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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (7): Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden — 1896

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No. 101 - No. 110 (10. September - 01. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42841#0407

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Der Sadirche Volks bote · er-
ſcheint dreimal wöchentlich.
Verlag und Leitung:
Heidelberg, Vahuhofſtraße 9.
Telegramm⸗Adreſſe: ,

: Yolksbote Heidelberg.












Anzeigeupreis: Poß-Zeitungs-Preislifte
Die 5gefpaltene Petitzeile 10 Pfg. . * Ar. IL
AIo2. Heidelberg, Samstag, den 12. gepteuiber 1896. — 7, Zahrgang.







Yolitifcber Teil.


r Eine gemeinperſtändliche Darſte lung
. über die ſchädlichen Wirkungen der Goldwaͤhrung von
— Pfarrer Reichel-Hundsfeld.
— 44
Die Folgen der Goldwährung ſind die, daß Silber, das
in den Bergwerken gewonnen wird, ungeprägt liegen
bleibt. Man hat mit anderen Worten eine künſtliche
Mißernte an Silbermünzen zu Stande gebracht, und
nun iſt der Wert des vorhandenen geprägien Geldes


noch einmal ſo viel Waren als früher. Man hat ſich
dem Mittelalter genähert, wo man einen Ochſen mit
6 Mark bezahlie, Die Preije des Getreides find
gefallen und gleichzeitig die Preiſe von 46 andern
Warengattungen.
Alle, die Geld haben und davon leben, alſo für Kapi-
taliſten, Kaufleute, Beamte, Rentner, Angeſtellte, Ruhe-
ehälter, Profeſſoren, jüdiſche Zeitungsſchreiber uſw.
Die find daher entſchieden für die Goldwährung. Für
den Bauersmann und alle, die Waren erzeugen und


ſchieden für die Prägung des gewonnenen Silbers, für
die Doppelwmahrung eureteng

Ob ſchließlich die Geldmänner oder die Waren-
trrzeuger die Oberhand behalten, wäre nicht einen Augen-
blick zweifelhaft, wenn es auf die Zahl ankäme. Denn
von der Landwirtſchaft lebt allein die Hälfte der Ein-
wohner Deutſchland; hierzu kommen die Erzeuger der
anderen auf den Maxrkt kommenden Waren. Aber
dieſe überwiegende Mehrheit wird von der kleinen Zahl
Geldmänner rückſichtslos ausgebeutet, weil dieſe Die
Macht in Händen haben. Das Schlimmſte dabei iſt,


läßt. Sie reden den Bauern vor, erſtens, daß die
Goldwährung ſein Vorteil wäre, und zweitens, daß
man das Geſetz von 1873 jetzt nicht mehr aufheben
könnte. Viele Bauern glauben das und laſſen ſich
die Haut über die Ohren ziehen. Die Geldmänner
haben damit begonnen, daß ſie 1873 die Unkenntnis


ſich zu bereichern. Der Wert des Geldes ift ſofort


die in dem oben angeführten Beiſpiel im Grundbuche
eingetragen ſtehen, ſind allerdings ſtehen geblieben.
Die Zahl iſt von niemanden geändert worden, aber
ihre Bedeutung hat ſich durch das Goldwährungsgeſetz


ſetz. — Alſo das Geſetz von 1873 muß fort, und wenn
man dir ſagt, es iſt nicht mehr fortzubringen, ſo ſtemme
dich mit deiner gewaltigen Kraft dagegen und es wird
fallen, auch ohne England. Der Sozialdemokrat Lieb-
knecht, ein Vorkämpfer für die Geldmacht, ſagte am

30. November 1893 im Reichstage: „Herr von Frege
hat zugegeben, der Schuldner fei für die Doppel-
währung, der Gläubiger für Goldwährung. Das heißt


würde in Silber nur wenig mehr als 500 zurückzu-
zahlen haben, während doch ein anſtändiger Menſch
das zurückbezahlt, was er geliehen hat.“ j

