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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 121 - No. 130 (27. Oktober - 18. November)
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Der Sadiſche volusbote · er-
ſcheint dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung:
Beidelberg, Hauptflraße 25.
Telegramm⸗Adreſſe:
: Yolksbote Heidelberg.






— Preis vierteljahrlich _
durch den Briefträger frei in’8
ſchalter oder durch unſere Boten

in Heidelberg 1 M., von ungerer
Erpedition abgeholt 80 Pig.



* { eis:
— — 10 Big, _ AaA
Heidelberg, Ereitag, den 13. Nonember 1896.

/ 128.



7, Zahrgana.-



Ver Keichstag

iſt am Dlenstag, 10. November, nach lang'r Pauſe wieder
zufammengetreten. Am Bundesratstiſche befanden ſich die
Minißer von Bötticher, Schönftedt und von
Goßler. Der Präſtdent, Herr von Buol eröffnete die
Sigung mit folgenden Worten: „Meine Huren!
Wüderum zur Leitung Ihrer Vahaͤndlungen berufen, habe
ich die Ehre, Sie hiermit zu begruͤßen. Ich hoff', daß
Sie alle geſtaͤrkt und gckäft'gt zuruͤckzekehrt ſind und daß
Sie demnaͤchſt noch zahlreicher erſcheinen werden. Wenn
nicht aller Schein trügt, werden cuch diesmal unſere
Kraͤfte in nachhaltiger Weiſe in Anſpruch genommen
werden.“ *
Nachdem das Haus das Andenken der ſeit de
lietzten Sitzunz verſtorberen Abgeordneten Wieſike und


Auf der Tagesocdnung ſtand der

des Gerichteverfaſſunge⸗Geſetzes und der Strafprozeß-
ordnung. * 7*
Zuerſt begann die Sozialdemokratie durch den Mund
ddes niemals unter einer Stunde redendey Abg. Stadt-
hagen ihr altes Spiel, mit ehrlichem Geſicht und herz-
licem Ton den Schein ernſter Riformarbeit hervorzurufen:
den Richtern ſoll die Annahme von Orden und Titeln
verboten merden, Staateanwälte und chemalige Ber-
und aͤhnliche, in der Kommiſſion längſt totgeſchlagenen
Antraͤge werden nach ſchlagender Entgegnung des Juſttz-
miniſters Schoͤnſtedt abgelehnt. Ein konſervativ-
nattonalliberaler Antraa zu Gunſten ber aushilftweiſen
Verwendung von Aſſ ſſeren als Sirafkammerrichter
ſcheiterte freilich gleichfalls. Die wichtigen und mit der
Sirafprozeßordnung zuſammenhaͤngenden Paragraphen ver-
ſchob man auf ſpaͤter, und nachdem men kaum ſich den
Beſtimmungen uͤber die Strafkammern zugewandt huͤtte,


Der Gefetzentwurk iſt v. a. dazu beſtimmt, dle Ent-
ſchaͤdigung unſchuldig Vrrurteilter und die Berufung gegen


lagen duͤrfte wohl nur noch der Etat für 1897/98 er-
ſcheinen. An und für ſich wird dieſer wohl kaum viel
Gelegenheit zu wiſentlichen Erörterungen geben. Lediglich
der Etat der Marineverwaltung wird aug diesmal Neu-


tegung jeitens der der Marint-Entwicklung feindlichen
Parteien ſich zeigen wird. Aber man wird, wie dies
ſchon ſeit Jahren Gtwehnheit geworden, einzelne Etatz-
poſttionen benutzen, um über Vorkommniſſe der letzten
Beit ſich ir auegiebigſter Weiſe zu unterhalten. Es iſt
ſogar nicht unwaͤhrſcheinlich, daß diesmal ſchon bei der
Gineraldekatte die allgemeine politiſche Lage mehr als
ſonſt zur Etörterung gezogen werden wird.


