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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 121 - No. 130 (27. Oktober - 18. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0483

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Der „Badidhe Yolkabote“ er-
ſcheint dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung: *
Heidelberg, Bahuhofſtraße 9.
Telegramm⸗Adreſſe:
Yolksbote Heidelberg,
Anzeigeupreis:

— an
Die 5gefpaltene Petitzeile 10 Pfs.





Erpedition abgeholt 80 Pfg.
‚ Poß-Zeitungs-Preislifie



A 121,



. FYFolkitilchber Teil.
Indentaufen, *
Ein von uns kurz gemeldeter Vorgang in der
achten brandenburgiſchen Provinzialſynode, ſchreibt die
„Deutſche Ztg.", giebt Anlaß, den Wert der Juden-
taufen wiederum zu beleuchten. Der Synodale Knak
berichtete über die Thätigkeit der Geſellſchaft zur Be-
förderung des Ehriſtentums unter den Juden. Danach
begehrten im Jahre 1893 28 Juden die Taufe. Von
dieſen mußten 2 zurückgewieſen werden, weil ſie dafür
bezahlt (!) haben wollten, und nur 14 konnten getauft
werden. Im Jahre 1894 wurden von 22 Perſonen
‚10 abgewieſen, und unr 11 erhielten die Taufe. „An
drei Geſchwiſtern! — ſo heißt es wörtlich bei dieſer
Gelegenheit — „hat der Miſſtonsgeiſtliche bitteres Leid
erfahren, weil ſich erſt nach der Taufe unlautere Motipe
herausſtellten; die anderen haben ſich bewährt“ (9.
Im Jahre 1895 wurden von 25 Neuangemeldeten 8
zurückgewieſen, 4 im Laufe des Unterrichts wegen
Mangels an Ernſt entlaſſen und nur 11 getauft. Mithin
wurden insgeſamt während dreier Jahre von 80 Juden,
die ſich meldeten, nur 36 in die chriſtliche Gemeinde
aufgenommen. Den naheliegenden Argwohn, daß auch
von dieſen 36 Juden wahrſcheinlich kein einziger eine
ernſte Probe auf die Echtheit ſeiner chriſtlichen Ge-
ſinnnng aushalten würde, hat Paſtor Knak völlig unter-
drückt und dagegen ſeinen Bericht mit der zuverſicht-
lichen Behauptung geſchloſſen: „Die Judenfrage iſt
gelöſt, wenn die Juden und Ehriſten eins geworden
ſind in der Anbetung des dreieinigen Gottes und in
der Beugung vor Chriſto, dem alleinigen Mittler und
Hirten aller Menſchen“ Darauf brachte der Synodale
Dr. Heffter den vom „Vorwärts“ und dann auch von
uns mitgeteilten Fall zur Sprache, daß eine hieſige
jüdiſche Lehrerin, weil ſie als Jüdin keine Anſtellung
im Schuldienſt finden konnte, nach kurzer Zeit ein
Taufzeugnis vorlegte und darauf mit ihrer abermaligen
Bewerbung Erfolg hatte. Generaiſuperintendent Faber
bemerkte darauf, daß es Vorſchrift ſei, bei Judentaufen
die Genehmigung des Konſiſtoriums einzuholen, und
daß man dabei mit der größten Vorſicht verfahre. Von
dem erwähnten Falle der jüdiſchen Lehrerin ſei aber
dem Konſiſtorium nichts bekannt geworden. Er ſcheint
alſo beſtreiten zu wollen, daß dieſe Taufe thatſächlich
geſchehen iſt, und wir müſſen es zunächſt dem „Vor-
wärts überlaſſen, die Richtigkeit ſeiner Behauptung
nachzuweiſen. Daß durch die Interpellation des Herrn
Dr. Heffter Gelegenheit gegeben worden iſt, über dieſen
in mehr als einer Beziehung intereſſanten Vorfall
Klarheit zu ſchaffen, darf man jedenfalls für erfreulich
halten. Nicht bloß der innere Wert der chriſtlichen
Tauſe ſteht hierbei in Frage, ſondern auch der Wert
der miniſteriellen Vorſchrift, durch welchen das Ein-


dringen jüdiſcher Lehrkraͤfte n den Berliner Schul-
unterricht hinfort erſchwert werden ſoll. Wenn eine


zu umgehen, ſo könnten wir bald genug zum Schaden
den Spott erleben, daß die ſtrebſamen Jüdinnen ſich
mit Hilfe des Miniſters der geiſtlichen Angelegenheiten


und diefelbe Perſon iſt, luſtig machten.
Wir ſehen alſo von dem einſtweilen noch unauf-