‘ Was iſt darauf zu erwidern?
Darauf iſt zu antworten: Es ſind in den langen
Zaͤhren vor 1873 hundertmal mehr Schulden von uns


waren alle unſere Güter mit Schulden belaſtet. Für
die Schulden aus der Zeit vor 1873, alſo für ?/100
aller Schulden müſſen wir jetzt an unſere Gläubiger
das Doppelte von dem zurückzahlen, was wir vor 1873
erhalten haben. Das haben unſere Gläubiger durch
das Goldwährungsgeſetz erſchlichen, und das nennen ſie


der Zeit nach 1873, alſo fuͤr */100 aller unſerer Schul-
den der Geldmann von dem vorgenannten ungeheuren


der Goldwährung, ſo heißt es: der Schuldner iſt kein
anſtändiger Menſch.“ Nur der Gekdmann iſt ſtets







geſetzes Neunundneunzigen das Fell über die Ohren

Es ſind 14000 Millionen Goldmünzen und
16000 Millionen Silbermünzen auf Erden im Um-


das Silber keine Verwendung mehr und liegt unnütz


Eine ſilberne Mark iſt nur noch 40 Pfennige wert.
Freilich iſt darauf geſchrieben: 1 Mark, aber das
könnte man auch auf ein Stück Blech ſchreiben. Das
ſind doch unhaltbare Zuſtände! Das bedeutet auch
einen großen Verluſt am Landesvermögen. Denn die


9600 Millionen verloren. Deutſchland erleidet auch
an ſeinen Silberbergwerken ungeheure Verluſte, denn
es erzeugt den zehnten Teil alles Silbers, das über-
haupt gewonnen wird, und der iſt wertlos.

Die Wirkung der Goldwährung hat ſich in Eng-


Ernte kommt ein Unternehmer mit einem Schwarm
Arbeiter und verabredet mit dem Beſitzer den Betrag,
für den er Ausſaat und Ernte beſorgt. Er zieht dabei


Schon bilden ſich bei uns ähnliche Verhältniſſe. Bei


güter zwangsweiſe verſteigert. Der Ertrag des Ge-
treidebaues hat auf geringeren Böden bereits derartig


Aber auch das Gewerbe leidet. 800 Millionen
Menſchen leben in Silberländern, d. h. zahlen nicht in


ſie das nicht mehr. Ihr Silber, mit dem ſie bezahlen
wollen, hat keinen Wert mehr. Sie müſſen ſo viel
Silber aus der Taſche holen, daß ſie ſagen, ich kann

Getreide. Sie bezahlen ihrem Arbeiter nur dreißig
Pfennige Tagelohn. Aber ſie bekommen bei uns für
ihre Koͤrner Goid, das bei ihnen zu Hauſe ſo großen
Wert hat, daß ſie dafür eine verhältnismäßig große
Maſſe Silbergeld eintauſchen. Sie können alſo ihr
Getreide billig bei uns verkaufen, ſo billig, daß der
heimiſche Landwirt ſein Getreide nicht los wird.








Die Breslauer Kaiſertage ſind vorüber. Kaiſer
Wilhelm hat ſeinen hohen Gaſt mit den ihm gebühren-
den Ehren und mit majeſtätiſchem Pomp aufgenommen.
Auch die Bevölkerung Breslaus hat alles gethan, was
in ihren Kräften ſteht, um der Bedeutung des Ereig-
niſſes gerecht zu werden. 8* —

Wenn auch der Beſuch des ruſſiſchen Herrſcher-
paares vorwiegend als die Erfüllung eines Gebotes der
Höflichkeit anzuſehen iſt, ſo wird dies doch weit über-
wogen durch ſeine politiſche Bedeutung. Das zeigen
zunächſt die Trinkſprüche, die am Samstag beim


worden ſind. Kaiſer Wilhelm begrüßte den Zaren
als den „Träger alter Tradition, den Hort
des Friedens,“ und Nikolaus II. verſicherte, daß
er „von denſelben traditionellen Gefühlen
beſeelt ſei, wie unſer Kaiſer.“ Es war auch


des Weltfriedens und durchaus nicht geneigt iſt, den
franzöfiſchen Kriegshetzern entgegenzukommen.
Der deutſche Reichskanzler hatte beim Zaren eine
Audienz von einer Stunde. BDie Berathungen der
Miniſter führten zu dem Ergebniß, daß, wie glaubhaft


derſelben, ſowohl bezüglich der Geſamtlage als auch
hinſichtlich aller gegenwärtig ſchwebenden Fragen feſt-

geſtellt wurde.