genannten Vorlagen genuz zu thun haben. Inzwiſchen
werden ihm wohl einige der anderen in Ausſicht ze-
nommenen Entwuͤrfe zugeſtellt ſein. Dezu gehoͤrt in
ſter Reihe die Militaͤr⸗Strafprozeßordnung. Sie Vezt
gegenwäͤrtig dem Bundesrate zur Beratung vor. Man
nimmt an, daß ihr Inhalt veroͤffentlicht werden wird,
ſobald ſich unter den Einzel Regierungen vollſtaͤndige Uebei-
einſtimmung uͤber alle darin eir zuſchlagenden Wege zeigt.
Wie weit die Meldung begruͤndet iſt, iſt ſchwer zu er-
tennen. Jidenfalls iſt, fobald die Uebereinſtimmung der
Regierungen vorhanden iſt, nichts im Wege, die Vorlage
an den RMeichstag zu biingen und ſte damit der Oeffent-
lichleit zu übergeben. Man wird abwarten muͤſſen, wie
ſich ihr Inhalt ſchließlich geſtaltet hat, um erkennen zu
toͤnnen, ob ſie den berechtigten, modernen Anſchauungen
von einem geordneten Gerichteverfahren entſpricht oder nicht.
Neben der Militaͤrſtrafprozeßordnung ſind in ver-
haͤlinismaͤßig kurzer Zeit die Novelle zur Ynvaliditäts-
und Altersverfiherung ſowie das neue Handelsgeſetzkuch
beim Reichstage zu etwarten. Beide koͤnnen im Bundes-
rate große Schwierigkeiten im allgemeinen zicht verurſachex,
wenn auch nicht verlannt werden ſoll, daß bei der Novelle
die Frage der anderen Vateilung der Rentenlaſt je nach
dem finanziellen Stande der Verſicherungsanſtalten der
Einzeiſtuaten ſich wohl eine verſchiedene Anſchauung bei
den Einzelreglerungen ausgebildet haben könnte, Aher
die Schwierigkeit für dlefe Vorlage liegt weniger im
Bundesrat ais im Reichstage. Das neue Handelsgeſetz
duch iſt im Reiche⸗Juſtizamie noch nicht ganz fertiggeftelt,




weil die Einſendung der Gutachten der Sachverſtaͤndigen
erſt vor kurzer Zeit ihren Abſchluß erhalten hat.
jedoch einmal unter Mitwirkung der Einzelregierungen
von der Reichsverwaltung das neue Handelegeſetzbuch auf
geſtellt iſt, ſo wird es ſich im Bundesrate recht ſchnell
erlebi en loſſen. Daſſelbe läßt ſich von der beim letzteren
bereits befindlichen Handwerker-Organiſations-Vorlage
nicht behaupten. Von offtzioͤſer Seite wird nämlich ver-
breitet, daß hier eine ganze Anzahl von Schwierigkeiten
im Bundecrate vorlägen, und ſelbſt wenn dieſe ſich noch
in dieſem Winter befeitigen lichen, ſo wäre es doch jetzt


weiteres tine Mehrhelt für die Vorlage in jeder Geſtalt
wuͤrde bilden leſſen! Wir fuͤrchten, daß man an gewiſſer
Stelle wieberum der Löſung dieſer wichtigen Frage
Hinderniſſe in den Weg zu legen ſucht.









Der Kampf gegen Biswmark, —

Unter dieſer Spitzmarke fuͤhren die, Hamb. Nachrichten“
neuerdings aus, alle Kaͤmpfe ſeit 1862 blieben an


Die Gegner bilditen weniger das Volk, als die Preſſe.
Aus der fruͤher liberalen wurde die ſoziale, fortſchrittliche,
klerlkale und offiz öſe Demokratle. Der Haß entſtand
hauptſaͤchlich durh die Fuͤhrung der letzteren in der


des offizlöſen Einfluſſes wenig Aufregung bemerkbar; ebenſo
Die Drei-
Kaiſer-Bezegnung in den Jahren 1872 und 1884 paßten
England nicht, und wenn das daruͤber gebildete Abkommen
Rußland Neutraltät verhieß, ſo war die Beſeitigung des
Abkommens die Aufgabe der Leiter der engliſchen Polttik,


lands und Frankreichs gegenuber zugunſtea Deutſchlands
außern. Bei etwaigen Händein zwiſchen England und