richt des Herrn Paſtors Knak. Nicht um ſeiner ſelbſt
willen, denn nach ſeinem ſachlichen Inhalt iſt er ja
herzlich unbedeutend, ſondern weil es uns immer wieder
verdrießt, daß manchex evangeliſche Geiſtliche, der nach
ſeinem ſtarken Deutſchempfinden und nach ſeiner tief-
gewurzelten Ueberzeugung ein Helfer im Kampfe gegen
das Judentum ſein könnte, ſeine beſten Kräfte durch
die Rückſicht auf das Evangelium gelähmt ſieht. Wir
möchten behaupten, daß kein epangeliſcher Geiſtlicher
von geſundem Empfinden eine Judentaufe gern voll-
zieht, weil jeder mit dem Judentum hinlänglich Er-
fahrungen gemacht haben kann, um faſt ohne Ausnahme
jeden dieſer Juden im Verdachte zu haben, daß er nicht
aus Liebe zum Chriſtentum und nicht aus dem Drange
nach deſſen Heilswabrheiten, ſondern nur um eines
äußeren Vorteils willen ſich zur Taufe meldet. Der


Genüge, aber es giebt überdies in der ganzen Ge-


daß für keine Art von chriſtlicher Liebesthätigkeit ver-
hältnismäßig mehr und nutzloſeres Geld aufgewandt


Beobachtet nun der evangeliſche Geiſtliche, wie er durch
das Werk ſeiner Handauflegung dem jüdiſchen Schäd-
ling das Geſchäft an unſerem Volke erleichtert, wie er
ſelber die Wölfe mit dem Schafsfell bekleiden muß,


zugehen, wenn er nicht einen Widerwillen an der Pflicht
empfände, welche ihm das Gebot Chriſti „Gehet hin
in alle Welt und lehret alle Völker u. ſ. w.” auf-
erlegt. Und wir ſehen aus dieſer Not des Gewiſſens,
die wahrſcheinlich ſchon manchen evangeliſchen Geiſt-
lichen arg bedrängt haben wird, gar keinen andern
Ausweg, als daß jeder deutſchgeſinnte Geiſtliche die
Meldung jedes Juden nach ſeinem eigenen Gewiſſen
als bloßes Lippenbekenntnis zwar nicht grundſätzlich,
aber thatſächlich in jedem einzelnen Falle rundweg
ablehnt. Geſchieht das nicht, oder findet der Geiſt-
liche, der ſo verfährt, bei ſeinem Kirchenregiment keinen


zwiſchen Kirche und Volk immer mehr. Denn die


die religiöfe Auffaſſung der Judenfrage völlig aufs
gegeben, der Raſſenantiſemitismus iſt mehr und
mehr Ueberzeugung im Volke geworden, und von dieſem



7. Jahrgang.




Verſchleierung unſerer Judennot. Ueber die kindliche


ſeinen Amksbrüdern kaum irgendwo ernſthafte Meinungs-
verſchiedenheit entſtehen können.


füllt und geben trotz aller böſen Erfahrungen immer


Völker und namentlich die Juden mit unſerem eigenen
Darum iſt es vielleicht bei dieſem

verſtändlich es ſogar den an ihrer Religion feſt-


in der ſicheren Vorausſetzung, daß der




Judentums? vom 2. Oktober d. I.
cyniſcher Deutlichkeit ausgeſprochen.

mit geradezu
Du ſollſt den

felbſt folgendermaßen:


Koſtgaͤuer; es giebt ſogar O zweifellos Leute,


alten Bekenntnis, das ſie abgeſchworen haben, heimlich (!}


Sonderbar ſind die Irrgänge der menſchlichen Seele.
So mancher iſt vor dem öffentlichen Abſall
weniger Jude geweſen,

das Herz nichts weiß, erſt die Augen geöffnet über
den Wert der Heiligtümer, die er verlaſſen hat.


ſchwingen. Wenn wir vom Abfall reden, ſo können
wir es nicht verbergen, daß das Herz in tiefem
Weh erbebt, ob des Verluſtes, ob der Verlorenen.


vor der Welt (9 verleugnen.
bitterea Seelenſchmerz, wenn im Verein der neuen
Genoſſen Juden und Judentum geſchmäht wird,


ſie müſſen, um ſich nicht zu verraten, wider beſſeres
Wiſſen, ob ſie auch ihren Nächſten mitbeſchimpfen,
umſo lauter mit einſtimmen in den Chorus der



heodtlherger in Transvaal.
(Nachdruck verboten).
. (Schluß).

