, im Dunkel der Naͤcht, ſtahlen
ſich die mannhaften Volksbeherrſcher wieder hinweg von
dem Feſtgelage, um der ihrer harrenden empörten Maſſe


ſteig geſehen. Das Publikum pfiff ſie aus und rief:
„Nieder mit den Preußen! Nieder mit den Sauer-
krautfreſſern! Hoch lebe Frankreich!!

Auch nach der Abreife der deutſchen Sozialdemo-
kraten wiederholten ſich die Unruhen in Lille. Während
die Schlußſitzung des Kongreſſes im Theater ſtattfand,
ſtanden 5000 Menſchen vor dem Theater, pfeifend und
ſchreiend: „Es lebe Frankreich!
land! Andere Rufer verlangten den Rücktritt dẽr
ſozialiſtiſchen Gemeindevertretunß. Zugleich durchzogen
zahlreiche Banden die anderen Teile der Stadt, die
Warſeillaiſe ſingend und die Sozialiſten beſchimpfend.
Die Menge, mit Steigen und bleigefüllten Stöcken be-
waffnet, brach in die Redaktionsbureaus der fozialiftifchen
„Reveil du Nord ein, zerſchlug die Fenſterſcheiben, die
Thüren und Möbel. Die Redakteure des „Reveil“
antworteten mit Revolverſchüſſen. Ebenſo brach die
Venge in die Wohnungen des Maires und des erſten
Gemeinde Adjunkten ein. Eine andere Bande drang
in das Café des Voyageurs, das die ausländiſchen


ſcheiben und das Mobiliar. Andererfeits ſtürniten
ſozialiſtiſche Manifeſtanten in die Cafés und prügelten
die Gäſte. ;

Die den Herren Singer und Genoſſen in Lille
erteilte Lehre war bitier, aber wohl verdient. Was




den ſozialdemokratiſchen Fuͤhrern die vorgeſchritteneren
Sozialiften, die deutſchen Anarchiſten, von Zuͤrich aus
zurufen, ein großſprecheriſches, aber feiges Geſchlecht
z3u ſein, das nur der deutſchen Indolenz wohlfeile
Triumphe verdankt, erhält durch die Kundgebungen in
Lille wieder neues Licht. — Sehr richtig bemerkt die
Stb.⸗Ztg.“: !

Satire auf das Schlaͤgwort „Proletarier aller
Länder vexeinigt Euch!, ſie ſind gleichzeitig aber
auch eine ſehr deutliche Antwort auf die jammervolle
Haltung, die die ſozialdemokratiſche Partei und Preſſe
während des Jubeljahres eingenommen hat. Für eine
Sorte von Menſchen. die ihr Vaterland in diefer Weife
verleugnet, hat auch die franzoͤſiſche Arbeiterſchaft in
ihrer großen Mehrheit nur Verachtung. Das ift unferes
44 die richtige Erklärung für die Kundgebungen
in Lille. *

— Die „Deutſchgeſtunung · in Jaden · Laden.


14. Juli zur Verherrlichung des franzöſiſchen National-
feſtes veranftaltet zu haben. Auch das, Bad. Tagbl.“
fommt der franzoſenfreundlichen Geſellſchaft jetzt zu
Hilfe, betont in einem langen Artikel, daß die Bürger-


ſich um rätſelhafte Mißdeutungen handle. Wir mürden
ja herzlich gerne dieſen Beteuerungen Glauben ſchenken;