Haltung ihre Wichtigkeit. Ein anderer als ein engliſcher


vor, namentlich keiner ſeitens Oeſterreich, das ſich ſicherlich
erſt mit Deutſchland beſprochen haͤtte. Eine ſehr ſchwer-
wiegende Veröffentlichang liege in den Angaben, daß auf
die Bribehaltung der Friedensgarantie nach 1890 ver-
zichtet wurde. Das Abkommen mußte von allen drei
Kaiſern gebilligt wer en. Fuͤr ſeinen Abbruch, wenn
es bis 1890 beſtanden, iſt die Ftage von Intereſſe,
wann England Kenntnis von ſeiner Exiſtenz erhielt. —

Auslaſſungen wieder dazıt mißbraucht worden, um
Biamarck zu verdächtigen, als ob ſein Angriff gegen den
Kaiſer perſönlich gerichtet ſei.
maßgebenden Kreiſen daruͤber ganz anders denkt, das
erhelit aus felgendem Vorkommnis, das mir der „Stb.
Ztg.“ entnehmen. Dieſelbe ſchreibt: 2
Es fiel bei der letzten, vor einigen Tagen von
der Colonial⸗Geſellſchaft, Abteilung Berlin, veran-
ſtalteten Feſtlichkeit auf das angenehmſte auf, daß
Her zog Zohann Albrecht von Mecklenburg
ein begeiſtertes und mit Jubel aufgenommenes Hoch auf
den Fürſten Bismarck ausbrachte, als „auf den
Mann, auf den ſich tretz aller Anfeindung die Liebe
und Begeiſterung des ganzen deutſchen Volkes vereinige'.
Dieſer Toaſt iſt, wie die „Belpz. N. Nachr.“ be-
richten, um ſo bemerkenswerter, als der Herzog bekanntlich
bei Katifer Wilhelm persona gratissima


erfreut. —

Auch die Auslaſſungen der „Bank- und Handels-
Beitung“ ſind bekanntlich auf Bismarck zuruͤckgefuͤhrt
worden Nunmehr bringt dieſelbe unter der Ueberſchrift
„Der Zweck der Enthuͤllungen“ einen Leitartikel, der ſich
gegen die Annahme wendet, ihr Artikel ſei aus
Friedricheruh inſpiriert geweſen. Die Hauptſtelle lautet:

„Der Chefredakteur dieſes Blattes iſt wohl am
1. April 1896 als Gratulant in Frledrichsruh geweſen,
wie allfaͤhrlich an dieſem Tage, aber ſeitdem nicht
wieder, hat auch ſeitdem mit keinem Mitgliede des
Hauſes Bismarck oder ſeiner Umgebung, ſondern aus
Rußland von einer Seite, die über die einſchlaͤgigen
Vorgaͤnge genau unterrichtet ſein muß und die wir —
unbeſchadet allen Reſpekts vor dem Reichkanzeiger —

fuͤr zuverlaͤſſtg zu halten Urſache haben.“

Zum Schluß wollen wir noch Notiz nehmen von
einer weiteren Aufklärung, die unſer Freund Katz, der
jaͤdiſche Leiter der amtlicHen „Karlöruher Zeitung“,
zu geben ſich gezwungen ſieht. In einem Artikel, worin







reichskanzler rein zu waſchen ſucht, ſchreibt er: „Daß
uniere Artilel . .. . weder einen amtlichen noch halb-


dieſer Stelle hervorgehoben?. — Wie wir vor einigen
Tagen ſagten, wird vom Publikum und zwar mit Recht,


offiziellen Regterungsorgans es nicht wagen
wärde, einen hochpolltiſchen Artikel zu veröffentlichen,


Kreiſe verſichert hat. Daß der eingewanderte ſemitiſche
Herr Katz dies nicht fuͤr noͤtig gehalten hat, beweiſt, daß