Die Landsleute aus Heidelberg hatten auf gemein-
ſchaftliche Rechnung 10 Acker (1 Acker — 40 Ar) Grund-
— fläche mit Reben der kaliforniſchen Hannepool- ſowie der
roten und weißen Muskateller Trauben bepflanzt und
produzierten einen Schillerwein, den ſie zu 8—10 Mk.
— pro Gallonne (= 6 Flaſchen) verkauften. Für ältere
— Sahraänae erhielten ſie 4—-5 Mk. pro Flaſche. Der
Wein war alkoholreich, aber „ſüffig“, leidex hatte er
einen leichten erdigen Beigeſchmack. Der Lagerraum
_ war in Auͤbetraͤcht des ſubtropiſchen Klimas oberirdiſch
und ſehr gut ventiliert. Die Bodenbeſtellung ver-
richteten in den Weinbergen wie in den übrigen
Kuituren Hottentotten, die täglich 3 Mk. Lohn er-
— bielten, die Heidelberger überwachten und leiteten nur
die Arbeit. 2
Da der ganze Betrieb ein genoſſenſchaftlicher war, ſo
— hatten die Landleute die einzelnen Obliegenheiten unter
ſich verteilt.
Auf den Hopfenbau ſetzten die Anſiedler ihre
größten Hoffnungen, denn ihm hatten ſie 350 Acker
gewidmet.
Aufänglich hatten ſie böſe Erfahrungen gemacht,
denn in dem jungfräulichen Urboden hatten die Hopfen-
pflanzen zwar eine Ueberfülle von Blätterwerk, aber



_ geringe Ernte hexvorgebracht. Z -
Auf Abhülfe finnend, hatten ſchließlich die




ſchiefer der Berglehnen vermengt und auf dieſem
künſtlichen Nährboden von der Pflaͤnze je drei Ranken
aufgezogen. Heute iſt die Hopfenernte reich an Lupulin,
hat aber ein etwas „wildes“ Aroma.


entſchieden der Obſtbau. 150 Acker ſind mit Orangen,


bäumen, ſowie mit Johannis-, Stachel-- Erd- und
Heidelbeerſträuchern bepflanzt, von dexen Früchten nur
die ſchönſten und dauerhafteſten als Tafelobſt verkauft
werden, während alle übrigen zu Gelees und Marme-
laden verarbeitet werden. Dieſe Conſerven ſind ſo
geſchätzt, daß man kaum die Nachfrage zu befriedigen
vermag.

Transvaal hat mir ſo recht draſtiſch gezeigt, was ver-
einte Kräfte zu erreichen vermögen in Fällen, wo der
Einzelne unterliegt. — —

Mit einbrechender Dämmerung kehrten die Hotten-


heitere Weiſen ſingend, zurück, und wir ſtatteten ihrem
Lagerplatze, wo ſie bei Speiſe und Trank in grotesken
Sprüngen das lodernde Feuer umtanzten, einen Beſuch
ab. Dann ging es zu Tiſch, wo Frau Sailer zu unſerer
Ehre ein feltenes Eſſen arrangiert hatte, deſſen her-
vorragendſtes Gericht eine geſpickte Springbockkeule
mit Rahmſauee und Pfirſichkompot bildete. Außerdem
gab es Sülz und Schweinerippchen mit Sauerkraut
‚al8 Erinnerung an die alte Heimat, bei deren Er-





deren ſie ſich in der neuen Heimat erfreueu, haben ſie
die alte niemals vergeſſen.

Aiis wir uns zur Heimfahrt rüſteten, kam ein
älterer Boer (Bauer) aus der Nachbarſchaft und bat,
nach Johannesburg mitfahren zu dürfen. Es war
ein hühnenhafter Geſelle mit weißen Haaren und
ſonnenverbranntem Geſicht, der einen Anzug von


eder trug und unverkennbar nach Genever roch. Er
wurde recht mitteilſam, ſchüttelte mir wiederholt die
Hand als Zeichen ſeiner perſönlichen Verehrung der
Deutſchen und vertraute mir, daß er die Engländer


giften oder verhungern zu laſſen. Bei unſerer Rück-
kehr ins Centralhotel ſetzte der Biedermann in dem
mit Engländern angefüllten Speiſeſaal die Erzählung
ſeiner Heldenthaten fort, nannte die Zahl der „Erb-
feinde“ die durch die Kugeln ſeiner nie fehlenden
Büchſe bei Majuba und Lang's Neck den Tod ge-
funden hätten. Befürchtend, daß der genußreiche Tag
mit einem Mißklang enden möchte, zog ich mich in
mein Zimmer zurück und dachte darüber nach, wie ein
zielbewußter genoſſenſchaftlicher Betrieb auch im deutſchen
Vaterlande die ſchreiende Not der Landwirte wenigſtens
ein wenig mildern könnte.
O. Kalt-Reuleaux.
 
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