ſchrift, die wir von übrigens fehr geſchaͤtzter Seite er-
halten, köanen uns vor gewiffen Thatfachen die Augen


hinſichtlich des Umſtandes, daß von der Kurdirektion
die Abhaltung des Sedanfeſtes unterlaffen wurde:
Wie könnte man in den Tagen der internationalen


feier vor dem Konverſationshaufe zu veraͤnſtalten und
die Franzoſen, die man zu den Rennen eingeladen hat,
oͤffentlich und geflifſentlich zu beleidigen.“ Wir be-
dauern, auf dieſe Darlegung nicht eingehen zu können,
denn wir fragen: Iſt es denn notwendig — oder nicht


daß die Rennen gerade am Sedantage ſtattfinden?
Und geſetzt, dies ließe ſich nicht ändern: welcher Deutſche
würde, wenn er an einem franzöſiſchen Nationalfeier-
tage in franzöſiſchen Landen einem Sportfeſte beiwohnte,
den Franzoſen verübeln daß ſie ihren nationalen
Pflichten nachkommen?! Die franzöſiſchen Gäſte von
Baden⸗Baden mögen freilich nicht ſo vorurteilsfrei
denken; auf ihre Vorurteile Rückſicht nehmen, heißt


ländiſche Geſinnung ſtellen! Da erſcheint uns ein-
leuchtender, was ein anderer Freund unſeres Blattes
uns aus Baden-Baden zu dem Verteidigungsartikel
des „Badener Tagblatts“ ſchreibt; nämlich: „Die Be-
hauptungen von „deutſchgeſinnter Bürgerſchaft“, „natio-
nalem Gemeinſinn! u. dergl. m. wird wohl kein Menſch
ernſt nehmen, um ſo weniger, da gleichzeitig der „durch-


jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit betont
wird. Mag es nun übrigens beabſichtigt geweſen ſein,
den Franzofen mit dem Tanzfeſt am Vorabend ihres
Nationalfeſtes eine ſtille Huldigung zu bereiten oder
nicht, ſo liegt doch gar nichts räͤtſelhaftes darin,
daß man anderwärts auf den Gedanken einer ſolchen
Möglichkeit kam. Wer die Bürgerſchaft von Baden-
Baden kennt, weiß ganz genau, daß ihrer viele ganz
oyne Scheu die Zeiten zurückwünſchen, in denen reiche


von Lebedamen hier den Ton angaben. Und wemnn
man zur Rennzeit lieſt, mit welchem Entzücken hier
die franzöfiſchen Rennpferde und neuerdings deren
Beſitzer begrüßt werden, dann ſoll man noch an die
Nöglichkeit einer ganz geheimen Deutſchgeſinnung
glauben! Baden hat aus lauter Patriotismus nicht
einmal ein Kriegerdenkmal zuſtande gebracht. Und wie
man den 2. September 1895 im Rennſtrudel unter-
gehen ließ, das beweiſt mehr, als alle ſchwülſtigen Be-
teuerungen. Aber die Badener wiſſen ganz gut, was
ſie dem Fremden ſchuldig ſind und was ſie ihren Lands-
leuten bieten dürfen. Von allen dort verkehrenden
Fremden ſind etwa 75 v. H. Deutſche. Bei dieſem
Verhältnis wird es auch bleiben, wenn in Baden die



Deutſchverleugnung noch weiter getrieben werden ſollte.





7. LTahrgang.

Man braucht einen Boykott durch die Landsleute —
auch nicht durch die nordiſchen keineswegs zu fürchten,
und darum wird es auch mit deutſcher Geſinnungs-
tuͤchtigkeit in Baden nicht beſſer werden, eher ſchlechter.
„Ammer luſchtick⸗⸗ ſagte Jerome zu Kaſſel. (Oder?

ein Hundsfott iſt das
deshalb gehen auch
Reichstags⸗ Abgeord-
des Reichstags; Dr.
Lenzmann, Lorenzen,

— „Der Deutſche iſt

die „deutſchen“ und freiſinnigen
neten Schmidt (1. Vizepräſident
Barth, Bränel, Dr. Hermes,


nach Ofen-Peſt. Hoffentlich bekommen ſie das ſchöne
Lied guch zu hören. Ltur ſchade, daß fie nicht ſchon
dort ſind, ſie hätten dann zufammen mit den Wiener
Iberalen Semeinderäten, die jüngft die ungarifche
Hauptftadt „beehrten“, über den böfen Antifemitismus

