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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 101 - No. 110 (10. September - 01. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0431

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2

— Der „Vadifche Yolksbote“ er-
ſſcheint dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung:

Heidelberg, ahuhof ſtraſie 9.




preis vierteljahrlich
durch den Briefträger frei ins
Haus gebracht Mk 1.25, am Poſt-
ſchalter oder durch unſere Boten










i Zolitiſcher Teil.

Zur Atuorganiſalion des Handwerks.

} Allenthalben im Reiche ſuchen die Liberalen und
beſonders die „Freiſinnigen“ durch „Proteſtverſamm-
lungen“, in denen allerdings meiſt Handwerker kaum


in beteiligten Kreiſen große Abneigung gegen die
Handwerkervorlage. Auch in Berlin wurde, wie dem


ſchlagzettel, Zeitungsannoneen und Verſchickung von
Einladungskarten zu einer „großen“ Proteſtverſammlung
durch den Verein Waldeck“ eingeladen. Trotz alledem
kamen nur ſehr allmählich etwa 100 Teilnehmer zu-
ſammen, davon reichlich die Hälfte Juden, Handwerker


zweifelnden Handwerksmann die Augen geöffnet. Reichs-
tagsabgeordneter Rektor Kopſch hielt einen Vortrag,
dder große Unkenntnis verriet; der als zweiter Redner

angekündigte Bäckerobermeiſter Gemeinhardt war über-
haupt nicht anweſend. Mehrere weitere Redner gaben
ſämtlich großen Notſtand im Handwerk zu, widerſprachen
ſich jedoch in ihren Zukunftsplänen ſo, daß es den an-
weſenden Gegenrednern, Obermeiſter Beutel, Gold-
ſchmiedemeiſter Fiſcher und Redakteur Böckler,


darzulegen. Als man zum Schluß durch eine Reſo-


und
organiſation! — — Auch in Mannheim fand vor
wenigen Tagen, am 18. September, eine Verſammlung
ſtatt, in der ebenfalls eine Reſolution gegen die Hand-
werkervorlage gefaßt wurde. Dieſelbe war vom dortigen
Gewerbe⸗ und Induſtrieverein einberufen und von kaum
70 Perſonen beſucht. Es war eine ziemlich gemiſchte
Geſellſchaft, die da zum Worte kam.
ein Nationalliberaler, Hauptredner ein Lehrer, und das


oͤſterreichiſcher Jude. Ueber die „großartige“ Proteſt-
verſammlung . in Neuſtadt a. d. H. haben wir ſchon
ausführlich berichtet. Wie lächerlich nehmen ſich alle
dieſe Jerſammlungen der Innungsgegner gegenüber den
impoſanten Kundgebungen aus, in Geſtalt des Süd-
weſtdeutſchen Handwerkertages in Heidelberg, der
von vielen hundert Perſonen, wirklichen Handwerkern
beſucht war! Wie mächtig war ferner der Eindruck,
den die Handwerkerkonferenz in Berlin hervorrief. Am
20. September trat ferner unter gleichfalls außer-
ordentlich zahlreicher Beteiligung der XIII.
Allgemeine Bayeriſche Handwerkertag in Bad
Aibling zuſammen, welcher einſtimmig eine Reſo-
lution zu Gunſten der Zwangsinnung annahm, die
folgendermaßen {chloß: — *


der bayeriſchen Gewerbepereine erfolgten abfälligen Urteile
— über die geplante Organiſation ſprichl der bayerifche Hand-
werkertag denſelben das Recht ab, ſich als Vertreter des

andwerkerſtandes zu gerieren, ſo lange ihre Leitung

ännern anvertraut iſt, die mit der Intereſſenſphäre des
Handwerks nichts gemein haben. Der Handiverkertag
fordert die Mitglieder dieſer Vereine auf, dem
Münchens zu folgen und an die Spitze Gewerbetrei
zu ſtellen; er gelobt in dieſem Falle mit ihnen Schulter
an Schulter zu ſtehen Er erwaͤrtet von den bayexiſchen
Handwerkzmeiſtern daß ſie mit allex Entſchiedenheit in
die Durchführung der Organiſation eintreten und ſo ihre
thatkräftige Mitwirkung zur Herheiführung heſſerer Zu-
ſtände für das deutſche Handwerk bethätigen.“