Der Jubel der Franzoſen dürfte hiernach etwas


der Erfüllung ferner gerückt. Hätte der Zar wirklich
die Abſicht, ſich auf die franzöſiſche Revanchepolitik zu
verpflichten, ſo würde er ſchwerlich den ruhmgekrönten


nung erwieſen haben, nach der Parade an ihrer-


lichen Schleſſe zurückzureiten.


wir wohl zufrieden ſein können.
verhalten, wie er ſich bei den Beziehungen der beiden
verhalten mußte. Rußlands
Intereſſen liegen im Oſten und ſtoßen ſich mit den
unſerigen in keiner weſentlichen Frage. Auch wir


unfreundlichen Augen zu blicken; uns kann nur daran


Nachbarreiche aufrecht zu erhalten. Die Begegnuͤng


eſſen beider Völker in den maßgebenden Kreiſen Ueber⸗ *
Hierin liegt die Bedeutung der
Breslauer Kaiſertage. * n '

* Der ſociatdemobratiſche Abgeordnete Lieblnecht


an die engliſchen Parteigenoſſen gerichtet, in welchem
ſich folgende Stelle findet: „Wahrhaftig,“ ſchreibt er,


tariſchen Kongreſſes bereits im Beſitze der Macht
wären, die ſie bald beſitzen werden, ſo hätte der
Londoner Kongreß in einigen Tagen, ja; in einigen



zeichnet Liebknecht, außer, den armeniſchen, mazedoniſchen,


die elſaß-lothringiſche Frage, die egyptiſche, die
abeſſyniſche, die polniſche, die franzöſiſch-italieniſche,


— Wer denkt da nicht, ſo bemerkt der „Hamburgiſche


erklärte: „Wir müſſen heute Abend die ſoeiale Frage

löſen, und wenn wir die ganze Nacht darüber aufzus

bleiben hätten?“ * *
om künftigen König von England. Wie


Hirſch verſtanden, perſönliche Beziehungen mit fehr
hohen Kreiſen anzuknüpfen. Verſchiedene Mitglieder
der Familie Orleans bekundeten ihm eine gewiſſe


des Hirſch aber gehörte der Prinz von Wales. Biel-
leicht erfährt man über die Grundlagen dieſer Freund-


Börſenblättern, die es wiſſen können, die Erben des


des Verſtorbenen an den „europäiſchen Höfen“ einzu-
ziehen. Man iſt damit bereits vorgegangen. Nach
einer Mitteilung von Londoner Blaͤttern hätte ſich
die Königin Viktoria bereit erklärt, die vierzig
Millionen zu zahlen, die Hirſch dem Prinzen
von Wales geliehen hatte. Bekanntlich hat inzwiſchen
der Prinz von Wales mit dem nordamerikaniſchen
Millionär Aſtor eine neue Freundſchaft geſchloſſen und
zwar ſo innig, daß man von einer Heirat dieſes
Emporkömmlings mit einer Tochter des Prinzen
ſpricht. Für das kapitalreichſte Land der Welt iſt es
wahrlich wenig ehrenvoll, daß ſein künftiger König
ſich genoͤtigt ſieht, um die Freundſchaft internationaler
Millionäré zu werben und ſich zum Schuldner eines
Hirſch zu erniedrigen, der dieſes Verhältnis nach
Kräften für ſeine Zwecke ausgebeutet hat.
-Invaliditaͤts und Altersrenten. Vom Reichs-
Verſicherungsamte iſt das Ergebnis der Verteilung der
während des Jahres 1895 gezahlten Invaliditäts und
Altersrenten ſowie Beitragserſtattungen bekannt gegeben
worden. Danach ſind in dem genannten Jahre 26,5
Millionen für Alters- und 15.5 Millionen für In-
validenrenten, zuſammen 42.1 Millionen ausgegeben
Von den Altersrentenzahlungen ſind 10.5
Millionen und von den Invalidenxentenzahlungen 6,3
vom Reiche erſtaitet worden. Auf den Kopf der Be-
 
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