S Das Geſetz gegen den untauteren Wettbewerb, _


iſt, hat auch in Berlin ſeine Früchte getragen. Es


einigung gebildet, die es ſich zur Aufgaͤbe gemacht hat, -
jedes unlautere Gebahren im gefchäftlichen Betriebe
ev. durch Hülfe der Gerichte abzuſtellen. Die Ver-
einigung wird geleitet von dem Obermeiſter der Tiſchler-
Innung, Herrn Marſchall, und befteht vorläufig
aus den Innungen der Drechsler, Schneider Schuh-
macher, Tapezierer und Tiſchler und dem Verein
Berliner Möbelhändler. Die Schuhmacher-Innung


d. M. 3 jüdiſche Geſchaͤfte hezeichnet, die unlautere Re.


d in Falle eine borläufige
Verfügung des Gerichts erwirkt, die die weitere Ver-
breitung der Zettel ſofort verbot. Wenn die Ver-


fqut ſie auf geſchäftlichtlichem Gebiete ſehr ſegensreich
wirken. — *
— Zenſationelle Zerhaftung in Ofßtafrika,

Mehrere Blätter teilen mit, daß die Verhaftung
eines Beamten der Ddeutfch-oftafrikanifchen
Plantagengeſellſchaft, Fr. Schröder, ſtattge-


ſchon ſeit 14 Tagen bekannt. Schröder war früher
in Sumatra thätig, verließ aber das Land plöhlich
weil er, wie man ſagt, die Arbeiter zu hart anfaßte,


genannten Geſellſchaft, Anſtellung. Schroͤder geriet
ſchen mit dem Gousernement in Konflikt, als diefem -
noch Frhr. v. Soden vorſtand, und verließ damals
Oſtafrika auf kurze Zeit, um ſeiner bevorſteheuͤden Aus-
weiſung aus dem Wege zu gehen. Auch damals
handelte es ſich um Mißhandlungen. — Der „Lokal-
anzeiger“ erfährt, daß die Verhaͤftung erfolgte, weil


habe, und ferner ein junges Negermädchen ver-
gewaltigt haben ſoll. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ er-
klärt, daß Schröder niemals Beamter der Koͤlonial-
Verwaltung geweſen iſt. —

Eezialdemoßratiſche Aunexionsvorſchlage.
Das in Braunfchweig erſcheinende ſozialdemokraͤtiſche


Annexion des Herzogtums durch Preußen, „gleichviel
in welcher Form?, ein. Das kleinẽ Staatswefjen
Braunſchweig, rings umſchloſſen von dem großen
mächtigen Preußen, befinde ſich in einem Zuͤſtauͤde
wirtſchaftlicher Blutarmut, der nur in einem politiſchen
Aufgehen in dem größeren Staat die einzige Rettung
erblicken laſſe. Heute ſei Braunſchweig laͤngſt Leine
moderne Induſtrieſtadt, keine Handelsſtaͤdt mehr. In
dieſex rückläufigen wirtſchaftlichen Bewegung erblickt


ſozialdemokratiſche Bewegung, in dem Aufgehen Braun-
ſchweigs in Preußen aber einen politiſchen Vorteil in-
jofern, als jeder Zuwachs, den die Krone Preußen
in nichtpreußiſchen Gebieten erfahre, eine weitere
„Schwächung des oſtelbiſchen Partikularismus bedeute.
An Braunſchweig würde ſich jede weitere Sonderbunds-
politik wirtſchaftlich ſchwer rächen. Die wirtſchaftlichen
Intereſſen würden ihre zwingende Gewalt auͤch in der
braunſchweigiſchen Thronfolgefrage erweiſen. *

; * Sozialßdemokratifder Hoßuspokus. Wie wir
ſchon an anderer Stelle berichten, ſind die Herren
Singer und Genoſſen über Frankreich zum inter-
nationalen Sozialiſten Kongreß nach London gereiſt.
Derſelbe begann Sonntag mit einer großen „Friedens-
 
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