Gefuͤhlen mehr mit denen der Badiſchen Regierung Kber= —
einſtimmt. * * 4
Zu dieſer Ueberzeugung ſcheint man allmaͤhlich auch


der Heidelberger Amtsverkuͤndiger „aus unanfechtbarer


Dienſtartritt des Miniſters von Bauer Herr J. Katz


ſei und dort eine ſcharfe R üge erhalten habe.
— Den Viemarckhehern! Anlaͤßlich der ſchamloſen


den Fuͤrſten Bismarck beteieben wird, ſowohl weil er einen
Neufralitaͤtt vertrag mit Rußland uͤberhaupt abgeſchloſſen,
als auch weil er ihn jetzt veroͤffentlicht hat, iſt es gut,


Reichstagkabgeordneten Schoͤnlank weiteren Kreiſen belannt


that: „Der wunde Punkt der Demokratie iſt die aus-


Politik zuwerdet. Dies gilt noch mehr für die Sozial-


ſozialdemokratiſche Preſſe zeigt in ſolchen Dingen manchmal
eine Unwiſſenheit, wie ſie nur bei Chineſen zu finden
ſein ſollte.“ Die demokratiſchen und ſozialiſtiſchen
Tintenjuden haben mit ihrem Geſchreibſel gegen den


im hellſten Lichte gezeigt.

— Der Untergang der Bauern. Nach dem
Geſchaͤftsbericht der Ludwigshafener Walzenmuͤhle befigt
diefe eine Vermahlungsfähigkeit von taͤzlich 1000 Sack
Roggen und 1200 Sack Weizen; ihr Bedarf an letzterer
Fruchtgattung wird aber durch Vergrößerung ſich auf
1700 Sad feigern, fo daß ſie jahrlich 1 684 000 Zentner
Getreide zu vermahlen im Stande ſein wird, von dem
aber nur ein verſchwindender Teil deutſches Bodenerzeugnis

faͤllig Recht gegeben und ihre „chineſiſche Unwiſſenheit?


muͤhlen für die deutſche Landwirtſchaft liegt. In Flank-
furt a. M. ſoll eine gleich große Gruͤndung im Werke
ſein, in Berlin wird eine gewaltige Dampfmuͤhle fuͤr
Weizenvermahlung neu gebaut, und nun verlantet gar


burg' ſoeben der eiſte Spatenſtich fuͤr eine von der
Firma Georg Plange in Soeſt zu errichtende „Riefenz
muͤhle? geſchehen iſt, deren taͤgliche Leiſtung weit uͤber
2000 Sack zleich 20 Doppelzentner Getreide veranſchlagt
wird. Gegenuͤber dieſen Unternehmungen des Sroß-
kapitalismus, bemerkt dazu die „N. Baht. Landesztg.?,
wollen unſere politiſchen und vollswirtſchaftlichen Quack-
ſalber mit Pamperl Unternchmungen von Lagerhaͤuſern,


Alle dieſe kleinen Mittel ſind fuͤr die Katz, mit ihnen
wird blos der Todeskampf des Bauernſtand s um einige
Zeit verlaͤugert und das Landvolk von einem noch recht-


Wie die Dinge liegen, koͤnnen der Landwiriſchaft nur
mehr große Mittel helfen, zu dieſen gehoͤrt der ausgiebige
Schutz gegen fremde Einfuhr, die zeitweilige Schliehung
der Grenze, ein anderes Steuerſyſtem, die Abſchaffung
der Bodenzinſe, die Ablöſung der Hypotheken durch eine
Landesbant. Alles Andere iſt Kleinfram, falſcher Zauber,
ein tönend Erz urd eine klingende Schelle, wie der
Apoſtel Paulus geſagt hat. '
Die neue Bäckereiverordnung gab, mie wir
vorausgeſehen hatten, zu den allergrößten Mißſtaͤnden
namenllich auch in fittlicher Beziehung Anlaß und lcheint


zu arbeiten. Sind ihre Beſtimmungen dech ſo mannig-
 
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