Man ſollte nun meinen, daß ſolche ſchmerwiegende

Kundgebungen, wie ſie ganz beſonders in Süddeutſch-
land für die Zwangsorganiſation ſtattgefunden haben,
und gegen die die ſogenannten Handwerkerſammlungen
der Innungsgegner ſich wie läppiſche Kindereien aus-
_ nehmen, die ſüddeutſchen Regierungen veranlaſſen werden,
ſich der überwältigenden Mehrheit, der Innungsfreunde,
thatkräftig anzunehmen. Das ſcheint jedoch wenigſtens
in Baden, wo das nationalliberale Element den
Ausſchlag giebt, nicht der Fall zu ſein. Das Re-
gierungsblatt nämlich, die „Karlsr. Ztg.“, bringt vom
25. September einen Leitartikel, der mit folgenden
Söätzen ſchließt:
; „Daß aber gerade in Süddeutſchland der Widerſtand

gegen den beim Handwerk einzuführenden Zwang ſo wäch-
tig (?)) nach Geltung ringt, iſt nur die e Folge










es wird wohl nicht perkannt werden dürfen, daß ſich gegen-
über dieſer geſchichtlich gewordenen Geſtaltung die Vor-
ſchläge des Entwurfs, ſo gut ſie gemeint ſind und ſo vor-
teilhaft ſie vielleicht unter anders gearteten Verhält-
niſſen wirken könnten naturgemäß nur ſchwer Eingang
verſchaffen können Daß dieſer hiſtoriſche Werdeprozeß im


wirkung der Regierungen bei allen für deſſen Gedeihen


daß ſich infolge deſſen das Gewerbe im Süden Deutſch-
lands in verhaͤltnismäßig günftigem (???) Stande befin-
det, kann den Kenner unſexer Zuſtände nicht üherraſchen

Die Handwerksmeiſter in Baden würden gut


rung dem Reichstage gemaͤchten Vorlage kräftig ein-
zutreten. 8 * *



Fürchterliche Meldungen ſind in jüngſter Zeit über
die Zuſtände im Kongoſtaat eingelaufen; wenn man
nicht ſchon an Grauſamkeiten anderer — leider auch


worden wäre, würde man ſolche Beſtialitäten, wie ſie
den belgiſchen Offizieren am Kongo naͤcherzählt werden,
für böswillig erfunden halten. So aber muß man das
Unglaubliche ſchon für glaublich erachten, zumal ſich


Die erſten Futhullungen veröffentlichte der frühere


keiten.

handelt, ſondern auch verſtümmelt haben.
dem gegenüber ein

Dementi. Wie nun aber aus Brüſſel berichtet wird,


von einer umfangreichen Korreſpondenz zu nehmen,


welche geeignet ſei, dem Dementi der Kongoregierung
gegen die von Parminter gemachten Enthüllungen die
Spitze abzubrechen. Parminter widerlegt zuerſt die von
einigen Kongoblättern gegen ihn erhobenen Anklagen,
er habe ſich beim Baden mit Negerkindern umgeben,
um nicht ſelbſt von den Krokodilen aufgefreſſen zu
werden, und fährt fort, die belgiſchen Offiziere zu be-
ſchuldigen, den Negern die Hände und Ohren und den


betreffende Dementi der Kongoregierung bedeute gar
nichts, insbeſondere nicht die Behauptung, die Unſchuld
des belgiſchen Ofſiziers de Keyſer ſei erwieſen
worden. In dem dem „Soir“ zugeſandten Akten-
material befinde ſich vielmehr ein Brief des Kongo-


den Kongobehörden durch Drohungen und Einſchüchter-
ungen zur Zurückhaltung ſeiner Ausſagen gezwungen
worden zu ſein.

Offiziere während einer Expedition zu Schulden kommen
ließen und fügt hinzu, er werde bald Gelegenheit be-
kommen, ſeine Enthüllungen in der belgiſchen Preſſe
zu veröffentlichen.
Ein weiterer und zwar ſicher unverfänglicher


von der ſchwediſchen Baptiſtenmiſſion am Kongo er-
ſtanden, der als Augenzeuge folgendes berichtet:
„Sobald die Soldaten des Kongoſtaates zur Expedition
ausgeſchickt werden, um die Aufrührer eines Dorfes
zu Jüchtigen, ſo haben ſie den Befehl, die rechte
Hand jedes ihrer Opfer zurückzubringen, und
dieſe Hände werden, um die Verwefung bis zu dem
Tage, wo ſie dem Kommiſſar vorgelegt werden, zu
verhüten, geräuchert. Auf dieſe Weiſe überwacht die
Regierung die verbrannten Patronen. Es vergeht
kein Tag, an dem wir nicht Soldaten, Träger dieſer
entſetzlichen „Siegeszeichen“, vorüberziehen ſehen. Eines
Tages ſah ich einen Soldaten ankommen, gefolgt von
einem Weibe, dem man nur das Leben geſchenkt
hatte, um einen Korb mit Händen, den letzten
neberreſten ihrer Freunde, ihrer Eltern und
Kinder, zu tragen. Der Inhalt des Korbes wurde
auf dem Erdboden ausgebreitet zu Füßen des
Kommiſſars, und dieſer zaͤhlte 18. Es fehlte eine





Haud. Vuͤtend wandte ſich der Soldat zu dem armen
Geſchöpf um, das vor Furcht zitterte, und warf ihm
auf rohe Weiſe vor, daß es eine Hand unterwegs


Der Flaß treibt beſtändig der rechten
Hand beraubte Leichname. und man laͤuft Gefaͤhr,
überall ſolche an den Wegen, an den Flußufern anzu-
treffen. Ich hörte ſelbſt einen Gefreilen ſich rühmen,


räucherte Hände mitgebracht habe!“
BZu dieſen Kongogräueln teilt ferner die „Köln.

Ztg.“ mit: „Auch uns war ſeit längerer Zeit bekannt,

daß einzelne Offiziere im Rongoftaate unerhörte


$

geradezu als Raubmord bezeichnen laffen, E3 wurde
uns unter anderem mit Nennung des Naͤmens mit-


1308 Hände abſchlagen ließ. Wir enthielten uns


material zur Verfügung hatten und überzeugt waren,


ſo viel Mitwiſſenden bald erfoͤlgen würde.“ .
Nachträglich hat nunmehr auch die Kongo-Re-


Gewaltthätigkeiten, denen Eingeborene zum Opfer


zu veranlaſſen, um die materielle und moraliſche Lage


Ferner wurden die

erteilt ſind. Sie ſind ſehr beſtimmt und machen die
europäiſchen Agenten für jede ſchlechte Behandlung
verantwortlich, die von ihren Untergebenen den Ein-
geborenen zugefügt werden ſollte. Es wird ferner
ein neuer Inſpektor des Kongoſtaates ernannt mit
dem Auftrage, die Aufſicht im Gebiete des oberen
Kongo zu führen. Diefer hat insbeſondere den Auf-
trag, die Ausführung der oben erwähnten Vorſchriften
zu überwachen. Neue Beſtimmungen zu dem Straf-
geſetzbuch beſtrafen die Menſchenfreſſerei, die Ber-


verſuch. ; '
Dieſe Maßregeln ſind, vorausgeſetzt, daß ſie
durchgeführt werden, ſehr anerkennenswert. Sie ſind


Parminters gegen die Kongobeamten, wenn vielleicht
auch nicht in allen Einzelheiten, ſo doch im weſentlichen
begründet ſind. Es wäre wünſchenswert, daß durch
ein gemeinſames Vorgehen der übrigen Kolonialmächte
den Gräueln in dieſem Raubſtaate, oder richtiger
Räuber- und Mörderſtaate, endlich ein Ende gemacht
wird, denn es iſt eine unauslöſchliche Schande für die
geſamte abendländiſche Welt, wenn ſolche „Kulturs


ſind, auf die afrikaniſchen Völker wie die Bluthunde
Aber freilich, wie auf Samoa
und vor allen Dingen in der Türkei, ſo wird auch
hier die gegenſeitige Eiferſucht gewiſſer „chriſtlichen“
Großmächte keine geordneten Zuſtände eintreten laſſen.
Auch fürderhin wird höchſtwahrſcheinlich im Kongo-
44 weiter gebrandſchatzt, verſtümmelt und gemordet
werden.

— Zuürſt Bismark über die Währungsfrage.
Die „Hamburger Nachrichten“ veröffentlichen ein
Schreiben des Gouverneurs von Texas an den Fürſten
Bismarck über die Währungsfrage, worin derſelbe an-
fragt, welches nach Bismarcks Meinung die beſte Finanz-
politik der eiviliſirten Nationen ſei: Goldwährung
oder Bimetallismus, und aus welchem Grunde; ferner
welchen Einfluß würde nach Bismarcks Anſicht die un-
mittelbare Annahme der Doppelwährung durch die
Unionsſtaaten auf die Sache des Bimetallismus in
Deutſchland und den Handel der übrigen großen
eiviliſierten Völker haben. Bismarck antwortete darauf:
„Geehrter Herr! Ihr gefälliges Schreiben vom 1. Juli
habe ich erhalten. Ich habe ſtets Vorliebe für die
 
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